Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

4.9.13

BGH erweitert Prüfpflichten von Filehostern wie Rapidshare

Bereits im letzten Jahr hat der BGH entschieden, dass einen sog. File- bzw. Sharehoster – im konkreten Fall Rapidshare – Sperrpflichten sowie Prüf- und Filterpflichten für die Zukunft treffen, sobald er auf einen konkreten Urheberrechtsverstoß hingewiesen worden ist.

Diese Rechtsprechung hat der BGH nunmehr mit Urteil vom 15.08.2013 (Az.: I ZR 80/12) konkretisiert und erweitert. Die amtlichen Leitsätze dieser neuen Entscheidung lauten wie folgt:

a) Ist das Geschäftsmodell eines File-Hosting-Dienstes nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt, ist der Umstand, dass der Betreiber durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung des Dienstes fördert, bei der Bestimmung des Umfangs der ihm als Störer obliegenden Prüfpflichten zu berücksichtigen (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 – I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 Rn. 21 ff. – Alone in the Dark).

b) Leistet ein File-Hosting-Dienst durch sein konkretes Geschäftsmodell Urheberrechtsverletzungen in erheblichem Umfang Vorschub, so ist ihm eine umfassende regelmäßige Kontrolle der Linksammlungen zuzumuten, die auf seinen Dienst verweisen (Fortführung von BGHZ 194, 339 Rn. 39 – Alone in the Dark).

c) Die Prüfpflichten des Störers, die sich danach ergeben, bestehen in Bezug auf jedes Werk, hinsichtlich dessen ihm eine klare Rechtsverletzung angezeigt worden ist; sie verringern sich nicht deswegen, weil er auf eine große Zahl von Verletzungen – im Streitfall auf das Öffentlich-Zugänglichmachen von über 4800 Musiktiteln – hingewiesen worden ist.

Der BGH geht also nunmehr wesentlich deutlicher als bislang davon aus, dass das Geschäftsmodell von Rapidshare zwar nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt ist, weil es auch einen erheblichen Anwendungsbereich für eine legale Nutzung bietet, aber dennoch die Gefahr einer urheberrechtsverletzenden Nutzung durch eigene Maßnahmen fördert. Dies macht der BGH vor allem an den Premium-Konten fest, die Rapidshare anbietet. Und genau dieser Umstand führt im Rahmen der Störerhaftung nach Ansicht des BGH zu erhöhten Prüf- und Sorgfaltspflichten.

Den Umfang der konkreten Prüfmaßnahmen im Hinblick auf künftige Urheberrechtsverletzungen hat der BGH dann erstaunlich weit gezogen. Den Sharehoster trifft danach eine generelle Marktbeobachtungspflicht, sobald er einmal auf die Verletzung eines konkreten Werks (Film oder Musiktitel) hingewiesen worden ist:

Die vom Berufungsgericht der Beklagten in diesem Umfang auferlegte allgemeine „Marktbeobachtungspflicht“ ist unter den konkreten Umständen des Streitfalls zumutbar und geboten. Die Beklagte ist somit verpflichtet, über allgemeine Suchmaschinen wie Google, Facebook oder Twitter mit geeignet formulierten Suchanfragen und gegebenenfalls auch unter Einsatz von sogenannten Webcrawlern zu ermitteln, ob sich hinsichtlich der konkret zu überprüfenden Werke Hinweise auf weitere rechtsverletzende Links auf ihren Dienst finden.

Das dürfte für Dienste wie Rapidshare ein äußerst aufwändiges Unterfangen darstellen, mit dem man sein Haftungsrisiko dennoch nur minimieren aber kaum ausschließen kann.

Es ist also durchaus möglich, dass dies kurz- oder mittelfristig das Aus für Dienste wie Rapidshare in Deutschland bedeuten wird.

posted by Stadler at 10:38  

17.7.13

Filesharing: Genügt das werkseitig vorgegebene Standardpasswort der Fritzbox?

