Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

14.1.14

Ist das Internet wirklich kaputt?

Sascha Lobo, Ikone und Sprachrohr der sog. Netzgemeinde, beklagt sich im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung darüber, dass das Internet nicht das sei, wofür er es gehalten habe, dass es gar kaputt sei. Es geht, wie so häufig in den letzten Monaten, um die Snowden-Enthüllungen und das Ausmaß der TK-Überwachung durch Geheimdienste.

Mich hat Lobos Text aus verschiedenen Gründen irritiert, die ich hier nicht alle aufzählen möchte. Schwer nachvollziehbar ist für mich insbesondere die Vorstellung, jemand könnte vom Internet enttäuscht und wegen des Ausmaßes der Überwachung durch NSA & Co. gar gekränkt sein. Denn trotz aller Begeisterung für die Möglichkeiten die das Netz bietet, ist es für mich am Ende immer noch ein technisches Tool. Auch wenn der Vergleich hinken mag, kann man insoweit natürlich die Frage stellen, ob man dann auch von einem Küchenmesser enttäuscht sein kann, wenn es für Verbrechen missbraucht wird. Enttäuschend oder kränkend kann also nur der Umstand sein, dass die Geheimdienste vermeintlich demokratischer Staaten das Internet dazu missbrauchen, jeglichen Datenverkehr und damit die Kommunikation aller Bürger zu überwachen. Das ist aber kein Problem des Internets, sondern macht lediglich deutlich, dass unsere demokratischen Mechanismen nicht funktionieren. Solange man Geheimdienste alles machen lässt, was technisch möglich ist und ihnen keine Grenzen setzt, werden sie auch alles machen was möglich ist. Wenn man einen Hund vor einen großen Fleischtopf setzt, ist es nicht zielführend, ihm zu sagen, dass er aber nur langsam und nicht alles fressen darf. Es ist bislang eine Illusion anzunehmen, dass sich die Methoden mit denen NSA, GCHQ oder BND arbeiten, nennenswert von denen der Stasi unterscheiden. Was sich unterscheidet, ist in gewissem Umfang die anschließende Verwertung der durch eine Totalüberwachung gewonnenen Informationen. Aber auch in diesem Punkt wird man sich schnell der Stasi und den Unrechtsstaaten annähern, wenn man die Dienste weiterhin gewähren lässt wie bisher. Unsere vernetzte Welt bietet also lediglich die Grundlage dafür, dass sich ein globaler Überwachungsapparat etablieren konnte, der sich nicht mehr klar an einzelnen Nationalstaaten festmachen lässt und der keine effektiven rechtlichen Grenzen kennt. Daran ist aber nicht das Internet schuld, sondern eine mangelnde rechtsstaatliche Kontrolle. Die Geheimdienste gefährden auch weit mehr als das Internet, sie gefährden unsere Demokratie. Die Frage sollte also nicht lauten, ob das Internet kaputt ist, sondern ob unsere Demokratie kaputt ist.

Es geht in Wirklichkeit also um rechtsstaatliche Defizite und die lassen sich weder mit einem neuen Internetoptimismus noch mit digitaler Selbstverteidigung (Verschlüsselung) überwinden, was nicht bedeutet, dass beides nicht sinnvoll und notwendig ist. Es ist eine Herkulesaufgabe aller Demokraten – nicht nur der Netzgemeinde – auf mehr Transparenz hinzuarbeiten und das System Geheimdienste zurückzudrängen und insgesamt in Frage zu stellen. Das ist die Aufgabe, die vor uns steht und sie wird essentiell für den Fortbestand unserer demokratischen Gesellschaften sein. Und es ist dies nolens volens die Aufgabe der Zivilgesellschaft, weil zumindest vorerst von der Politik keine Unterstützung zu erwarten ist.

Von zentraler Bedeutung wird dabei auch die Verbreitung der Erkenntnis sein, dass Geheimdienste, auch jenseits des Überwachungsaspekts, gerade nicht nützlich, sondern vielmehr schädlich sind. Geheimdienste machen diese Welt nicht sicherer, sondern unsicherer. Das haben viele Menschen noch nicht verstanden.

