Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

14.3.11

Warum das Geschäftsmodell der Filesharing-Abmahnungen rechtlich zweifelhaft ist

Die Kanzlei Urmann & Collegen (U + C) – die zu den Protagonisten der Abmahnszene gehört – veranschaulicht mit  aktuellen Zahlungsaufforderungen, die sie gerade im Auftrag verschiedener Rechteinhaber verschickt, warum das System der Filesharing-Abmahnungen rechtlich problematisch ist.

Die Kanzlei U+C bietet den Abgemahnten namens ihres Auftraggebers zunächst an, die Schadensersatzansprüche und Anwaltskosten durch Zahlung eines Pauschalbetrags (z.B. EUR 650,-) abzugelten. Bestreitet der Abgemahnte die Berechtigung dieser Kosten, dann machen die Rechtsanwälte  in einem Folgeschreiben Anwaltskosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geltend und zwar aus einem Streitwert von EUR 25.000,-. Das ist für das öffentliche Zugänglichmachen eines einzigen Pornofilms, dessen originellen Titel zu nennen, ich mir erspare, ohnehin eine ambitionierter Ansatz. Daneben werden ein pauschalierter Schadensersatz und sonstige Ermittlungskosten (ebenfalls pauschal) gefordert.

Insoweit ist die Frage, ob hier wirklich die Erstattung tatsächlich entstandener Aufwendungen verlangt wird. Der BGH hat erst unlängst wieder entschieden, dass ein solcher Erstattungsanspruch nämlich grundsätzlich voraussetzt, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zu seinem Anwalt zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten auch verpflichtet ist. Das würde im konkreten Fall bedeuten, dass der Rechteinhaber und die Kanzlei U+C vereinbart haben, dass im Innenverhältnis stets Anwaltskosten nach dem RVG aus einem Gegenstandswert von EUR 25.000,- geschuldet sind, also in jedem Einzelfall EUR 911,80 (netto). Wenn dem tatsächlich so wäre, stellt sich allerdings die Frage, weshalb man zunächst eine pauschale Abgeltung in Höhe von EUR 650,- anbieten kann. Denn in diesem Fall müsste der im Verhältnis zu seinem Anwalt zur Zahlung von EUR 911,80 verpflichtete Rechteinhaber EUR 261,80 draufzahlen.

Leider haben die meisten Gerichte immer noch nicht nachvollzogen, dass das Prinzip der Filesharing-Abmahnungen auf einem Konzept fußt, das mit anwaltlichem Berufs- und Gebührenrecht nicht vereinbar ist. Im Zuge dieser verfehlten Rechtsprechung konnte sich deshalb eine wahre Abmahnindustrie entwickeln.

In den Fällen, in denen die Abmahnung Pornofilme zum Gegenstand hat und ein Anti-Piracy-Unternehmen wie DigiProtect abmahnt, ergibt sich noch ein weiteres Problem. Denn für pornografische Inhalte gibt es schon aus Gründen des Jugendschutzes in Torrent-Netzwerken keine legale Möglichkeit einer Nutzung. Es ist deshalb fraglich, ob insoweit überhaupt ein Bereithaltungs- oder Abrufübertragungsrecht im Sinne von § 19a UrhG für P2P-Netze eingeräumt werden kann.

posted by Stadler at 16:24  

13 Comments

  1. Könnten Sie den letzten Abschnitt noch einmal näher erläutern? Was ist denn das Bereithaltungs- oder Abrufübertragungsrecht? Grammatikalisch scheint dem letzten Satz auch etwas zugestossen zu sein…

    Comment by Susan Calvin — 14.03, 2011 @ 16:52

  2. Würde das als Laie so verstehen:

    Da Pornogafie drahtlos/drahtgebunden (§19) nicht legal zur Verfügung gestellt werden darf, darf auch o.a. Firmen kein Recht an der Bereithaltung oder Übertragung eingeräumt werden. Somit könnten sie nicht abmahnen

    Comment by Christian — 14.03, 2011 @ 17:09

  3. Die ständige Rechtsprechung des BGH, dass es auf die konkrete Abrechnung im Innenverhältnis ankommt, gründet darin, dass i.d.R. von der abmahnenden Seite ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird.

    Bereits an diesem Punkt verabschieden sich rechtlich gesehen 50% der Instanzgerichte in ihren Gründen.

    Ob § 12 Abs.1 S. 2 UWG oder § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG, beide Normen regeln AUFWENDUNGSERSATZ.

    Eine Aufwendung ist bekanntermaßen kein Schaden, sondern ein „freiwilliges“ Vermögensopfer.

    Voraussetzung der Erstattungsfähigkeit einer Aufwendung ist, dass sie

    a) überhaupt entstanden ist;
    b) erforderlich war;

    Kurzum, „fiktive Aufwendungen“ sind nicht
    erstattungsfähig (ständige BGH-Rechtsprechung).