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ postuliert, dass der Betreiber eines privaten W-LANs verpflichtet sei, dieses ausreichend zu verschlüsseln und durch ein individuell vergebenes Passwort abzusichern. Warum diese Rechtsprechung fragwürdig ist, habe ich hier näher erläutert.

Das Amtsgericht Frankfurt hat in einem Filesharing-Verfahren nunmehr entschieden (Urteil vom 14.05.2013, Az.: 30 C 3078/12 (75)), dass auch die Benutzung des werkseitig vorgegebenen 13-stelligen Schlüssels der Fritzbox des Herstellers AVM diesen Anforderungen genügt, weil es sich hierbei jeweils um ein individuelles Passwort handelt und der BGH nur die Fälle gemeint haben kann, in denen der Hersteller ein einheitliches Standardpasswort vergeben habe. Diese Schlussfolgerung ist in tatsächlicher Hinsicht natürlich fragwürdig, denn nach meinem Kenntnisstand ging es in der BGH-Entscheidung gerade auch um eine Fritzbox.

Das Amtsgericht Frankfurt geht – im Gegensatz anderen Gerichten wie dem AG München – auch davon aus, dass der Beklagte seiner sog. sekundären Darlegungslast bereits durch die Darlegung nachkommt, dass noch andere Familienmitglieder berechtigten Zugriff auf den Internetanschluss haben. Außerdem hat das Amtsgericht Frankfurt auch eine Störerhaftung für Rechtsverletzungen durch Familienmitglieder mangels Bestehen entsprechender Prüfpflichten verneint.

Die Entscheidung belegt einmal mehr, dass die Rechtsprechung zum Filesharing sehr uneinheitlich ist und speziell in Frankfurt ganz anders entschieden wird als in München und Hamburg, weshalb die Rechteinhaber mittlerweile fast nur noch bei diesen beiden Gerichten klagen. In Frankfurt reicht es mittlerweile vorzutragen, dass andere Familienmitglieder ebenfalls Zugriff auf den Internetanschluss haben, um eine Klageabweisung zu erreichen, während in München die Uhren noch ganz anders ticken. Die Frage, welche Anforderungen an die sog. sekundäre Darlegungslast zu stellen sind, lasse ich beim Landgericht München I gerade in einem Berufungsverfahren gegen ein Urteil des Amtsgerichts klären.

posted by Stadler at 12:24  

14.6.13

OLG Hamburg zur Frage, ob ein Sharehoster als Gehilfe haften kann

Wenn ein Sharehoster für mehrere Wochen untätig bleibt, nachdem er von einer Urheberrechtsverletzung durch einen Nutzer des Dienstes in Kenntnis gesetzt worden ist, dann haftet er nach einer neuen Entscheidung des OLG Hamburg als Gehilfe des Verletzers (OLG Hamburg, Beschluss vom 13.05.2013, Az.: 5 W 41/13).

Das Oberlandesgericht führt dazu aus, dass sich der Sharehoster nicht mehr auf die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG berufen kann, wenn er trotz Kenntnis – und hier offenbar sogar der Zusicherung die Inhalte zu entferen – untätig bleibt, sondern dann nach allgemeinen Grundsätzen haftet. Das bedeutet dann im Ergebnis, dass der Sharehoster auch auf Schadensersatz haftet kann und zudem eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der beim Filehoster handelnden Personen in Betracht kommt.

Im konkreten Fall hat der Senat zwar eine Haftung als Mittäter verneint, aber eine solche wegen Beihilfe bejaht. Das OLG geht insoweit davon aus, dass eine objektive Unterstützungshandlung des Sharehosters vorliegt und zudem auch bedingter Vorsatz, nachdem man nach Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung untätig geblieben ist und die Fortsetzung der Rechtsverletzung damit billigend in Kauf genommen hat.

