Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.2.13

BGH: Rapidshare muss Wortfilter einsetzen und externe Linksammlungen überprüfen

Eine neue Entscheidung des BGH zur Haftung des Filehosters Rapidshare – die ich hier anhand der Pressemitteilung des BGH bereits besprochen habe – ist gestern im Volltext veröffentlicht worden (Urteil vom 12.07.2012, Az.: I ZR 18/11).

Der BGH betrachtet Rapidshare als Host-Provider, der ab dem Zeitpunkt für Urheberrrechstverletzungen haftet, in dem er von einer konkreten Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wurde. Die Pflichten von Rapidshare beschränken sich nach Ansicht des BGH aber nicht auf die bloße Löschung beanstandeter Dateien. Vielmehr ist es Rapidshare in diesem Fall auch zumutbar, Wortfilter einzusetzen und externe Linksammlungen zu überprüfen, die auf Server von Rapidshare verweisen.

Der BGH meint inosweit, dass es Rapidshare grundsätzlich auch zumutbar sei, eine manuelle Kontrolle jedenfalls einer einstelligen Zahl von Linksammlungen durchzuführen. Ob darüber hinaus auch eine automatisierte Kontrolle einer größeren Anzahl von Linksammlungen zuzumuten ist, hängt nach Ansicht des BGH von den derzeitigen technischen Möglichkeiten ab. Der BGH hierzu wörtlich:

Die Klägerin hätte dann unter Sachverständigenbeweis stellen können, dass es mittlerweile mit denselben Techniken, mit denen Suchmaschinen und interessierte Nutzer die Download-Links auffinden, möglich ist, automatisiert die Linksammlungen zu durchsuchen und die entsprechenden Hyperlinks aufzufinden. Dabei wäre insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass der Antrag zu b) nur Hyperlinks mit dem Bestandteil „rapidshare.com/files“ erfasst.

Der BGH weist in seiner Entscheidung allgemein darauf hin, dass die Fa. Rapidshare nicht verpflichtet ist, die von ihr gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen (Art. 15 Abs. 1 RL 2000/31/EG – umgesetzt durch § 7 Abs. 2 TMG). Ob allerdings die anschließend vom BGH konkretisierten Prüfpflichten mit dem gesetzlichen Verbot von § 7 Abs. 2 TMG bzw. Art. 15 Abs. 1 ECRL vereinbar sind, thematisiert der Senat nicht weiter. Denn die Verpflichtung zum Einsatz von Wortfiltern lässt sich durchaus auch als Verpflichtung zur Überwachung gespeichterter Informationen deuten, ebenso wie die Verpflichtung zur Kontrolle externer Linksammlungen dahingehend verstanden werden kann, dass damit nach Umständen geforscht werden muss, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Denn es handelt sich gerade nicht um eine bloße Entfernung oder Sperrung im Sinne von § 7 Abs. 2 S. 2 TMG. Es stellt sich insoweit also durchaus die Frage, ob diese Entscheidung des BGH mit europäischem Recht vereinbar ist.

posted by Stadler at 11:09  

22.11.12

LG Hamburg erlässt einstweilige Verfügung wegen Filesharings mit „RetroShare“

Die Software „RetroShare“ ist von Gulli, Chip und Computerbild als anonymes Messenger- und Filesharing-Tool angepriesen worden. Das dürfte bei dem ein oder anderen die Fehlvorstellung hervorgerufen haben, man könne damit unbeschwert Filesharing ohne Abmahnrisiko betreiben.

Diese Annahme ist falsch, wie eine aktuelle einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 24.09.2012 (Az.: 308 O 319/12), über die auch der Kollege Dosch berichtet, zeigt. Die Berichterstattung hat sich damit als trügerisch erwiesen. Das Landgericht Hamburg verbietet in seiner Beschlussverfügung den Tausch urheberrechtlich geschützter Inhalte mittels „RetroShare“. Offenbar war es auch hier möglich, wie in P2P-Netzwerken einen Netzwerkmitschnitt anzufertigen und die Teilnehmer eines Filesharing-Vorgangs über die IP-Adresse zu ermitteln und zuzuordnen.

