Auf welcher rechtlichen Grundlage erhebt der BND Metadaten?
Dass der Bundesnachrichtendienst (BND) massenhaft und automatisiert Metadaten erhebt, ist eine gänzlich neue Erkenntnis. Diese Praxis wird aber erst gar nicht dementiert, sondern mit immer neuen merkwürdigen Begründungen gerechtfertigt. Heute kann man zum Beispiel bei SPON lesen, dass diese Daten aus der Auslandsaufklärung des BND in Afghanistan und Nordafrika stammen sollen. Gleichzeitig ist aber von der Fernmeldeaufklärung am BND-Standort in Bad Aibling die Rede. Verstehe das nur ich nicht? Dass der BND TK-Verbindungsdaten wie Telefonnummern, IP-Adressen und E-Mailadressen und die dazugehörigen Kommunikationszeitpunkte in Afghanistan und Nordafrika erhebt, ist unwahrscheinlich. Die Datenerhebung findet also in Deutschland statt, u.a. von Bad Aibling aus.
Die Frage auf welcher konkreten rechtlichen Grundlage der BND überhaupt massenhaft Metadaten erheben kann, wird in der Berichterstattung erst gar nicht gestellt. Stattdessen liest und hört man gerade von Journalisten immer wieder die apodiktische Aussage, der BND würde dies legal bzw. auf Basis des geltenden Rechts machen. Aber ist das tatsächlich so? Nachdem die Tatsache, dass der BND massenhaft TK-Verbindungsdaten erhebt, bislang nicht öffentlich bekannt war, wurde m.W. auch die Frage, ob und inwiefern dies auf Basis des G10-Gesetzes überhaupt möglich ist, juristisch bisher nicht erörtert.
Was der BND macht, ist im Grunde nichts anderes als eine exkzessive Form der Vorratsdatenspeicherung.
Meines Erachtens kommen im G10-Gesetz als Rechtsgrundlage lediglich § 2 und § 5 in Betracht. § 2 G10-Gesetz dürfte ungeachtet des Umstandes, dass die Vorschrift im Lichte der Entscheidung des BVerfG zur Bestandsdatenauskunft verfassungsrechtlich bedenklich ist, als Rechtsgrundlage für das was der BND praktiziert, aus tatsächlichen Gründen ausscheiden. Denn § 2 Abs. 1 G10-Gesetz regelt Auskunftspflichten von TK-Anbietern. Nur dann, wenn der BND solche Verbindungsdaten also bei Providern beauskunftet, kommt § 2 überhaupt in Betracht. Es stellt sich aber auch dann die Frage, ob § 2 die Abfrage von Verbindungsdaten ermöglicht, oder auf Bestandsdaten beschränkt ist. Für die massenhafte Erfassung von Metadaten stellt § 2 also keine geeignete Rechtsgrundlage dar.
§ 5 G10-Gesetz regelt die sog. strategische Fernmeldekontrolle. Danach ist es zulässig, internationale Telekommunikationsbeziehungen anhand von Suchbegriffen zu durchsuchen. Diese Regelung zielt eigentlich auf Kommunikationsinhalte ab und passt nicht wirklich für die gezielte Erfassung von Verbindungsdaten. Selbst wenn man sich über diese Bedenken hinwegsetzen würde, wirft die Regelungen im Hinblick auf Verbindungsdaten aber noch weitere, kaum zu lösende Probleme auf.
Die Vorschrift besagt nämlich, dass keine Suchbegriffe verwendet werden dürfen, die Identifizierungsmerkmale enthalten, die zu einer gezielten Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse führen. Genau das trifft aber auf Telefonnummern, E-Mail-Adressen und IP-Adressen zu. Das gilt allerdings nicht für Telekommunikationsanschlüsse im Ausland, sofern ausgeschlossen werden kann, dass Anschlüsse, deren Inhaber oder regelmäßige Nutzer deutsche Staatsangehörige sind, gezielt erfasst werden.