In den Texten von Sascha Lobo erkenne ich in letzter Zeit ein hohes Maß an Frustration, die offenbar daraus resultiert, dass weite Teile der (weltweiten) Bevölkerung die Überwachung durch Geheimdienste mehr oder minder gleichgültig hinnehmen. Der aktuelle Text Lobos, in dem sich viel FAZ- und Schirrmacher-typischer Kulturpessimismus wiederfindet, setzt die Schwerpunkte falsch. Lobo redet zu viel über das Internet bzw. darüber wie es aus seiner Sicht sein sollte, obwohl wir über unsere Gesellschaft und unseren Rechtsstaat reden müssten.

posted by Stadler at 11:27  

6.1.14

Hat der BND die Überwachung 2012 tatsächlich zurückgefahren?

Der aktuelle Bericht an den Bundestag über die Durchführung des G10-Gesetzes liegt noch nicht offiziell vor. Auf der Website des Parlamentarischen Kontrollgremiums findet man bislang nur den Bericht für das Jahr 2011.

Dennoch wurde der Bericht für das Jahr 2012 vorab offenbar an die WELT weitergeleitet, die dpa hat den Bericht aufgegriffen und  titelt: „BND fährt Überwachung 2012 deutlich zurück„. Nahezu alle Zeitungen machen anschließend genau das, was sich BND und Kontrollgremium erwartet haben. Praktisch unisono und kritiklos wird berichtet, der BND hätte die Überwachung 2012 deutlich reduziert. Fast niemand hinterfragt die Zahlen oder versucht Zusammenhänge herzustellen.

Dabei ist mittlerweile auch ohne aufwändige Recherche völlig klar, dass die Dienste das Parlament nicht vollständig und in irreführender Art und Weise unterrichten. Die WELT merkt zumindest an, dass die 500 Millionen Metadaten, die der BND nach Presseberichten in nur einem Monat an die NSA weitergeleitet hat, in dem Bericht, wie in den Vorjahren, nicht auftauchen. Das Parlament wird lediglich darüber informiert, in wievielen Fällen im Rahmen der sog. strategischen Fernmeldekontrolle eine Überwachung von E-Mails und Telefonaten stattgefunden hat. Im Jahre 2012 waren das nach dem Bericht der WELT ca. 850.000, während es 2010 noch ca. 37 Mio. E-Mails gewesen sind.

Niemand stellt allerdings die Frage, was diese Zahlen wirklich bedeuten. Im jährlichen Bericht finden sich hierzu floskelhafte Formulierungen wie

Anhand dieser Suchbegriffe qualifizierten sich im Berichtszeitraum (…) Telekommunikationsverkehre für diesen Gefahrenbereich.

Was aber besagt diese Formulierung? Man erfasst und scannt beim BND zunächst flächendeckend anhand von Suchbegriffen und überprüft anschließend eine bestimmte Anzahl von E-Mails und Telefonate genauer. Und nur letzteres wird dem Bundestag überhaupt mitgeteilt. Man kann der NSA also problemlos 500 Millionen Meta-Daten monatlich übermitteln, weil man diese Daten beim BND tatsächlich erhebt.

Der BND hat die Überwaschung im Jahre 2012 also mitnichten zurückgefahren, wie uns eine unkritische Berichterstattung glauben machen will, sondern der BND filtert jetzt nur anders und setzt u.a. verbesserte Spamfilter ein. Die flächendeckende Erfassung des Internetverkehrs u.a. am Knotenpunkt von De-Cix in Frankfurt ist etwas, worüber das Parlament erst gar nicht informiert wird.