Die Begründung des Landgerichts Hamburg ist allerdings interessant, denn sie geht davon aus, dass der Antragsgegner überhaupt nicht bewusst Filesharing betrieben hat. Was ihm letztlich vorgeworfen wird, ist die Verletzung einer Prüfflicht dadurch, dass er das Tool RetroShare“ eingesetzt hat, und damit anderen Teilnehmern des Retro-Share-Netzwerks ermöglicht hätte, urheberrechtlich geschützte Werke über seinen Anschluss und Rechner zu tauschen.

Diese Rechtsauffassung ist durchaus gewagt, denn sie bedeutet letztlich, dass man als Störer für die Funktionalität einer Software haftet, die man als Nutzer vielleicht gar nicht ausreichend verstanden hat.

posted by Stadler at 11:30  

16.11.12

Das Ende der Filesharing-Abmahnungen?

Das gestrige Urteil des BGH zu der Frage, ob und inwieweit ein Vater als Anschlussinhaber für Urheberrechstverstöße seines 13-jährigen Sohnes haftet, ist auf breite Zustimmung gestoßen. Es wurde z.T. die Ansicht geäußert, das Urteil habe weitreichende Konseqenzen und könne sogar Altfälle betreffen.

Auch wenn die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, dürfte die Euphorie deutlich übertrieben sein. Es muss damit gerechnet werden, dass sich der BGH eng am Einzelfall orientiert und ähnlich wie in der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ nicht im Wege des Rundumschlags zu allen möglichen Fallkonstellationen Stellung nimmt. Es sind nach meinem Kenntnisstand auch noch weitere Filesharing-Verfahren beim BGH anhängig. Man wird also abwarten müssen, wie der I. Senat die Haftung des Anschlussinhabers für volljährige Familienmitglieder oder für Mitbewohner einer Wohngemeinschaft beurteilt. Es könnte nämlich durchaus sein, dass der BGH mit dem jetzigen Urteil nur über die Anwendung des § 832 BGB entschieden hat. Ob die Entscheidung weiterreichende Anhaltspunkte liefern wird, bleibt abzuwarten.

Die Filesharing-Abmahnungen werden nach meiner Einschätzung aber zunächst unverändert weiter ausgesprochen werden. Und das hat seinen Grund in der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ des BGH, die für Betroffene aus mehreren Gründen nicht vorteilhaft ist. Denn der BGH postuliert dort eine Rechtsvermutung, dass der Anschlussinhaber auch der Rechtsverletzer ist. Die Abmahner dürfen also zunächst unterstellen, dass der Anschlussinhaber auch das Filesharing betrieben hat. Diese Vermutung kann und muss der Abgemahnte durch einen konkreten Sachvortrag entkräften. Er kann beispielsweise den Schadensersatzanspruch, nicht aber den Kostenerstattungsanspruch, zu Fall bringen, wenn er darstellen kann, dass er selbst die Rechtsverletzung nicht begangen hat. Nach der neuen Entscheidung kann er sich jetzt unter gewissen Voraussetzungen auch damit exkulpieren, dass sein minderjähriges Kind die Rechtsverletzung begangen hat. Das beinhaltet dann grundsätzlich aber auch die Notwendigkeit, das Kind (namentlich) zu benennen, was mit dem Risiko verbunden ist, dass anschließend das Kind abgemahnt wird. Das ist dann allerdings eine Folge, die viele Eltern gerade vermeiden wollen, wie ich aus meiner Beratungspraxis weiß.

Die eigentlich spannende Frage lautet daher, ob sich ein Anschlussinhaber alleine damit verteidigen kann, dass er selbst es nicht war, aber in seinem Haushalt noch weitere Familienmitglieder wohnen, die alle als Verletzter in Betracht kommen, wobei er  nicht sagen kann, wer die Rechtsverletzung tatsächlich begangen hat. Ob man mit einem solchen Sachvortrag seiner sog. sekundären Darlegungslast genügt, hat der BGH bislang nicht entschieden und zu dieser Frage dürfte das jetzige Urteil wohl kaum Aufschluss geben.

