Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.11.12

Das Ende der Filesharing-Abmahnungen?

Das gestrige Urteil des BGH zu der Frage, ob und inwieweit ein Vater als Anschlussinhaber für Urheberrechstverstöße seines 13-jährigen Sohnes haftet, ist auf breite Zustimmung gestoßen. Es wurde z.T. die Ansicht geäußert, das Urteil habe weitreichende Konseqenzen und könne sogar Altfälle betreffen.

Auch wenn die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, dürfte die Euphorie deutlich übertrieben sein. Es muss damit gerechnet werden, dass sich der BGH eng am Einzelfall orientiert und ähnlich wie in der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ nicht im Wege des Rundumschlags zu allen möglichen Fallkonstellationen Stellung nimmt. Es sind nach meinem Kenntnisstand auch noch weitere Filesharing-Verfahren beim BGH anhängig. Man wird also abwarten müssen, wie der I. Senat die Haftung des Anschlussinhabers für volljährige Familienmitglieder oder für Mitbewohner einer Wohngemeinschaft beurteilt. Es könnte nämlich durchaus sein, dass der BGH mit dem jetzigen Urteil nur über die Anwendung des § 832 BGB entschieden hat. Ob die Entscheidung weiterreichende Anhaltspunkte liefern wird, bleibt abzuwarten.

Die Filesharing-Abmahnungen werden nach meiner Einschätzung aber zunächst unverändert weiter ausgesprochen werden. Und das hat seinen Grund in der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ des BGH, die für Betroffene aus mehreren Gründen nicht vorteilhaft ist. Denn der BGH postuliert dort eine Rechtsvermutung, dass der Anschlussinhaber auch der Rechtsverletzer ist. Die Abmahner dürfen also zunächst unterstellen, dass der Anschlussinhaber auch das Filesharing betrieben hat. Diese Vermutung kann und muss der Abgemahnte durch einen konkreten Sachvortrag entkräften. Er kann beispielsweise den Schadensersatzanspruch, nicht aber den Kostenerstattungsanspruch, zu Fall bringen, wenn er darstellen kann, dass er selbst die Rechtsverletzung nicht begangen hat. Nach der neuen Entscheidung kann er sich jetzt unter gewissen Voraussetzungen auch damit exkulpieren, dass sein minderjähriges Kind die Rechtsverletzung begangen hat. Das beinhaltet dann grundsätzlich aber auch die Notwendigkeit, das Kind (namentlich) zu benennen, was mit dem Risiko verbunden ist, dass anschließend das Kind abgemahnt wird. Das ist dann allerdings eine Folge, die viele Eltern gerade vermeiden wollen, wie ich aus meiner Beratungspraxis weiß.

Die eigentlich spannende Frage lautet daher, ob sich ein Anschlussinhaber alleine damit verteidigen kann, dass er selbst es nicht war, aber in seinem Haushalt noch weitere Familienmitglieder wohnen, die alle als Verletzter in Betracht kommen, wobei er  nicht sagen kann, wer die Rechtsverletzung tatsächlich begangen hat. Ob man mit einem solchen Sachvortrag seiner sog. sekundären Darlegungslast genügt, hat der BGH bislang nicht entschieden und zu dieser Frage dürfte das jetzige Urteil wohl kaum Aufschluss geben.

Es besteht also derzeit kein Grund zur Euphorie. Selbst meine gestrige Annahme, der BGH würde sich in seinem Urteil zur Störerhaftung äußern, könnte zu optimistisch gewesen sein. Es kann nämlich durchaus auch so sein, dass sich der BGH auf die Frage der Haftung des Aufsichtspflichtigen nach § 832 BGB beschränkt hat. Wir werden deshalb vermutlich noch einige weitere BGH-Entscheidungen und vielleicht auch irgendwann eine des BVerfG abwarten müssen, bis die Hauptfallgruppen geklärt sind.

Update:
Der Kollege Dosch hat eine juristische Presseschau zum Urteil des BGH zusammengestellt, deren Verlinkung sich natürlich anbietet.

posted by Stadler at 16:30  

15 Comments

  1. Jip! Unterschreibe. Erstklassig.

    Gruß

    Comment by Roland — 16.11, 2012 @ 16:35

  2. @Herrn Stadler

    Eine private Frage, die allerdings jeden Blog-Besucher interessiert:

    Herr Vetter, lawblog, entblödet sich, einen Posten in der Piratenpartei zu übernehmen. Was halten Sie davon? Vielen Dank für eventuelle Antwort.

