Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

14.12.12

Fall Mollath: Alles nur heiße Luft?

Auf SPON ist unlängst ein Artikel von Beate Lakotta erschienen, der versucht zu erklären, warum der Justitzskandal um Gustl Mollath doch keiner ist.

Die Autorin lässt dabei allerdings wesentliche Aspekte unberücksichtigt, verfälscht andere Punkte und stützt ihre Schlussfolgerung letztlich darauf, dass sich einige Spekulationen nicht bewahrheitet hätten, was sie dann natürlich ausführlich darstellt. Wer sich mit den derzeit bekannten Fakten und Hintergründen des gesamten Falls befasst hat, merkt allerdings sehr schnell, dass sich der Artikel von Beate Lakotta nicht um eine ausgewogenen Darstellung aller relevanten Umstände bemüht.

Aus diesem Grunde sollen hier die Verzerrungen und Unrichtigkeiten des Textes anhand einiger zentraler Aussagen einmal aufgearbeitet und dargestellt werden.

Lakotta schreibt in ihrem Artikel beispielsweise:

Da argumentieren Mollaths Unterstützer beispielsweise, anders als drei gut beleumundete forensische Psychiater übereinstimmend feststellten, sei Mollath gar nicht gefährlich. Denn das Attest, das seine Frau vorgelegt habe, sei nicht nur ein Jahr nach dem angeblichen Übergriff Mollaths gegen Petra Mollath ausgestellt worden; es sei möglicherweise eine Fälschung.

Woher Lakotta die Erkenntnis nimmt, die Unterstützer Mollaths würden seine Ungefährlichkeit aus eventuellen Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Attest herleiten, bleibt unklar. Es dürfte sich um eine Unterstellung handeln, die lediglich dem Zweck dient, eine bestimmte Argumentation aufzuziehen. Aber auch daran scheitert die Autorin. Sie vermengt nämlich in unzulässiger Weise die Frage des Tatvorwurfs einer Körperverletzung, für die Mollath vermutlich keine unbedingte Freiheitsstrafe erhalten hätte, mit der Frage der Gefährlichkeit, die Voraussetzung einer Unterbringung nach § 63 StGB ist. Das eine betrifft die Vergangenheit und das andere die Zukunft. Der Umstand, dass Mollath eventuell eine Körperverletzung begangen hat, ist zwar eine Grundvoraussetzung der Unterbringung, weil es ansonsten ja bereits an einer Straftat fehlt. Andererseits ist dieser Umstand allein bei weitem nicht ausreichend, andernfalls müsste man jeden Straftäter unterbringen. Die Argumentation Lakottas ist an dieser Stelle also inkonsistent.

Was die Feststellungen der drei von Lakotta als gut beleumundet bezeichneten Psychiater angeht, vergisst die Autorin auf zwei durchaus relevante Aspekte hinzuweisen. Alle diese Gutachten und Feststellungen wurden nach Aktenlage erstellt, es lag ihnen also weder eine körperliche Untersuchung noch ein ausführliches Explorationsgespräch zu Grunde. Demgegenüber hat ein ebenfalls renommierter Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut, nämlich der leitende Arzt der Allgemeinpsychiatrie in Mainkofen, Mollath tatsächlich untersucht und nicht nach Aktenlage attestiert. Und zwar nicht im Auftrag Mollaths, sondern in gerichtlichem Auftrag im Rahmen eines Betreuungsverfahrens. Das Gutachten hat deshalb Gewicht, weil es sich nicht um ein Parteigutachten handelt. Dieses Gutachten hat Mollath 2007 als „psychopathologisch unauffällig und geschäftsfähigeingestuft.  Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass bei Mollath mit Sicherheit keine schizophrentypischen Wahnideen vorliegen und es keine Hinweise auf psychotische Erkrankung gibt.

Man könnte an dieser Stelle auch die abweichende und vermutlich zwingende Ansicht vertreten, dass dasjenige Gutachten, dem eine tatsächliche ärztliche Untersuchung zugrunde lag, die höchste Aussagekraft besitzen muss. Damit bliebe allerdings von der einhelligen gutachterlichen Beurteilung, auf die sich Beate Lakotta stützt, nicht viel übrig.