Diesen gesetzlichen Ausschluss der Erfassung inländischer Anschlüsse will der BND offenbar dadurch bewerkstelligen, dass E-Mail-Adressen mit der Endung .de und deutsche Telefonnumern ausgefiltert werden. Nachdem Millionen deutscher Staatsbürger aber E-Mail-Adressen benutzen, die zu einer .com-Domain gehören, lässt sich durch diese Maßnahme nicht ausschließen, dass deutsche Staatsangehörige erfasst werden. Die massenhafte Erhebung von Metadaten kann also auch nicht durch § 5 G10-Gesetz gerechtfertigt werden. Auch aus dem TKG und dem BND-Gesetz ergeben sich keine geeigneten Rechtsgrundlagen.
Das geltende Recht bietet also auch Geheimdiensten keine rechtliche Grundlage für eine (unkontrollierte) Erfassung und Speicherung von TK-Verbindungsdaten. Ich gehe davon aus, dass sich diese Einschätzung auch in der nunmehr vermutlich einsetzenden rechtswissenschaftlichen Diskussion verfestigen wird.
Daraus folgt, dass bereits die Erhebung der Daten durch den BND rechtswidrig ist. Die nachfolgende Übermittlung an die NSA wirft weitere rechtliche Fragen auf. Nachdem aber bereits die Datenerhebung durch den BND rechtswidrig ist, ist auch die Übermittlung an die NSA nicht in rechtmäßiger Art und Weise möglich.
Vielleicht sollte die Bundesregierung jetzt einfach mal ihrer Verpflichtung nachkommen, für die Durchsetzung des Rechts zu sorgen und dem BND die Erhebung von TK-Verbindungsdaten untersagen. Offenbar betrachten aber sowohl BND als auch Bundesregierung das G10-Gesetz lediglich als unverbindliche Empfehlung, die man nach Belieben ignorieren kann.
Aibling zielt eben auf Satelliten der genannten Regionen. Nach Filterung nicht mehr im Anwendungsbereich des G-10. Rechtlich Metadaten von Ausländern für BND ein nullum, easy, oder?
Comment by HumInt — 8.08, 2013 @ 23:20
Die Journalisten (z.B.Rainald Becker,Deppendorf,SPON-Autoren),die immer wieder behaupten der BND würde alles legal, bzw. auf Basis des geltenden Rechts machen,haben diesen Namen nicht verdient.Sie sind Komplizen der politischen Klasse und beteiligen sich derzeit rege an den Vertuschungsversuchen von CDU/SPD.Greenwald ist ein Journalist,aber Männer seines Kalibers finden sich nicht in der deutschen Zunft der Lohnschreiber.
Der BND nutzt „Prism-basierte Technik“, „testet“ NSA Software, BND und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nutzen „XKeyscore“…
Das Innenministerium hierzu:
„XKeyscore dient der Erfassung und der Analyse von Internetdatenströmen (Rohdatenstrom). Ein solcher Rohdatenstrom wird im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse erhoben. Die Analyse mit XKeyscore dient lediglich dem Lesbarmachen des Internetdatenstroms. Das Lesbarmachen ist Voraussetzung, um die insbesondere nach dem G10-Gesetz eingeräumten Befugnisse überhaupt nutzen zu können. Die Frage der Nichteinhaltung verfassungsrechtlicher Vorgaben stellt sich damit nicht.“
Lesbarmachen von Rohdatenströmen.Schöner Euphemismus.
„Durch den bloßen Einsatz des Programms ist der BND auch nicht Teil eines Netzwerkes der NSA.“
Nein ? Steht Deutschland im sog. Anti-Terrorkampf in Nordafrika und Afghanistan nicht fest an der Seite der USA ? Warum sollten die Dienste sich nicht austauschen?
Fazit:Das alles ist immer noch die Spitze des Eisbergs.Die Demokratie,die Privatsphäre, die Pressefreiheit stehen auf dem Spiel.