Es besteht also derzeit kein Grund zur Euphorie. Selbst meine gestrige Annahme, der BGH würde sich in seinem Urteil zur Störerhaftung äußern, könnte zu optimistisch gewesen sein. Es kann nämlich durchaus auch so sein, dass sich der BGH auf die Frage der Haftung des Aufsichtspflichtigen nach § 832 BGB beschränkt hat. Wir werden deshalb vermutlich noch einige weitere BGH-Entscheidungen und vielleicht auch irgendwann eine des BVerfG abwarten müssen, bis die Hauptfallgruppen geklärt sind.

Update:
Der Kollege Dosch hat eine juristische Presseschau zum Urteil des BGH zusammengestellt, deren Verlinkung sich natürlich anbietet.

posted by Stadler at 16:30  

15.11.12

BGH: Keine zwingende Störerhaftung der Eltern im Falle des Filesharings durch die Kinder

Der Bundesgerichtshof hat heute (Urteil vom 15.11.2012, Az.: I ZR 74/12) entschieden, dass die Eltern als Inhaber eines Internetanschlusses nicht zwingend für eine Urheberrechstverletzung ihres 13-jährigen Kindes haften, sofern das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt worden ist. Der BGH hob damit eine anderslautende Entscheidung des OLG Köln auf.

Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht laut BGH grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern – so der BGH – erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben. Nachdem bislang nur die Pressemitteilung des BGH vorliegt, darf man auf die Urteilsbegründung gespannt sein, u.a. auch darauf, ob sich der BGH zu ähnlich gelagerten Fällen ebenfalls äußert.

posted by Stadler at 17:11  

27.10.12

Die Themen der Woche im Blog

TK-Überwachung: Auskunftspflicht über Bestandsdaten soll neu geregelt werden

Markenrecht: Kann das Zeichen @ als Marke eingetragen werden?

Urheberrecht/Filesharing: Gesetzesinitiativen zur Beschränkung der Störerhaftung

Datenschutz: Wie sinnvoll und wie demokratisch ist die geplante EU-Datenschutzgrundverordnung?

Soziale Netze: Wie Facebook mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeitet

Haftung/Urheberrecht: Haften Blogger für Embedded Content?

posted by Stadler at 13:52  

24.10.12

Gesetzesinitiativen zur Beschränkung der Störerhaftung

Die Linke hat den Gesetzesvorschlag der Digitale Gesellschaft e.V. zur Änderung des TMG und zur Haftungsprivilegierung offener W-LANs übernommen und wörtlich in den Bundestag eingebracht. Abweichungen ergeben sich nur in der Begründung.

Angesichts der Formulierung habe ich allerdings weiterhin gewisse Zweifel daran, dass damit auch der private Betreiber eines W-LANs in den Genuss der Privilegierung kommen kann.

Die Grünen haben angekündigt, dass sie den Vorstoß der Linken zwar begrüßen, aber dennoch einen eigenen Gesetzesentwurf einbringen wollen. Ob es sich hierbei um das übliche parteipolitische Geplänkel handelt, weil man der Gesetzesinitiative der anderen Fraktion nicht zustimmen möchte, oder ob es substantielle Abweichungen geben wird, wird sich zeigen.

Seitens der SPD gibt es über den Bundesrat ebenfalls eine Initiative, die allerdings nicht so weit reicht wie der Vorschlag der DigiGes. Ob die Regierungsparteien sich dieser Tendenz anschließen wollen, bleibt abzuwarten. Aber selbst dann wird es aus dieser Richtung wiederum neue Gesetzesentwürfe geben.

Dass diese überfällige politische Diskussion jetzt überhaupt in Gang gekommen ist, ist aber in jedem Fall zu begrüßen.

posted by Stadler at 16:07  

23.10.12

Haften Blogger für Embedded Content?

Letzte Woche haben mehrere Blogs über Abmahnungen von Universal berichtet, in denen Blogbetreiber aufgefordert wurden, Embedded Links auf ein Musikvideo bei YouTube zu entfernen. Beispielsweise der Kollege Dosch hat unter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf die Auffassung vertreten, dass Blogger bei dieser Art der Einbindung von Videos urheberrechtlich haften würde. Der rechtliche Hintergrund wird bei Telemedicus gut erläutert.

Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung ist das Postulat der Paperboy-Entscheidung des BGH, dass im Falle eines (Deep-) Links keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung stattfindet. Denn der BGH geht davon aus, dass ein urheberrechtlich geschütztes Werk durch einen bloßen Link nicht öffentlich zugänglich gemacht werden kann, weil es bereits zugänglich ist. Der BGH hat sich in diesem Urteil ausdrücklich der von mir vertretenen Ansicht angeschlossen, wonach grundsätzlich kein urheberrechtlicher Störungszustand geschaffen wird, wenn der Zugang zu dem Werk durch das Setzen von Hyperlinks (auch in der Form von Deep-Links) nur erleichtert wird.

Die Frage ist jetzt, ob sich an dieser Betrachtung dadurch etwas ändert, dass man ein Video einbettet, indem man einen von YouTube angebotenen HTML-Code in sein Blog integriert, der dazu führt, dass ein Vorschaubild des Videos angezeigt wird und das Video dann zwar direkt über das Blog gestartet werden kann, aber tatsächlich weiterhin über die Videoplattform abgerufen wird.

Auch beim Embedded-Video wird nämlich nur der Zugang zu einem Werk erleichtert, das an einer anderen Stelle im Netz bereits zugänglich ist. Die Argumentation aus dem Paperboy-Urteil passt also auch hier. Der zusätzliche Aspekt der Einbettung kann m.E. daher nur über ergänzende juristische Konstruktionen, wie etwa der Annahme eines Zueigenmachens, zur Bejahung einer Urheberrechtsverletzung führen.

An dieser Stelle muss m.E. zwischen unterschiedlichen Formen des Einbettens differenziert werden. Ein Inlinelink, bei dem der Betrachter tatsächlich den Eindruck gewinnt, beispielsweise ein Bild sei integraler Bestandteil der eigenen Website, muss nicht zwingend mit einem Embedded-Video gleichzusetzen sein. Denn beim eingebundenen Video ist dem Durchschnittsnutzer natürlich bewusst, dass es sich um ein YouTube-Video handelt, weil man das YouTube-Logo einerseits bereits auf dem Vorschaubild sieht und es sich andererseits mittlerweile um eine ebtalierte und verbreitete Form der Verlinkung von Videos handelt, an die sich der User gewohnt hat.

Nach meiner juristischen Einschätzung liegt in diesen Fällen also weder eine originäre Urheberrechtsverletzung vor, noch besteht eine Störerhaftung für eine fremde Urheberrechtsverletzung. Da diese Frage höchstrichterlich nicht geklärt ist und die Rechtsansichten der Gerichte durchaus auseinandergehen, besteht derzeit für Blogger allerdings ein Haftungsrisiko, wenn sie Videos einbetten.

 

posted by Stadler at 11:04  

13.10.12

LG Köln: Anschlussinhaber haftet nicht für Filesharing

Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 11.09.2012 (Az.: 33 O 353/11) entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses weder als Täter noch als Störer für ein urheberrechtswidriges Filesharing haftet, wenn er dargelegt hat, dass der Anschluss auch von anderen Familienmitgliedern genutzt wird, weil allein dadurch die Vermutung entkräftet wird, dass der Anschlussinhaber auch der Täter der Urheberrechtsverletzung ist.

Damit folgt das Landgericht einer Entscheidung des OLG Köln. Das Landgericht Köln – allerdings primär deren 28. Zivilkammer – hatte bislang regelmäßig eine Störerhaftung des Anschlussinhabers angenommen.

Die Frage der Störerhaftung des Anschlussinhabers wird wohl demnächst höchstrichterlich entschieden. Der BGH verhandelt am 15.11.2012 (Az.: I ZR 74/12) einen parallelen Fall. Nachdem sich der I. Senat des BGH in letzter Zeit ausgesprochen rechteinhaberfreundlich gezeigt hat, muss es als offen gelten, ob man sich in Karlsruhe dieser neuen Kölner Linie anschließen wird. Der BGH verhandelt interessanterweise einen Fall, in dem ebenfalls das OLG Köln eine Störerhaftung der Eltern eines 13-jährigen bejaht hatte. Allein daran zeigt sich, wie uneinheitlich und unübersichtlich die Rechtsprechung bislang ist.

