Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.1.14

Filesharing: Eltern haften nicht für ihre Kinder

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom heutigen 08.01.2014 (Az.: I ZR 169/12 – BearShare) entschieden, dass Eltern als Inhaber eines Internetanschlusses grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen ihrer volljährigen Kinder (als Störer) haften und, dass sie ohne konkreten Anlass auch nicht verpflichtet sind, ihre volljährigen Angehörigen zu belehren oder zu überwachen.

Die maßgebliche Passage aus der Pressemitteilung des BGH lautet:

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige ist zu berücksichtigen, dass die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Im Blick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen darf der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber – etwa aufgrund einer Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung hat, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Da der Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass sein volljähriger Stiefsohn den Internetanschluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Tauschbörsen missbraucht, haftet er auch dann nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen seines Stiefsohnes auf Unterlassung, wenn er ihn nicht oder nicht hinreichend über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen belehrt haben sollte.

Morgen erscheint in der Legal Tribune Online ein ausführlicherer Beitrag von mir zum Urteil des BGH.

posted by Stadler at 21:13  

7.1.14

Insolvenzverwalter von FDUDM2 (vormals DigiProtect) beantragt Mahnbescheide

Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der FDUDM2 GmbH hat, vertreten durch die Rechtsanwälte U&C, Mahnbescheide in Filesharing-Abmahnungen beantragt, mit denen eine Hauptforderung von 650 EUR geltend gemacht worden ist.

Hinter der FDUDM2 GmbH verbirgt sich niemand anderes als die Fa. Digiprotect, die über Jahre hinweg zu den eifrigsten aber auch zweifelhaftesten Filesharing-Abmahnern zählte. Erst kurz vor Insolvenzantrag hat DigiProtect noch schnell in FDUDM2 umfirmiert. DigiProtect wurde früher überwiegend von der Kanzlei Kornmeier anwaltlich vertreten, die insbesondere im Verhältnis zu DigiProtect durch eine fragwürdige Abrechnungspraxis aufgefallen ist, die auch gerichtlich beanstandet wurde. Rechtsanwalt Udo Kornmeier hatte seinerzeit wegen der Berichterstattung in diesem Blog auch erfolglos versucht, gegen mich eine einstweilige Verfügung zu erwirken.

In dem mir jetzt vorliegenden Fall, macht der Insolvenzverwalter die Verletzung der Rechte an einem Pornofilm geltend. Insoweit stellt sich neben der Frage der Rechtsinhaberschaft von DigiProtect und der Frage der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit zudem auch die Frage, ob man in Bezug auf Pornofilme überhaupt ausschließliche Nutzungsrechte für eine Verwertung in dezentralen Netzwerken (Tauschbörsen) einräumen kann. Ich hoffe, der Insolvenzverwalter hat sich gut überlegt, ob er nach Widerspruch im Mahnverfahren tatsächlich in das streitige gerichtliche Verfahren überleiten will.

posted by Stadler at 20:50  

3.1.14

Schwierige Gegenwehr: Die sog. sekundäre Darlegungslast in Filesharing-Verfahren

In Filesharing-Fällen besteht nach der Rechtsprechung des BGH eine Vermutung dahingehend, dass der Anschlussinhaber auch die Rechtsverletzung begangen hat. Bereits diese Vermutung ist zweifelhaft. Eine solche Vermutung kommt nämlich nur dann in Betracht, wenn nach der Lebenserfahrung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen typischen Geschehensablauf besteht. Nachdem der deutsche Haushalt durchschnittlich aus zwei Personen besteht, ist bereits die Annahme, dass der Anschlussinhaber im Regelfall auch der Rechtsverletzter ist, falsch. Nach meiner anwaltlichen Erfahrung wird Filesharing auch häufiger von Jugendlichen und jungen Erwachsenen betrieben, die noch bei den Eltern wohnen, als von älteren Menschen. Wenn es also überhaupt einen typischen Fall gibt, dann ist es der, dass die Kinder des Anschlussinhabers die Filesharer sind.

Wenn man also die tatsächlichen Gegebenheiten betrachtet, dann wäre es naheliegender von der Vermutung auszugehen, dass der Anschlussinhaber nicht der Rechtsverletzer ist als umgekehrt.