Die aktuelle Berichterstattung zeigt also sehr deutlich, dass die Dienste nicht nur das Parlament verfälschend informieren, sondern auch die öffentliche Meinung manipulieren. Eine willfährige und unkritische Presse erleichtert ihnen dieses Vorhaben.

posted by Stadler at 15:37  

16.12.13

Das Zeitalter der globalisierten Überwachung

Die Berichterstattung über den Überwachungsirrsinn stumpft ganz schön ab. Meldungen wie die, dass die NSA täglich fünf Milliarden Datensätze über die Standorte von Handys weltweit sammelt, hätten noch vor einem halben Jahr eine Lawine losgetreten. Mittlerweile ist sie nur noch die x-te Meldung aus dem Fundus der Snowden-Dokumente, die bei den meisten Menschen nur noch zu einem Achselzucken führt. Mich persönlich beängstigt die Irrationalität mit der Geheimdienste ganz augenscheinlich agieren allerdings immer noch und das sogar in zunehmendem Maße. Denn was wir da beobachten, ist der Machterhalt bzw. Machtausbau eines Apparats der sich weltweit längst verselbständigt und von den demokratisch legitimierten Entscheidern abgekoppelt hat. Wenn sich allerdings wie hier herausstellt, dass Machtmissbrauch und Irrationalität die bestimmenden Merkmale eines staatlichen Sub-Systems sind, müsste die Politik eigentlich einschreiten. Aber sie ist entweder kraft- und mutlos oder glaubt weiterhin an die Mär von der Terrorbekämpfung.

Unsere vernetzte Welt stellt die Grundlage dafür dar, dass sich ein globaler Überwachungsapparat etablieren konnte, der sich nicht mehr klar an einzelnen Nationalstaaten festmachen lässt. Dass die USA und die Briten in der westlichen Welt seine Speerspitze bilden, ist offenkundig. Informationen werden aber ebenso mit anderen Geheimdiensten ausgetauscht und zwar bevorzugt dann, wenn man sie im eigenen Land nicht erheben darf.  Das Ausspionieren der Bürger des eigenen Landes wird von den befreundeten Diensten erledigt, wenn das nationale Recht einem dies verwehrt. Wie die Informationen anschließend getauscht werden, kann ohnehin niemand überprüfen und nachvollziehen. Denn Geheimdienste agieren schließlich geheim.  Wenn man jetzt noch Russland und China in die Betrachtung einbezieht, zwei Staaten die das Internet und die Telekommunikation fraglos ebenfalls in dem ihnen technisch größtmöglichen Umfang überwachen, wird vollends deutlich, dass wir uns in einem Zeitalter der globalisierten Überwachung befinden. Ob sich der Bürger und die von ihm legitimierten Vertreter wieder aus diesem Würgegriff der Geheimdienste befreien können, erscheint ungewiss. Aber ohne massiven Druck der Bürger weltweit wird es nicht gehen. Solange die politischen Akteure nicht zu einem Umdenken gezwungen werden, dürfte es schwierig bleiben.

Wir müssen uns daher bewusst machen, dass es keine demokratischen Überwachungsstaaten gibt. Sascha Lobo hat das weltweite System und Geflecht der Geheimdienste sehr zu Recht als faschistoid bezeichnet. Dieses System richtet sich nicht gegen den Terrorismus, es richtet sich gegen den Menschen. Gegen jeden einzelnen von uns. Auch wenn das viele noch nicht erkannt haben. Aber dann, wenn es mehrheitlich erkannt worden ist, könnte es schon zu spät sein.

posted by Stadler at 16:38  

12.12.13

Generalanwalt beim EuGH: Richtlinie über Vorratsdatenspeicherung ist mit der Grundrechtecharta unvereinbar

Dass die umstrittene Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung vom EuGH nicht gänzlich unbeanstandet bleiben würde, konnte man nach dem kritischen Fragenkatalog des Gerichts fast erwarten. Die Ansicht des Generalanwalt beim EuGH in seinem Schlussantrag, wonach die Richtlinie in vollem Umfang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 52 der Grundrechtecharta unvereinbar ist, überrascht dann allerdings doch.

Der EuGH ist freilich an dieses Votum nicht gebunden, folgt ihm allerdings häufig, aber durchaus nicht immer.

