Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

17.4.13

OLG Frankfurt: Keine Haftung für Ehegatten beim Filesharing

Das OLG Frankfurt hat zum wiederholten Mal entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses das Nutzungsverhalten seines Ehegatten nicht im Hinblick auf Urheberrechtsverletzungen überwachen muss und ihn insoweit regelmäßig auch keine Haftung als Störer trifft.

In einem neuen Beschluss vom 22. März 2013 (Az.: Az. 11 W 8/13) führt das OLG Frankfurt dazu folgendes aus:

Ein Ehemann kann daher seiner Ehefrau, solange er keine konkreten Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen hat, den auf seinen Namen laufenden Internetanschluss überlassen, ohne diese ständig überwachen zu müssen [Senat, a.a.O., Rn. 16; vgl. auch OLG Köln, a.a.O., Rn. 19 – jeweils veröffentlich bei juris]. Sofern der Anschlussinhaber nicht mit einer Rechtsverletzung durch seinen Ehepartner rechnen muss, sind Hinweis-, Aufklärungs- und Überprüfungspflichten diesem gegenüber unzumutbar.

Nach der m.E. fragwürdigen Rechtsprechung des BGH besteht zunächst eine Vermutung dahingehend, dass der Anschlussinhaber als Rechtsverletzter zu betrachten ist. Im Rahmen der sog. sekundären Darlegungslast muss er deshalb grundsätzlich Umstände vortragen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt. Nach neuester Rechtsprechung ist es hierfür aber ausreichend, wenn der Anschlussinhaber darlegen kann, dass der Anschluss auch von anderen Familienmitgliedern genutzt wird, weil allein dadurch die Vermutung entkräftet wird, der Anschlussinhaber sei selbst Täter der Urheberrechtsverletzung (OLG Köln, MMR 2012, 550; LG Köln, Urteil vom 11.09.2012, Az. 33 O 353/11). Dies wird nunmehr auch durch die gerade veröffentlichte Entscheidung „Morpheus“ des BGH (Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12) bestätigt. Danach genügt bereits die ernsthafte Möglichkeit, dass ein Dritter und nicht der Anschlussinhaber den Internetzugang für die Rechtsverletzung benutzt hat.

 Auch eine Störerhaftung kommt in diesen Fällen nach richtiger Rechtsauffassung nicht in Betracht. Eine Haftung als Störer setzt die Verletzung von Prüfplichten voraus. Nach derzeit ganz überwiegender Rechtsprechung treffen einen Anschlussinhaber gegenüber Ehegatten oder volljährigen Familienmitgliedern derartige Prüfpflichten aber nicht (BVerfG, Beschluss vom 21.03.2012, Az. 1 BvR 2365/11; OLG Frankfurt, GRUR RR 2008, 73; OLG Köln, MMR 2012, 550). Dies bestätigt der BGH nunmehr in der „Morpheus“ Entscheidung zumindest für die Frage der Haftung des Anschlussinhabers für das Verhalten eines minderjährigen Kindes. Es dürfte fernliegend sein, für einen Ehegatten ein höheres Maß an Prüfpflichten anzunehmen, als im Hinblick auf ein minderjähriges Kind. Ausdrücklich entschieden hat der BGH die Frage der Störerhaftung für Ehegatten oder volljährige Kinder allerdings bislang nicht.

posted by Stadler at 11:47  

13 Comments

  1. Wichtig wäre darüber zu sprechen, warum wir uns überhaupt über Prüfpflichten unterhalten müssen: entsteht tatsächlich eine Gefahrenquelle durch einen Internetanschluss? Warum geht gerade von diesem Kommunikationsmittel eine Gefahr aus? Andere Anschlüsse (Telefon, Briefkasten) unterfallen nicht einer solch sonderbaren Ansicht. Wir sollten anerkennen, dass uns die Verwerterlobby diesbzgl. seit den 90er ganz schön hinters Licht geführt hat.

    Comment by Lola — 17.04, 2013 @ 12:29

  2. oder wir sollten einfach nicht von den Verwertern klauen… Aber das ist nur ein Gedanke

    Comment by peter pan — 17.04, 2013 @ 13:02

  3. Wieder einmal ist dieser Blog eine wertvolle Hilfe! An dieser Stelle einfach mal ein „Danke“ an den fleißigen Autor.

    Comment by Lawman — 17.04, 2013 @ 15:18

  4. @Peter Pan: Dann möchte ich Ihnen mal nicht wünschen, dass jemand fremdes Ihr W-LAN knackt, fröhlich die aktuellen Top100 saugt und Ihnen dann „freundliche“ Schreiben verschiedener Anwaltskanzleien im Auftrag sämtlicher großen Plattenlabels ins Haus flattern.