Diese falsche BGH-Rechtsprechung bildet dann allerdings den Anknüpfungspunkt für die sog. sekundäre Darlegungslast. Nach der Rechtsprechung genügt es für die Erfüllung der sekundären Darlegungslast ganz allgemein, wenn der Beklagte Umstände vorträgt, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt. Drei Oberlandesgerichte (Frankfurt, Köln, Hamm) haben hieraus für Filesharing-Prozesse mittlerweile die Schlussfolgerung gezogen, dass es ausreichend ist, wenn der Anschlussinhaber darlegt, dass der Anschluss auch von anderen Familienmitgliedern bzw. Mitbewohnern genutzt wird, weil allein dadurch die Vermutung erschüttert wird, der Anschlussinhaber sei selbst Täter der Urheberrechtsverletzung.

Das OLG Hamm hat dies in einer aktuellen Entscheidung nochmals (Beschluss vom 04.11.2013, Az.: 22 W 60/13) dargelegt:

Von dem Anschlussinhaber kann im Rahmen des Zumutbaren substantiiertes Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden, ihm obliegt aber nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss. Vielmehr genügt er seiner sekundären Darlegungslast, wenn er seine Täterschaft bestreitet und darlegt, dass seine Hausgenossen selbstständig auf den Internetanschluss zugreifen können, weil sich daraus bereits die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als die seiner Alleintäterschaft ergibt (OLG Köln, NJW-RR 2012, 1327). Vorliegend hat der Verfügungsbeklagte durch sein als Anlage AG 1 zum Widerspruch vom 09.04.2013 angefügtes Schreiben vom 25.02.2013 an den Verfügungsklägervertreter und durch den Inhalt des Widerspruchs erklärt, dass er vermutet, dass seine minderjährigen Kinder als Verursacher der Rechtsverletzung in Betracht kommen könnten. Darin ist die Erklärung zu sehen, dass diese selbstständig und ohne permanente Aufsicht durch den Verfügungsbeklagten dessen Internetanschluss nutzen können. Dieser Vortrag ist ausreichend, um eine ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als die Alleintäterschaft des Verfügungsbeklagten darzulegen.

Weiterhin anders ticken allerdings die Uhren in München, speziell beim Amtsgericht München, denn dort genügt die Darlegung, dass auch andere Familienmitglieder bzw. Mitbewohner vorhanden sind, die den Internetanschluss ebenfalls nutzen (können), keinesfalls. Vielmehr muss nach Ansicht des AG München konkret dargelegt werden, ob diese Angehörigen zum besagten Zeitpunkt auch zuhause waren und das Internet genutzt haben. Das ist natürlich vielfach nicht möglich und läuft faktisch auf eine Beweislastumkehr hinaus.

posted by Stadler at 10:04  

21.12.13

Ist die Streaming-Abmahnwelle schon wieder zu Ende?

Im Zusammenhang mit den Redtube-Abmahnungen überschlagen sich die Meldungen gerade. Zuerst rudert das Landgericht Köln zurück und räumt ein, dass man den maßgeblichen Sachverhalt juristisch falsch bewertet haben könnte. In Mitteilungen an Prozessbevollmächtigte von Betroffenen wird das Landgericht sogar noch deutlicher, wie man beim Kollegen Petring nachlesen kann. Das deutet darauf hin, dass es in Köln vorerst vermutlich keine weiteren Auskunftsbeschlüsse zu Streaming-Sachverhalten mehr geben wird. Da das Landgericht Köln für die Telekom zuständig ist, dürfte bereits aus diesem Grund eine Fortsetzung dieser oder einer ähnlichen Abmahnwelle unwahrscheinlich sein.

Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau hat der Anbieter von Redtube zudem beim LG Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen The Archive erwirkt, die es dem Unternehmen untersagt, Abmahnungen an Nutzer von Redtube zu schicken, in denen die Verletzung von Urheberrechten von The Archive geltend gemacht wird. Man darf gespannt sein, ob der Rechteinhaber dagegen Widerspruch einlegen wird.

Hinzu kommt die immer noch offene Frage, wie The Archive an die IP-Adressen der betroffenen Nutzer gekommen ist, bzw. ob wirklich dokumentiert ist, dass diese Nutzer bei Redtube auch einen Film angesehen haben, an dem The Archive die Rechte hält. Nachdem klar sein dürfte, dass die Daten nicht von dem Betreiber stammen, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass man das Streamen konkreter Filme gar nicht festgestellt hat oder Hacker-Methoden benutzt wurden, deren Anwendung strafrechtlich relevant sind. Sollte sich diese Annahmen erhärten, dürfte es für einige der Beteiligten auch strafrechtlich eng werden. Dies gilt erst recht, sollte sich bewahrheiten, dass die Nutzer, wie in einem Artikel von Heise beschrieben, ohne ihr aktives Zutun gezielt zu Redtube umgeleitet worden sind.

