Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

19.2.13

Das Leistungsschutzrecht und der Taxifahrer namens Google

Google hat gestern bekannt gegeben, dass es eine Taxikampagne gegen das geplante Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse gestartet hat. Auf den Kopfstützen von 600 Berliner Taxis kritisiert Google das Leistungsschutzrecht mit einem  Zitat von Mario Sixtus „Mit der gleichen Logik könnte ein Restaurantbesitzer von Taxifahrern Geld verlangen, die ihm Gäste bringen„, das einem Kommentar für den Tagesspiegel entstammt.

Dieser Taxivergleich wird andernorts natürlich sofort kritisiert, u.a. mit dem Argument, Google sei gar kein neutraler Transporteur und würde die Leute, anders als ein Taxi, nicht unbedingt dort abliefern wo sie hinwollten. Dieser Einwand ist sicherlich berechtigt, allerdings nicht in der hiesigen Diskussion. Mit ihm wird vielmehr die Frage nach der Notwendigkeit einer Suchmaschinenneutralität gestellt. Das wird künftig möglicherweise noch ein zentrales Diskussionsthema sein, hat aber nichts mit dem geplanten Leistungsschutzrecht zu tun.

Der Taxivergleich stammt übrigens nicht originär von Mario Sixtus. Ich habe diesen Vergleich – der natürlich auch nicht von mir stammt – im Rahmen eines Beitrags für die Zeitschrift Always On bereits im Jahre 2009 (Ausgabe 11/2009, S. 13) gezogen und zwar folgendermaßen:

In einem Blog wurde das Verhalten der Verlage mit dem eines Zoodirektors verglichen, der keinen Eintritt mehr für den Zoo verlangt, aber anschließend von Verkehrbetrieben und Taxifahrern fordert, sie sollten ihre Einnahmen mit dem Zoo teilen, denn ohne den Zoo hätten die Verkehrsbetriebe schließlich auch keine Fahrgäste die zum Zoo gefahren werden wollen. Der anschauliche Vergleich macht deutlich, dass die Verlage kein neues Leistungsschutzrecht fordern, sondern eine staatliche Umverteilung der Gewinne von Google zu ihren Gunsten.

Der Taxivergleich ist aus meiner Sicht durchaus stimmig und veranschaulicht die Herangehensweise der Verlage sehr gut. Weil sie im Netz kein Geld mehr für ihre Verlagserzeugnisse verlangen, sondern diese vielmehr kostenlos und natürlich suchmaschinenoptimiert einstellen, verdienen sie weniger als früher. Und weil der Transporteur Google gut verdient, soll er eben etwas von seinen Gewinnen an die Verlage abgeben. Oder wie es der Vorsitzende des Rechtsausschusses Siegfried Kauder in der Anhörung zum Leistungsschutzrecht so treffend formuliert hat: „Die einen wollen Geld und die anderen wollen nicht zahlen„. Ob Google jetzt ein guter oder ein schlechter Taxifahrer ist, ist jedenfalls in diesem Kontext unerheblich.

posted by Stadler at 10:19  

9 Comments

  1. Mal sehen, wie lange es dauert, bis die Verlage, die bisher Dank guter Beziehungen, Medienmacht und natürlich ziemlich tiefer Taschen andere Ansichten marginalisieren konnten, anfangen zu schimpfen, dass Google in „unfairer Weise“ in die politische Diskussion eingreift.

    Lange dauern kann es ja nicht…

    /s.

    Comment by Sascha — 19.02, 2013 @ 10:23

  2. Hinzu kommen grundsätzliche Fragen unserer Wirtschaftsordnung. Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage stellt eine sozialistische Umverteilung von Umsätzen dar, wo der Gesetzgeber herangezogen werden soll, um Umsätze zu erzielen statt des Marktes. Das ist das Modell, mit dem der Kohlebergbau in Deutschland finalisiert wurde.

    Bei Beibehaltung der sozialen Marktwirtschaft, wie in der CDU zur Zeit Ludwigs Erhard modern war, wäre man kompatibel zu anderen kapitalistischen Ländern. Die Abkehr von der Marktwirtschaft aber war bisher das Ziel von Christoph Keese und seiner Springer AG finanzierten Kampagane. Abfall von der Marktwirtschaft hat aber schon bei Hugenberg in die Irre geführt.

    Es gibt aber zwei gute Nachrichten.
    1:) Wenn man richtigen Qualitätsjournalismus macht, kann man in der Marktwirtschaft Geld verdienen. Das scheint unseren deutschen Presseverlagen noch nicht zu schmecken. Aber die New York Times hat es erst diesen Monat bewiesen:
    „New York Times profits buoyed by online subscriptions
    Profits at the New York Times have tripled, as a surge in online subscriptions more than offset weak demand for advertising space.“
    http://www.bbc.co.uk/news/business-21373596
    Wir sollten daher auch gesetzgeberisch dafür sorgen, dass unsere Presse sich mit Marktwirtschaft und Kapitalismus vertraut macht, statt ständig auf dem Weg des Kohlebergbaus zu beharren, als wenn es Lemminge wären, die aus Angst für der Marktwirtschaft sich von der Klippe stürzen. Wir sollten auch die Amerikaner nicht so verraten wie Christoph Keese, dass man mit aller Gewalt den Kapitalismus wieder abschafft, den uns die Amis nach Hugenberg gebracht haben. Qualitätsjournalismus statt miefigen Sozialismus.