Comment by Bob Roberts — 8.08, 2013 @ 23:20
„A Brazilian official has taken the unusual step of publicly announcing that the Brazilian government will offer Guardian writer Glenn Greenwald protection from the U.S. government after determining he risks facing legal action if he returns to the U.S.“
http://www.salon.com/2013/08/08/glenn_greenwald_offered_brazilian_protection_from_u_s_will_not_accept/
Comment by Bob Roberts — 8.08, 2013 @ 23:33
Zusammenarbeit von BND und NSA: 7 Fragen, 7 Antworten:
http://tinyurl.com/mp44r4z
Comment by Bob Roberts — 8.08, 2013 @ 23:57
Mich macht es ziemlich sprachlos, wie sowas „hierzulande“ möglich sein soll. Ich dachte eigentlich, die BRD hätte aus dem dunklen Jahrhundert 1848-1948 gelernt.
Das Problem mit den ahnungslosen Journalisten hat Zapp angesprochen: http://www.ndr.de/ratgeber/netzwelt/datenschutz/spionageskandal101.html
Das, und dass sie zudem gern Politikerpositionen übernehmen, wie Bob Roberts es beschreibt, habe ich in einem heute Vormittag erscheinenden Blogartikel von Prism auf das Plagiatsthema zu übertragen versucht.
Aus meiner Sicht ist das sowas wie die massenmediale Signatur der Gegenwart.
Comment by Erbloggtes — 9.08, 2013 @ 03:35
In § 5 BNDG ist nicht ohne Grund von Kommunikationbeziehungen die Rede. Dass die Norm allein auf Kommunikationsinhalte abzielen würde ist lediglich eine nützliche Behauptung.
Ansonsten ist zu beachten, dass der Gegenstand der Erhebung und der „Suchbegriff“ nicht identisch sind, der erstere den letzteren typischerweise einschließt, aber nicht einschließen muss. Die Befugnis zur Metadatenerfassung ergibt sich a-maiore-ad-minus aus der Befugnis zur vollständigen Aufklärung der Kommunikationsbeziehung, die durch einen erlaubten Selector gekennzeichnet ist.
Comment by asd — 9.08, 2013 @ 07:05
Dass in Bad Aibling Satellitenaufklärung betrieben wird ist klar. Es bleibt aber die Frage welche Satelliten das sind und was mit der leitungsgebundenen Kommunikation ist, die ja offenbar ebenfalls abgeschorchnelt werden muss. In allen Fällen müsste aber sichergestellt werden, dass Deutsche nicht betroffen sind. Das ist praktisch aber unmöglich.
Comment by Stadler — 9.08, 2013 @ 07:14
Das beantwortet viele Fragen, die sich mir im Hinblick auf den viel zitierten Herrn Foschepoth stellten. Bleibt noch die Behauptung, die NSA dürfte in Deutschland selbständig – also ohne jede Genehmigung – tätig werden. Schwer vorstellbar, dass US-Dienste in Deutschland dürfen sollen, was deutsche Dienste nicht dürfen.
Comment by Eva — 9.08, 2013 @ 10:07
Jenseits der durchaus wichtigen politischen Aufarbeitung stellt sich doch auch die Frage, welche juristischen Personen klageberechtigt wären und welcher Ansatz erfolgsversprechend ist. Ließe sich durch ein gezieltes Auskunftsersuchen z.B. zum Thema Terrorismus im nahen Osten arbeitenden Journalist/in mit .com-Adresse eine persönliche Betroffenheit herstellen, die Klagemöglichkeiten bis zum Bundesverfassungsgericht ermöglicht oder ist dies ggf. gar nicht notwendig? Wäre eine Klage denkbar, die eine Feststellung der BND-Tätigkeit zum Ziel hat?
Comment by Fritz — 9.08, 2013 @ 10:56
@ 8 Eva
Nach amerikanischem Recht darf der NSA das, genauso wie der BND, z.B. in Afghanistan, nach deutschem Recht!
Vielleicht sollte der BND mal beginnen in den USA tätig zu werden (Kompetenz und Inderlagesein mal außen vor gelassen)!? Wäre interessant zu sehen wie die dortige Politik, Medien und Geheimdienste darauf reagieren würden!
Denn eigentlich sollte gelten: gleiches Recht für beide „Freunde“/Alle, oder?
Es ist halt das alte Problem: Was ich mir bei Dir erlaube, darfst Du bei mir noch lange nicht!