Die Entscheidung dürfte auch auf gewöhnliche Hoster sowie alle, die fremde Inhalte zur Verfügung stellen oder publizieren, übertragbar sein.

Die Entscheidung wird auch bei Telemedicus besprochen.

posted by Stadler at 11:55  

5.6.13

Bundestag will Haftungsbeschränkung für Betreiber offener W-LANs nicht regeln

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Bundestages hat einen Antrag der SPD, der darauf abzielte, Haftungsbeschränkungen für Betreiber offener W-LANs gesetzlich zu regeln, abgelehnt.

Union und FDP haben gegen den Antrag gestimmt, Grüne und Linke enthielten sich, weil ihnen der Antrag der SPD nicht weit genug ging bzw. sie eigene Anträge hatten.

Die Haltung der Regierungsfraktionen ist unverständlich. Nach zutreffender rechtlicher Bewertung müssen Betreiber offener W-LANs denselben Regeln unterliegen wie professionelle Zugangsprovider, also insbesondere der Haftungsprivilegierung des § 8 TMG. Da diese Vorschrift nach der Rechtsprechung des BGH aber nicht für Unterlassungsansprüche gilt, stellt sich insoweit die Frage nach der sog. Störerhaftung, was der Gesetzgeber ebenfalls klarstellend regeln könnte.

Nachdem es immer mehr Bestrebungen gibt, freie und offene W-LANs anzubieten, aktuell beispielsweise in München, existiert auch ein erheblicher Regelungsbedarf, um die bestehende, erhebliche Rechtsunsicherheit zu beseitigen.

Die Bundesregierung und die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit hemmen durch ihre politisch nicht nachvollziehbare Haltung damit einmal mehr eine sinnvolle und notwendige Entwicklung.

posted by Stadler at 22:37  

14.5.13

Das Urteil des BGH zu Googles Autocomplete-Funktion

Das Urteil des BGH zur Autocomplete-Funktion von Google habe ich für Heise besprochen, soweit eine Presseerklärung das zulässt. Deshalb hier im Blog nur der Hinweis auf den Beitrag bei Heise-Online. Zu der Thematik hatte ich im letzten Jahr schon ausführlicher gebloggt.

Das Urteil hat mich im Ergebnis dann doch etwas überrascht, weshalb ich umso gespannter auf die Urteilsbegründung bin. Man wird abwarten müssen, inwieweit das Urteil tatsächlich verallgemeinunerungsfähig ist und ob Google jetzt massenweise Aufforderungen zur Bereinigung seiner Autovervollständigung erhalten wird.

Google hat bislang offenbar auch noch nicht konkret erklärt, wie man auf das Urteil, das ja unmittelbar nur zwischen den Parteien wirkt, reagieren wird.

posted by Stadler at 16:15  

10.5.13

Aufruf zum Thema Filesharing/Störerhaftung

Am kommenden Montag findet im Unterausschusses Neue Medien des Bundestages eine Sachverständigenanhörung zur WLAN-Störerhaftung statt. In der parlamentarischen/politischen Diskussion wird nun offenbar verstärkt die Behauptung aufgestellt, Filesharing-Abmahnungen beträfen nur Privathaushalte, Gewerbetreibende, insbesondere Gastwirte und Hoteliers würden gar nicht abgemahnt.

Dass das nicht zutreffend ist, weiß ich schon aus meiner eigenen Sachbearbeitung. Gerade Hotels, Pensionen und Gaststätten, die ihren Gästen Internetzugang zur Verfügung stellen, bekommen immer wieder Abmahnungen.

Der als Sachverständige geladene Ulf Buermeyer sucht hierzu noch konkrete Beispiele, um das Problem plastisch zu machen und auch der These entgegen zu treten, Gewerbetreibende und Gastwirte würden überhaupt nicht abgemahnt.