Sollte der BGH eine Störerhaftung des Anschlussinhabers annehmen, könnte allerdings anschließend noch eine verfassungsgerichtliche Überprüfung anstehen. Das BVerfG hat in einem Beschluss aus diesem Jahr meines Erachtens eine kritische Haltung gegenüber der Annahme einer weitgehenden Störerhaftung des Anschlussinhabers angedeutet. Es bleibt also spannend.

posted by Stadler at 16:54  

23.9.12

Beschlüsse des Juristentages sind in der Tendenz bürgerrechts- und internetfeindlich

Der letzte Woche zu Ende gegangene 69. Deutsche Juristentag hat eine ganze Reihe fragwürdiger und diskussionsbedürftiger Beschlüsse gefasst, die auf eine stärkere Regulierung und Überwachung des Internets abzielen. Diese Beschlüsse werden von den Fachabteilungen des DJT gefasst, die mir angesichts dessen, was inhaltlich abgestimmt wurde, doch deutlich von einer konservativen und nicht gerade liberalen Grundhaltung dominiert zu sein scheinen.

Die für das Internet relevanten Beschlüsse des DJT finden sich in dem Beschlusspapier u.a. auf S. 9 – 11 (Strafrecht) und S. 23 ff. (IT- und Kommunikationsrecht).

Der DJT spricht sich für eine Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchung (in engen Grenzen) und Quellen-TKÜ aus. Ein Recht auf anonyme Internetnutzung lehnt der DJT ab. Gefordert wird ferner, dass bei der Verarbeitung personenbezogener Daten von Minderjährigen eine Einwilligung des einsichtsfähigen Minderjährigen und seines gesetzlichen Vertreters notwendig sein soll. Das würde natürlich u.a. eine Nutzung sozialer Netze durch Minderjährige erheblich erschweren und ist relativ weit von der Lebenswirklichkeit entfernt.

Eine Auswahl derjenigen Beschlüsse, die mir für das Internet wesentlich erscheinen, habe ich nachfolgend zusammengestellt. Ob der Beschlussvorschlag angenommen oder abgelehnt wurde, ergibt sich aus dem Klammerzusatz am Ende.

Überwachungstechnologien:
Der Gebrauch der existierenden Technologie für eine flächendeckende Überwachung, Filterung und Kontrolle jeglicher elektronischer Kommunikation ist allenfalls mit äußerster Zurückhaltung anzuwenden. Sind Überwachungs- und Filterbefugnisse erst einmal gewährt, so entziehen sie sich einer effektiven Kontrolle durch Justiz und Parlament. (abgelehnt)

Quellen-Telekommunikationsüberwachung:
aa) Ein heimliches Eindringen in ein informationstechnisches System zum Zwecke einer repressiven Quellen-Telekommunikationsüberwachung sollte als Ausgleich für die technisch meist unmögliche Telekommunikationsüberwachung entsprechend den Voraussetzungen der §§ 100a, 100b StPO möglich sein. (angenommen)

bb) Die hierfür eingesetzte Software muss vorab unabhängig zertifiziert werden, z.B. durch den Datenschutzbeauftragten, um sicherzustellen, dass die technischen und rechtlichen Anforderungen eingehalten und die beim Einsatz dieser Software unvermeidlichen Gefahren beherrschbar sind. (angenommen)

cc) Es sollte eine gesetzliche Pflicht geschaffen werden, in jedem Einzelfall nachträglich den Datenschutzbeauftragten zu informieren. (abgelehnt)