Letztlich ist das was einige angesichts dieser Schnüffelei und Gefährdung des Rechtsstaates und der Demokratie inzwischen ernsthaft überlegen tatsächlich die einzige Möglichkeit: Internationale, durch eigene überstaatliche, unabhängige Institutionen kontrollierte und sanktionsbedrohte Verträge! Den Haag läßt grüßen! (Es hat natürlich einen Grund warum ausgerechnet (aber nicht nur) die USA Den Haag nicht akzeptieren!)
Es wird sicher noch etwas dauern, aber am Ende wird es – angesichts eines globalen Netzes – von allen einzuhaltende globale Regeln geben (müssen)!
Das Internet wird unseren Planeten gravierender verändern als es sich Politiker, Medien, Geheimdienste und Bürger sich bisher träumen lassen; am Ende!
Comment by Hans-Peter Hammer — 9.08, 2013 @ 11:00
Im Zweifelsfall wird man sich auf § 1 Abs. 2 BNDG berufen. Große Teile des BDSG sind ausgeschlossen, speziell die „Automatisierte Verarbeitung“ betreffend (http://www.buzer.de/s1.htm?a=1%2C11&g=BNDg).
Comment by buzer — 9.08, 2013 @ 11:30
Es ist interessant zu lesen wie Ihr Diskutiert auf welcher Rechtsgrundlage der BND die Rechte von Deutschen verletzt.
Willkommen in der Koalition der Willigen.
Ihr seid in keiner weise Moralisch höherstehend als NSA oder BND.
Denn Ihr haltet es für völlig in Ordnung das alle anderen Ausspioniert werden.
Gelobet sei der Heilige Sankt Florian.
Comment by Zorin — 9.08, 2013 @ 12:19
@Zorin:
Der Einwand ist berechtigt. Nur das geltende Recht ist derzeit einfach so aufgebaut.
Ich habe diesen Aspekt in einem anderen Blogpost schon mal thematisiert.
Comment by Stadler — 9.08, 2013 @ 15:29
„In allen Fällen müsste aber sichergestellt werden, dass Deutsche nicht betroffen sind.“
Das scheint mir so nicht richtig: Ein Deutscher X hat eine Hotmail addresse, der Server steht aber nicht in Deutschland (zur Veranschaulichung, ob das wirklich so ist bei Hotmail, kann ich nicht beurteilen). Schreibt X nun eine Mail aus Deutschland mit seinem Browser und klickt auf „senden“, so geht die Mail zunächst an den Hotmail Server. Diesen Vorgang darf der BND nicht ohne weiters abhören, die Sender IP ist ja auch in Deutschland, wird also ausgefiltert. Der Hotmail Server im Ausland schickt aber nun die Mail an den Empfänger, dessen Email Server ebenfalls im Ausland ist. Dieser Vorgang sieht für den BND nach Auslandsverkehr aus, wird also gespeichert, obwohl der Deutsche X betroffen ist.
Rechtlich ist meiner Meinung da nichts einzuwenden, denn Hotmail hat sich ja nicht verpflichtet, die Emaildaten von X innerhalb der Geltungsbereichs der deutschen Gesetze abzuwickeln, X hat seine Daten ja freiwillig, wenn auch wahrscheinlich unbewusst, ins Ausland verlagert.
Comment by NaN — 9.08, 2013 @ 15:40
Sehr geehrter Herr Stadler,
Sie befinden sich in einem grundlegenden Irrtum.
Es gibt eine geltende rechtliche Grundlage.
http://de.wikipedia.org/wiki/Menschenrechtsabkommen
Wurde meines Wissens von der BRD Ratifiziert und somit anerkanntes Recht in der BRD.
Das sie von den Juristen aller Sparten und der Regierung ignoriert wird ist traurige Tatsache.
Was Sie meinten das weder Richter noch Staatsanwälte die Menschenrechtsabkommen als Grundlage Ihrer sogenannten Rechtsprechung machen.
Comment by Zorin — 9.08, 2013 @ 16:41
„Schindlers Liste“ der Vergangenheit hatte ihr Gutes, Schindlers Liste des BND wird im späteren Rückblick wohl weniger bejubelt. No risk, no fun, sagt dieser Flachflieger kackendreist. Mal sehen, was wir über das Subjekt herausfinden.
