Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

26.11.13

Freie Fahrt für die Vorratsdatenspeicherung?

Gestern habe ich noch auf einer Podiumsdiskussion der Freisinger Jusos über das Für und Wider der Vorratsdatenspeicherung diskutiert und zwar mit dem Polizeibeamten und SPD-Mitglied Uwe Dörnhöfer. Meine zwei Kernthesen haben gelautet:

Eine Vorratsdatenspeicherung ist aus rechtsstaatlicher und bürgerrechtlicher Sicht nicht akzeptabel.

Es gibt keine fundierten Erkenntnisse über den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung im Bereich der Strafverfolgung und zwar aus keinem einzigen EU-Mitgliedsstaat, sondern nur die empirisch nicht belegte Behauptung eines Nutzens durch Sicherheitspolitiker und Polizeibehörden.

Heute meldet netzpolitik.org, dass man sich in den Koalitionsverhandlung darauf geeinigt hätte, die Vorratsdatenspeicherung umzusetzen bzw. wiedereinzuführen. Die Formulierungen deuten darauf hin, dass Einschränkungen der Abrufbefugnis nur in dem Umfang vorgenommen werden dürften, wie es das BVerfG vorgegeben hat. Das ist insofern keine große Überraschung, als dass bereits das vom BVerfG für nichtig erklärte Gesetz von der letzten großen Koalition beschlossen wurde und die SPD den Willen zur Vorratsdatenspeicherung auch in einem Parteitagsbeschluss artikuliert hat. Andererseits scheinen auch die Ereignisse der letzten Monate in der Führungsriege der SPD keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben.

Aufhorchen lässt allerdings der Hinweis, man werde auf europäischer Ebene auf eine Speicherfrist von nur drei Monaten hinwirken. Derzeit sieht die Richtlinie allerdings eine Speicherdauer von sechs Monaten bis zu zwei Jahren vor. Die Frage ist insoweit, ob man in Deutschland zügig eine Vorratsdatenspeicherung mit einer Speicherdauer von zunächst sechs Monaten einführen will oder ob man tatsächlich abwarten wird, bis es in Brüssel zu einer Evaluierung der Richtlinie kommt.

Egal wie man zur Vorratsdatenspeicherung steht, erscheint es politisch aber in jedem Fall sinnvoll, die anstehende Entscheidung des EuGH abzuwarten. Die kritischen Fragen des EuGH nähren außerdem die Hoffnung, dass er die Richtlinie zumindest nicht gänzlich unbeanstandet lassen wird. Der EuGH könnte die Chance nutzen, sich endlich als Bürgerrechtsgerichtshof zu etablieren.

posted by Stadler at 18:21  

11 Comments

  1. Die Frage der Vorratsdatenspeicherung ist weder argumentativ noch wissenschaftlich zu klären.

    Hinter der Vorratsdatenspeicherung stehen Interessen und Ideologien.

    Die Praxis wird es richten.

    Es geht immer nur darum, mit welchen Verlusten Freiheitseinschränkungen zu Explosionen führen.

    Die beiden Kernthesen von Stadler sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein in den Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern verschiedenster Interessen und Ideologien.

    Comment by Rolf Schälike — 26.11, 2013 @ 19:38

  2. Es herrscht Krieg!

    Verfassungsfeindliche Sicherheitsextremisten und paranoide Überwachungsfanatiker haben in ihrer wahnhaften Sicherheitsideologie dem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat den Krieg erklärt und die Macht an sich gerissen.

    Deutschland wird in den kommenden vier Jahren von Landesverrätern regiert.

    Jeder Bürger ist aufgerufen, die Menschenrechte und die Menschenwürde gegen die Volksfeinde in der Bundesregierung zu verteidigen.

    Es ist eine Frage des Patriotismus, das Erbe unser Gründerväter und -mütter – das Grundgesetz – in seiner Ursprungsfassung gegen die Angriffe gewissenloser und machtbesessener Kontrollextremisten zu schützen.

    In den kommenden vier Jahren wird sich entscheiden, was von unserer Selbstbestimmung und unserer Würde übrig bleiben wird.

    Ein Volk sollte keine Angst vor seiner Regierung haben. Eine Regierung sollte Angst vor ihrem Volk haben.

    Expect us.