Online-Durchsuchung:
aa) Ein heimliches Eindringen in ein informationstechnisches System zum Zwecke einer repressiven Online-Durchsuchung ist angesichts der Möglichkeit einer Verschlüsselung der gespeicherten Daten ein wichtiges Ermittlungsinstrument und sollte daher, wenn auch unter hohen, verfassungsrechtlich vorgegebenen Eingriffsschwellen (vgl. BVerfGE 120, 274) erlaubt werden. (angenommen)

bb) Die hierfür eingesetzte Software muss vorab unabhängig zertifiziert werden, z.B. durch den Datenschutzbeauftragten, um sicherzustellen, dass die technischen und rechtlichen Anforderungen eingehalten und die beim Einsatz dieser Software unvermeidlichen Gefahren beherrschbar sind. (angenommen)

cc) Es sollte eine gesetzliche Pflicht geschaffen werden, in jedem Einzelfall nachträglich den Datenschutzbeauftragten zu informieren. (abgelehnt)

Vorratsdatenspeicherung:
Telekommunikationsanbieter sollten generell und soweit verfassungsrechtlich zulässig nach Maßgabe der RL 2006/24/EG (EU-Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie) verpflichtet werden, bestimmte Verkehrsdaten zu sammeln und für mindestens sechs Monate zu speichern. (angenommen)

Anonymität:
a) Im Interesse einer effektiven Durchsetzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Internet besteht ein schützenswertes Recht der Internetnutzer auf Anonymität. Ansprüche Dritter wegen Rechtsverletzungen durch Internetnutzer sollen weitestmöglich hinter dem Recht auf Anonymität zurückstehen, Identifizierungspflichten von Internetdiensten sind entsprechend zu beschränken (abgelehnt)

b) Ein „Recht auf anonyme Internet-Nutzung“ ist nicht anzuerkennen. Bei aktiver Nutzung des Internets mit eigenen Beiträgen darf der Nutzer nicht anonym bleiben, sondern muss im Rahmen einer Verwendung von Pseudonymen zumindest identifizierbar sein. Nur dann lassen sich Rechtsverstöße wirksam verfolgen. Internet-Dienste sollen den Klarnamen und die Internetverbindung ihrer Nutzer registrieren. (angenommen)

Datenschutz, Persönlichkeitsrecht, Störerhaftung:
Für die wirksame (datenschutzrechtliche, Anm. des Verf.) Einwilligung Minderjähriger ist sowohl die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter als auch die Einwilligung des einsichtsfähigen Minderjährigen erforderlich. (angenommen)

Bei behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist dem Betroffenen – in Anlehnung an §§ 101 UrhG, 19 MarkenG, 140b PatG – ein Auskunftsanspruch zur Benennung des Rechtsverletzers zu gewähren; Ausnahmen sind nur in verfassungsrechtlich gebotenen Fällen zuzulassen. (angenommen)

Der Störerhaftung soll ein Dienstebetreiber nur dann unterliegen, wenn er zumutbare Verhaltens-, namentlich Prüfpflichten verletzt, die nach Art des Internetdienstes unterschiedlich weitreichend sein können. Die vom BGH in der „Blogger“-Entscheidung (Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10) aufgegriffenen Grundsätze – keine Verantwortlichkeit des Providers, wenn er nach Meldung der Rechtsverletzung durch den Rechtsinhaber die Veröffentlichung löscht – sind fortzuentwickeln. Für Äußerungen auf Kommunikationsplattformen sollte ein „Notice-and-take-down“-Verfahren eingeführt werden, in dem auf Meldung eines potentiell Verletzten zunächst der Äußernde zur Stellungnahme aufgefordert wird. Nimmt er nicht in gesetzter Frist Stellung, wird seine Äußerung entfernt; andernfalls findet die rechtliche Auseinandersetzung zwischen Äußerndem und Verletztem statt. (angenommen) (…) Bei anonymen Meinungsäußerungen erfolgt eine umgehende Entfernung der Äußerung (angenommen)

Das geltende Regelungskonzept des Datenschutzes, ein Verbot der Verwendung personenbezogener Angaben mit Erlaubnisvorbehalt, ist grundsätzlich beizubehalten, aber mit deutlich erweiterten Erlaubnistatbeständen für die Internetkommunikation. Datenschutzrechtliche Anforderungen sollten bei überwiegenden Kommunikationsinteressen zurücktreten. (angenommen)

Sowohl die europäische „Datenschutz-Grundverordnung“ als auch die entsprechende nationale Regelung sollten die Verantwortlichkeit von Suchmaschinenbetreibern und deren Umgang mit personenbezogenen Daten regeln. (angenommen)

posted by Stadler at 14:15  

8.9.12

Haftet Google für seine Autovervollständigung?