Die weitere Behauptung Lakottas

Denn anders als vielfach behauptet, begründen alle drei psychiatrischen Gutachter, die Mollath für krank und weiterhin gefährlich halten, die Diagnose seiner Wahnkrankheit nicht mit seinen Schwarzgeldbehauptungen.

ist schlicht falsch. Um dies festzustellen, genügt bereits die Lektüre des Strafurteils.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige attestierte Mollath – nach Aktenlage – ein paranoides Gedankensystem. Als ein wesentliches Indiz hierfür wertete der Sachverständige den Umstand, dass Mollath, wie es im Urteil wörtlich heißt “unkorrigierbar der Überzeugung sei, dass eine ganze Reihe von Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Frau, diese selbst und nunmehr auch beliebige weitere Personen die sich gegen ihn stellten (…) in dieses komplexe System der Schwarzgeldverschiebung verwickelt wären.

Auch die letzte Begutachtung zur Fortdauer der Unterbringung aus dem Jahr 2011 stützt sich nochmals ausdrücklich, wenn auch nicht ausschließlich, auf den Aspekt der Schwarzgeldgeschäfte. In der Stellungnahme der Bezirksklinik Bayreuth heißt es, Mollath sei unverändert der Überzeugung, er solle aus dem Weg geräumt werden, weil er „Schwarzgeldverschiebungen“ habe aufdecken wollen. Das OLG Bamberg ordnet daraufhin die Fortdauer der Unterbringung an.

An dieser Stelle arbeitet Lakotta also ganz eindeutig mit unrichtigen Behauptungen.

Beate Lakotta schreibt in ihrem Artikel dann weiter:

Bislang gibt es keinen Beweis dafür, dass Petra Mollath als Angestellte der HypoVereinsbank in Schwarzgeldgeschäfte und Beihilfe zur Steuerhinterziehung verstrickt war, wie ihr Mann behauptet.

Wenn man den Ausgangspunkt betrachtet, erscheint auch diese Aussage Lakottas deutlich gegen den Strich gebürstet. Dass dieser Verdacht nicht aufgeklärt wurde und vermutlich auch nicht mehr werden wird, obwohl es durchaus einen hinreichenden Anfangsverdacht gegeben hat, ist ein schweres Versäumnis der Justiz und der Finanzbehörden, aber nicht der Fehler Gustl Mollaths. Dennoch versucht die Autorin auch diesen, eigentlich an die Justiz- und Finanzbehörden zu adressierenden Vorwurf gegen Mollath zu richten.

Anschließend heißt es bei Lakotta:

Die Bank geht von legalen Transfers legaler Gelder aus.

Auch das ist falsch. Auf S. 7 des Revisionsberichts der HVB ist explizit von Schwarzgeld die Rede. Zuwendungen der Kunden in der Größenordnung von 25.000 DM an beteiligte HVB-Mitarbeiter sind überhaupt nur dann plausibel erklärbar, wenn die Bankmitarbeiter eine Gegenleistung für die Unterstützung bei illegalen Geldgeschäften erhalten haben. Die reguläre Tätigkeit eines Bankmitarbeiters würde kein wirtschaftlich denkender Kunde mit derartigen Geldgeschenken honorieren.

Der Artikel von Beate Lakotta krankt schließlich auch daran, dass sie maßgebliche neue Tatsachen überhaupt nicht erwähnt. Ein früherer Bekannter des Ehepaars Mollaths, der angibt erst 2010 von der Unterbringung Mollaths erfahren zu haben, hat 2011 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, in der er mehrere Telefongespräche mit Herrn und Frau Mollath schildert. In einem dieser Telefonate soll Frau Mollath u.a. ankündigt haben, ihren Mann fertig machen zu wollen und auf seinen Geisteszustand prüfen zu lassen, wenn er ihre Schwarzgeldgeschäfte anzeigt. In diesem Kontext wäre dann auch dem Umstand Bedeutung beizumessen, dass die Exfrau Mollaths ihre Strafanzeige erst erstattet hat, kurz nachdem ihr die HVB – auf Basis der Informationen Mollaths – die fristlose Kündigung erklärt hatte. Denn daraus ergibt sich zumindest ein naheliegendes und handfestes Motiv für eine Falschbeschuldigung.