    Sofern denn nun im Innenverhältnis Rechteinhaber/Ermächtigter Anwalt eine Bedingung vereinbart worden sein soll (was i.d.R. noch nicht einmal der Fall ist), z.B. „Abrechnung nach Streitwert X nach konkreter Einzelfallentscheidung im Innenverhältnis und Geltendmachung im Außenverhältnis gegenüber Abgemahntem“, sind Kosten immer noch fiktiv, wenn im Weiteren bei Prozessverlust im Innenverhältnis die Forderung/Differenz gegenüber dem abmahnenden Mandanten nicht geltend gemacht wird.

    Soweit „Rahmen-Eckvereinbarungen“ getroffen werden, wo am Ende eine „Ausschüttung“ bzw. Quotelung nach Abzug von Kosten gegenüber dem abmahnenden Rechteinhaber erfolgt, müsste dann die KONKRETE Aufwendung im Einzelfall aus diesem Geschäftsbesorgungsvertrag (Innenverhältnis) herausgerechnet werden. Mal abgesehen davon, dass solches Beteiligungsmodelle aufgrund der Vermischung von anwaltlichem Honorar und „Schäden der Mandantschaft“ m.E. gegen das Beteiligungsverbot an Anwaltseinnahmen verstößt und sowieso nicht ist.

    Steht die Bedingung im Übrigen im jeweiligen Ermessen des Abmahners, dann kann die Aufwendung schon aus diesem Grund nicht mehr „erforderlich“ sein.

    Zu guter letzt: Die „nachträgliche“ Abrechnung nach dem Unterlassungsstreitwert nach Abgabe einer ausreichenden UE sowie weiterer „nerviger“ Korrespondenz hinkt im Übrigen auch insoweit, dass der Streitwert nach Abgabe einer Unterlassungserklärung auf die Annexansprüche reduziert ist. D.h. wenn überhaupt, müssten die weiteren Ansprüche den neuen Streitwert für eine Abrechnung nach Streitwert bilden. Und für den Umstand, dass im Innenverhältnis niemals von Anfang an nach Streitwert abgerechnet wird, spricht jedenfalls dann einiges, wenn stets „günstigere“ Vergleichsangebote unterbreitet werden. Ansonsten könnte angesichts der Einigungsquoten sicherlich schon so manche Produzenten/Interpreten-Combo die Privatinsolvenz aufgrund eigener anwaltlicher Forderungen anmelden.

    Dass die Fiktion der Kostenerstattung rechtlich nicht greift, so wie sich das die Serien-Druck-Abmahnindustrie vorstellt, ergibt sich zwangsläufig, wenn man die Voraussetzungen für einen Aufwendungsersatzanspruch schematisch korrekt durchprüft.

    Comment by AS — 14.03, 2011 @ 17:29

  4. Zusätzlicher Hinweis

    – In gerichtlichen Auseinandersetzungen wurde unlängst mehrfach ein IP-Adressen-Ermittlungssatz von 80,00€/IP geltend gemacht, die der Rechteinhaber zusätzlich zu den Rechtsanwaltskosten leisten müßte, wenn ihm nicht die Firma selbst gehören würde.

    – Die Kosten für den Antrag auf Auskunft hingegen wurden ebenso unlängst mehrfach gesamtschuldnerisch von einer Person geltend gemacht. Auch wenn es sich hier im Einzelantragsfall pro Nase nur um Pfennigbeträge handeln dürfte könnte man hier noch einen zusätzlich Angriffspunkt erkennen, da man ja eigentlich vermuten müßte das es hierüber entsprechende Vereinbarungen gibt.

    Comment by Shual — 14.03, 2011 @ 18:45

  5. Das Problem wird sein/ist, daß die Abmahnanwälte rglm. „anwaltlich versichern“, wonach entsprechend abgerechnet werde. Ohne Offenlegung der Abrechnungen erscheint dies jedoch kaum beweisbar, § 30 AO.

    Comment by anwalt-in-mol.de — 15.03, 2011 @ 11:35

  6. Hallo Herr Stadler,

    bunt treiben es in dieser Hinsicht übrigens auch die Kollegen von Waldorf Frommer, die zwar in den Klagen eine Freistellung von Anwaltskosten fordern, die eigene Forderung gegen ihre Mandanten aber munter verjähren lassen.

    Teilweise ist nun die Forderung aus der Abmahnung gegen den eigenen Mandanten verjährt, so dass der Unterlassungsschuldner wohl auch seinerseits die Erfüllung verweigern kann (vgl. § 417 BGB).

    Das alles riecht in übelster Weise nach einem unzulässigen Erfolgshonorar. Kein Wunder, dass diese Abmahnkultur nur in Deutschland blüht. Woanders müssen die abmahnenden Unternehmen ihre Kosten wenigstens zum Teil selbst tragen.

