Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.11.13

Der Datenschutz bietet keine Handhabe gegen die Überwachungspraxis der Geheimdienste

Vor kurzem habe ich darauf hingewiesen, dass die geplante Datenschutzgrundverordnung die Überwachungsthematik nicht regelt und ein Zusammenhang zwischen NSA-Affäre und der Reform des europäischen Datenschutzrechts, trotz anderslautender Aussagen von Polikern unterschiedlicher Couleur, schlicht nicht besteht.

Das hat mir in einem Kommentar von Ralf Bendrath bei CARTA den Vorwurf eingebracht, ich hätte insoweit nicht auf die geplante Neuregelung eines Art. 43a Datenschutzgrundverordnung hingewiesen. Diese geplante neue Vorschrift regelt den Transfer von Daten in Drittstaaten (außerhalb der EU) bzw. die Offenlegung von Daten aufgrund von Anfragen aus solchen Drittstaaten. Dieser Einwand ist dennoch nicht geeignet, meine ursprüngliche Aussage auch nur abzuschwächen. Denn es bleibt dabei, dass die Datenschutzgrundverordnung die Datenerhebung und Datenübermittlung durch Geheimdienste sowie durch Polizei- und Sicherheitsbehörden überhaupt nicht regelt.

Wieso die geplante Regelung eines Art. 43a Datenschutzgrundverordnung Geheimdienste und Polizeibehörden nicht weiter irritieren muss, möchte ich anhand eines aktuellen Beispiels veranschaulichen. Die Washington Post berichtet gerade, dass die NSA in großem Umfang Daten direkt von Google und Yahoo absaugt, aber nicht in den USA, sondern mithilfe des britischen Geheimdienstes GCHQ und vielleicht auch anderer europäischer Geheimdienste auf dem Gebiet der EU. Die Washington Post zitiert dazu eine bemerkenswerte Aussage aus einem NSA-Papier:

Such large-scale collection of Internet content would be illegal in the United States, but the operations take place overseas, where the NSA is allowed to presume that anyone using a foreign data link is a foreigner.

Europäische Geheimdienste liefern der NSA also die Daten, die US-Dienste in den USA aus rechtlichen Gründen gar nicht sammeln dürften. Und nach dieser Logik scheint die weltweit vernetzte Geheimdiensttätigkeit mittlerweile ganz grundsätzlich zu funktionieren. Die Dienste verschiedenster Staaten umgehen so ganz gezielt die Bindungen ihres jeweiligen nationalen Rechts.

Diese Praxis wird von der Datenschutzgrundverordnung nicht erfasst, weshalb sie auch nach Inkrafttreten der Verordnung uneingeschränkt fortgesetzt werden kann. Ebenfalls nicht erfasst ist auch die Datenerhebung durch europäische Geheimdienste wie den Bundesnachrichtendienst. Wenn der BND also in Frankfurt Internetdaten an Netzknotenpunkten in großem Stil erhebt, dann wird auch diese Praxis durch die geplante Datenschutzgrundverordnung in keinster Weise in Frage gestellt.

Wenn insoweit der Schutz der Daten europäischer Bürger gewährleisten werden soll, dann muss die EU genau an diesem Punkt ansetzen und den Datenaustausch zwischen europäischen Geheimdiensten bzw. Sicherheitsbehörden und denen aus Drittstaaten regeln. Solange das nicht passiert, sollte die Politik aufhören zu behaupten, die europäische Datenschutzreform hätte irgendeine Auswirkung auf die Schnüffelpraxis von Geheimdiensten. Das hat sie nämlich definitiv nicht.

posted by Stadler at 11:13  

3 Comments

  1. Ich glaube, Datenschutz und Geheimdienste haben überhaupt nichts miteinander zu tun. Wer uns das glauben machen will, ist entweder naiv oder böswillig.

    Wir sollten den Datenschutz für private und Behörden weiter entwicklen (auch endlich global) und nicht nur national und dann als Fundi an europäischen Regierungen scheitern mit schlechtem Stakeholdermanagement.

    Geheimdienste brauchen global ein ganz anders Regime. Da werden wir m.E. vier Bereich regulieren müssen:
    1.) Spionage wie früher, ob ein Staat als ganzes angegriffen wird. Gezielte Spionage SIGINT und SIGHUM. Das sollten wir erlauben. Weltweit. Kein Datenschutz, weil eh nicht durchsetzbar „informierte Selbstbestimmtheit? Lachhaft“.

    2.) Terrorabwehr. Seit 2001 habe da die Geheimdienste total versagt. Also können wir es auch denen verbieten wegen Geldverschwendung.

    3.) Wirtschaftsspionage. Verbieten.

    4.) Massenüberwachung Bevölkerung. Verbieten.

    Bei 2-4 brauchen wir ein hartes Regime. Verstöße sind dann keine Ordnungswidrigkeiten, sondern schwere Straftaten, die weltweit geächtet werden vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Wer da nicht mitspielen will, wird boykottiert, so wie wir das erfolgreich mit Iran machen wegen der Durchsetzung des Atomwaffensperrvertrages, so wie wir Milosevic nach Den Haag gebracht haben wegen seiner Kriegsverbrechen. So wie wir mit Diplomatie in Syrien bei den Chemiewaffen mehr erreicht haben als mit dem CIA-Einsatz zusammen mit den syrischen Terroristen.