Ich bitte, betroffene Gewerbetreibende und Gastwirte sich bei mir zu melden, ich werde dann an Ulf Buermeyer weiterleiten. Gilt natürlich auch für Anwaltskollegen, die (anonymisiert) Beispielsfälle beitragen können oder wollen.

posted by Stadler at 08:56  

17.4.13

OLG Frankfurt: Keine Haftung für Ehegatten beim Filesharing

Das OLG Frankfurt hat zum wiederholten Mal entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses das Nutzungsverhalten seines Ehegatten nicht im Hinblick auf Urheberrechtsverletzungen überwachen muss und ihn insoweit regelmäßig auch keine Haftung als Störer trifft.

In einem neuen Beschluss vom 22. März 2013 (Az.: Az. 11 W 8/13) führt das OLG Frankfurt dazu folgendes aus:

Ein Ehemann kann daher seiner Ehefrau, solange er keine konkreten Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen hat, den auf seinen Namen laufenden Internetanschluss überlassen, ohne diese ständig überwachen zu müssen [Senat, a.a.O., Rn. 16; vgl. auch OLG Köln, a.a.O., Rn. 19 – jeweils veröffentlich bei juris]. Sofern der Anschlussinhaber nicht mit einer Rechtsverletzung durch seinen Ehepartner rechnen muss, sind Hinweis-, Aufklärungs- und Überprüfungspflichten diesem gegenüber unzumutbar.

Nach der m.E. fragwürdigen Rechtsprechung des BGH besteht zunächst eine Vermutung dahingehend, dass der Anschlussinhaber als Rechtsverletzter zu betrachten ist. Im Rahmen der sog. sekundären Darlegungslast muss er deshalb grundsätzlich Umstände vortragen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt. Nach neuester Rechtsprechung ist es hierfür aber ausreichend, wenn der Anschlussinhaber darlegen kann, dass der Anschluss auch von anderen Familienmitgliedern genutzt wird, weil allein dadurch die Vermutung entkräftet wird, der Anschlussinhaber sei selbst Täter der Urheberrechtsverletzung (OLG Köln, MMR 2012, 550; LG Köln, Urteil vom 11.09.2012, Az. 33 O 353/11). Dies wird nunmehr auch durch die gerade veröffentlichte Entscheidung „Morpheus“ des BGH (Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12) bestätigt. Danach genügt bereits die ernsthafte Möglichkeit, dass ein Dritter und nicht der Anschlussinhaber den Internetzugang für die Rechtsverletzung benutzt hat.

 Auch eine Störerhaftung kommt in diesen Fällen nach richtiger Rechtsauffassung nicht in Betracht. Eine Haftung als Störer setzt die Verletzung von Prüfplichten voraus. Nach derzeit ganz überwiegender Rechtsprechung treffen einen Anschlussinhaber gegenüber Ehegatten oder volljährigen Familienmitgliedern derartige Prüfpflichten aber nicht (BVerfG, Beschluss vom 21.03.2012, Az. 1 BvR 2365/11; OLG Frankfurt, GRUR RR 2008, 73; OLG Köln, MMR 2012, 550). Dies bestätigt der BGH nunmehr in der „Morpheus“ Entscheidung zumindest für die Frage der Haftung des Anschlussinhabers für das Verhalten eines minderjährigen Kindes. Es dürfte fernliegend sein, für einen Ehegatten ein höheres Maß an Prüfpflichten anzunehmen, als im Hinblick auf ein minderjähriges Kind. Ausdrücklich entschieden hat der BGH die Frage der Störerhaftung für Ehegatten oder volljährige Kinder allerdings bislang nicht.

posted by Stadler at 11:47  

12.3.13

Bundesregierung will Störerhaftung für W-LANs nicht gesetzlich regeln

In verschiedenen Bundesländern gab es Bemühungen, auf eine gesetzliche Regelung zur Einschränkung der Störerhaftung von Betreibern offener W-LANs hinzuwirken. Die Linke hat auch einen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht.