Wenn dieser Bekannte seine Angaben in einem Wiederaufnahmeverfahren bestätigt und man gleichzeitig berücksichtigt, dass das Aussageverhalten der Ehefrau aufgrund der mittlerweile bekannt gewordenen Umstände anders und deutlich kritischer zu bewerten ist, könnte das Ergebnis eines Wiederaufnahmeverfahrens auch sein, dass Mollath nicht nur wegen der Voraussetzungen des § 20 StGB freizusprechen ist, sondern weil seine Schuld nicht mit der notwendigen Gewissheit festgestellt werden kann. Man sollte an dieser Stelle auch immer berücksichtigen, dass im Strafrecht der Grundsatz in dubio pro reo gilt. Zweifel müssen deshalb, was die strafrechtliche Bewertung angeht, zugunsten von Mollath gehen und nicht zu seinen Lasten.

Die Ausführungen Lakottas zu dem Tatvorwurf des Reifenstechens erscheinen mir symptomatisch für den ganzen Beitrag:

Mollath kennt sich aus mit Reifen. Er zersticht sie auf eine Weise, dass die Luft nicht sofort entweicht, sondern erst beim Fahren. Einigen Fahrern passiert dies auf der Autobahn, bei hohem Tempo, reine Glückssache, dass niemand zu Schaden kam

Dass die diesbezügliche Verurteilung nicht auf eindeutigen Beweismitteln, sondern nur auf zwei eher vagen Indizien beruht, schreibt Lakotta natürlich nicht. Das erinnert in der Tat an die Argumentation der bayerischen Justizministerin und des Bayerischen Richtervereins, die das Urteil deshalb für richtig halten, weil es rechtskräftig ist und vom BGH (auf Rechtsfehler) überprüft wurde. Wer nachvollziehen will, wie die Atmosphäre in der Hauptverhandlung tatsächlich war, dem sei das Interview das Oliver Garcia mit dem Schöffen Westenrieder – einem Mitglied des Gerichts! – geführt hat, empfohlen.

Die Unterbringung Mollaths war und ist nur dann gerechtfertigt, wenn er die Straftaten tatsächlich begangen hat, wenn er im Tatzeitpunkt  an einer krankhaften seelischen Störung oder einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung gelitten hat und zudem für die Allgemeinheit auch weiterhin eine Gefahr darstellt. An allen drei Voraussetzungen bestehen bei vernünftiger Würdigung der jetzigen Faktenlage Zweifel.

Das bedeutet deshalb nicht, dass das Gegenteil richtig sein muss.

Die ZEIT vertritt in ihrer aktuellen Ausgabe in einem Artikel von Blasberg/Kohlenberg/Rückert ebenfalls die These, dass der Justizskandal möglicherweise keiner ist. Auch wenn der Beitrag in der ZEIT deutlich ausgewogener ist als der Spiegelartikel von Lakotta, ist auch dort ein eher selektiver Umgang mit den Fakten erkennbar. In der ZEIT wird ebenfalls fälschlich behauptet, dass sämtliche mit Mollath befassten Sachverständigen eine Geisteskrankheit attestiert haben.

Schwer erträglich und vor allen Dingen auch schwer unsachlich ist allerdings die dort gezogene Parallele zu einem Sexualstraftäter, den man nach 30 Jahren rausgelassen hatte und der nach drei Monaten erneut eine Frau vergewaltigt hat. Selbst wenn Mollath seine Frau im Rahmen einer ehelichen Auseinandersetzung geschlagen und gewürgt haben sollte, spricht das kaum für eine Gemeingefährlichkeit. Der Vergleich mit einem Wiederholungstäter im Bereich des Sexualstrafrechts ist ganz erkennbar Stimmungsmache.

Der Artikel „Ein Kranker wird Held“ in der ZEIT endet mit der Aussage, Mollath habe einem Strafverteidiger, den ihm die Freien Wähler geschickt haben und der nicht einmal Geld verlangt hätte, abgelehnt. Hieraus ziehen die Autorinnen sodann den Schluss, Mollath würde eventuell gar keine Wiederaufnahme wollen, weil ihm die Rolle des Märtyrers der bayerischen Strafjustiz gefalle.