Das WWW hat richtig fun, sich mit diesem Typen zu befassen. Ob er das dann auch noch witzig findet, ist dabei vollständig unrelevant. It`s his risk and our fun. Bald mehr auf jeder Suchmaschine.
Comment by Sven — 10.08, 2013 @ 12:17
Aktuelle Warnung:
Telekom, GMX und Web.de wollen ab gestern ihre Mails nur noch verschlüsselt übermitteln. Sie reagieren auf die Kritik der Kunden, die laufen nämlich weg.
Ein Werbe-Gag. Fallt nicht darauf rein, denn das, was sie anbieten, hat mit Datensicherheit nichts zu tun.
Es ist eine reine PR-Masche.
Comment by Sven — 10.08, 2013 @ 14:14
Wir meinen, wir hätten den Autor bereits darauf hingewiesen, dass nicht das G-10-Gesetz, sondern das BND-Gesetz die maßgebliche Rechtsgrundlage darstellt. Nach § 2 BND-Gesetz ist die Erhebung gestattet, in § 9 Abs. 2 die Weiterleitung an ausl. Stellen geregelt.
Der beinahe schon Tunnelblick zu nennende Fokus des Autors auf die Vorschriften des G-10-Gesetzes verstellt i.Ü. den Blick auf die eigentliche Problematik der Datenübermittlung durch den BND. Die Daten könnten herangezogen werden, um „extraiustizielle Vollstreckungshandlungen“ ins Werk zu setzen, vulgo Hinrichtungen:
http://www.sueddeutsche.de/politik/kooperation-mit-us-geheimdiensten-unmut-ueber-bnd-chef-schindler-1.1743505
Dafür spricht, dass der BND Daten in den Operationsgebieten von US-Drohnenprogrammen erhebt:
https://twitter.com/Regierungs4tel/status/365870862081073152
Und in technischer Sicht können sehr wohl auf dt. Hoheitsgebiet Daten aus den betreffenden Regionen „gesaugt“ werden. Der BND dürfte aber auch in den Krisengebieten selbst entsprechende Einrichtungen und Luftfahrzeuge betreiben.
Comment by Regierungs4tel — 10.08, 2013 @ 14:52
„Es bleibt aber die Frage welche Satelliten das sind und was mit der leitungsgebundenen Kommunikation ist, die ja offenbar ebenfalls abgeschorchnelt werden muss.“
Das sind potenziell alle Satelliten, die in Bad Aibling empfangen werden können mit gem. § 10 IV 3 G10 20 Prozent ihrer Übertragungskapazität. Terrestrische Satellitenüberwachung ist naturgemäß auf den Downstream begrenzt. Bei Satellitenkommunikation kann plausibel vermutet werden, dass der zugehörige Upstream des Empfangenen nicht von Deutschland aus gesendet wird und die Kommunikationsbeziehung dadurch international ist.
„In allen Fällen müsste aber sichergestellt werden, dass Deutsche nicht betroffen sind.“
Das ist Unsinn. Allein die Gegenausnahme von der Ausnahme vom Verbot der Bestimmung von Anschlüssen bzw. der Erfassung von Kernbereichsdaten knüpft an die Staatsangehörigkeit an, nämlich die Deutscher im Ausland. Ansonsten gilt ein kommunikationstechnisches Kriterium und dabei ein Überwachungsverbot rein nationaler Kommunikation. Kommunikation ist international im Sinne des G10, wenn sich einer ihrer Endpunkte im Ausland befindet.
Comment by asd — 10.08, 2013 @ 15:02
Zumindest nicht im öffentlichen Dienst.