Die Bundesregierung sieht nach einem aktuellen Bericht von SPON aber keinen Handlungsbedarf und will vielmehr eine Entscheidung des BGH abwarten.

Was der BGH im Bereich der Störerhaftung entscheidet, bewegt sich äußerst nahe an einer Ersatzgesetzgebung. Die Grenzen zur Rechtspolitik sind an dieser Stelle fließend. Die Kritiker der Störerhaftung haben seit jeher darauf verwiesen, dass die Störerhaftung eine voraussetzungsarme aber haftungsreiche Rechtskonstruktion sei. Und das beschreibt es auch sehr trefflich. Die Störerhaftung verfügt letztlich über keine vernünftige dogmatische Grundlage, sondern stellt im Ergebnis nichts weiter dar als Billigkeitsrechtsprechung. Und was angemessen ist, entscheidet dann eben nicht der Gesetzgeber, sondern in urheberrechtlichen Fragen die Richter des I. Senats des BGH. Was dabei herauskommen kann, verdeutlicht die fragwürdige „Sommer unseres Lebens“ Entscheidung des BGH wohl am Deutlichsten. Hier zeigt sich eine Fehlentwicklung, die zu korrigieren wäre.

Der BGH hat sich in den Filesharingfällen außerdem dazu entschlossen, äußerst eng am jeweiligen Sachverhalt zu bleiben und gerade nicht zu einem Rundumschlag auszuholen. Wir werden deshalb noch Jahre warten müssen, bis halbwegs alle relevanten Fallkonstellationen entschieden sein werden.

Der Eindruck, dass diese Bundesregierung gerade beim Thema Netzpolitik, aber nicht nur dort, äußerst mutlos agiert, drängt sich nicht zum ersten mal auf.

posted by Stadler at 16:51  

5.3.13

Wie sinnvoll sind die Vorschläge der Grünen für ein modernes Urheberrecht?

Die Bundestagsfraktion der Grünen hat ein Paket von Maßnahmen und Vorschlägen vorgestellt, um das Urheberrecht „modern, fair und zukunftssicher“ auszugestalten. Die Vorschläge beinhalten als kurzfristige Maßnahmen die Eindämmung des Abmahnunwesens sowie eine Stärkung des Urhebervertragsrechts. Mittelfristig wollen die Grünen auf eine Regelung zum Recht auf Remix und die Flexibilisierung der Schranken auf EU-Ebene hinwirken, sowie langfristig auf eine Reform der Urheberrechts-Richtlinie und die Überarbeitung des TRIPS-Abkommens. Auch hinsichtlich der Länge der urheberrechtlichen Schutzfristen hält die Fraktion der Grünen eine langfristig angelegte Debatte für erforderlich. Konkrete Vorschläge wurden allerdings nur zu den kurzfristigen Maßnahmen gemacht, die ich im Anschluss näher beleuchten möchte.

1. Eindämmung des Abmahnunwesens

Die Grünen wollen die Abmahnkosten in urheberrechtlichen Streitfällen begrenzen. Dazu soll das Gerichtskostengesetz (GKG) dahingehend geändert werden, dass der Streitwert für den Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch nur noch 700 EUR beträgt, wenn der Beklagte

eine natürliche Person ist, die urheberrechtliche Werke oder durch verwandte Schutzrechts geschützte Leistungen nicht für ihre gewerblichen oder selbständige Tätigkeit verwendet

und

in den letzten zwei Jahren nicht bereits wegen eines Anspruchs des Klägers durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.

Die für den Unterlassungsanspruch zu bezahlende anwaltliche Regelgebühr würde sich damit nach dem aktuellen Gebührenrecht auf EUR 120,67 (brutto) belaufen. Davon nicht erfasst ist der häufig parallel geltend gemachte Schadensersatzanspruch.