Wenn ich derartige Dinge lese, dann wünsche ich mir, dass man diese Autorinnen einfach mal fünf Jahre lang in der Psychiatrie unterbringt. Vielleicht sind sie dann auch so verzweifelt wie Mollath und schreiben sogar an den Papst.

Bei vernünftiger Betrachtungsweise hätte man schlussfolgern müssen, dass die Nichtmandatierung  eines bestimmten Strafverteidigers für gar nichts spricht. Mollath hat schließlich einen bekannten Rechtsanwalt mit einer Verfassungsbeschwerde betraut, gerade weil er aus der Psychiatrie entlassen werden will.

Das was der Spiegel und leider auch die ZEIT hier anbieten, ist kein Qualitäts- sondern emotionaler Tendenzjournalismus.

Mit den beiden Beiträgen in ZEIT und Spiegel setzen sich auch Oliver Garcia und Henning Ernst Müller kritisch auseinander.

posted by Stadler at 17:30  

14.12.12

Metall auf Metall II: Moses Pelham unterliegt Kraftwerk beim BGH

Die Auseinandersetzung zwischen der deutschen Kultband Kraftwerk und dem Produzenten Moses Pelham über ein Sample aus dem Kraftwerkstück „Metall auf Metall“ für einen Song von Sabrina Setlur hat den Bundesgerichtshof mittlerweile zum zweiten mal beschäftigt. In der ersten Entscheidung – die übrigens in der Diskussion über ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse eine entscheidende Rolle spielt – hatte der BGH entschieden, dass bereits die Entnahme kleinster Tonfetzen einen Eingriff in das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers darstellt. Dieser Eingriff kann nach Ansicht des BGH aber u.U. als sog. freie Benutzung gerechtfertigt sein, wenn es nicht möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen und es sich bei der entnommenen Tonfolge nicht um eine Melodie handelt. Weil diese Frage von den Vorinstanzen nicht geklärt worden war, hatte der BGH an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Fall ist jetzt nochmals beim BGH gelandet (Urteil vom 13.12.2012, Az.: I ZR 182/11 – Metall auf Metall II) der nunmehr abschließend entschieden hat, dass sich die Beklagten (u.a. Moses Pelham) nicht mit Erfolg auf das Recht zur freien Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG) berufen können. Das Sample verstößt damit gegen das Leistungsschutzrecht, das in diesem Fall bei den Mitgliedern der Band selbst liegt. In der Pressemitteilung des BGH heißt es hierzu:

Zwar kann in entsprechender Anwendung dieser Bestimmung auch die Benutzung fremder Tonträger ohne Zustimmung des Berechtigten erlaubt sein, wenn das neue Werk zu der aus dem benutzten Tonträger entlehnten Tönen oder Klängen einen so großen Abstand hält, dass es als selbständig anzusehen ist. Eine freie Benutzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings ausgeschlossen, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen. In diesem Fall gibt es für einen Eingriff in die unternehmerische Leistung des Tonträgerherstellers keine Rechtfertigung. Auch aus der von Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Kunstfreiheit lässt sich in einem solchen Fall kein Recht ableiten, die Tonaufnahme ohne Einwilligung des Tonträgerherstellers zu nutzen. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass zur Beurteilung der Frage, ob es möglich ist, eine Tonfolge selbst einzuspielen; darauf abzustellen ist, ob es einem durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der Benutzung der fremden Tonaufnahme möglich ist, eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original bei einer Verwendung im selben musikalischen Zusammenhang aus Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagten nach diesen Maßstäben in der Lage gewesen wären, die aus „Metall auf Metall“ entnommene Sequenz selbst einzuspielen.

posted by Stadler at 09:20  

13.12.12

Neues zum Leistungsschutzrecht

Der Frage, ob es beim Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse nicht nur Vettern-, sondern vielleicht sogar Brüderwirtschaft gibt, versucht das Blog netzpolitik.org nachzugehen.