Denn neben den Tatbeständen des Computerstrafrechts steht ein gewerbsmäßiger Betrug im Raum. Und der funktioniert im konkreten Fall natürlich nur durch die Mitwirkung der Anwälte. Ob es dann ausreichend sein wird, sich darauf zu berufen, man habe nicht gewusst, wie die Nutzer ermittelt worden sind, erscheint fraglich.

Die Süddeutsche widmet sich dem Thema heute übrigens ganzseitig auf der prominenten Seite 3.

Update vom 22.12.2013:
Ulf Buermeyer – Richter am Landgericht Berlin – hat für Heise einen lesenswerten Beitrag zu möglichen strafrechtlichen Konsequenzen für die Beteiligten der Abmahnwelle geschrieben.

posted by Stadler at 20:44  

19.12.13

Das zweifelhafte Geschäftsmodell der Abmahnkanzleien

Dass das Prinzip der Massenabmahnungen im Bereich des Filesharing und neurdings auch Streaming mit den Vorgaben des anwaltlichem Berufs- und Gebührenrechts schwerlich vereinbar ist, habe ich schon vor längerer Zeit in verschiedenen Blogposts am Beispiel der Kanzlei Kornmeier und auch der Kanzlei U&C erläutert. Die Kanzlei Kornmeier ist in einem Einzelfall sogar einmal beim Amtsgericht Frankfurt mit einer Klage auf Erstattung von Anwaltskosten gescheitert, weil sie mit ihrem Mandanten nicht auf Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes abgerechnet hatte.

Diese Diskussion erhält aktuell gerade neue Nahrung durch Veröffentlichungen der Piratenpartei und durch ein Interview mit Rechtsanwalt Urmann bei ZEIT-Online, in dem er meines Erachtens relativ entlarvend von der Zulässigkeit von Erfolgshonoraren spricht. Das deutsche Recht lässt Erfolgshonorare allerdings nur mit deutlichen Einschränkungen zu.

Das grundlegende Problem ist dennoch ein anderes. Denn von dem Abgemahnten kann nur dasjenige Anwaltshonorar erstattet verlangt werden, das zwischen der Abmahnkanzlei und ihrem Mandanten tatsächlich vereinbart ist. Wenn die Zahlung des (vollen) Honorars nach RVG nicht vereinbart ist, dann besteht auch kein entsprechender Erstattungsanspruch gegenüber dem Abgemahnten.

Der BGH hat mit Urteil vom 05.10.2010 (AZ: VI ZR 152/09) zum wiederholten Male entschieden, dass es Voraussetzung eines Anspruches auf Erstattung von Anwaltskosten ist, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zu seinem Anwalt tatsächlich zur Zahlung der Anwaltskosten verpflichtet ist (so bereits BGH, NJW 2000, 3712, 3715). Der BGH hat in der genannten Entscheidung vom 05.10.2010 insbesondere darauf hingewiesen, dass das Gericht insoweit Feststellungen zum Inhalt des dem Anwalt der Klägerin erteilten Auftrags zu treffen hat. Der BGH betont in der genannten Entscheidung ausdrücklich, dass es sich bei der Frage der Erstattung der Kosten im Außenverhältnis um eine echte, vom Geschädigten darzulegende und zu beweisende Anspruchsvoraussetzung handelt. Der klagende Rechteinhaber müsste folglich darlegen und beweisen, auf welcher Basis seine Rechtsanwälte im Innenverhältnis mit ihm abrechnen.

Wenn also beispielsweise auf Grundlage von Pauschalvergütungsvereinbarungen oder auf Basis von Erfolgshonorar abgerechnet wird, scheidet ein (voller) Kostenerstattungsanspruch, der sich nach den Gebühren des RVG bemisst, aus.

Man muss also den mit Filesharing-Klagen befassten Gerichten Einseitigkeit vorhalten und vor allem, dass sie die Vorgaben der BGH-Rechtsprechung ignorieren. Während den Beklagten regelmäßig eine überzogene Darlegungslast aufgebürdet wird, müssen die Rechteinhaber nicht einmal dasjenige darlegen, was nach der Rechtsprechung des BGH geboten ist.

posted by Stadler at 10:54  

18.12.13

Filesharing-Abmahnungen: Die Preise steigen wieder

Der Gesetzgeber wollte mit dem vor zwei Monaten in Kraft getretenen Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken den Abmahnmissbrauch eindämmen. Nicht nur der Umstand, dass die Kanzlei U&C unlängst die bislang größte einzelne Abmahnwelle überhaupt losgetreten hat, ist ein deutliches Indiz dafür, dass dieses Gesetz komplett leerläuft.