    Gruß

    Comment by Roland — 16.11, 2012 @ 16:45

  3. Sehr geehrter Herr Kollege Stadler,

    ich stimme Ihren Ausführungen ohne Ausnahme zu. Ein Folgefrage die sich aus der Entscheidung ergeben könnte ist, ob ein Kind haftet, wenn es trotz Belehrung durch die Eltern Urheberrechtsverletzungen begeht.Hier kommt es dann auf die Einsichtsfähigkeit an (über die in dem aktuellen Urteil wohl auch nicht entschieden wird): Für die Einsichtsfähigkeit des Kindes könnte dann das Argumment streiten, dass die Einsichtsfähigkeit bestehen muss, weil die Eltern (die das Kind am besten kennen sollten), davon ausgingen, das eine Belehrung dazu führt, dass das Kind von Dummheiten Abstand nimmt. Zugleich kann man beim Kind von Vorsatz ausgehen.

    Comment by RA von Rüden — 16.11, 2012 @ 17:03

  4. @von Rüden

    Dummes Geschwurbel! Wer möchte die Einsichtsfähigkeit beurteilen? Aufgrund des Blöd-Urteils der Richterschaft des BGH haben sich Schrecklichkeiten ergeben. Jetzt nur noch Gutachten und Gegen-Gutachten? Die Richter des BGH haben ihr Resthirn ausgeschaltet. So sieht das aus. Sie haben mit ihrem Urteil für kommendes Chaos gesorgt.

    Kann man diese Leute zur Rechenschaft ziehen, haftbar machen? Wie mir diese Typen auf die Ketten gehen….

    Comment by Roland — 16.11, 2012 @ 17:09

  5. Fazit:

    Ab jetzt bei jedem Prozess Vorladung der Krötzen bei Gutachtern. Die werden sich freuen. Endlich kommt bei Psychos mal wieder Geld in die Kassen.

    Ich glaube, es hakt, oder was?? Die erste Instanz ist oft besser, als die zweite.

    Hier zeigt sich das glasklar.

    Gruß

    Comment by Roland — 16.11, 2012 @ 17:15

  6. @Roland
    Ruhig bleiben.Zunächst müssten die Rechteinhaber die Chuzpe haben Kinder zu verklagen.

    Comment by RA von Rüden — 16.11, 2012 @ 17:21

  7. Ich erkenne nur wieder mal eines: Die Rechtsverdreher verursachen Kosten, verursachen keine Klarheit, sondern Unklarheit. Wofür werden diese Leute von den Steuerzahlern entlohnt?? Sitzen da nur Idioten???

    Ich würde entscheiden:

    1. Eltern haften für ihre Kinder
    2. Kinder unter 14 Jahren haben im Netz nichts verloren. Trotzdem drin? Eltern haften.
    3. Ab 14 Jahren sind sie strafmündig und haften selber. Und wenn es nach mir geht, bis ins Grab. Die Abmahngebühren können nicht hoch genug sein!
    4. Ich bin für Abmahngebühren in fünfstelliger Höhe für nur einen Song. Nur so geht es, anders nicht. 10000 Euro für einen Download.

    Und ich möchte hier auch nichts mehr von den unschuldigen Schafen hören, die sich so ganz zufällig eine Software gesucht haben, sie ganz unschuldig installiert haben und dann ganz unschuldig jahrelang Filesharing betrieben haben.

    Mich verarscht kein krimineller Bodensatz mit dem IQ von 13.

    Gruß und schönes Wochenende!

    Comment by Roland — 16.11, 2012 @ 17:32

  8. Ich bin dafür, jede Rechtsverletzung mit der Höchststrafe zu belegen. Dann haben wir endlich Ruhe vor diesen unsäglichen Menschen.

    Comment by Peter Hense — 16.11, 2012 @ 17:40

  9. @Peter

    Hör auf mit der Polcor-Leier. Ich kann es nicht mehr hören. Ihr Gutmenschen kapiert nichts oder wollt es nicht kapieren.

    Ich weiß, die Abmahnanwälte schicken heute wieder Post raus. Und ich freue mich darüber.

    Wer nicht hören will, muß fühlen. Und diese kriminellen Krötzen werden fühlen. Spätestens dann, wenn der Zoll nebst Polizei vor der Tür steht.

    Ich bin dabei!

    Bis dato, man sieht sich!

    Comment by Roland — 16.11, 2012 @ 17:57

  10. Eltern wären in diesen Zivilrechtsfällen also gezwungen gegen die Interessen ihrer Kinder zu handeln und gegen diese auszusagen? Wenn ich als Halter eines Fahrzeuges aber behaupte ‚Ich war das nicht‘, muss ich nur noch festhalten, dass ich den tatsächlichen Fahrer nicht benennen kann, da direkt verwandt?

    Scheint mir seltsam.

    Comment by Dierk — 16.11, 2012 @ 18:13

  11. @Roland: Hand ab, wer auf deutschen Autobahnen beim Spurwechsel den Blinker nicht setzt. Kopf ab, wer ein kommerzielles Musikstück runterlädt. Die Rechteverwerterscharia rettet das veraltete Geschäftsmodell.