    Comment by V. — 26.11, 2013 @ 22:35

  3. Interessehalber: Das BVerfG mahnte ja bei der VDS-Verfassungsbeschwerde den Blick auf die „Überwachungsgesamtrechnung“ an. Dürften bei einer erneuten Verfassungsbeschwerde gegen eine Vorratsdatenspeicherung die Erkenntnisse aus der diesjährigen Geheimdienst(e)affäre einfließen?

    Einerseits sind deutsche Dienste mit von der Partie, teilen „befreundete“ Dienste ihre Erkenntnisse über deutsche Bürger_innen mit deutschen Behörden und ist die Grenze zu „chilling effects“ angesichts der Totalüberwachung ohnehin schon überschritten – andererseits finden diese Maßnahmen ja nominell nicht durch deutsche Inlandsgeheimdienste oder Polizeibehörden statt.

    Selbst wenn die stattfindende Totalüberwachung nicht „zählen“ sollte: Angesichts der seit dem Urteil 2010 kräftig weiter ausgebauten Überwachungsmaßnahmen (Bestandsdatenauskunft? Erweitertes Anti-Terror-Paket?) und Forderungen wie der Nutzung von Maut(-bewegungs-)daten müsste es eine VDS 2 doch reichlich schwer haben, zu bestehen – oder?

    Comment by Johannes — 27.11, 2013 @ 01:38

  4. @ Johannes:

    Die Verfassungsrichter am BVerfG sind Mimosen und Feiglinge. Falls es überhaupt zu einer Entscheidung bei einer möglichen Verfassungsbeschwerde zur VDS 2 kommen sollte, werden diese Richter wieder eine „Ja, aber“-Entscheidung fällen.

    Es werden in der Urteilsbegründung wieder viele mahnende und zweifelnde Worte an die rechtsstaatlichen Prinzipien einer freiheitlichen Demokratie erinnern. Aber den Mut, einer verfassungsfeindlichen Bundesregierung samt Bundestagsmehrheit entgegenzutreten, werden diese Richter nicht besitzen.

    Übrigens, die Verfassungsrichter werden vom Bundestag eingesetzt. Die künftige Große Koalition aus CDU, CSU und SPD wird also nicht nur genehme und handzahme Richter wählen können, sondern das Grundgesetz und die gesetzlichen Grundlagen des BVerfG nach Gusto ändern können.

    Falls das BVerfG der Großen Koalition ernsthaft in die Quere kommen sollte, wird es per Zweidrittelmehrheit der Großen Koalition ausgeschaltet.

    Comment by Sokrates — 27.11, 2013 @ 11:24

  5. Hallo,
    einleitend schreiben Sie von Thesen, im folgenden Stellen Sie aber zuerst eine Meinung dar und erkären zum zweiten, es gäbe keine fundierten Erkenntnisse, was ja wohl bedeutet, dass es sehr wohl Erkenntnisse gibt, Sie diese aber nicht als fundiert anerkennen. Wie schnell so etwas falsch verstanden wird, liest man zB im lawblog, dort wird aus Ihrem …keine fundierten Erkenntnisse… ein „…Und das, obwohl bis heute der Nachweis aussteht…“ (Quelle lawblog.de)
    Aber was ich eigentlich Wissen wollte. Thesen sind ja nun einmal wissenschaftlich belegte Aussagen, wo kann ich Ihre Thesen denn bitte nachlesen?
    Gruß

    Comment by Kaputnik — 27.11, 2013 @ 11:45

  6. @Sokrates So einfach geht das nun auch wieder nicht. 1. Für eine Grundgesetzänderung muß auch eine Zweidrittelmehrheit des Bundesrats her und wenn ich das richtig lese, hat die Große Koalition dort mit 27 von 69 Stimmen noch nicht einmal eine absolute Mehrheit.
    2. Es würde also wohl nicht einmal zu einer Änderung des BVerfGG reichen.
    3. Eine Hälfte der Richter wird außerdem vom Bundesrat gewählt und dürfte daher teilweise deutlich grün gefärbt sein.

    Comment by Crovax — 27.11, 2013 @ 13:36

  7. Hm, mein Gedächtnis mag mich trügen, aber war es nicht so, dass zwar das Grundgesetz mit 2/3 Mehrheit geändert werden kann, die Grundrechte davon aber ausgenommen sind?

