Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.10.12

LG Köln: Anschlussinhaber haftet nicht für Filesharing

Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 11.09.2012 (Az.: 33 O 353/11) entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses weder als Täter noch als Störer für ein urheberrechtswidriges Filesharing haftet, wenn er dargelegt hat, dass der Anschluss auch von anderen Familienmitgliedern genutzt wird, weil allein dadurch die Vermutung entkräftet wird, dass der Anschlussinhaber auch der Täter der Urheberrechtsverletzung ist.

Damit folgt das Landgericht einer Entscheidung des OLG Köln. Das Landgericht Köln – allerdings primär deren 28. Zivilkammer – hatte bislang regelmäßig eine Störerhaftung des Anschlussinhabers angenommen.

Die Frage der Störerhaftung des Anschlussinhabers wird wohl demnächst höchstrichterlich entschieden. Der BGH verhandelt am 15.11.2012 (Az.: I ZR 74/12) einen parallelen Fall. Nachdem sich der I. Senat des BGH in letzter Zeit ausgesprochen rechteinhaberfreundlich gezeigt hat, muss es als offen gelten, ob man sich in Karlsruhe dieser neuen Kölner Linie anschließen wird. Der BGH verhandelt interessanterweise einen Fall, in dem ebenfalls das OLG Köln eine Störerhaftung der Eltern eines 13-jährigen bejaht hatte. Allein daran zeigt sich, wie uneinheitlich und unübersichtlich die Rechtsprechung bislang ist.

Sollte der BGH eine Störerhaftung des Anschlussinhabers annehmen, könnte allerdings anschließend noch eine verfassungsgerichtliche Überprüfung anstehen. Das BVerfG hat in einem Beschluss aus diesem Jahr meines Erachtens eine kritische Haltung gegenüber der Annahme einer weitgehenden Störerhaftung des Anschlussinhabers angedeutet. Es bleibt also spannend.

posted by Stadler at 16:54  

6 Comments

  1. Die 33. Zivilkammer des LG Köln hat ihre klageabweisende Entscheidung m. E. differenziert und überzeugend begründet – im Einklang durchaus auch mit dem Urteil des Ersten Zivilsenats des BGH vom 12.05.2010 (I ZR 121/08) – Sommer unseres Lebens – und im Einklang mit der im LG-Urteil umfangreich zitierten aktuellen Rechtsprechung des OLG Köln.
    Der von Ihnen angesprochene rechtsinhaberfreundlichere BGH-Beschluss vom 19.04.2012 betrifft – wie Sie wissen – nicht Fragen der Täter- oder Störerhaftung, sodass man meiner Meinung nach durchaus optimistisch sein darf hinsichtlich der höchstrichterlichen Tendenzen zur kritischeren Eingrenzung einer ausufernden Filesharing-Haftung. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des von Ihnen erwähnten BVerfG-Beschlusses vom 21.03.2012, in dem es zwar primär um verfahrensrechtliche und verfassungsrechtliche Bewertungen geht, in dem die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG allerdings zwischen den Zeilen (und mit Beschlusszitaten des OLG Frankfurt) recht deutlich gezeigt hat, mit welchen Bewertungen zur Störerhaftung man in Karlsruhe „sympathisiert“.
    Für die Abmahnungs-Lobby wird die Luft zunehmend dünner.
    Vielen Dank für Ihren erhellenden Beitrag.

    Comment by Ralf Petring — 13.10, 2012 @ 18:58

  2. Bei der Störerhaftung geht es im Ansatz nicht um Verantwortung für Familienmitglieder, sondern um die Verantwortung für eine zu – unterstelltermaßen – rechtswidrigen Zwecken verwendete technische Einrichtung als Gefahrenquelle (BGH I ZR 121/08 „Sommer unseres Lebens“, Rz. 19 ff.). Die leitenden Erwägungen mancher instanzgerichtlichen Entscheidungen liegen daher zu großen Teilen ebenso neben der Sache wie viele der aktuellen Blogkommentare.