Comment by Regierungs4tel — 10.08, 2013 @ 15:45
„§ 5 G10-Gesetz regelt die sog. strategische Fernmeldekontrolle. Danach ist es zulässig, internationale Telekommunikationsbeziehungen anhand von Suchbegriffen zu durchsuchen. Diese Regelung zielt eigentlich auf Kommunikationsinhalte ab und passt nicht wirklich für die gezielte Erfassung von Verbindungsdaten.“
Die Erfassung des Inhalts der Kommunikation in Form der Erfassung des gesamten Kommunikationsvorgangs („Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation“) umfasst schon logisch und aus technischer Sicht auch die Erfassung der Verkehrsdaten: erfasse ich eine E-Mail, erfasse ich damit auch Absender, Empfänger, sendenden und empfangenden Host; das gleiche gilt für den Fernmeldeverkehr. Auch rechtlich umfasst die Befugnis zur Inhaltsüberwachung als Minus auch die Erfassung der Verkehrsdaten, vgl. dazu für die strafprozessuale Parallelnorm des § 100a StPO bspw. Nack in KK-StPO, 6. Aufl. 2008, § 100a Rn. 31. Ich meine nicht, dass das in irgendeiner Weise strittig wäre.
„Selbst, wenn man sich über diese Bedenken hinwegsetzen würde, wirft die Regelung im Hinblick auf Verbindungsdaten aber noch weitere, kaum zu lösende Probleme auf.
Die Vorschrift besagt nämlich, dass keine Suchbegriffe verwendet werden dürfen, die Identifizierungsmerkmale enthalten, die zu einer gezielten Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse führen. Genau das trifft aber auf Telefonnummern, E-Mail-Adressen und IP-Adressen zu. Das gilt allerdings nicht für Telekommunikationsanschlüsse im Ausland, sofern ausgeschlossen werden kann, dass Anschlüsse, deren Inhaber oder regelmäßige Nutzer deutsche Staatsangehörige sind, gezielt erfasst werden.“
Dieses Argument verstehe ich nicht.
Dass keine Suchbegriffe verwendet werden dürfen, die zu einer gezielten Überwachung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse führen, trennt die strategischen von den individuellen Beschränkungen; man darf also nicht über die Auswahl eines Suchbegriffs, der eine Rufnummer, IMEI oder E-Mail-Adresse enthält, die strategische Fernmeldeüberwachung zu einer Form der (individuellen) TKÜ umwandeln, die in Abschnitt 2 G10 geregelt ist. Dass solche Suchbegriffe verwendet würden, hat bisher m.W. niemand auch nur behauptet.
Wenn aber mit anderen, allgemeinen Suchbegriffen bestimmte E-Mails oder bestimmte Telefonate erfasst werden, dürfen diese „überwacht und aufgezeichnet“ werden, § 5 Abs. 1 G10 i.V.m. § 1 Abs. 1 G10. Und das gilt für Inhalts- wie Verkehrsdaten, die dann im übrigen auch weiterverarbeitet, mithin ausgewertet, verknüpft und ggf. bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch übermittelt werden dürfen.
„Die massenhafte Erhebung von Metadaten kann also auch nicht durch § 5 G10-Gesetz gerechtfertigt werden. Auch aus dem TKG und dem BND-Gesetz ergeben sich keine geeigneten Rechtsgrundlagen.“
Das trifft für strategische Beschränkungen nach § 5 G10 offensichtlich nicht zu.
Unzulässig wäre freiwillig eine Totalüberwachung mit Überwachung *aller* Verkehrsdaten (d.h. über die Vorgaben von §§ 5, 10 Abs. 4 G10 wie Suchbegriffe und max. 20% des Datenverkehrs hinaus). Eine solche ist aber nicht belegt.
„Das geltende Recht bietet also auch Geheimdiensten keine rechtliche Grundlage für eine (unkontrollierte) Erfassung und Speicherung von TK-Verbindungsdaten. Ich gehe davon aus, dass sich diese Einschätzung auch in der nunmehr vermutlich einsetzenden rechtswissenschaftlichen Diskussion verfestigen wird.“
Nachdem die aus der Befugnis zur Überwachung und Aufzeichnung von Inhaltsdaten technisch wie rechtlich resultierende Befugnis zur Erfassung von Verkehrsdaten zumindest strafprozessual AFAIS völlig unbestritten ist, würde es mich doch sehr wundern, wenn das im Bereich der Maßnahmen nach dem G10 anders wäre.