Auch bei den klassischen Filesharing-Abmahnungen steigen die Preise wieder. Mit der Kölner Kanzlei Carvus Law vertritt ein bislang nicht so bekannter Player im Abmahngeschäft eine alte Bekannte, nämlich die Silwa Filmvertrieb GmbH (ehemals AG), die früher interessanterweise von der Kanzlei U&C vertreten wurde.

Und mit diesem Anwaltswechsel war auch gleich eine wahre Explosion der Schadensersatzforderungen verbunden. Für den Tausch eines einzigen Pornofilms wird mit einer aktuellen Abmahnung vom 13.12.2013 ein Schadensersatz von stolzen EUR 1800,- geltend gemacht. Wenn man weiß, dass selbst die Kanzlei Waldorf Frommer für bekannte Kinofilme „nur“ Schadensersatzbeträge im dreistelligen Bereich verlangt, ist das geradezu atsronomisch.  Die Abmahnung der Kanzlei Carvus Law ist allerdings eher schlecht gemacht und dürfte, wie die aktuellen U&C-Abmahnung auch, bereits wegen § 97a Abs. 2 S. 2 UrhG unwirksam sein.

Der Versuch des Gesetzgebers, derartige Abmahnungen einzudämmen, muss bereits zwei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes als gescheitert gelten. Man sollte sich an dieser Stelle vor Augen führen, dass es der Gesetzgeber selbst war, der mit verschiedenen Änderungen des Urheberrechts diese Abmahnindustrie, deren Auswüchse wir beobachten, überhaupt erst geschaffen hat. Vor allem durch den Auskunftsanspruch gegen Access-Provider, der nach der Rechtsprechung des BGH auch dann greift, wenn eine Urheberrechtsverletzung im privaten Bereich erfolgt, hat der Gesetzgeber einem Massenmarkt den Weg bereitet, auf dem einzelne Abmahnkanzleien verdienen und vor allen Dingen Rechteinhaber – verstärkt aus der Pornobranche – Einnahmen erzielen, die sie mit dem Verkauf ihrer Werke niemals erwirtschaften könnten.

posted by Stadler at 18:27  

12.12.13

Streaming-Abmahnungen: Woher kommen die Daten?

Seit Tagen wird darüber spekuliert, woher die Nutzerdaten (IP-Adressen) stammen, die zu der Abmahnwelle der Rechtsanwälte U&C geführt haben. Denn letztlich müsste genau protokolliert worden sein, dass die abgemahnten Nutzer über die Plattform redtube tatsächlich den in der Abmahnung genannnten Film des Rechteinhabers The Archive per Stream angeschaut haben.

Hierzu wurde dem Landgericht Köln zusammen mit den Auskunftsanträgen offenbar ein Gutachten vorgelegt, das die technischen Ermittlungen erläutert. Darüber berichtet der Kollege Müller, der aus E-Mails der Pressestelle des Landgerichts zitiert. Leider machen diese Ausführungen des Landgerichts aber auch nicht deutlich, wie man die Kommunikation zwischen einem Webserver und einem beliebigen Nutzer von außen erfassen und protokollieren kann, ohne hierbei Hackermethoden anzuwenden und gegen Strafnormen wie §§ 202a und 202b StGB zu verstoßen. Für mich bleibt unklar, wie man mit Hilfe „üblicher Internettechnologien“ ermitteln kann, dass ein beliebiger Nutzer gerade auf eine bestimmte Datei auf einem externen Webserver zugreift.

posted by Stadler at 14:48  

10.12.13

Warum die Streaming-Abmahnungen der Rechtsanwälte U&C unwirksam sind

In den juristischen Blogs und nicht nur dort, wird angeregt über die neue Abmahnwelle der Rechtsanwälte U&C berichtet und diskutiert, durch die erstmals das Streaming von Filmen durch Nutzer urheberrechtlich beanstandet wird.

