Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

29.8.12

Wen betrifft das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse jetzt eigentlich?

Die Bundesregierung hat das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse heute tatsächlich verabschiedet. Die beschlossene „Kabinettsvorlage“ ist mittlerweile auch offiziell über den Server des BMJ abrufbar. Wenn man der alten Regel folgt, dass kein Gesetz so aus dem Bundestag rauskommt, wie es als Entwurf reingegangen ist, könnten sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens durchaus noch Änderungen ergeben, zumal die Opposition nicht zustimmen will und es auch nicht als sicher gelten darf, dass die Reihen von Union und FDP geschlossen hinter dem Vorhaben stehen.

Darüber, was das Leistungsschutzrecht jetzt eigentlich genau regelt und wer davon betroffen ist, wird medial bereits wild spekuliert.

Dass es in der Sache um sog. Snippets geht, ist seit längerer Zeit klar. Ebenso wie der Umstand, dass gewerbliche Suchmaschinen wie Google oder Bing, aber auch verschiedenste Special-Interest-Suchdienste, betroffen sind. Für Suchmaschinenanbieter besteht das Problem schon darin, dass bereits normale Suchmaschinentreffer erfasst sein dürften. Denn die Begründung des  Referentenentwurfs bezieht sich ausdrücklich auf die BGH-Entscheidung “Metall-auf-Metall” die zum Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers ergangen ist. Das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers umfasst selbst “kleinste Tonfetzen”, wie der BGH in der Metall-auf-Metall-Entscheidung wörtlich ausführt. Übertragen auf ein Leistungsschutzrecht für Verlagsprodukte bedeutet dies, dass auch kleinste Textbestandteile, sogar einzelne Wörter, vom Schutz umfasst sind.

Die Einführung eines solchen Leistungsschutzrechts wird voraussichtlich dazu führen, dass Google Verlagsinhalte gezielt aussperrt, sofern es mit dem betreffenden Verlag keine ausdrückliche Vereinbarung gibt. Das allerdings dürfte kaum im Sinne der großen Verlage sein, weil ihre Inhalte dann über Suchmaschinen nämlich nicht mehr auffindbar sein werden.

Spannend ist außerdem die Frage, welche weiteren Dienste vom Leistungsschutzrecht betroffen sein werden. Das Gesetz spricht von gewerblichen Diensteanbietern, die Inhalte entsprechend – also wie Suchmaschinen – aufbereiten. Darunter fallen nach meiner Einschätzung News-Aggregatoren wie Google News, Yahoo, nachrichten.de, Virato oder Rivva – sofern man den Dienst als gewerblich qualifiziert.

Betroffen sein könnten durchaus aber auch verlagseigene Presseschauen, wie sie zum Beispiel die SZ seit kurzem anbietet, oder Dienste, die RSS-Feeds einbinden oder automatisiert Linksammlungen erzeugen. Denn hier wird auch ähnlich einer Suchmaschine automatisiert aufbereitet. Auch wenn der Hyperlink als solcher vom Leistungsschutzrecht nicht erfasst wird, reicht es, wenn als Linktext die Überschrift des Presseartikels oder eine prägnante Textpassage gewählt wird.

Soweit SPON meint, Dienste wie Rivva seien nicht betroffen, weil sie eine Auswahl an Textanrissen und Links aufgrund einer eigenen Wertung präsentierten, so ist das eine Schlussfolgerung, die die geplante Gesetzesformulierung keinesfalls hergibt. Man hat unlängst in anderem Zusammenhang erst wieder sehen können, dass der Bundesgerichtshof auch nicht viel auf die Gesetzesmaterialien und die politischen Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren gibt.

Das Zitatrecht bietet, entgegen anderslautender Darstellungen, übrigens auch keinen Ausweg an. Denn Suchmaschinen und ähnliche Dienste zitieren nicht, jedenfalls nicht im urheberrechtlichen Sinne. Ein Zitat setzt nämlich immer voraus, dass man eigene Gedanken zum Ausdruck bringt und sich mit dem zitierten Werk inhaltlich auseinandersetzt. Und genau das können automatisiert arbeitende Dienste nicht leisten.

posted by Stadler at 17:00  

9 Comments

  1. SPON verkennt dabei, dass die „Wertungen“ von Rivva ebenso automatisiert erfolgen, wie bei Suchmaschinen. News Aggregatoren sind ohnehin nur eine Spezialform von Suchmaschinen, bei denen die Zeit ein nicht unwesentliches Ranking-Merkmal darstellt.

    „Als Beispiel führt sie einen Nutzer an, der „aufgrund eigener Wertung“ eine Auswahl von Presseerzeugnissen anzeigt.“, steht bei Heise. Wie ORE/SPON zu dem Schluss mit Rivva kommt ist unklar

    Comment by Daniel Schultz — 29.08, 2012 @ 17:15

  2. Vollständig korrekt dieser Artikel. Bleibt zu ergänzen, dass die Weiterentwicklung des Web wieder einmal unterbunden wird. Semantisches Netz, p2p-Suchmaschinen usw. werden schwieriger. Konkurenz zu Google wird schwieriger.