Der Generalanwalt lehnt sich inhaltlich an die Entscheidung des BVerfG an, indem er insbesondere rügt, dass der Unionsgesetzgeber selbst keinerlei Schutzmaßmechanismen im Hinblick auf den Datenzugriff und die Auswertung der Daten vorgesehen hat. Hierzu heißt es im Schlussantrag:

Der Unionsgesetzgeber darf es, wenn er einen Rechtsakt erlässt, mit dem Verpflichtungen auferlegt werden, die mit qualifizierten Eingriffen in Grundrechte der Unionsbürger verbunden sind, nämlich nicht vollständig den Mitgliedstaaten überlassen, die Garantien festzulegen, die sie zu rechtfertigen vermögen. (…)

Somit war es – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Sache des Unionsgesetzgebers, die Grundprinzipien zu definieren, die für die Festlegung der Mindestgarantien zur Beschränkung des Zugangs zu den erhobenen und auf Vorrat gespeicherten Daten und ihrer Auswertung gelten sollten (…)

Der Generalanwalt beanstandet zudem auch die in der Richtlinie vorgesehene Speicherdauer von bis zu zwei Jahren, wobei anderseits zum Ausdruck kommt, dass er eine Speicherdauer von unter einem Jahr durchaus noch für angemessen halten würde.

Nach Ansicht des Generalanwalts verstößt die jetzige Richtline über die Vorratsdatenspeicherung in vollem Umfang gegen europäische Grundrechte. Andererseits macht er aber auch deutlich, dass eine Richtlinie, die die von ihm gemachten Vorgaben beachtet, durchaus grundrechtskonform ausgestaltet werden könnte.

Man darf gespannt, wie der Europäische Gerichtshof entscheidet und ob er dem Vorschlag des Generalanwalts folgt.

posted by Stadler at 12:15  

5.12.13

Haben wir bislang falsch über die Vorratsdatenspeicherung diskutiert?

Der Ansatz von Richard Gutjahr, die Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung endlich und ganz anschaulich auf das Niveau von Sigmar Gabriel und Hans-Peter Friedrich herunterzubrechen, könnte erfolgversprechend sein. Vielleicht haben die Gegner der Vorratsdatenspeicherung bislang schlicht den Fehler gemacht, sich zu stark mir Sachargumenten und bürgerrechtlichen Bedenken aufzuhalten. Aber warum sollte man überhaupt versuchen, jemandem, der bewusst unsachlich argumentiert, sachlich zu antworten?

Das argumentative Niveau der Befürworter der Vorratsdatenspeicherung lässt sich kaum besser umschreiben als durch Slogans wie „Dieser Wal müsste ohne Vorratsdatenspeicherung sterben – das ist zwar gelogen aber wen interessiert schon die Wahrheit“.

Wer das jetzt platt findet, hat nicht begriffen, dass die Argumentation der Befürworter einer Vorratsdatenspeicherung genau auf diese Art und Weise funktioniert. Es werden nämlich Kausalzusammenhänge behauptet, die entweder nachweislich nicht bestehen – was Sigmar Gabriel gerade deutlich gemacht hat – oder für die es keine ausreichenden Anhaltspunkte gibt.

So funktioniert die innenpolitische Diskussion und Entscheidungsfindung leider seit jeher. Der Deutsche Anwaltverein hat vor zwei Jahren deshalb vor einer experimentellen Gesetzgebung gewarnt. Eine Warnung die ungehört verhallte. Auf keinem Feld der Politik wird so unsachlich argumentiert wie im Bereich der inneren Sicherheit. Terrorängste werden geschürt, um der Öffentlichkeit Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung schmackhaft zu machen, die sich aber aber gerade zum Zwecke der Terrorbekämpfung nicht eignen. Die Mär von der Terrorbekämpfung wird uns in diesem Zusammenhang immer wieder aufs Neue aufgetischt.

posted by Stadler at 12:35  

2.12.13

Geheimdienste und Bürgerrechte

Mein Text „Geheimdienste und Bürgerrechte“, der in dem Sammelband „Überwachtes Netz“ erschienen ist, wurde jetzt auch von der Fabrikzeitung, einem Kultur-, Gesellschafts- und Politikmagazin aus der Schweiz, veröffentlicht.