Hintergrund ist der Umstand, dass der Staatsminister im Kanzleramt Eckart von Klaeden der Bruder von Dietrich von Klaeden ist, der beim Springer-Verlag die Leitung der Regierungsbeziehungen für Deutschland inne hat und der sich öffentlich – u.a. auf Twitter – für ein Leistungsschutzrecht stark gemacht hat. Diese Konstellation verfügt auch unabhängig vom Leistungsschutzrecht über ein gewisses „Geschmäckle“.

Ein Auskunftsersuchen von netzpolitik.org nach dem Informationsfreiheitsgesetz das auch die Rolle des Staatsministers von Klaeden im Hinblick auf den Kabinettsbeschluss zum Leistungsschutzrecht erhellen sollte, wurde von der Bundesregierung erwartungsgemäß abschlägig verbeschieden. Da braucht sich dann allerdings auch niemand über die Entstehung von Verschwörungstheorien zu beklagen.

Interessant im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht ist auch eine Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion zum Thema. Danach sieht es die Bundesregierung als offen an, ob auch soziale Netzwerke, Twitter, Dienste wie Rivva, Delicious oder Topsy betroffen sind, weil sie Nachrichten vergleichbar zu Suchmaschinen aufbereiten. Die Bundesregierung verweist insoweit lapidar auf eine spätere Klärung durch die Gerichte.

Die Bundesregierung spricht in dieser Antwort auch mehrfach von einer Verpflichtung zum Lizenzerwerb. Diese Aussage ist allerdings schwer nachvollziehbar. Denn der Gesetzesentwurf sieht gerade nicht vor, dass Suchmaschinen und Aggregatoren lizenzieren müssen. Es ist vielmehr so, dass der Entwurf die Anbieter dazu zwingt, Verlagsinhalte nicht ohne ausdrückliche Rechtseinräumung zu indizieren. Dieser gesetzlichen Vorgabe können die Anbieter auf zwei Arten nachkommen. Indem sie die Verlagsinhalte schlicht aus dem Index werfen oder indem sie Lizenzvereinbarungen schließen. Eine Pflicht zum Abschluss von Lizenzvereinbarungen sieht das Gesetz aber gerade nicht vor, eine solche Pflicht wäre auch schwerlich begründbar.

posted by Stadler at 15:48  

13.12.12

Buchstabe M als Marke für Sportwagen schutzfähig

Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 14.11.2012 entschieden, dass der Buchstabe „M“ als Wortmarke für Sportwagen zugunsten von BMW eintragungsfähig ist.

Das entspricht durchaus der Logik des Markengesetzes, denn nach § 3 Abs. 1 MarkenG sind grundsätzlich auch einzelne Buchstaben und Zahlen markenfähig. Allein der Umstand, dass es sich nur um einen einzelnen Buchstaben handelt, ist also nicht ausreichend, um eine Eintragung abzulehnen.

Das Patentgericht ist dann davon ausgegangen, dass der Buchstabe M für Sportwagen nicht beschreibend ist und auch für Konkurrenten von BMW kein Freihaltebedürfnis besteht.

Quelle: PM des Bundespatentgerichts

posted by Stadler at 09:44  

11.12.12

Hamburger Landrecht Again

An eine derart deutliche Pressemitteilung des BGH kann ich mich eigentlich nicht erinnern. Der VI. Zivilsenat haut dem OLG und LG Hamburg zwei presserechtliche Entscheidung förmlich um die Ohren (Urteile vom 11. Dezember 2012, Az.: VI ZR 314/10 und VI 315/10).

Dass der BGH und auch das BVerfG regelmäßig äußerungsrechtliche Entscheidungen aus Hamburg aufhebt, weil man dort bis heute nicht zu einer korrekten Abwägung von Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und Persönlichkeitsrecht andererseits gefunden hat, ist nicht neu. Neu ist allerdings die drastische Wortwahl mit der der BGH die Entscheidungen der hanseatischen Gerichte in diesem Fall kassiert.

