Machen Geheimdienste die Welt sicherer?
Der britische Premierminister droht der Presse mittlerweile mit Zensur, sollte die Berichterstattung über „schädliches Material„, das von Edward Snowden stammt, nicht aufhören. Die Presse müsse laut Cameron gesellschaftliches Verantwortungsgefühl zeigen. Gleichzeitig wird immer wieder behauptet, die Tätigkeit von Geheimdiensten würde Menschenleben retten. Cameron sagt zum Beispiel über die Snowden-Enthüllungen, dass die Welt durch sie nicht sicherer, sondern gefährlicher werde.
Die ausufernde Überwachungstätigkeit der Dienste wird also mit ihrem angeblichen gesellschaftlichen Nutzen begründet, der sich freilich in den USA und im Vereinigten Königreich stets an einer nationalen Perspektive ausrichtet. Dass so argumentiert wird, ist nicht überraschend. Denn sobald sich auf breiter Basis die Erkenntnis durchsetzt, dass Geheimdienste den Menschen nicht nutzen, sondern vielmehr eine Gefahr darstellen, dann würde damit die letzte Fassade fallen. Selbst Politikern wie Obama oder Cameron wäre es dann nicht mehr möglich, die Tätigkeit ihrer Geheimdienst öffentlich zu verteidigen.
Es ist deshalb, jenseits der Diskussion um die Beschneidung der Bürgerrechte und auch jenseits des Mantras von der Balance zwischen Sicherheit und Freiheit, notwendig, zwei Grundthesen zu hinterfragen:
1. Die Geheinmdienste retten Menschenleben, ihre Tätigkeit macht die Welt sicherer
Wenn es darum geht, darzustellen, welche konkreten und ernsthaften Anschlagspläne durch die Tätigkeit von Geheimdiensten tatsächlich vereitelt worden sind, wird es sowohl in den USA als auch in Deutschland immer äußerst dünn. In Deutschland greift die Bundesregierung dann zumeist auf die Sauerlandgruppe zurück, aber selbst dieser einzige Beispielsfall erweist sich bei näherer Betrachtung als eher zweifelhaft.
Demgegenüber steht das Wissen, dass falsche Geheimdienstinformationen den Irakkrieg ausgelöst haben und dass amerikanische Dienste in den letzten gut zehn Jahren hunderte von Menschen entführt und gefoltert haben. Bei US-Drohnenangriffen in Pakistan sind tausende Menschen ums Leben gekommen, die zur Ortung dieser Zielpersonen erforderlichen Informationen stammen zumeist von Geheimdiensten.
Es lässt sich deshalb mit Fug und Recht behaupten, dass Geheimdienste diese Welt unsicherer machen und, dass sie sicherlich mehr Menschenleben vernichtet als gerettet haben. Diesen zentralen Aspekt habe ich in zwei Blogbeiträgen „„Vom Nutzen der Geheimdienste für unsere Sicherheit“ und „Empört Euch!“ näher dargelegt.
2. Die Geheimdienste betreiben doch nur Terrorbekämpfung
Spätestens der Umstand, dass die USA das Handy von Bundeskanzlerin Merkel überwacht haben, dürfte auch dem letzten Zweifler deutlich gemacht haben, dass die vordergründige Zielsetzung amerikanischer Geheimdienste die der Polit- und Wirtschaftsspionage ist. Weil man das aber natürlich offiziell nicht einräumen kann, ist der Vorwand der Terrorbekämpfung willkommen. Die amerikanische und auch die britische Politik will stets vorab über die politischen Vorhaben und Ziele anderer Staaten und Institutionen wie der EU oder der UN informiert sein. Der amerikanischen Wirtschaft wird durch Industriespionage ein Wettbewerbsvorteil gegenüber konkurrierenden Unternehmen anderer Staaten verschafft. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Tätigkeit von Geheimdiensten im Grunde nur als Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln. Nationalstaaten bekämpfen den Rest der Welt, um des eigenen Vorteils willen. Es ist daher die Aufgabe des Völkerrechts, die Tätigkeit von Geheimdiensten ebenso zu ächten wie kriegerische Auseinandersetzungen. Auch wenn die Erreichung dieses Ziels vielen unrealistisch erscheinen mag, wird man es ernsthaft diskutieren und ins Auge fassen müssen.