    Comment by Ein Mensch — 17.11, 2012 @ 00:39

  12. Es kann nicht nur so sein, sondern ist so: Der BGH hat sich auf die Frage der Haftung des Aufsichtspflichtigen nach § 832 BGB beschränkt, was auch nahe liegt, da tatsächlich demnächst über zumindest mal die Erwachsenenkonstellation (OLG Köln, Urteil vom 17.08.2012, 6 U 208/10) entschieden wird.

    Eine von Dr. Bornkamm angestoßene Diskussion um das Thema § 828 BGB kam jedoch mangels Vorbereitung und Fähigkeit der Musikindustrie nicht in Gang.

    Es bleibt jedoch spannend wie die Begründung des Urteils in den anderen Punkten aussieht. Die Revision war ja eigentlich bezüglich der Schadensersatzhöhen zugelassen worden. Hierzu wurde vom Gericht nichts geäußert, da man sich wohl an den Tumult nach der PM bezgl. des § 97a UrhG, Abs. 2 erinnerte.

    Fazit: Eine längst ausstehende Klärung der dringenden Frage der elterlichen Aufsichtspflichten stand an. Das ist erfolgt und diese Konstellation betrifft sicherlich einen sehr hohen Prozentsatz an Abgemahnten. Natürlich ist das Urteil für abgemahnte Eltern, die ausreichend nachweisen können, sie (oder zB die Schule, etc.) hätten ihre Kinder über die RISIKEN der Internetnutzung „belehrt“ sehr positiv. Weder ist eine pauschale Haftung, noch 50er-Jahre-Erziehungsmethoden, noch eine Kontrollpflicht von nöten, um es „richtig“ zu machen.

    Der einzige Makel, den der BGH hier noch kitten muss: also ein Chefarzt…. der Normalhaushalt, oder gar alleinerziehende Elternteile dürfen nun auch nicht schlechter gestellt werden. Die Belehrung selbst muss (wie oben gesagt) auch zB durch die Schulkörper erfolgen können, die ja mittlerweile auch solche Programme anbieten.

    Das Gejammere der Musikindustrie über entgangene Abmahndollar ist dabei fehl am Platz, denn sie selbst hat hier im Bereich der notwendigen und realistischen Prävention von Rechtsverletzungen mitversagt und gleichzeitig mitgewonnen.

    Comment by Shual — 17.11, 2012 @ 16:10

  13. @mensch #11:

    DANKE!
    soviel geballtes gutmenschentum gepaart mit absoluter ahnungslosigkeit und indoktrinierter gehirnwäsche wie bei roland und peter vorherrschen, muss doch weh tun, oder?
    keine ahnung von tuten und blasen, aber wie ja alle ne profunde meinung haben….
    das der grund warum wir dummbürger so ausgeblutet werden, aber zum glück kommt das dicke ende für ALLE ja in kürze, vielleicht denkt ihr vögel dann anders über unsere faschistische unrechtsdiktatur…..

    Comment by dummmichel — 17.11, 2012 @ 19:41

  14. Moin,

    wenn das Kind eine Unterlassungserklärung auf die Abmahnung der Eltern abgibt, entfällt meiner Meinung nach die Wiederholungsgefahr. Dann müssten auch nicht die Kosten einer etwaigen Abmahnung des Kindes getragen werden. Ein Schadensersatzanspruch bliebe davon natürlich unberührt.

    Comment by RATP — 19.11, 2012 @ 14:13

  15. # 14
    Damit kann man auch daneben liegen. So nicht nach zB Landgericht Leipzig, Beschluss vom 30.03.2011, Az.: 05 O 842/11 (Keine Wirksamkeit einer Unterlassungserklärung, wenn Name des Unterzeichners dem Unterlassungsgläubiger nicht bekannt ist und kein Mandantenverhältnis des Unterlassungsgläubigers mit der abmahnenden Kanzlei bezüglich des unbekannten Unterlassungsschuldners vorliegt)

    Um sowas zu entgehen müßte also ein (rechtsanwaltliches) Schreiben sehr klar darlegen, wie der Tatablauf zu werten ist „Roß und Reiter“ – darlegen worin die Aufsichtspflichtserfüllung nach BGH-„Morpheus“ konkret bestand und es müßte ebenso eine spezielle UE erklärt werden. (Und schief gehen kanns auch noch – ich kenne nur relativ wenige Anwälte, die man für sowas nehmen würde.)

    Nicht wirklich ökonomisch sinnvoll – so wäre man bei einer Containerabmahnung, bei der virtuell nur um 265,70€ RA-Kosten gehen würde … doch mit einem rechtsanwaltlichen Schreiben mehr als wertmäßig overdressed.

    Comment by Shual — 19.11, 2012 @ 16:40

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