In der Pressemitteilung des BGH heißt es wörtlich:

Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass das von den Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinter dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit zurückzutreten habe. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten nicht bewiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet habe, ist unvollständig und verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Die von ihm vorgenommene Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe ist weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfinden kaum in Einklang zu bringen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt. Das Berufungsgericht hat auch zu Unrecht die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung verneint. Es hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass die Beklagten der Stellungnahme des Pressesprechers der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, den gefundenen Unterlagen sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Kläger als IM Christoph für den Staatssicherheitsdienst tätig gewesen sei, ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen durften. Bei dem Bundesbeauftragten handelt es sich um eine Bundesoberbehörde, der durch Gesetz die Aufgabe zugewiesen ist, die Stasi-Unterlagen auszuwerten und zu archivieren.

Wenn man das liest, hat man irgendwie den Eindruck, dass der BGH langsam an den Entscheidungen aus Hamburg verzweifelt und auch aus diesem Grund ungewöhnlich deutlich wird.

Der Kollege Petring kommentiert das Urteil des BGH ebenfalls.

posted by Stadler at 22:19  

11.12.12

Die Sumpfgebiete der Justiz

Das Amtsgericht Dresden hatte zwei Journalisten wegen eines Beitrags für ZEIT-ONLINE zum sog. Sachsensumpf wegen übler Nachrede zum Nachteil von zwei Polizisten verurteilt. Diese Verurteilung hat das Landgericht Dresden gestern aufgehoben und die beiden Journalisten freigesprochen. Gegen das Urteil des Landgerichts steht der Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel der Revision zur Verfügung.

Das bedenkliche an dem Verfahren bleibt allerdings die rechtsstaatsferne Haltung der Dresdener Staatsanwaltschaft und der Umstand, dass sich ein Strafrichter zu einer Verurteilung hinreißen lässt. Denn wenn sich ein Journalist derart schnell strafbar machen kann, dann muss er künftig eigentlich von jeglicher Verdachtsberichterstattung die Finger lassen. Der Dresdener Fall ist aber auch deshalb besonders heikel, weil der „Sachsensumpf“ gerade auch Justizkreise betrifft, weshalb man schon die Frage stellen kann, ob es der Staatsanwaltschaft nicht auch darum gegangen sein könnte, unbequeme Journalisten mundtot zu machen.

Es gibt auch noch andere bedenkliche Fälle von Verurteilungen wegen Äußerungsdelikten, die die Justiz unmittelbar betreffen. Vom Amtsgericht Würzburg wurde kürzlich ein Strafverteidiger wegen übler Nachrede verurteilt, weil er einem Richter vorgeworfen hatte, einen Durchsuchungsbeschluss nicht einmal ansatzweise einer eigenständigen Prüfung unterzogen zu haben. Dieser Vorwurf war auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass es in Würzburg gängige Praxis ist, dass die Staatsanwaltschaft einen vollständig vorformulierten ermittlungsrichterlichen Beschluss – bereits mit dem Briefkopf des Gerichts – einreicht, der  in aller Regel vom Ermittlungsrichter unverändert unterzeichnet wird. Es ist trotz dieser Sachlage nach Ansicht des Amtsgerichts Würzburg dennoch „völlig abwegig“ anzunehmen, ein Richter würde nur blind unterschreiben. Und wer dies trotzdem in Erwägung zieht, begeht eine üble Nachrede. Der Strafantrag wurde in diesem Verfahren übrigens nicht von dem betroffenen Richter gestellt, sondern von der Landgerichtspräsidentin als Dienstvorgesetzte des Richters.

Die beiden geschilderten Verfahren betreffen keine Petitessen. Denn es geht um die Beeinträchtigung der Pressefreiheit und der Freiheit der Advokatur.

Die Justiz ist insgesamt etwas öffentlichkeitsscheu und scheint Berichterstattung und öffentliche Kritik zu fürchten. Gerade Verfahren wie die oben genannten, oder auch der Fall Mollath, brauchen aber die Öffentlichkeit, um überhaupt wieder in geordnete Bahnen zu kommen. Die Justiz ist unabhängig. Aber genau das verleitet einige ihrer Angehörigen offenbar zu der Annahme, niemandem gegenüber verantwortlich zu sein. Gerichtsverhandlungen sind gerade deshalb öffentlich, weil Geheimverhandlungen hinter verschlossenen Türen nicht rechtsstaatlich sind und sich auch die Gerichte der Öffentlichkeit stellen müssen. Wer kritische Berichterstattung als Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz betrachtet, sollte seinen eigenen Standpunkt hinterfragen. Die Öffentlichkeit muss insgesamt besser über die Mechanismen und Abläufe des Justizbetriebs informiert werden, weil erst dadurch der ein oder andere Missstand abgestellt werden kann.