    Bestehende Suchmaschinen müssen Negativ-Listen der Verlage führen (oder zahlen), wo robots.txt reichen würde.

    Ich komme nicht umhin festzustellen, dass Politiker von Gestern sich wieder einmal in den Fuss geschossen haben.

    Comment by Joachim — 29.08, 2012 @ 17:59

  3. Links auf SEO optimierte Seiten wo der Link schon die Überschrift beinhaltet ist damit auch betroffen?

    Muß ich jetzt alle Links auf meiner FB Fan Seite (gewerblich) löschen?

    Comment by Troll — 29.08, 2012 @ 18:03

  4. .. Das Zitatrecht bietet, entgegen anderslautender Darstellungen, übrigens auch keinen Ausweg an. Denn Suchmaschinen und ähnliche Dienste zitieren nicht, jedenfalls nicht im urheberrechtlichen Sinne. Ein Zitat setzt nämlich immer voraus, dass man eigene Gedanken zum Ausdruck bringt und sich mit dem zitierten Werk inhaltlich auseinandersetzt. Und genau das können automatisiert arbeitende Dienste nicht leisten….

    Das sehe ich ein Wenig anderes. Eine Automatisierte Aufarbeitung kann recht gut eine Zusammenfassung erstellen. Und diese sind sehr wohl eine Auseinandersetzung mit den Zitierten Werken. Solche Sammlungen haben sogar eine eigenes Leistungsschutzrecht, nämlich das für Datenbanken.

    Comment by Hans Carlos Hofmann — 30.08, 2012 @ 03:01

  5. „Metall auf Metall“ ist in der 3. Version allerdings nicht mehr drin.

    Comment by Tom — 30.08, 2012 @ 09:26

  6. Danke für den hilfreichen Beitrag. Die Hoffnung stirbt zuletzt und so hoffen wir alle, dass die Regierung sich auf die wichtigen Sachen konzentriert und aufhört, Chaos zu produzieren…

    Comment by Torsten — 30.08, 2012 @ 17:16

  7. @5.Tom: „Metall auf Metall“ ist noch drin. Letzter Absatz S. 8.

    Comment by holz — 30.08, 2012 @ 17:26

  8. @ zu Kommentar 4.):
    Eine Automatisierte Aufarbeitung kann zwar von einem Text eine Zusammenfassung erstellen, das stimmt zwar, aber sie ist noch lange nicht gleichbedeutend so als wäre daraus jetzt eine Auseinandersetzung mit den Inhalten selber geworden.

    Weil gerade eben noch keiner selber auf den Inhalt drauf eingegangen ist, und somit auch noch keine neuen Inhalte – zu den zitierten Textinhalten – hinzugekommen sind. Aber vor allem das wäre schon die Hauptvoraussetzung dafür, um überhaupt von einer Auseinandersetzung mit den Inhalten hätte reden können. Und auch das erst wäre dann im Sinne der Zitierfreiheit nach § 51 UrhG gewesen. Sonst noch nicht, weil es ja ansonsten auch noch kein Zitat ist ..

    Eine automatisierte Aufarbeitung eines bestimmten Textes, kann natürlich – ohne das neue Inhalte hinzugekommen sind – auch nur genau nur das als Zusammenfassung darstellen, was vorher auch nur an Textinhalten aufbereitet wurde. Also wäre die Zusammenfassung daraus auch nach wie vor genau noch so, ein und der selbe Textinhalt, der es vorher auch schon war, der nun dort als einzigter Unterschied auszugsweise und zusammengefasst dargestellt würde — ohne das neue Inhalte hinzugekommen sind was aber bei Suchmaschinen generell schon und grundsätzlich nie zutreffen kann, weil ja Suchmaschinen selber keine eigenen Inhalte produzieren, sondern sie den Textinhalt genau noch so im Kontext – auch noch nicht mal in Form einer „Zusammenfassung“ – das ist eher unzutreffen – sondern vielmehr nur „Auszüge“ daraus – die sich entsprechend danach richten, wonach aktuell gerade gesucht wurde – und dann in verkürzter Form und auszugsweise nur darstellen können – genau noch so wie sie den Text auch vorher noch unverändert auf irgendeine Seite so gefunden haben.

    Comment by sascha — 30.08, 2012 @ 22:20

  9. Wobei wir schon wieder bei der Frage sind: Wie kommen denn diese Texte „ins Netz“?
    Ab und an verirren sich Zumutungen aus Deutschland auch zu uns weil es deutschsprachige Seiten auf unseren Servern auch gibt aber diesmal werden wir wohl unseren Standpunkt, Deutschland möge sein Netz vom Rest der Welt abklemmen, wenn so wichtige, wertvolle Güter leaken können, ausjudizieren.
    Muss ja kein deutsches Gericht sein…

    Comment by Stuff — 31.08, 2012 @ 23:04

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