Die aktuelle Ausgabe der Fabrikzeitung mit dem Themenschwerpunkt Netzpolitik, die u.a. noch Texte von Falk Steiner, Thomas Hoeren und Urs Meile enthält, ist komplett online verfügbar.

posted by Stadler at 10:05  

30.11.13

Lügen für die Vorratsdatenspeicherung

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat bereits vor seinem denkwürdigen Auftritt im Heute-Journal zu einem weiteren argumentativen Höhenflug angesetzt. Im ARD-Brennpunkt hat er vergangene Woche die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung mit den Morden von Anders Breivik gerechtfertigt und behauptet, dass man durch die Vorratsdatenspeicherung in Norwegen sehr schnell wusste, wer der Mörder war. Jetzt ist allerdings hinlänglich bekannt, dass Breivik noch vor Ort auf der Insel Utøya festgenommen wurde. Außerdem gab es in Norwegen zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine (umgesetzte) Vorratsdatenspeicherung, worauf Gabriel jetzt sogar von seinen Genossen Netzpolitikern hingewiesen wurde.

Es ist unredlich so zu argumentieren, aber wer die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung fordert, kann gar nicht anders, denn es gibt keine Fakten, die den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung belegen würden. Der EuGH hat hierzu übrigens die richtigen Fragen gestellt. Beantwortet wurden sie bislang nicht.

Innenminister Friedrich hat wieder einmal in dasselbe Horn geblasen wie Gabriel und verweist aktuell darauf, dass Telekommunikationsdaten bei der Aufklärung von Kinderpornographie und Computerkriminalität hilfreich seien. Hierzu sollte man dann allerdings ergänzend auch erwähnen, dass die Ermittlungsbehörden bereits über umfangreiche Befugnissen für die TK-Überwachung verfügen und davon auch rege Gebrauch gemacht wird. Die Bekämpfung von Computerkriminalität mittels Vorratsdatenspeicherung wird wegen Vorgaben des BVerfG übrigens auch künftig schwierig sein. Denn das BVerfG verlangt die Begrenzung der Vorratsdatenspeicherung auf schwere Katalogstraftaten, die auch im Einzelfall schwer wiegen müssen. Das trifft auf die Delikte der Computerkriminalität aber weitgehend nicht zu.

Wer erhebliche Grundrechtseingriffe wie bei der Vorratsdatenspeicherung fordert, der schuldet den Bürgern zuerst eine stichhaltige und auf belastbare Zahlen gestützte Begründung für deren Notwendigkeit. Solche Fakten werden aber von der Politik nicht präsentiert, weil sie nicht existieren. Stattdessen ist die Debatte seit Jahren von Unsachlichkeit und Angstmacherei geprägt. Sigmar Gabriel steht den Unions-Hardlinern da in nichts nach.

posted by Stadler at 21:58  

26.11.13

Freie Fahrt für die Vorratsdatenspeicherung?

Gestern habe ich noch auf einer Podiumsdiskussion der Freisinger Jusos über das Für und Wider der Vorratsdatenspeicherung diskutiert und zwar mit dem Polizeibeamten und SPD-Mitglied Uwe Dörnhöfer. Meine zwei Kernthesen haben gelautet:

Eine Vorratsdatenspeicherung ist aus rechtsstaatlicher und bürgerrechtlicher Sicht nicht akzeptabel.

Es gibt keine fundierten Erkenntnisse über den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung im Bereich der Strafverfolgung und zwar aus keinem einzigen EU-Mitgliedsstaat, sondern nur die empirisch nicht belegte Behauptung eines Nutzens durch Sicherheitspolitiker und Polizeibehörden.