Industriespionage klingt immer so nach Technik. Tatsächlich ist das einzige bei dem uns die US überholt, die Show, die PR und der Sales.
Comment by Philip Engstrand — 29.10, 2013 @ 17:54
Die Geheimdienste hatten sich in den real sozialistischen Ländern (Diktaturen) verselbständigt. Die führenden Parteien konnten nicht mehr ohne den Geheimdiensten ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen. Auch in den führenden Parteien rutschten Kriminelle nach oben durch an die höchsten Entscheidungsstellen.
Das dürfte in den westlich geprägten Ländern etwas anders sein. Die Geheimdienste sind tatsächlich überflüssig. Auch ohne den Geheimdiensten dürften die Rechtsstaaten funktionieren. Sie werden nicht zusammenbrechen.
An Stelle der Geheimdienste kommen dann allerdings die Juristen. Auch diese Kaste verselbständigt sich. Ohne den Juristen können die Parteien und andere Entscheidungsträger ihren gesellschaftlichen Auftrag nicht erfüllen. Auch da rutschen an die wichtigsten Entscheidungsstellen vorwiegenbd Kriminelle durch (hoch).
Die Gefahr besteht darin, dass die Geheimdienste durch die Juristenkaste ersetzt werden. Das ist zwar besser, so wie ein Rechtsstaat besser ist als eine auf Geheimdiensten beruhende Diktatur.
Der Weisheit letzter Schluss ist es allerdings auch nicht. Die Gefahren von Krisen, Zusammenbrüchen, Kriegen werden damit nicht beseitigt.
Comment by Rolf Schälike — 29.10, 2013 @ 19:25
Endlich mal wieder ein Beitrag von Stadler, den ich unterschreiben kann. Das ist nicht immer so.
Doch von Bürgerrechten zu schreiben, ist so nicht stimmig. Denn Bürger und Bürgerin ist man nur im eigenen Land. Besser ist es, von Menschenrechten zu schreiben, die an den eigenen Grenzen nicht enden. Gerade in Bezug auf Geheimdienste ist diese Unterscheidung wichtig. Der BND macht sich strafbar, wenn er deutsche Staatsbürger und Staatsbürgerinnen ausforscht, der US-Geheimdienst nicht. Der Austausch der Daten ist das Problem. Gibst du mir, gebe ich dir, das höhlt jede Rechtsstaatlichkeit aus. Dieses Faktum muß viel öfter bewusst gemacht und unterbunden werden.
Comment by Oliver — 29.10, 2013 @ 19:28
Wo ist in den USA eigentlich die Deutsche Botschaft? Ich bin zu faul, zu suchen. Man sollte sich allerdings nach einem neuen Grundstück umsehen, am besten neben dem Weißen Haus, da horcht es sich gut. Auf dem Dach ein kleiner Neubau und nett winken.
Comment by Oliver — 29.10, 2013 @ 20:05
Die Geheimdienste sind der eigentliche Terror auf dieser Welt.
Comment by Troll — 30.10, 2013 @ 10:47
@Stadler
Wenn Sie der Meinung sind das Geheimdienste keine Menschenleben retten, sondern nur gefährden, dann würde ich vorschlagen, Sie machen mal eine Reise nach Syrien oder in den Jemen und lassen sich dort entführen. Eine weitere Aussage aus Ihrem Beitrag “Vom Nutzen der Geheimdienste für unsere Sicherheit”, wenn ich mich nicht irre, ist auch nicht korrekt. Gehimdienste werden auf keinen Fall jeden Erfolg präsentieren, weil sie damit ihre Methoden preisgeben würden.
@all
Nichtsdestotrotz stimme ich Ihnen insoweit zu, das eine allumfassende Überwachung unrechtmäßig und zudem auch noch unzweckmäßig wäre. Maschinen könne heutzutage zwar erstaunliches leisten, einen Mehrwert können sie jedoch aus den erhobenen Daten nicht generieren. Das kann nur der Mensch und daran hapert es dann.
Gegen diese Überwachung etwas zu unternehmen liegt jedoch bei jedem einzelnen selbst, indem er mit seinen Daten Sparsam umgeht und in seiner Kommunikation auf sichere Protokolle/Server/Verschlüsselungen achtet.