    Zur Begründetheit der Forderungen könnte man ebenfalls ganze Romane schreiben, aber das sprengt dann wohl den Rahmen eines solchen Kommentars…

    Comment by Marc Pütz-Poulalion — 15.03, 2011 @ 11:41

  7. Solange die Gerichte mitspielen und alternative Lösungsmodelle (siehe hier: http://www.kwblog.de/allgemeines/%E2%80%9Egelbe-karte%E2%80%9C-fur-raubkopierer) lediglich Kritik ernten, wird die zweifelhafte Gebührenpolitik dieser Kanzleien weiterhin funktionieren. Geistiges Eigentum gehört zweifelsfrei geschützt, aber nicht auf dieser Art.

    Comment by Stefan Weste — 15.03, 2011 @ 15:20

  8. Man sollte mal einen neuen Ansatz zur Bekämpfung des Missbrauchs per Seitenhieb erproben:

    Die abmahnenden Firmen dürften ausnahmslos Kapitalgesellschaften sein.

    Wenn die nun ein Mandat vergeben, bei dem die Erfolgsaussichten angesichts der Zahlen der Leute, die sich tatsächlich einschüchtern lassen, doch begrenzt sind, dann müssten sie ja Rückstellungen für die potentiellen Honorare als ungewisse Verbindlichkeiten bilden, § 249 HGB… irgendjemand sollte das glaube ich nachprüfen können oder sogar müssen, z.B. die Wirtschaftsprüfer, die die Bilanz testieren…

    Comment by Luis Cypher — 15.03, 2011 @ 19:49

  9. Es ist schon erstaunlich, mit welcher „Gelassenheit“ ein großer Teil der Gerichte sich über die häufig tatbestandlich fehlenden Grundlagen für vermeintliche Kostenerstattungsansprüche bei (Filesharing-)Abmahnungen hinwegsetzen (vgl. zur Kosten-Problematik und damit zusammenhängenden Aspekten auch http://petringlegal.blogspot.com/2010/04/wer-soll-das-bezahlen-erstattung.html
    und
    http://petringlegal.blogspot.com/2010/05/anwaltskosten-beim-geschaftsmodell.html ).

    Comment by Ralf Petring — 15.03, 2011 @ 19:55

  10. Auf http://www.ebundesanzeiger.de können seit geraume Zeit die Bilanzen von Kapitalgesellschaften eingesehen werden. Leider wird nun bei den „berühmten“ Gesellschaften welche die exclusiven Vertriebsrechte erwerben, nicht immer eine GuV geliefert, aber die Zahlen lassen schon einiges erahnen.

    Comment by michi — 16.03, 2011 @ 21:44

  11. Wie sieht das denn eigentlich das Finanzamt?
    Wenn der Anwalt gegenüber dem Abgemahnten behauptet, seinem Auftraggeber ca. 900€ zu berechnen, dann ergibt sich doch aus der Anzahl der Abmahnungen multipliziert mit dem genannten Betrag ein schönes Sümmchen an Einnahmen, die zu versteuern wären.
    Oder behauptet er dann gegenüber dem FA etwas Anderes?
    Wurde eigentlich schon mal ein Finanzbeamter abgemahnt?

    Comment by Sonstwer — 16.03, 2011 @ 22:41

  12. Meiner Meinung nach sollte man als Betroffener auf eine (filesharing-)Abmahnung auch mit der Erstattung einer Strafanzeige reagieren!

    Und zwar unter anderem wegen des Verdachtes des gewerblichen Betruges (§ 263 StGB) sowie des Verdachtes der Steuerhinterziehung (§ 370 AO)!

    In diesem Sinne, Baxter

    Comment by Baxter — 18.03, 2011 @ 06:30

  13. Was interessant ist zu prüfen: die genannten und abgemahnten pornografischen Filmwerke sind als solches nicht käuflich als DVD oder online zum legalen download zu erwerben. Ich konnte bisher keine der pornografischen Werke online finden, außer von Torrent-Netzwerke und andere P2P Netze. Jugendgefährdende pornografische Filme und Videoclips werden also extra zwecks Abmahnungsmasche im Internet angeboten, schön verpackt in einer ganz anderen „Hülle“ wie eher bekanntere und eher gesuchte XXX Dateien, aber zumeist als RAR verpackt und nicht direkt als .mpeg oder ,avi Format. Also das Bereitstellen solcher jugendgefährdenden Dateien ist schon strafbar und illegal, auch für die, die das als Lock-Quelle zwecks IP-Tracking durchführen, um so die Abmahnindustrie zu speisen. Wo sind dann die wahren Urheberrechte, wenn diese Filme nirgends real zu kaufen gibt? Wo entsteht ein Schaden durch die P2P Verbreitung, wenn ein realer Markt mit exakt diesen Filmen gar nicht bedient wird?

    Comment by DerUnbekannte — 5.02, 2012 @ 00:13

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.