Im Zentrum der Kritik stand gestern das Landgericht Köln, das in den Auskunftsbeschlüssen, soweit von Kollegen bereits Akteneinsichten genommen werden konnten, von einem öffentlichen Zugänglichmachen (§ 19a UrhG) und von Tauschbörsen spricht. Das zeugt in der Tat von grobem Unverständnis, denn anders als beim Filesharing machen beim Streaming nicht die Nutzer etwas öffenttlich zugänglich, sondern ausschließlich der Portalbetreiber. Leider findet beim Landgericht Köln in derartigen Fällen keine wirkliche Einzelfallprüfung mehr statt. Die Beauskunftungsbeschlüsse werden seit Jahren nur textbausteinartig durchgewunken. Das wird einem spätestens dann klar, wenn man einmal in mehreren solcher Verfahren Akteneinsicht genommen hat. Das Landgericht Köln hat sich also nicht geirrt, es hat sich offenbar überhaupt keine Gedanken gemacht. Ansonsten hätte man den Antrag, der ja keineswegs verschweigt, dass der Verstoß in einem Streaming besteht, als unschlüssig beanstanden müssen. (Nachtrag: Im Antrag ist allerdings mehrfach von Downloads und Downloadportalen die Rede, was zwar deutlich macht, dass es sich nicht um Filesharing handelt, aber den Sachverhalt dennoch nicht zutreffend wiedergibt).

In technischer Hinsicht ist nicht nachvollziehbar, dass man mittels einer externen Trackingsoftware die Zugriffe auf einen fremden Webserver protkollieren kann. Auch die Annahme einer offensichtlichen Rechtsverletzung ist angesichts der juristischen Unklarheiten eher gewagt.

Die Abmahnungen der Kollegen von U&C leiden aber, ungeachtet der generellen juristischen Bedenken und der berechtigten Frage nach der Herkunft der IP-Adressen der abgemahnten Nutzer, an ganz schnöden handwerklichen Mängeln. Die Abmahnung beachtet nämlich die Vorgabe von § 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 UrhG nicht ausreichend. Denn es wird in der Abmahnung nicht angegeben, dass die von U&C vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht. Die Abmahnung ist alleine deshalb nach § 97 a Abs. 2 S. 2 UrhG unwirksam.

Betroffene könnten nach der Neuregelung des § 97a Abs. 4 UrhG jetzt ihre Anwaltskosten für die Abwehr dieser unwirksamen Abmahnung grundsätzlich bei der Fa. Archive AG geltend machen. Eine Klage in der Schweiz wegen eines derart niedrigen Forderungsbetrags ist allerdings wirtschaftlich nicht sinnvoll.

posted by Stadler at 09:39  

6.12.13

Was ist dran an den Streaming-Abmahnungen?

Im Netz sorgen die Streaming-Abmahnungen der Regensburger Kanzlei U&C gerade für reichlich Diskussionen. Udo Vetter schildert in seinem Blog einige Details, u.a., dass die Schadensersatzforderung nur 15,50 EUR beträgt und der Rest auf Anwalts- und Recherchekosten entfällt. Das ist nicht weiter erstaunlich, denn der denkbare Schaden ergibt sich beim Streaming anders als beim Filesharing nur aus dem Download.

Ob das Streaming eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann, ist in der juristischen Literatur umstritten, wird aber zum Teil bejaht. Dass das Landgericht Köln den Provider (Telekom) zur Auskunft verpflichtet hat, bedeutet zunächst, dass man zumindest dort eine Urheberrechtsverletzung für gegeben hält.

Gegen eine Urheberrechtsverletzung spricht an sich der Umstand, dass der bloße Werkgenuss grundsätzlich keine Nutzungshandlung darstellt. Wer also eine raubkopierte CD oder DVD nur abspielt, begeht keine Urheberrechtsverletzung und zwar auch dann nicht, wenn er weiß, dass er eine Raubkopie benutzt. Was das Streaming angeht, sind jetzt findige Juristen auf die Idee gekommen, dass es in diesem Fall anders sein könnte, weil ja beim Streaming durch das Caching eine zumindest vorübergehende Vervielfältigung stattfindet. Das mag man so sehen, wenngleich ich diese Betrachtung wenig überzeugend finde, weil sich das Streaming phänomenologisch nicht vom Betrachten einer DVD unterscheidet. Wenn man das Streaming als Vervielfältigung ansieht, dann könnte das als kurzfristige Zwischenspeicherung immer noch von der Vorschrift des § 44a UrhG gedeckt sein. Was die Auslegung und den Anwendungsbereich dieser Norm angeht, bestehen viele Unklarheiten, die Tendenz geht allerdings dahin, ein Caching von urheberrechtswidrigem Material als nicht privilegiert anzusehen.