Comment by Christian — 30.10, 2013 @ 13:30
@Christin Wenn man „das Geheimdienste keine Menschenleben retten“ so liest, dass es gänzlich ausgeschlossen ist, das durch geheimdienstliche Tätigkeit ein Mensch gerettet wird, stimmt das vermutlich, lässt sich zumindest nicht ausschließen. Das heißt nur nicht besonders viel, denn dass „man unter Adolf wenigstens als Frau nachts noch auf die Straße gehen konnte“, wie einem manche Leute gerne immer wieder mitteilen, dürfte in dem Sinn auch richtig sein. Trotzdem kann ich mich mit der (N)SA nicht so recht anfreunden.
Comment by ThorstenV — 30.10, 2013 @ 18:52
@Thorsten :-) kann ich verstehen, ich mag mich auch mit beiden nicht anfreunden, auch wenn ich beide (noch) nicht selber erlebt habe. Ich denke nur, das man die Sache nicht schwarzweiß sehen kann. Geheimdienste haben durchaus ihre Berechtigung. Ach ja, und wegen der Überwachung liegt es natürlich nicht nur an jedem einzelnen, sondern die Mittel der Kontrolle die es schon gibt müssen auch genutzt werden. Und zwar Verantwortungsvoll! Da nehme ich die von uns gewählten Politiker in die Pflicht, die sich im Pkgr informieren lassen müssen und mit diesen Informationen dann auch vertraulich umgehen, denn daran mangelt es auch mal gerne. Und das die Geheimen dann nur ungerne konkrete Informationen rausrücken ist verständlich, finde ich.
Comment by Christian — 30.10, 2013 @ 21:25
Ohne Geheimdienst hätte Deutschland keine NPD.
Comment by yah bluez — 31.10, 2013 @ 21:04
@Christian
…die Geheimen nur ungerne konkrete Informationen rausrücken…
Die „Geheimen“ stehen unter staatlicher Kontrolle, oder eher, sie sollen aufgrund der Gesetzeslage dort stehen. Wir brauchen keine Geheimdienste, die sich selbstständig machen. Und genau das ist geschehen. Die Konsorten sind über die Stränge geschlagen und haben, zu Recht, den Eindruck, sie dürfen sich alles erlauben. Dem ist ein Ende zu setzen! Wenn es so geheim wird, daß eine Kontrolle nicht mehr möglich ist, sind diese Dienste unverzüglich abzuschalten.
Noch leben wir in einer Demokratie, in welcher eine vom Volk gewählte Regierung an der Macht ist.
Comment by Oliver — 1.11, 2013 @ 11:37
Die Bundesanwaltschaft ermittelt bereits wegen „Handygate“ und Drohnenmorden, in die der BND verwickelt ist, die vom deutschen Boden aus gesteuert wurden etc. etc..
Da Hans-Christian bei Snowden war, wird die Bundesanwaltschaft nach Russland reisen, um dort den Zeugen zu vernehmen. Das wird bei anderen Straftatbeständen auch so gehandhabt. Die Bundesanwaltschaft steht in der Pflicht, ihre Aufgaben zu erledigen. Ich kann nur raten, daß sie es macht und nicht als unfähige, machtlose Witzfigur aus der Nummer rausgeht. Das würde ihren Ruf für immer beschädigen oder deren bereits schlechten Ruf manifestieren.
Comment by Oliver — 1.11, 2013 @ 11:58
@Oliver Die Frage lautet doch wer ausser Kontrolle geraten ist, wenn Parlamentarier Informationen an die Presse geben die Quellen der Geheimdienste gefährden. Wenn ein Herr Ströbele nicht nachweisen kann, wo er Dokumente die Geheim eingestuft sind gelassen hat, ist er dann vertrauenswürdig oder zuverlässig? Mich würden mal konkrete Beispiele interessieren, wo die Konsorten denn über die Stränge geschlagen sind. Und wesweten bitteschön soll sich die Bundesanwaltschaft denn mit Snowden unterhalten? Mal ganz abgesehen davon, das die Reise des Herrn Ströbele eine einzige PR-Aktion war.
Comment by Christian — 9.11, 2013 @ 17:54