    2.) Das Geplärre um das Leistungsrecht scheint sowieso zu Ende zu sein. Christoph Keese ist bis Juli 2013 nach Palo Alto, Kalifornien geflüchtet, um dort Marktwirtschaft zu lernen. Das Projekt LSR ist offenbar aufgegeben worden zugunsten ehrlicher Arbeit. Vielleicht auch, weil man Christoph Keeses Anteil an den 250 Mio € Verlust bei der FTD überdacht hat, nachdem man seine jüngst veröffentlichten Fotos prächtiger Parties bei der FTD genauer studierte:
    http://www.presseschauder.de/bilder-einer-aufstellung-fotos-von-der-grundung-der-financial-times-deutschland/

    Es geht voran.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 19.02, 2013 @ 10:42

  3. …und dann droht als Auswirkung des Verlags-Sonderrechts auch, dass die USA Deutschland als Copyright-Bösling einstufen. Da dürfte der Herr Keese wohl in USA nochmal nachlobbyieren müssen.

    Comment by Andre — 19.02, 2013 @ 11:39

  4. Der Vergleich mit dem Taxifahrer ist zwar zutreffend, aber mich stört, daß die Betrachtung damit zu einer prinzipiellen wird. Es ist aber in Wahrheit eine Machtfrage. man verhält sich so, wie man es durchsetzen kann.
    Man stelle sich einen tollen Club vor, zu dem viele Gäste mit dem Taxi oder einer Limousine gebracht werden wollen. Der Club hat einen Vordereingang mit rotem Teppich und Vorfahrgelegenheit und einen Parkplatz hinter dem Gebäude, von dem man sich zu Fuß zum Eingang begeben kann. Die Benutzung des Vordereingangs müßte wahrscheinlich reglementiert werden, weil es sonst nicht mehr funktionieren würde. Am einfachsten ginge das über eine Gebühr, die von den Fahrern kassiert wird. Ob die Fahrer diese Gebühr nun auf ihre Preise aufschlagen oder nur zum Teil die Preise erhöhen, weil sie über den Vordereingang immer noch mehr Fuhren schaffen oder mehr Trinkgeld kriegen ist unerheblich.
    An anderer Stelle funktioniert das Kassieren für den Zugang ja auch. Wer im deutschen Einzelhandel seine Produkte platzieren will, muß den Platz im Regal gewissermaßen kaufen. Zumindest erklärte mir ein Freund das so, der eine Zeitlang als Außendienstler für eine Brauerei arbeitete. Wer seine Ware auf zwei Paletten anstatt nur auf einer präsentiert sehen will, muß mehr bezahlen. Bei den Discountern läuft das wahrscheinlich alles über den Gesamtpreis, aber im Getränkehandel ist es wohl so.
    Bevor die Compliance-Regeln in den Unternehmen streng wurden, waren die Einkäufer auch die Gatekeeper, die den Zugang der Anbieter in ein Unternehmen regelten und sich dafür schmieren ließen. Wahrscheinlich ist das immer noch so, aber man muß sich jetzt mehr anstrengen, um es zu vertuschen.
    Wie gesagt: Man sollte das ganze nicht nur rechtlich betrachten, sondern auch als Machtkampf. In dem geht es nicht um richtig oder falsch, sondern darum, ob man sich durchsetzen kann oder nicht.

    Comment by Dieter — 19.02, 2013 @ 11:56

  5. @Wolfgang Ksoll — 19.02, 2013 @ 10:42

    Das LSR hat nichts mit Sozialismus zu tun, sondern mit Rent Seeking. Man will ein Einkommen erzielen, das der Markt nicht hergibt, wie Sie ja auch selbst schreiben. Aber sozialistisch ist das nicht, sondern egoistisch.

    Comment by Dieter — 19.02, 2013 @ 11:58

  6. Die LSRler schießen sich mit dem Argument, Google bringe die Leute nicht da hin, wo sie hinwollten, selbst ins Knie. Es reicht eben nicht, was Schlechtes über Google zu sagen, um selbst gut da zu stehen.

    Comment by Erbloggtes — 19.02, 2013 @ 12:35

  7. Und dabei ist ja nicht nur in den Bussen Werbung, sondern auch im Zoo …

    Comment by Jens — 19.02, 2013 @ 16:15

  8. „… und würde die Leute, anders als ein Taxi, nicht unbedingt dort abliefern wo sie hinwollten.“ Auch im Taxi wissen die Passagiere nicht unbedingt genau, wo sie hinwollen – das vage Ziel ist dann beispielsweise „wo es um diese Zeit noch einen Döner gibt“ oder so. Wenn der Taxifahrer dann eine von mehreren geöffneten Imbißbuden empfiehlt, war es das mit der Neutralität.

    Speziell Rotlichtetablissements sollen angeblich auch Prämien für Taxifahrer bieten, die ihnen Kunden bringen.

    Comment by chi — 19.02, 2013 @ 19:27

  9. @RA Stadler

    Bei Ihnen im Blog nichts Neues. Hier schon

    http://blog.nassrasur.com/2013-02-25/wie-im-fall-mollath/

    http://opablog.net/2013/02/25/woher-der-belastungseifer-von-richter-brixner-i/

    Comment by NW — 26.02, 2013 @ 14:56

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