posted by Stadler at 17:39  

11.12.12

Europäische Überwachungsunion

Bei der anlasslosen Speicherung von TK-Verbindungs- und Standortdaten hat das BVerfG in der Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung eine Speicherdauer von 6 Monaten als gerade noch verfassungsgemäß betrachtet.

Die EU will jetzt eine Richtlinie verabschieden, die die Speicherung von Fluggastdaten für die Dauer von fünf Jahren vorsieht. Zu dem Thema hatte ich schon einmal gebloggt. Es handelt sich dabei letztlich ebenfalls um Verbindungs- und Standortdaten, die speziell bei Vielfliegern auch die Erstellung von Bewegungsprofilen ermöglichen. Die Airlines sollen Daten wie Name, Anschrift, Reiseziel, Sitzplatzreservierung und Zahlungsmittel an eine sog. PNR-Zentralstelle weiterleiten, die in jedem Mitgliedsstaat errichtet wird. Diese Zentralstelle soll diese Daten verarbeiten dürfen, wenn der Verdacht einer schweren Straftat besteht. In diesem Fall darf  die PNR-Zentralstelle die Verarbeitung der Daten anhand im Voraus festgelegter Kriterien vornehmen. Das ist letztlich nichts anderes als eine Rasterfahndung.

Der Innenausschuss des EU-Parlaments wird nächste Woche über das Vorhaben abstimmen. Diese Abstimmung wird wohl bereits vorentscheidend sein für die Abstimmung im Plenum.

Mir stellt sich bei derartigen Vorhaben, die vor 10 Jahren noch jeder in den Bereich der Überwachungsfantasien verwiesen hätte, auch immer die Frage, was als nächstes kommt. Vielleicht, dass die Bahn die Passagierdaten von Reisenden ebenfalls erfassen und an eine staatliche Zentralstelle weiterleiten muss?

posted by Stadler at 09:20  

10.12.12

Was die Festnahme des YouPorn-Chefs über den deutschen Jugendschutz besagt

Lese gerade, dass der YouPorn-Chef in Belgien festgenommen wurde und zwar wegen des Verdachts von Steuerdelikten.

Erstaunlich daran finde ich, dass man offenbar überhaupt nicht wegen Verstoß gegen § 184 StGB (Verbreitung pornografischer Schriften) gegen diesen Mann ermittelt.  Zumal ja seit länger Zeit bekannt ist, dass hinter YouPorn das Unternehmen Manwin steckt, das seinen Sitz in Luxemburg hat und dessen Geschäftsführer und Gesellschafter Fabian Thylmann ist, ein Deutscher mit Wohnsitz in Brüssel.

Das wirft Fragen auf und zwar insbesondere im Hinblick auf den Jugendschutz im Netz. Während die zuständige Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) Placebo-Politik betreibt und man hierzulande immer wieder gerne über fragwürdige Neufassungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags diskutiert, interessiert das Vollzugsdefizit im Jugendmedienschutz offenbar niemanden. Die Jugendschützer beanstanden immer wieder ein paar kleinere Websites, während große Player wie YouPorn offen und unbehelligt innerhalb der EU agieren können.

Vielleicht sollten sich die Jugendschutzpolitiker in Deutschland bei dieser Gelegenheit mal fragen, was tatsächlich schief läuft beim Jugendmedienschutz und weshalb man eigentlich nichts dagegen unternimmt, wenn von der EU aus massenhaft und geschäftsmäßig pornografische Inhalte ins Netz gestellt werden, die in Deutschland einen Straftatbestand erfüllen und zudem gegen den JMStV verstoßen. Dann müsste man vielleicht weniger über sinnlose und bedenkliche Instrumente wie Netzsperren, Alterskennzeichnung für Websites oder Sendeschlussregelungen im Netz diskutieren.

posted by Stadler at 18:07  

10.12.12

Filesharing: DigiProtect setzt die Weihnachtsmütze auf

Heute erreichten mich mehrere gleichlautende Schreiben der Rechtsanwälte CGM in Filesharingsmandaten. In dem Schreiben heißt es wörtlich:

Im Hinblick auf die sich nähernden Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel besteht seitens unserer Mandantschaft trotz eindeutiger Rechtslage ein großes Interesse, die leidige Angelegenheit nunmehr endgültig noch im Jahre 2012 zu erledigen.