Ob sich allein damit die massenhafte Abmahnung von Filesharingfällen entscheidend eindämmen lässt, muss bezweifelt werden. Viele Abmahnkanzleien sind bereits jetzt mit einer Einigung im Bereich von 200 – 300 EUR (für Schadensersatz und Anwaltskosten) zufrieden, so dass deren Geschäftsmodell dadurch vermutlich nicht entscheidend in Frage gestellt würde.

Der Entwurf enthält übrigens auch Regelungen, die zu einer deutlichen Streitwertreduzierung in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten führen würden. Denn das Gerichtskostengesetz soll hierzu um Vorschriften ergänzt werden, die – anders als bisher – vorsehen, dass eine geringe Bedeutung der Sache für den Beklagten streitwertreduzierend wirkt. Bietet der Sachverhalt keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete Streitwertbemessung, so setzt das Gesetz ganz allgemein einen Basisstreitwert von nur 1.000,- EUR für den Unterlassungsanspruch an.

Die Grünen wollen außerdem den urheberrechtlichen Auskunftsanspruch auf solche Fälle beschränken, in denen das Urheberrecht im geschäftlichen Verkehr verletzt wird. Damit wird u.a. an das Markenrecht angeknüpft, dessen Anwendungsvoraussetzung ein Handeln im geschäftlichen Verkehr ist. Insoweit hat der BGH – speziell im Internetkontext – vor einigen Jahren ausgeführt, wie dieser Rechtsbegriff auszulegen ist:

Für das Handeln im geschäftlichen Verkehr kommt es auf die erkennbar nach außen tretende Zielrichtung des Handelnden an. Dient das Verhalten nicht der Förderung der eigenen oder einer fremden erwerbswirtschaftlichen oder sonstigen beruflichen Tätigkeit, scheidet ein Handeln im geschäftlichen Verkehr aus.

Das Verhalten ist dann ausschließlich dem privaten Bereich außerhalb von Erwerb und Berufsausübung zuzurechnen (BGHZ 149, 191, 197 – shell.de). Auch bei einem Domainnamen genügt nicht die bloße Vermutung; vielmehr bedarf es einer positiven Feststellung, dass er im geschäftlichen Verkehr benutzt wird, wobei im Zweifel von einer rein privaten Nutzung auszugehen ist.

Gemessen an diesen Vorgaben, findet in den typischen Filesharingfällen kein Handeln im geschäftlichen Verkehr statt, mit der Folge, dass die Provider keine Auskunft mehr erteilen dürften, womit die meisten Fälle des Filesharings zivilrechtlich nicht mehr verfolgbar wären. Inwieweit anschließend die Zahl der Strafverfahren wieder zunehmen würde, bliebe abzuwarten. Dieser Ansatz würde Massenabmahnungen voraussichtlich allerdings erheblich erschweren.

Die aktuelle Rechtspraxis ist durch einen äußerst weiten Auskunftsanspruch gekennzeichnet, der in Kombination mit einer fast als exzessiv zu bezeichnenden Anwendung der Kriterien der sog. Störerhaftung dazu führt, dass häufig Anschlussinhaber in Haftung genommen werden, die tatsächlich nicht die Rechtsverletzter sind. Diese Tendenz wird verstärkt durch das m.E. ebenfalls nicht tragfähige Vermutungspostulat des BGH, wonach der Anschlussinhaber im Zweifel auch der Rechtsverletzter ist. Nachdem in einem deutschen Haushalt statistisch betrachtet etwas mehr als zwei Personen leben, ist für eine solche Vermutung an sich kein Raum. Der Umstand der massenhaften Inanspruchnahme von Anschlussinhabern, die nicht Rechtsverletzter sind, stellt eine der zentralen rechtspolitischen Fragwürdigkeiten der massenhaften Filesharingabmahnungen dar, weshalb ich es für naheliegender gehalten hätte, auch gesetzgeberisch unmittelbar an dieser Stelle anzuknüpfen und die Störerhaftung gesetzlich einzuschränken.