Außerdem könnte natürlich auch noch die Schrankenbestimmung zur Privatkopie (§ 53 UrhG) einschlägig sein. Das setzt allerdings voraus, dass man als Nutzer nicht eine offensichtlich rechtswidrige Vorlage benutzt. Was man als Nutzer der Pornoplattform „redtube“ insoweit für eine Erwartung hat bzw. haben darf, kann ich nicht wirklich einschätzen. Es könnte aber schon sein, dass die Rechtswidrigkeit für den Nutzer zumindest nicht offensichtlich ist, sondern man annehmen kann, dass die Plattform die Rechte besitzt um zu streamen.

Es erscheint gut möglich, dass Gerichte in diesen Fällen eine Urheberrechtsverletzung bejahen werden, zumal bestimmte Gerichte im Zweifel rechteinhaberfreundlich entscheiden. Andererseits dürften aber auch die Verteidigungsmöglichkeiten besser sein als bei Filesharing-Abmahnungen. Die Rechtsanwälte U&C sind außerdem zwar für spektakuläre Abmahnwellen bekannt, aber bislang nicht für Klagewellen.

posted by Stadler at 21:24  

7.11.13

Deckelung der Abmahnkosten auch in noch laufenden Altfällen?

Bei den mit Filesharing-Fällen befassten Amtsgerichten und auch in juristischen Blogs entwickelt sich gerade eine Diskussion darüber, ob die in § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG neu geregelte Deckelung des Anspruchs auf Erstattung von Abmahnkosten auch für anhängige Altfälle gilt. Nachdem die Neuregelung erst am 09.10.2013 in Kraft getreten ist, stellt sich die Frage, ob sie auch für Abmahnungen gilt, die bereits vorher ausgesprochen wurden, wobei der Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten erst jetzt in noch anhängigen Rechtsstreitigigkeiten geltend gemacht wird.

Das Amtsgericht München will die gesetzliche Neuregelung auf solche Altfälle nicht anwenden, während das Amtsgericht Hamburg offenbar zur gegenteiligen Ansicht neigt.

Diese Frage lässt sich nach meiner Einschätzung rechtsdogmatisch relativ eindeutig beantworten, was die Gerichte aber ersichtlich nicht davon abhält, unterschiedliche Ansichten zu vertreten und die Gegenauffassung teilweise sogar als nicht nachvollziehbar anzusehen.

Ausgangspunkt ist die ständige Rechtsprechung des BGH, wonach für die vom Richter anzuwendenden Rechtsnormen der Zeitpunkt der Urteilsverkündung maßgeblich ist (vgl. Zöller, ZPO, § 300, Rn. 3). Das heißt, dass das Gericht Rechtsänderungen sogar noch nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung bis zur Urteilsverkündung berücksichtigen muss.

Nachdem das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken auch keinerlei Übergangsregelungen enthält, ist die Vorschrift des § 97a Abs. 3 UrhG in anhängigen Verfahren grundsätzlich sofort anzuwenden. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Anwaltskosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung entstanden sein können. Das scheint aber offenbar das Amtsgericht München zu glauben. Das RVG regelt nämlich insoweit ausschließlich das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant, während § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG den materiellen Kostenerstattungsanspruch des Abmahnenden gegenüber dem Abgemahnten betrifft. Es kann also durchaus sein, dass im Verhältnis zwischen dem Rechteinhaber und seinem Anwalt nach den Vorgaben des RVG Anwaltskosten aus einem Streitwert von beispielsweise EUR 10.000;- entstanden sind und in diesem Innenverhältnis auch weiterhin gefordert werden können. Dieser Umstand besagt aber nichts darüber, ob und in welcher Höhe ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Abgemahnten besteht. Der Gesetzgeber begrenzt in § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG ganz allein den materiellen Kostenerstattungsanspruch im Verhältnis zwischen dem Abmahner und dem Abgemahnten. Diese Neuregelung zum materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch ist von den Gerichten deshalb in allen noch anhängigen Verfahren zu berücksichtigen. Der Kostenerstattungsanspruch reduziert sich in allen noch gerichtlich anhängigen Verfahren nach Maßgabe von § 97a Abs. 3 UrhG. Die abweichende Rechtsauffassung des Amtsgerichts München dürfte sich dauerhaft kaum durchsetzen, auch wenn sie derzeit im Brustton der Überzeugung vertreten wird.

posted by Stadler at 13:54  
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