Das festliche Angebot der Firma DigiProtect besteht darin, die „leidige Angelegenheit“ gegen Zahlung eines Betrags von EUR 199,- abzugelten. Vor zwei Jahren betrug der Weihnachtstarif von DigiProtect übrigens noch EUR 99,-.

In diesen Fällen hatte ursprünglich die Regensburger Kanzlei Urmann & Collegen die Zahlung eines Betrags von EUR 650,- für DigiProtect geltend gemacht. Anschließend trat das Inkassobüro Debcon auf den Plan und wollte sich auf EUR 495,- vergleichen, nachdem man allerdings vorgerechnet hatte, dass sich die tatsächliche Forderung auf schlappe EUR 1.286,80 belaufen würde. Der dritte Streich kommt jetzt von der neu beauftragten Anwaltskanzlei CGM. Und jetzt wäre man sogar mit EUR 199,- zufrieden.

Man kann zu diesem Vorgang jedenfalls feststellen, dass es professionellere Abmahner gibt als DigiProtect.

posted by Stadler at 10:19  

6.12.12

NPD-Verbotsverfahren immer kurz vor der Bundestagswahl

Max Steinbeis hat in seinem Verfassungsblog ein äußerst lesenswertes Interview mit dem ehemaligen Verfassungsrichter Dieter Grimm geführt, der einem neuen NPD-Verbotsantrag eher kritisch gegenübersteht und außerdem darauf hinweist, dass ein solches Verbot auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kippen könnte, da die Hürden für ein Parteiverbot in Straßburg höher seien als in Karlsruhe, weil man dort auch maßgeblich darauf abstellt, ob die ernsthafte Gefahr besteht, dass es der besagten Partei tatsächlich gelingen kann, die verfassungsmäßige Grundordnung zu beseitigen.

Auch wenn man davon ausgehen darf, dass sich der jetzige Antrag anders als vor gut zehn Jahren nicht maßgeblich auf Informationen von V-Leuten stützen wird, bleibt die Frage, wie stark die NPD tatsächlich von V-Leuten der Verfassungsschutzbehörden durchsetzt ist und eventuell sogar geleitet wird, bestehen.

Warum ich einen Verbotsantrag ablehne, habe ich vor längerer Zeit schon ausführlich erläutert. An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert. Und im Gegensatz zu dem was Heribert Prantl heute in der SZ schreibt, glaube ich auch nicht, dass ein solches Verbot dem Schutz des türkischen Gemüsehändlers – womit Prantl allerdings wiederum nur ein Klischee bemüht – dient. Ganz im Gegenteil. Ein NPD-Verbot wird zur Radikalisierung eines Teils der NPD-Anhänger führen, die in den Untergrund gedrängt vermutlich eine noch größere Neigung verspüren werden, dem terroristischen Vorbild des NSU nachzueifern.

Ein Verbotsverfahren ist die Handlungsweise eines schwachen und ängstlichen Staates, der sich dadurch mehr Probleme einhandelt als er löst. Es kommt vielleicht auch nicht von ungefähr, dass ein neuer Verbotsantrag unmittelbar vor einem bedeutenden Wahljahr angekündigt wird. Denn in der Bevölkerung wird ein solcher Antrag mehrheitlich wohl befürwortet und die Entscheidung aus Karlsruhe kommt ohnehin erst nach den Wahlen. Der zeitliche Ablauf war übrigens vor gut 10 Jahren derselbe. Der Verbotsantrag wurde 2001 gestellt, 2002 waren Bundestagswahlen und 2003 kam die ablehnende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Diese Parallele ist aber mit Sicherheit reiner Zufall.

posted by Stadler at 10:14  
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