    Comment by Rangar — 27.11, 2013 @ 13:57

  8. @Rangar: Welche Grundrechte? Wir haben faktisch keine Rechte mehr, nur noch Pflichten, die wir gehorsamst zu befolgen haben. Die Grundrechte im Grundgesetz und die daraus durch das BVerfG entwickelten „neuen“ Grundrechte sind nur noch Zierde auf dem Papier. Jedes Grundrecht ist im heutigen verschandelten Grundgesetz eingeschränkt.

    D.h., immer dann, wenn man als Bürger die Grundrechte benötigt, gelten sie nicht .

    Wir wurden entrechtet und entmündigt, und die Masse applaudiert, weil es ja immer nur die Bösen und Kriminellen trifft.

    Comment by Daria. — 27.11, 2013 @ 15:27

  9. Schaut euch das mal an:
    http://www.heise.de/newsticker/meldung/Schleswig-Holstein-und-NRW-positionieren-sich-zur-Vorratsdatenspeicherung-2057543.html

    Im nördlichsten Bundesland wurde er am Donnerstag vorige Woche von SPD, den Grünen, der FDP, Piratenpartei und SSW gegen die CDU angenommen, im bevölkerungsreichsten Land hingegen stimmten am Mittwoch SPD, Grüne zusammen mit der CDU gegen die FDP und Piratenpartei.

    Erbärmlich für NRW!

    Daß die CDU vehement für die VDS ist, dürfte mittlerweile auch dem letzten Depp klar sein und verwundert nicht…
    Aber was SPD und Grüne vom Stapel gelassen haben ist in meinen Augen unverschämt!

    SPD (Zitat, gleiche Quelle wie oben): „Ralf Jäger (SPD), Minister für Inneres und Kommunales in NRW, sagte in der Landtagssitzung, es sei gegenüber dem Parlament respektlos, über einen Zweizeilenantrag abzustimmen, der ein Bundesgesetz betreffe.
    So so, das soll also „respektlos“ sein

    Grüne (Zitat, gleiche Quelle wie oben): „Laut dem vorläufigen Wortprotokoll der Landtagssitzung in Düsseldorf sprachen sich die Grünen gegen den Antrag aus, weil es momentan keinen Anlass gebe, über das Thema abzustimmen.
    Ach, es gibt also keinen Anlass…Na dann einfach mal ablehnen!

    Markus Kompa hat den dazugehörigen Mitschnitt (youtube-clip) verlinkt: http://www.kanzleikompa.de/2013/11/28/rotzgruene-vorratsdatenspeicherung/

    Schade eigentlich, daß es die Piraten nicht in alle Länder geschafft haben. Wäre doch sehr interessant wie das bundesweit ausgegangen wäre. Im Grunde ist es eigentlich doch schade, daß es die Piraten nicht in den Bundestag geschafft haben – allein für die Anfragen zum Thema NSA… und allein schon wegen dem „Demokratieverständnis“ der anderen Parteien (s.o.)

    Gruß aus Kölle, Baxter

    Comment by Baxter — 30.11, 2013 @ 00:48

  10. Herrn Schaar ist bereits mitgeteilt worden, daß die nächste Verfassungsklage vorbereitet wird. Da haben sich ja zwei feine Parteien gefunden. Sabine (FDP) darf man nur gratulieren, vier Jahre durchgehalten zu haben. Sie wird sich in Zukunft auf EU-Ebene einsetzen.

    „Nur“ drei Monate? Es wird gar keine Speicherung geben, wie bisher auch. Hatten wir diesbezüglich in den letzten vier Jahren Probleme? Hatten wir nicht.

    Sollten die Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, kündige ich bereits jetzt die Einführung neuer Rewebber ein, die ein vollständig anonymes Surfen garantieren. Tor ist jedenfalls schon lange keine Lösung mehr.

    Das Wettrennen ist eröffnet.

    Comment by Ian — 30.11, 2013 @ 15:20

  11. Wer kurz anonym unterwegs sein möchte, hier ein paar Tipps:

    hidemyass…com
    nedproxy….com
    onlineproxysite….com
    vtunnel….com
    proxfree….com
    bestvpnservice….com

    (Die Punkte umgehen die Auto-Zensur)

    Comment by Ian — 30.11, 2013 @ 16:26

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