    Wenn wir weiter so tun, als wen Datenschutz und Geheimdienste das selbe Thema wären, arbeiten wir den Geheimdiensten nachhaltig in die Taschen. Wenn wir nationalisieren oder regionalisieren statt globalisieren, liefern wir den Kalten Kriegern, denen die Arbeit abhanden gekommen ist, ständig neue Legitimation.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 5.11, 2013 @ 12:41

  2. So langsam habe ich den Eindruck, dass die Geheimdienste nicht von den Regierungen kontrolliert werden, sondern gemeinsam eine überstaatliche Macht bilden, die umgekehrt die Regierungen kontrolliert. Denn auch die RegierungsChefs werden umfassend überwacht und sind erpressbar.

    Comment by W — 5.11, 2013 @ 17:24

  3. Ich möchte übrigens mal Hannah Arendts „Ursprünge und Elemente totaler Herrschaft“, darin „Geheimpolizein“ ans Herz legen. Die Paralellen sind ganz außerordentlich erschreckend. Bspw. die Tatsache, daß im Grunde kein wirklicher „Regimefeind“, „Staatsfeind“ oder sonst ein tatsächlich realer Feind unter die Praxis der Geheimpolizei (als Macht der Exekutive) NSA fällt, sondern der „objektive Gegner“ namens „Terrorist“ schlichtweg jeder Mensch auf diesem Planeten ist. Woraus sich zwingend ergibt, daß die Arbeit der NSA auch erst dann „beendet“ sein wird, wenn alle „objektiven Feinde“ quasi kaltgestellt sind, was logisch eine unendliche Aufgabe ist – es braucht also immer neue Feindgruppen, die aber tatsächlich gar nichts mit irgend einer Feindschaft zu tun haben, sondern nur die Arbeit des Ladens am Laufen halten müssen. Ein wesentlicher Bestandteil von dessen Macht besteht nämlich im Wissen um dessen Existenz (von dieser Perspektive aus habe ich mich auch schon gefragt, ob Snowden mit seinen Leaks der NSA nicht einen Bärendienst erwiesen hat, denn jetzt weiß jeder, daß alle wissen, daß alle überwacht werden und alle wissen, daß die NSA nun auch weiß, daß das alle wissen).

    Auch die Tatsache, daß die NSA im Grunde also ihre „Wahrheit“ erst auf der ganzen Erde durchssetzen muss(terroristische Bedrohungen überall müssen beseitigt werden für die „wahre“ Demokratie), ist ein ganz sicheres Zeichen für eine Art von Weltherrschaftsanspruch und damit ein ganz klassisches Zeichen einer der Tendenz nach totalitären Bewegung. Erst wenn die Erde von allem „Unrat“ gesäubert ist, kann es wahren Frieden geben. Und _wann_ die Erde gesäubert sein wird, das wiederum bestimmt offenbar die NSA nebst Administration.

    Ich würde jedenfalls meinen, daß man den Menschen in der Sache noch mehr Feuer unterm Hintern machen kann bzw. ihnen ihre Lethargie gehörig versalzen kann, wenn man ihnen mal aufzeigt, was für Paralellen es nicht nur zu einer GeStaPo gibt (der Nazivorwurf wird häufig nicht ernst genommen), sondern daß man die NSA in Teilen auch ganz locker mit der NKWD der Bolschewisten/Sowjetunion vergleichen kann. Das „Stalin kommt zurück!“-Argument zieht – bedauerlich genug – nämlich ganz einfach viel mehr als jedes „Hitler kommt zurück!“

    Ich will nicht sagen, die NSA sei bereits wie eine NKWD oder eine GeStaPo, sondern daß sie der Tendenz nach die selben Ziele anstrebt (und Mittel benutzt), die eben auch diese beiden „Sicherheitsdienste“ hatten, die wiederum ein wesentlicher Bestandteil der totalitären Bewegungen und später der totalitären Staaten gewesen ist. Ohne die hätte das so wenig funktioniert wie ohne die Arbeits-, Zwangs- und Vernichtungslager. Die NSA hat nämlich nicht nur die Macht, jederzeit Individuen vollkommen zu ruinieren (insbesondere „Oppositionelle“), sondern sie hat diese Macht auch bezüglich ganzer Gruppen und Organisationen. Bedenkt man hierbei noch, daß die NSA offenbar auch diverse Methoden ausführt, die „nachladen“ weiterer Inhalte auf wessen PC auch immer erlauben, so dürfte klar sein, was für eine Power dort gehalten wird.

    Um es knackig zu sagen: die NSA hätte/hat im Gegensatz auch zur StaSi mit Sicherheit die Macht gehabt, die Bürgerbewegung der DDR so zu diskreditieren, daß die Mauer nie gefallen wäre.
    Man muss den Menschen das Sitzenbleiben auf dem Sofa angesichts der NSA wirklich richtig madig machen, sonst sehe ich da nicht viel Hoffnung (außerhalb der Tatsache, das jede totalitäre Bewegung und Institution laut Arendt den Keim ihres eigenen Untergangs von Anfang an in sich trägt – bis dahin passieren nun aber eben nicht die lieblichsten Dinge…).

    Comment by Marie Poulin — 4.01, 2014 @ 12:00

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