Heute meldet netzpolitik.org, dass man sich in den Koalitionsverhandlung darauf geeinigt hätte, die Vorratsdatenspeicherung umzusetzen bzw. wiedereinzuführen. Die Formulierungen deuten darauf hin, dass Einschränkungen der Abrufbefugnis nur in dem Umfang vorgenommen werden dürften, wie es das BVerfG vorgegeben hat. Das ist insofern keine große Überraschung, als dass bereits das vom BVerfG für nichtig erklärte Gesetz von der letzten großen Koalition beschlossen wurde und die SPD den Willen zur Vorratsdatenspeicherung auch in einem Parteitagsbeschluss artikuliert hat. Andererseits scheinen auch die Ereignisse der letzten Monate in der Führungsriege der SPD keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben.

Aufhorchen lässt allerdings der Hinweis, man werde auf europäischer Ebene auf eine Speicherfrist von nur drei Monaten hinwirken. Derzeit sieht die Richtlinie allerdings eine Speicherdauer von sechs Monaten bis zu zwei Jahren vor. Die Frage ist insoweit, ob man in Deutschland zügig eine Vorratsdatenspeicherung mit einer Speicherdauer von zunächst sechs Monaten einführen will oder ob man tatsächlich abwarten wird, bis es in Brüssel zu einer Evaluierung der Richtlinie kommt.

Egal wie man zur Vorratsdatenspeicherung steht, erscheint es politisch aber in jedem Fall sinnvoll, die anstehende Entscheidung des EuGH abzuwarten. Die kritischen Fragen des EuGH nähren außerdem die Hoffnung, dass er die Richtlinie zumindest nicht gänzlich unbeanstandet lassen wird. Der EuGH könnte die Chance nutzen, sich endlich als Bürgerrechtsgerichtshof zu etablieren.

posted by Stadler at 18:21  

18.11.13

Mit Europarecht gegen die Abhörpraxis des GCHQ?

Porf. Franz C. Mayer geht im Verfassungsblog der interessanten Frage nach, ob gegen die Abhöraktionen des britischen Geheimdienstes GCHQ mit Mitteln des EU-Rechts vorgegangen werden kann.

Mayer sieht zunächst Kerngewährleistungen des Unionsrechts betroffen, die sich u.a. aus Art. 8 der Charta der Grundrechte, aus Art. 16 AEUV und den Richtlinien zum Datenschutz (95/46/EG und 2002/58/EG) ergeben.

Sodann weist Mayer aber auf den Umstand hin, dass diese Kerngewährleistungen die Mitgliedsstaaten häufig gar nicht binden. Darauf, dass das europäische Datenschutzrecht den Bereich Strafverfolgung, innere Sicherheit und Staatsicherheit der Mitgliedsstaaten nicht regelt und insbesondere keine Handhabe gegen die Datenerhebung durch Geheimdienste bietet, hatte ich hier ebenfalls hingewiesen.

Mayer meint gleichwohl, dass diese Bereichsausnahmen des Europarechts für öffentliche und nationale Sicherheit eventuell nicht eingreifen werden, weil die britischen Maßnahmen zu breit, zu unbestimmt und zu ungezielt sein könnten. Sollte es ein diesbezügliches Verfahren vor dem EuGH geben, dürfte auch die Frage zentral sein, ob die europäischen Grundrechte nur die EU-Organe oder auch die Mitgliedsstaaten binden, was nach der Grundrechtecharta allerdings zweifelhaft erscheint.

Das Ganze ist am Ende aber natürlich auch eine politische Frage. Was ist die Gewährleistung eines hohen Datenschutzniveaus durch die EU denn überhaupt wert, wenn einzelne Mitgliedsstaaten gleichzeitig in uferloser Art und Weise den Internet- und Telefonverkehr überwachen und anlasslos und massenhaft Daten speichern? Zumal dies, wie wir mittlerweile wissen, durchaus auch zum Zwecke der Polit- und Wirtschaftsspionage geschieht.