Presseberichten zufolge hat Bettina Wulff Google vor dem Landgericht Hamburg auf Unterlassung verklagt, weil die sog. Auto-Complete-Funktion der Suchmaschine dem Nutzer zu dem Suchbegriff „Bettina Wulff“ ergänzende Suchbegriffe wie „Rotlichtvergangenheit“ oder „Escort“ anbietet. Ich möchte hier nicht die Erfolgsaussichten einer Klage kommentieren, von der ich nicht einmal den Klageantrag kenne.

Man kann sich aber allgemein mit der Frage befassen, ob und inwieweit Google für Persönlichkeitsrechtsverletzungen haftet. Für Suchmaschinentreffer ist dies bereits, interessanterweise durch das OLG Hamburg, entschieden worden. Nach diesem Urteil kann es Google nicht untersagt werden, bestimmte Suchergebnisse anzuzeigen, die in Bezug auf die Person des Klägers die Begriffe “Immobilie” und “Betrug” bzw. “Machenschaften” enthalten.

Und ich denke, dass dieses Ergebnis zwingend ist und auch für die Funktion Autovervollständigung gilt und zwar völlig unabhängig davon, ob Suchmaschinen haftungsprivilegiert sind oder nicht. Denn die Frage, ob eine bestimmte Äußerung noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist oder die Persönlichkeitsrechte eines anderen verletzt, kann nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BGH nur nach Würdigung des gesamten Kontexts in dem die beanstandete Äußerung steht, beurteilt werden.

Wenn man diese Rechtsprechung ins Kalkül zieht, wird man schwerlich zu dem Ergebnis gelangen können, dass beispielsweise die Suchwortkombination „Bettina Wulff“ und „Rotlichtvergangenheit“ stets und unabhängig von ihrem jeweiligen Kontext rechtsverletzend ist. Denn sonst wäre auch die gesamte aktuelle Berichterstattung über die Prozesse Wulffs gegen Google und Jauch zu beanstanden, einschließlich dieses Blogbeitrags. Das ist aber nicht der Fall, zumal Frau Wulff mit ihrem juristischen Vorgehen selbst Öffentlichkeit schafft und damit die Vorlage für eine zulässige Berichterstattung liefert. Wenn es aber auch zulässige Inhalte gibt, die nach Eingabe der beanstandeten Suchkombinationen angezeigt werden können, folgt allein daraus, dass für ein Totalverbot der Anzeige einer Trefferergänzung durch die Auto-Complete-Funktion kein Raum ist.

Wenn man also die maßgebliche Rechtsverletzung darin sieht, dass Google eine entsprechende Ergänzung der Suchbegriffe über die Auto-Complete-Funktion anbietet, dann müsste das Gericht hierzu feststellen können, dass diese Kombination unter allen Umständen persönlichkeitsrechtsverletzend wäre und eine rechtmäßige Variante ausgeschlossen ist. Diese Feststellung ist aber bereits deshalb nicht möglich, weil sich die Rechtsverletzung nur aus dem Zusammenspiel mit dem verlinkten Inhalt ergeben kann und nicht allein aus der Kombination von Suchbegriffen bei Google. Andernfalls würde man den Gesamtkontext ignorieren. Solange nach Eingabe einer entsprechend vervollständigten Suchanfrage aber auch rechtmäßige Treffer erscheinen, scheidet ein Verbotsausspruch gegenüber Google aus.

Hinzu kommt der Umstand, dass mit einem solchen Verbot eine nützliche Suchmaschinenfunktionalität insgesamt in Frage gestellt würde. Denn bei der Auto-Complete-Funktion werden laut Google nur solche Ergänzungen vorgeschlagen, die bereits zuvor besonders häufig von den Nutzern verwendet worden sind. Es handelt sich also lediglich um eine automatisierte technische Suchhilfe. Hätte die Klage von Bettina Wulff Erfolg, dann würde Google wohl täglich mit der Aufforderung konfrontiert werden, die Anzeige irgendwelcher Ergänzungsvorschläge zu unterlassen und müsste die Funktion der Autovervollständigung deshalb wohl insgesamt abschalten. Es geht hier also ganz grundlegend um die Frage der Aufrechterhaltung nützlicher und hilfreicher Suchmaschinenfunktionen.