Comment by -thh — 10.08, 2013 @ 18:45
Der § 5 G 10 spricht durchweg von „Beziehungen“. Das sind nach meinem Verständnis eher Metadaten als Inhalte.
Comment by buzer — 11.08, 2013 @ 09:45
@thh:
Dass § 5 Abs. 1 G10-Gesetz die Miterfassung von Verbindungsdaten ermöglicht, wenn man in zulässiger Weise Kommunikationsinhalte wie E-Mails erfasst, mag sein.
Darum geht es aber vorliegend nicht. Es werden vom BND offenbar in großem Umfang allein und gezielt Verbindungsdaten erfasst. Dass der BND monatlich ein paar hundert Millionen E-Mails inhaltlich erfassen würde, ergibt sich aus den Zahlen, die man in der jährlichen Unterrichtung des Bundestages lesen kann, jedenfalls nicht ansatzweise.
Bei der isolierten Erfassung von Verbindungungsdaten stellt sich bereits aus Gründen der Bestimmtheit die Frage, ob dies vom Wortlaut der Norm abgedeckt sein kann. Die massenhafte, isolierte Erfassung von Verbindungsdaten zielt nämlich ausschließlich auf Identifizierungsmerkmale von Telekommunikationsanschlüssen ab, denn das ist ja genau das, was Verbindungsdaten sind. Es werden also auf diesem Weg eigentlich nur Identifizierungsmerkmale erfasst. Für diese Art der unkontrollierten Vorratsdatenspeicherung sehe ich keine rechtliche Grundlage. Die Parallele zur StPO drängt sich mir nicht auf, denn dort ist ja gerade keine anlasslose und an keine einschränkenden Voraussetzungen gebundene Erfassung und Speicherung von Verbindungsdaten möglich.
Comment by Stadler — 11.08, 2013 @ 12:54
@Regierungs4tel: Die Wiederholung macht es ja nicht richtiger. Wenn die Daten aus der strategischen Fernmeldekontrolle des § 5 Abs. 1 G10-Gesetz stammen, dann kommt als Rechtsgrundlage für die Übermittlung allein § 7a in Betracht. Das wird aus dem Wortlaut der Vorschrift hinreichend deutlich.
Comment by Stadler — 11.08, 2013 @ 12:58
Die Gesetzesbegründung zu § 5 G 10 gibt weitere Aufschlüsse. Man war sich schon bewusst, worum und um welche Umfang es geht.
http://pdok.bundestag.de/extrakt/ba/WP14/550/55097.html
Comment by buzer — 11.08, 2013 @ 20:11
@24: Wenn das Wörtchen wenn nicht wär … die Daten stammen eben nicht aus der G-10-Aufklärung. Lesen mal etwas nach über SIGINT-Aufklärung.
Comment by Regierungs4tel — 11.08, 2013 @ 21:18
@23: „Es werden also auf diesem Weg eigentlich nur Identifizierungsmerkmale erfasst.“
Die Aufklärung einer Telekommunikationsbeziehung im Sinne des G10 enthält immer „Identifizierungsmerkmale“, sowohl in den Inhalts- als auch den Verkehrsdaten. Wäre auch irgendwie witzlos, den Aufwand für anonymisierte Nachtgedanken zu betreiben, oder nicht?
Entscheidend ist, dass der Selector erlaubt sein muss gem. § 5 II, also selbst kein Identifizierungsmerkmal darstellt, soweit er auf Kommunikationsbeziehungen unter Beteiligung deutsche Anschlüsse oder Anschlüsse Deutscher im Ausland angewandt wird. Ob man die Ausgabe dieses Prozesses nun komplett verarbeitet oder auf Verkehrsdaten reduziert, ist dem Gesetz völlig schnuppe. Es bleibt auch offen, was es nun für einen bürgerrechtlichen Wert hätte, in der G10-Aufklärung immer den selektierten Full Take durch die Auswertung zu schleifen, nur damit Sie nicht mehr irrig von „gezielt erfassten“ Verkehrsdaten sprechen können.
Comment by asd — 12.08, 2013 @ 21:20