    Comment by Moki — 17.04, 2013 @ 15:26

  5. Klar, weil dass ja auch ständig passiert, dass die Leute durch die Gegend fahren, fremde W-Lans knacken und dann über den betreffenden Anschluss dann die Top 100 hochladen. Was für ein Quatsch. In 99% der Fälle war es natürlich der Anschlussinhaber selbst oder eines seiner Familienmitglieder.

    Die „Verwerterlobby“ hat hier überhaupt niemanden hinters Licht geführt oder sonstwie Erfolg gehabt. Im Gegenteil legen die Gerichte den Anschlussinhabern doch eine Pseudoausrede nach der anderen in den Mund: Ich habe meine Kinder belehrt, ich habe einen Ehepartner, ich habe mein W-Lan abgesichert, ich kenn mich voll nicht aus mit diesem Internetz, ich war bei Oma als es passiert ist blabla. Wo soll hier denn der Erfolg der „Verwerterlobby“ liegen? Die haben doch voll versagt: Schon mal überlegt, was z.B. das hier besprochene Urteil in der Praxis bedeutet? Es ist nichts als ein Freifahrtschein zum unbegrenzten und unbehelligten Rechtsverletzen, man braucht nur eine Ehefrau zu haben.

    Von wegen also die Haftung geht weiter als beim Telefonanschluss. Mit DER Ausrede kommt man als Inhaber eines Telefonanschlusses ja nun gerade nicht weiter, wenn einem die Telefonrechnung zu hoch ist: Sorry, hab ne Frau.

    Comment by Epp — 17.04, 2013 @ 16:30

  6. Ihr wisst gar nicht, wie oft das WLAN anderer Menschen, vor allem in Wohnblocks, geknackt wird. Den Schutz hat man innerhalb weniger Minuten ausgehebelt und kann dann fröhlich laden. Leider erkennen die Gerichte dies nie an.

    Comment by Boris Schneider — 17.04, 2013 @ 16:40

  7. @Epp: Super schlauer Kommentar. Schonmal drüber nachgedacht, dass die Ehefrau dann dran ist, wenn der Anschlussinhaber die Schuld auf sie schiebt? So eine richtig brauchtbare Ausrede scheint mir das dann nicht zu sein. Aber Sie können es ja mal versuchen und dann hier berichten, wann genau Ihre Frau die Scheidung eingereicht hat…

    Der Erfolg der Verwerterlobby liegt zum Beispiel darin, dass der vage Verdacht auf einen illegalen Download massenweise Eingriffe in die Grundrechte der Bürger rechtfertigt. Und bei der Masse der Abmahnungen könnte man auch gleich an die Existenz des Weihnachtsmannes glauben, wenn man glaubt, die Voraussetzungen für die Ermittlung des Anschlussinhabers über die IP-Adresse würden von irgendeinem Gericht ernsthaft geprüft. Die kommen mit dem Abstempeln der Anträge im Sekundentakt schon nicht mehr hinterher.

    Comment by Moki — 17.04, 2013 @ 18:05

  8. @Moki
    Dann hast Du aber die Verteidigungsstrategie nicht verstanden. Wenn der Mann sagt „Ich war es nicht, es könnte(!) auch meine Frau gewesen sein“, dann belastet der Mann seine Frau nicht.
    Es liegt dann nämlich am klagenden Rechteverwerter dem Gericht nachzuweisen, wer von beiden die Rechteverletzung begangen hat (was ihm so gut wie unmöglich ist).
    Die Frau muss dann noch nichtmal sagen „Ich war es nicht, mein Mann könnte es gewesen sein“, sie kann auch einfach nix sagen. In beiden Fällen ist an dem Punkt Ende für den Kläger.
    Selbige Situation gilt natürlich auch für WGs.

    Comment by Moritz — 18.04, 2013 @ 19:38

  9. @ Moritz (idSa Industrieposter)

    Die Entscheidung aus Köln, in der es ausreichte als Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs eine weitere nutzungsberechtigte Person zu benennen, ist sicherlich in Deutschlands anderen Gerichten nicht mehrheitsfähig.

    Über die Frage, was denn nun genau ausreicht um die Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers selbst ausreichend zu erschüttern, wird weiterhin trefflich gestritten. Allein mit dem Hinweis auf jemand anderen gewinnt man zu 97% keinen Blumentopf.