Die Grünen wollen außerdem den sog. fliegenden Gerichtsstand abschaffen, was durch eine Neuregelung in § 105a UrhG erreicht werden soll. Geplant ist insoweit folgende Regelung:

Für Klagen aus unerlaubter Handlung auf Grund dieses Gesetzes ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde, wenn der Beklagte im Inland weder eine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung noch einen Wohnsitz hat.

Ob diese negativ formulierte Vorschrift tatsächlich geeignet ist, die Anwendung der allgemeinen Regelung des § 32 ZPO auszuschließen, ist zweifelhaft. Es erscheint nämlich keineswegs zwingend, dass damit ein Rückgriff auf den besonderen Gerichtsstand des § 32 ZPO und damit eine Berufung auf den fliegenden Gerichtsstand verhindert wird.

 

2. Urhebervertragsrecht

Den Antrag der Fraktion der Grünen zum Urhebervertragsrecht empfinde ich als enttäuschend. Er bleibt deutlich hinter dem zurück, was aus meiner Sicht geboten wäre. Das Papier der Grünen geht davon aus, dass die aktuelle gesetzliche Regelung grundsätzlich ausreichend ist und lediglich eine Art Vollzugsdefizit besteht. Aus diesem Grund beschränken sich die Grünen im Wesentlichen darauf,  das Schlichtungsverfahren gemäß §§ 36, 36a UrhG über gemeinsame Vergütungsregeln von Vereinigungen von Urhebern und Vereinigungen von Werknutzern zu reformieren.

Meines Erachtens wäre es demgegenüber notwendig, an den Referentenentwurf des BMJ aus dem Jahre 2001 – der leider anschließend nur in stark verwässerter Form Gesetz werden konnte – anzuknüpfen und einen gesetzlichen Anspruch auf eine nach Art und Umfang der Werknutzung angemessene Vergütung zu schaffen, der auch unabhängig von der vertraglichen Vereinbarung gilt. Nur damit könnte tatsächlich dem einzelnen Urheber geholfen werden. Denn das erhebliche Verhandlungsungleichgewicht zwischen Verlagen und Journalisten/Autoren vermochte die aktuelle Regelung nicht zu beseitigen. Verglichen mit dem, was eine rot-grüne Bundesregierung schon einmal beabsichtigt hatte, erscheint mir der aktuelle Vorschlag der Grünen daher eher mutlos.

posted by Stadler at 15:41  

8.2.13

Filesharing: Risikofaktor Hausanschluss der Telekom

Im Rahmen der Filesharingfälle wird sehr viel über den Missbrauch von schlecht oder nicht gesicherten W-LANs diskutiert, aber bislang wenig über eine andere sich bietende Möglichkeit den Anschluss eines Nachbarn anzuzpafen.

In vielen Wohnanlagen und Mehrfamilienhäusern kommt der telekomseitige Hausanschluss zumeist irgendwo im Keller oder Erdgeschoss an einer zentralen Verteilerstelle im Haus an. Dieser Verteiler ist häufig nicht gesondert gegen unbefugten Zugriff geschützt und damit für sämtliche Hausbewohner ohne weiteres zugänglich. Wie leicht es ist, sich dort auf den Anschluss eines Nachbarn aufzuschalten, wenn man über das entsprechende Know-How verfügt, habe ich kürzlich von einem TK-Techniker vorgeführt bekommen.

Auch im Rahmen meiner Sachbearbeitung habe ich mehrere Fälle auf dem Tisch, in denen von den Mandanten diese Vermutung geäußert worden ist, in einem Fall wurde ein entsprechendes Anzapfen durch einen Nachbarn sogar festgestellt bzw. eingeräumt. Gerade für Bewohner von Wohnanlagen besteht also faktisch ein gesteigertes Risiko eines Missbrauchs, sofern der Vermieter bzw. Hausverwalter insoweit keine Sicherungsmaßnahmen ergriffen hat.

posted by Stadler at 12:01  
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