Mayer fordert in seinem Beitrag schließlich mit Blick auf das deutsche Recht und die Rolle des BND, dass die sog. „strategische Fernmeldeu?berwachung“ – die in der Tat ein Relikt aus dem Kalten Krieg ist – eineinhalb Jahrzehnte nach der letzten Äußerung des BVerfG auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand gehört. Eine Forderung, mit der er bei mir offene Türen einrennt.

Wir brauchen insoweit aber nicht nur eine neue juristische Debatte, sondern vor allen Dingen auch eine gesellschaftliche. Der tatsächliche Umfang der Überwachung durch Geheimdienste war einer breiten Öffentlichkeit bislang nicht bekannt, weil er von der Politik gezielt verschleiert wird und die Medien zu wenig berichtet haben. Es ist deshalb essentiell, die Rolle des BND bei der Überwachung des Internets besser auszuleuchten und kritisch zu hinterfragen.

posted by Stadler at 10:52  

13.11.13

Was überwacht der BND?

Das ARD-Magazin FAKT hat gestern über die Internetüberwachung des BND berichtet und darüber, dass der BND im Bereich der Spionage international mitmischen will und deshalb speziell den britischen und amerikanischen Diensten auch etwas anbieten müsse. Die These des Magazins hierzu lautet:

Durch die massenhafte Erfassung von Daten in Frankfurt sieht der BND offensichtlich die Chance, sich im Verbund der westlichen Geheimdienste zu emanzipieren.

Das Manuskript der Sendung kann man bei der ARD downloaden, der Beitrag selbst ist u.a. bei YouTube verfügbar.

Dass der BND angeblich in Frankfurt die Datenleitungen von 25 Internetprovidern am Datenknotenpunkt De-Cix anzapft, wurde bereits vor ca. einem Monat berichtet. Die Maßnahmen wurden laut Spiegel vom Kanzleramt und dem Bundesinnenministerium genehmigt. Offiziell bestätigt haben Bundesregierung oder BND das aber nicht.

Der Bericht der ARD enthält außerdem folgende, merkwürdige Aussage:

Damit die Erhebung und Auswertung wenigstens halblegal stattfindet, ließ sich der BND 2008 vom britischen Geheimdienst helfen, das entsprechende Gesetz neu zu formulieren. Das Ergebnis: Da Daten ständig über Ländergrenzen fließen, wurde der gesamte Datenverkehr per Gesetz zu Auslandskommunikation erklärt – und die darf der BND abhören.

Mir ist nicht klar, welche gesetzliche Änderung das sein sollte. Nach meinem Kenntnisstand fand 2008 insoweit keine einschlägige Gesetzesänderung statt. Eine gesetzliche Regelung, die den gesamten Internetverkehr als Auslandstelekommunikation definiert, mit der Folge, dass der BND (uneingeschränkt) darauf zugreifen könnte, existiert nicht. Das G10-Gesetz besagt in § 5 Abs. 2 S. 2 vielmehr ausdrücklich, dass der BND darauf achten muss, ob Anschlüsse von deutschen Staatsangehörigen erfasst werden. Die Berichterstattung der ARD dürfte an dieser Stelle also unrichtig sein.

Die pauschale Überwachung des Fernmeldeverkehrs und damit auch des Internets durch den BND nennt man im Fachjargon „strategische Fernmeldekontrolle„. Ob die diebsezüglichen Regelungen überhaupt verfassungskonform sind, muss zumindest als offen gelten, wie der Kollege Härting so schön schreibt. Das BVerfG hat die aktuelle Fassung des G10-Gesetzes  jedenfalls noch nicht überprüft.

Daneben stellt sich aber zusätzlich die Frage, ob die tatsächliche Praxis des BND – unabhängig von verfassungsrechtlichen Fragen – überhaupt von den bestehenden gesetzlichen Grundlagen gedeckt ist. Dazu müsste man zunächst natürlich wissen, was der BND tatsächlich macht und das ist nur teilweise bekannt.