    Comment by Shual — 18.04, 2013 @ 22:08

  10. @Shual
    Du scheinst Gerichte für sowas wie Mehrheits-Veranstaltungen zu halten. Das mag vielleicht für untere Instanzen gelten, höheren Instanzen bleibt aber gar nichts anderes übrig als mehr oder weniger einheitlich zu entscheiden, ansonsten könnte man das Rechtssystem in die Tonne treten.
    Es geht hier auch um sehr elementare Sachen wie Unschuldsvermutung, von daher ist Dein Gerede von 97% schlicht Unsinn.
    Es gibt 1. keine Aufsichtspflicht gegenüber Ehepartnern oder WG-Mitgliedern, 2. gilt die Unschuldsvermutung und 3. muss der Ankläger die Schuld beweisen.
    Andere OLGs haben da keinen Spielraum und müssen genauso entscheiden.

    Comment by Moritz — 18.04, 2013 @ 23:47

  11. @epp: Selbst Kreativschaffender oder gar Mitglied der „Verwerterlobby“? Das diese Branche sich keiner großen Beliebteit erfreut ist ein selbstgemachtes Problem. Erst wurden alle digitalen Vertriebsmöglichkeiten ignoriert, dann mittels „Kopierschutzmechanismen“ torpediert und schließlich mit dem Panzer zur Spatzenjagd geblasen.

    Jede persönliche Attacke auf mich muss fehl gehen, ich bezahle für meine Downloads, seit es DRM freie Musik zu kaufen gibt. Ich erwerbe Bluerays, auch wenn mir die Preisgestaltung mitunter spanisch anmutet. Und ich kaufe mitunter sogar eine CD, wenn es mal ein brauchbares Album gibt, dass mich interessiert.

    Zum Dank werde ich mit Raubkopierer sind Verbrecher Trailern, Zwangswerbung und absolut sinnfreien Kopierschutz Standardvergewaltigungen belohnt – da bezahlt man doch gerne für…

    Aus der Vogelperspektive betrachtet hat die „Verwertelobby“ anhand von „Gewinnerwartungen“ immer über Riesenverluste geklagt, welche vorgeblich nur durch „Raub“-Kopierer zustande kamen. Keine andere Branche hat es so geschickt verstanden, klammheimlich Bürgerrechte auszuhebeln, nieder zu machen und mit Füßen zu treten. Privatkopie? Nur wenn kein Kopierschutz auf dem Medium vorhanden ist, sonst illegal und strafbar. Und dann kam irgend ein neunmalkluger Verwerter auf den Trichter privat massenhaft Verbindungsdaten abzuschnorcheln und mit dieser, per se illegalen, Datensammlung Abmahnungen zu versenden und Mondpreise zu verlangen.

    Der Gesetzgeber ist bei jedem Vorstoss weiter eingeknickt und heute soll man am Besten für den gleichen Content mehrfach zahlen. Eine CD, gerne: Zwölffuffzich. Ach, ein MP3 für unterwegs: 1.99! Bei Filmen wird´s noch abgebrühter, Blueray: 25€, dafür gibts ne DVD die man nicht braucht. Aber mobil, ja nee, das muss extra liquidiert werden.

    Um Dirk Bach zu zitieren: Und da wundert Ihr Euch, dass es Euch schlecht geht?!

    Comment by Jan — 18.04, 2013 @ 23:58

  12. Jo, @ Moritz – „Unschuldsvermutung“ im Zivilrecht

    vgl. einfach OLG München vom 01.10.2012, 6 W 1705/12.

    Im Urteil des OLG Köln, 6 U 239/11 vom 16.05.2012 hatte die Beklagte keinesweg nur vorgetragen, der Ehemann hätte den Anschluss nutzen können. Das OLG Köln hat die Erschütterung der tatsächlichen Vermutung bezüglich des Anschlussinhabers hieran gekoppelt, jedoch der Klägerin deutlich gemacht, dass auch die vorgetragenen Indizien (Werkart – weitere Abmahnungen) eine Alleintäterschaft des Ehemannes naheliegt. Insofern hätte die Klägerin gegen den Ehemann vorgehen können, der jedoch verstorben war.

    Comment by Shual — 19.04, 2013 @ 07:50

  13. Wie nett von dem OLG Frankfurt, die eheliche Überwachung des Gatten, der Gattin, zu relativieren.

    So mancher Scheidungsfall kann sicherlich verhindert werden.

    Ich liebe die deutsche Justiz und ihre Weisheit.

    Schön, daß es sie gibt.

    Ps. Ja, ich habe schon gekotzt, danke der Nachfrage.

    Comment by Nettikette — 19.04, 2013 @ 19:24

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