    Es ist zu hoffen, dass der BGH das demnächst in der Sache I ZR 74/12 einmal mehr klarstellen wird (auch wenn die von Leuten wie Ihnen und Herrn Petring mangelhaft und tendenziös über die Rechtslage unterrichtete Blogosphäre dann aufjaulen wird).

    Comment by Gast — 14.10, 2012 @ 00:25

  3. Dann muß die Gesetzeslage aber für alle eventuelle Straftaten gelten, die vom Anschlußinhaber ausgehen. Die alleinige Begrenzung auf Filesharing ist dann rechtlich nicht durchzusetzen. So sehr ich die Freiheit im Netz begrüße, so muß man jedoch ganz klar sehen, daß bei Ärger mit der Justiz jeder Anschlußinhaber und ggf. Täter später behaupten kann, dieses und jenes sei von Minderjährigen, unbekannten Partygästen und Co. verursacht worden. Sollte das nicht ein Grund sein, sich Kinder anzuschaffen (Geburtenrate erhöhen…)? Ok, Scherz beiseite, das Thema sollte jedenfalls von allen Seiten beleuchtet werden. Straffreiheit für den, der seine Taten auf seine Kinder ablasten kann, finde ich auch nicht gerade erfrischend. Und von dem Volk gibt es genug, das sind keine Einzelfälle. Man darf diesbezüglich auch von Kindesmissbrauch sprechen.

    Comment by Tim — 14.10, 2012 @ 13:08

  4. @2.

    Die Störerhaftung in Filesharing-Fällen wird einerseits auf eine vermeintlich unzureichende technische Absicherung des Internetanschlusses vor der Nutzung durch unbefugte Dritte gestützt (darum ging es in der BGH-Entscheidung „Sommer unseres Lebens“), andererseits allerdings auch auf vermeintlich unzureichende Instruierung und Prüfung/Überwachung/Kontrolle von zur Nutzung des Internetanschlusses befugten Familienangehörigen/Hausgenossen.

    Hierzu verhält sich auch die vom Kollegen Stadler zu Recht unter Bezug genommene Entscheidung des OLG Köln, in der es heißt:

    „… Entgegen der Auffassung der Klägerin haftet die Beklagte als Inhaberin des Internetanschlusses für die streitbefangenen Urheberrechtsverletzungen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung oder unter dem Gesichtspunkt des gefahrerhöhenden Verhaltens aus der Verletzung einer Verkehrspflicht.
    aa) Als Störer kann analog § 1004 BGB bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (BGH, GRUR 2011, 152 = WRP 2011, 223 [Rn. 45] – Kinderhochstühle im Internet). Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH, GRUR 2004, 438 [442] – Feriendomizil I). Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Ob und inwieweit dem Störer als in Anspruch Genommenem eine Prüfung zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912 [Rn. 19] – Sommer unseres Lebens; GRUR 2011, 1038 = WRP 2011, 1609 [Rn. 20] – Stiftparfüm; vgl. BGH [V. Zivilsenat], GRUR 2011, 321 [Rn. 15]). Eine Prüfpflicht kann bereits mit Inbetriebnahme einer technischen Einrichtung entstehen, setzt dann aber eine schon dadurch eintretende Gefährdung absoluter Rechtsgüter Dritter voraus (vgl. BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912 [Rn. 24] – Sommer unseres Lebens; BGH [V. Zivilsenat], GRUR 2011, 321 [Rn. 16]).
    bb) Im Verhältnis der Beklagten zu ihrem verstorbenen Ehemann ist hier keine solche Verletzung zumutbarer Prüfpflichten festzustellen.
    Im Streitfall sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte wusste oder annehmen musste, ihr Ehepartner werde über ihren Internetanschluss Rechtsverletzungen begehen, die sie durch zumutbare Maßnahmen verhindern konnte. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass es auch noch nach der Abmahnung der Klägerin zu Urheberrechtsverstößen unter Benutzung des Internetzugangs gekommen ist.
    Von einer anlasslosen zumutbaren Prüf- und Kontrollpflicht der Beklagten gegenüber ihrem Ehemann ist dagegen nicht auszugehen. Wie der Senat bereits an anderer Stelle (Beschluss vom 24.03.2011 – 6 W 42/11 = MMR 2011, 396) näher ausgeführt hat, bestehen im Verhältnis einer Ehefrau als Internetanschlussinhaberin zu ihrem Ehemann als überwiegendem Nutzer eines solchen Anschlusses keine vergleichbaren Kontrollpflichten wie im Verhältnis der Eltern zu ihren – insbesondere minderjährigen – Kindern oder anderen Hausgenossen. … Für die Überlassung eines Internetanschlusses gelten in Bezug auf die Störerhaftung für die Verletzung absoluter Rechte jedoch andere Maßstäbe (vgl. BGHZ 185, 330 = GRUR 2010, 633 = WPR 2010, 912 [Rn. 15] – Sommer unseres Lebens). Denn beide Konstellationen sind nicht miteinander vergleichbar. … Es geht vielmehr um die Nutzung eines auf den Namen eines Ehegatten laufenden Internetanschlusses, der – wie ein Telefonanschluss – regelmäßig von beiden Ehegatten gemeinsam benutzt wird (weshalb die Inanspruchnahme von Telefondienstleistungen durch einen Ehepartner grundsätzlich von § 1357 Abs. 1 BGB gedeckt ist, BGH [III. Zivilsenat], NJW 2004, 1593). Hier kann der Inhaber nicht ohne besonderen Anlass für alle Kommunikation, die über diesen Anschluss stattfindet, verantwortlich gemacht werden.
    cc) Aus den vorstehenden Erwägungen erhellt zugleich, dass die vom Anschlussinhaber dem Ehepartner eingeräumte Möglichkeit, Telefon oder Internet unbeaufsichtigt für eigene Zwecke – und damit unter Umständen auch für unerlaubte Handlungen – zu nutzen, kein relevantes gefahrerhöhendes Verhalten (Ingerenz) im Sinne einer Verletzung von Verkehrspflichten (vgl. BGHZ 173, 188 [Rn. 22, 36] = GRUR 2007, 890 = WRP 2007, 1173 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH, Urteil vom 09.11.2011 – I ZR 150/09 – Basler-Haar-Kosmetik [Rn. 60] m.w.N.) dastellt, die seine Mithaftung begründet. … “

    Thematisiert werden vom Kollegen Stadler die ausufernden und nun gerichtlich realistischer bewerteten tatsächlichen Vermutungen (sowie damit korrespondierende sekundäre Darlegungs- und Beweispflichten des Anschlussinhabers) zum Filesharing-Verdacht bei Familien-Internetanschlüssen: Der Internetanschlussinhaber als Störer, der für vermeintlich rechtswidrig agierende Familienangehörige haften soll (nicht für technisch nicht ausreichend gesicherte Internetanschlüsse!)

    Die demgegenüber vom „Gast 2.“ auf eine Gefahr der „technischen Einrichtung“ eingeengte Definition der in der Vergangenheit ausufernd praktizierten Störerhaftung geht folglich genauso fehl wie die damit verbundene Kollegen-Schelte.

    Comment by Ralf Petring — 14.10, 2012 @ 16:56

  5. So sehr ich die Freiheit im Netz begrüße, so muß man jedoch ganz klar sehen, daß bei Ärger mit der Justiz jeder Anschlußinhaber und ggf. Täter später behaupten kann, dieses und jenes sei von Minderjährigen, unbekannten Partygästen und Co.

    Comment by Matt — 16.10, 2012 @ 15:47

  6. @Matt

    Wenn Du mich schon zitierst, dann mach es kenntlich. Auch das gehört zur Freiheitsdiskussion. Fremde Texte einstellen, ohne um Erlaubnis zu fragen, ist ein weiteres Thema. Danke für Deine Kenntnisnahme.

    Comment by Tim — 17.10, 2012 @ 15:45

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