Seit einiger Zeit weiß man, dass der BND den E-Mail-Verkehr in größerem Stil überwacht und analysiert. Welcher technischer Mittel er sich dazu bedient und wie die Provider ihn dabei unterstützen, ist aber unklar.

Relativ neu sind demgegenüber die Berichte darüber, dass der BND in großem Stile auch Metadaten erfasst und ganz generell am Datenknotenpunkt De-Cix die Datenleitungen von 25 Internetprovidern anzapft, darunter auch die von deutschen Providern. Diese Maßnahmen sind in der jährlichen Unterrichtung des Bundestages durch das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) jedenfalls nicht enthalten. Die Bundesregierung ist allerdings gesetzlich dazu verpflichtet, das PKGr umfassend über die allgemeinen Tätigkeiten der Nachrichtendienste des Bundes und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten.

Diese Unterrichtung hat im Hinblick auf die Kontrolle des Datenverkehrs am Knotenpunkt der De-Cix durch den BND offensichtlich nicht stattgefunden. Wenn der BND also tatsächlich in Frankfurt in großem Umfang den Internetverkehr überwacht, dann hat die Bundesregierung gegen ihre Pflichten aus dem Kontrollgremiumgesetz verstoßen und das Gremium nicht im gesetzlich vorgeschriebenen Maß unterrichtet.

Die fehlende Einbeziehung des PKGr in die Internetüberwachung würde allerdings auch zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme führen. Nach § 5 Abs. 1 G10-Gesetz werden die Telekommunikationsbeziehungen die Gegenstand sog. strategischer Maßnahmen sind, vom Bundesministerium des Inneren mit Zustimmung des Parlamentarischen Kontrollgremiums bestimmt. Wenn diese Zustimmung fehlt, ist auch die Maßnahme als solche rechtswidrig. BND und Bundesregierung sollen bei grundlegenden Entscheidungen nämlich gerade nicht eigenmächtig ohne Zustimmung des Parlaments agieren können.

Für die pauschale Erfassung sowohl von Metadaten als auch von Kommunikationsinhalten an zentralen Internetknotenpunkten hält das deutsche Recht m.E. gar keine ausreichende Rechtsgrundlage bereit. Insbesondere § 5 G10-Gesetz deckt die pauschale Überwachung des Internets nach meiner Einschätzung bereits deshalb nicht ab, weil die Regelung hierfür nicht gemacht wurde und sich die massenhafte und undifferenzierte Erfassung und Speicherung des gesamten Internetverkehrs an zentralen Knotenpunkten schwerlich unter die gesetzliche Regelung subsumieren lässt. Das Gesetz bildet die technische Wirklichkeit nicht ansatzweise ab.

Der des öfteren erhobene Einwand, das G10-Gesetz sei gar nicht einschlägig, wenn der BND nur ausländische Kommunikation überwacht, verfängt nicht. Denn das G10-Gesetz regelt gerade die Überwachung unf Aufzeichnung der Telekommunikation durch Geheimdienste des Bundes. Und diese Maßnahmen finden ganz offensichtlich noch dazu auf deutschem Hoheitsgebiet statt. Maßnahmen der TK-Überwachung durch BND, MAD und Verfassungsschutz unterliegen nach § 1 Abs. 2 G10-Gesetz außerdem der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium und durch die sog. G 10-Kommission. Der BND muss also in jedem Fall das G10-Gesetz beachten und unterliegt insoweit der parlamentarischen Kontrolle. § 5 Abs. 1 G10-Gesetz spricht im Rahmen sog. strategischer Maßnahmen außerdem ausdrücklich von „internationalen Telekommunikationsbeziehungen“. Das Gesetz gilt also gerade dann, wenn der BND internationale Telekommunikation überwacht. Eine Differenzierung findet in § 5 Abs. 2 S. 2 G10-Gesetz nur zusätzlich danach statt, ob ausgeschlossen werden kann, dass Anschlüsse, deren Inhaber oder regelmäßige Nutzer deutsche Staatsangehörige sind, gezielt erfasst werden.

posted by Stadler at 15:17  
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