Letztlich diskutiert man also nur wieder die in wechselndem Gewand regelmäßig wiederkehrende Frage, inwieweit man Intermediäre für rechtswidrige Inhalte Dritter in Haftung nehmen kann.

Update vom 09.09.2012:
Hier in den Kommentaren und in anderen Blogs wird darauf hingewiesen, dass sich Google mit seiner Auto-Complete-Funktion nicht wirklich neutral verhalten würde, sondern, dass es zahlreiche Fälle gibt, in denen Google (manuell) eingreift und bestimmte Suchergänzungen von sich aus sperrt bzw. unterdrückt.

Die Frage ist, ob dieser Umstand als juristisches Argument gegen Google taugt und wenn ja, wozu das dann führt? Wenn ich heute bei Google eine Suchabfrage starte und nur den Buchstaben b eingebe, dann schlägt mir Google neben Bild und bahn.de auch bereits Bettina Wulff als Suchwort vor. Das erscheint mir nicht ungewöhnlich, vielmehr dürfte es naheliegend sein, dass gerade dieses Suchwort im deutschsprachigen Bereich derzeit zu den vier oder fünf meistgesuchten Begriffen gehört, die mit b beginnen. Wenn man jetzt das Suchwort bis auf Bettina erweitert, schlägt Google bereits „bettina wulff prostituierte“ und „bettina wulff escort“ vor. Wenn ich anschließend auf „bettina wulff escort“ vervollständige, dann stammen die ersten Suchergebnisse durchwegs von renommierten deutschen Redaktionen, u.a. von Focus und ZEIT Online. Wenn also die Annahme zutreffend ist, dass Google mit seiner Autocomplete-Funktion die Verbreitung von Verleumdungen fördert, müssten insbesondere die ersten Treffer, also Focus und ZEIT, persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte aufweisen. Genau das ist aber nicht der Fall. Die Autovervollständigung führt vielmehr ganz ersichtlich primär dazu, den Zugang zu nicht rechtsverletzendem Content zu fördern. Kann man es Google vor diesem Hintergrund also tatsächlich verbieten, zum Suchbegriff „Bettina Wulff“ die Ergänzung „Escort“ anzubieten?

Mich erinnert diese Diskussion einmal mehr an die Debatten, die rund um das Thema Netzsperren geführt wurden, denn was Bettina Wulff will, ist nichts anderes als eine Zugangserschwerung. Es erscheint erneut verlockend, dafür einen technischen Dienstleister in Anspruch zu nehmen, obwohl dieser das fragwürdige Gerücht nicht in die Welt gesetzt hat und auch nicht originär dafür verantwortlich ist, dass sich Menschen, die von ihrer Neugier getrieben werden, gezielt und massenhaft bei Google auf die Suche nach diesem Gerücht begeben.

Natürlich wirkt Google an der Verbreitung dieses Gerüchts mit und zwar sogar ganz massiv. Denn genau das ist die Funktion und Aufgabe einer Suchmaschine. Müsste man also nicht konsequenterweise von der eher läppischen Diskussion um die Auto-Complete-Funktion Abstand nehmen und sogleich fordern, dass Google bestimmte Suchkombinationen – also z.B. Bettina Wulff Escort – schlicht nicht mehr zulassen darf? Dass Google gelegentlich selbst Hand anlegt und in die Funktionalität der Autovervollständigung manuell eingreift, ist bedenklich. Man sollte aber daraus nicht die Forderung ableiten, dass Google dies deshalb in noch größerem Umfang tun müsste.

Ich habe, auch aus rechtspolitischen Gründen, überhaupt keine Sympathie für die Klage Wulffs gegen Google und hoffe sehr, dass Google den Rechtsweg ausschöpfen wird, sollte dies notwendig werden.

posted by Stadler at 22:31  
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