Übermittlung von Metadaten an die NSA: Darf der BND das?
Der Spiegel meldet, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) allein im Monat Dezember 2012 500 Millionen Metadaten erfasst habe, die anschließend z.T. auch an die NSA weitergeleitet worden seien. Laut Deutschlandradio hat der BND dies mittlerweile eingeräumt, beteuert aber gleichzeitig , dass es sich um ausländische TK-Verbindungen handeln würde und personenbezogene Daten deutscher Staatsbürger nicht betroffen seien.
Die Aussage halte ich bereits deshalb für fragwürdig, weil man anhand von Metadaten nicht zwingend feststellen kann, ob einer der Betroffenen Kommunikationsteilnehmer Deutscher ist und/oder sich gerader im Inland aufhält. Der BND kann also überhaupt nicht gewährleisten, dass deutsche Staatsbürger und Kommunikationsverbindungen mit Inlandsbezug nicht betroffen sind.
Die massenhafte Erfassung von TK-Verbindungsdaten wirft aber einmal mehr die Frage der politischen und parlamentarischen Kontrolle der Dienste auf. Das Bundesministerium des Inneren unterrichtet nach § 10 Abs. 1 G1o-Gesetz das Parlamentarische Kontrollgremium über die Durchführung des G10-Gesetzes. Das Gremium erstattet dem Deutschen Bundestag dann jährlich einen Bericht über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen, u.a. nach § 5 G10-Gesetz (sog. strategische Fernmeldekontrolle). In der letzten Unterrichtung des Bundestages durch das parlamentarische Kontrollgremium vom 14.03.2013 findet man nichts über die massenhafte Erfassung von TK-Verbindungsdaten durch den BND. Augenscheinlich ist das Parlament über diese massenhafte Datenerfassung nicht unterrichtet worden. Nachdem Beschränkungen von Art. 10 GG nach § 9 Abs. 1 G10-Gesetz nur auf Antrag des BND angeordnet werden, stellt sich ferner die Frage, ob es für die Erfassung von Meta-Daten einen Antrag des BND und eine entsprechend Anordnung durch Innenminister Friedrich gibt.
Die Übermittlung von Daten an ausländische Dienste ist in § 7a G10-Gesetz geregelt. Danach dürfen personenbezogene Daten, die im Wege der sog. strategischen Fernmeldekontrolle erhoben wurden, unter bestimmten Voraussetzungen an ausländische Dienste übermittelt werden. Voraussetzung ist es aber, dass die Übermittlung zur Wahrung außen- oder sicherheitspolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland oder erheblicher Sicherheitsinteressen des ausländischen Staates erforderlich ist und überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht entgegenstehen, insbesondere in dem ausländischen Staat ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet ist sowie davon auszugehen ist, dass die Verwendung der Daten durch den Empfänger in Einklang mit grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien erfolgt.
Bereits dies dürfte bei einer Übermittlung an die NSA, wie die Snowden-Enthüllungen zeigen, kaum mehr begründbar sein. Diese Übermittlung setzt außerdem eine Einzelfallprüfung voraus. Die massenhafte Übermittlung von Verbindungsdaten ist durch diese Vorschrift nicht gedeckt.
Hier kommt kommt dann noch ein weiterer interessanter Aspekt in Spiel. Diese Übermittlung bedarf nach § 7a Abs. 1 S. 2 G10-Gesetz der Zustimmung des Bundeskanzleramtes. Und an dieser Stelle haben wir dann den unmittelbaren Bezug zu Kanzleramtsminister Pofalla und Bundeskanzlerin Merkel. Sie müssen die Übermittlung an die NSA und andere ausländische Dienste nämlich ausdrücklich genehmigt haben. Die bisherige Strategie der Bundesregierung, man sei überrascht und habe von allen Überwachungsmaßnahmen auch erst aus der Presse erfahren, wird hier also nicht mehr verfangen.
Materiell-rechtlich besteht das Problem darin, dass der BND grundsätzlich keine Daten zu inländischen TK-Anschlüssen erheben darf. Telekommunikationsanschlüsse im Ausland dürfen zwar erfasst werden, aber nur dann, wenn ausgeschlossen werden kann, dass Anschlüsse, deren Inhaber oder regelmäßige Nutzer deutsche Staatsangehörige sind, gezielt erfasst werden (§ 5 Abs. 2 S. 2 G10-Gesetz). Diese gesetzliche Einschränkung kann der BND jedenfalls bei einer massenhaften und automatisierten Erfassung von Verbindungsdaten (500 Millionen in einem Monat) nicht gewährleisten. Man kann bei Verbindungsdaten wie Telefonnummern, IP-Adressen oder E-Mail-Adressen nicht ausschließen, dass Inhaber oder regelmäßige Nutzer Deutsche sind und/oder die Verbindungsdaten Inlandsbezug haben.
Allein aus den öffentlich bekannten Informationen lässt sich also der Schluss ziehen, dass der BND die Vorgaben des G10-Gesetzes nicht befolgen kann und sich deshalb rechtswidrig verhält.
Viel wichtiger erscheint mir aber der Umstand, dass wir es jetzt mit einer Überwachungsmaßnahme zu tun haben, die direkt in den Verantwortungsbereich der Minister Friedrich und Pofalla fällt. Die Bundesregierung kann sich in diesem Fall also nicht auf Unkenntnis berufen.
Bei Geheimdiensten gilt ganz offensichtlich:
Legal, illegal? Scheissegal.
Comment by Volker Birk — 4.08, 2013 @ 22:21
Herzlichen Dank für die zahlreichen informativen, engagierten Beiträge!
Einige Artikel habe ich daher gerne auf meiner Webseite verlinkt, wobei ich auch einen kurzen Anrisstext als Tooltip einblenden lasse.
In Ihrem Beitrag zum Leistungsschutzrecht versichern Sie, „dass auf dieses Blog auch unter Übernahme vollständiger Überschriften und eines Anrisstexts verlinkt werden darf.“
Vielleicht sollten Sie diesen (heutzutage leider nicht mehr selbstverständlichen – und daher wichtigen) Hinweis an zentraler Stelle (Impressum…) wiederholen?
Comment by Michael Schoettler — 5.08, 2013 @ 00:48
“ .. dass wir es jetzt mit einer Überwachungsmaßnahme zu tun haben, die direkt in den Verantwortungsbereich der Minister Friedrich und Pofalla fällt. Die Bundesregierung kann sich in diesem Fall also nicht auf Unkenntnis berufen .. „
Diese Folgerung setzt voraus, daß diese Herren tatsächlich ihr Ressort überschauen. Eine sehr ‚optimistische‘ Einschätzung der Qualifikation der Betroffenen.
Sowohl der generelle öffentliche Auftritt als auch die bisherigen ‚Leistungen‘ zeigen doch eher ein Bild von Führungsversagen, Dilettantismus, Ziellosigkeit und völliger Überforderung.
„Wem Gott gibt ein Amt, dem gibt er auch Verstand!“ trifft doch in beiden Fällen nicht zu.
Comment by wvs — 5.08, 2013 @ 02:00
Ist es nicht möglich, dass der BND unter Schutz eines anderen Gesetzes oder eher bilateralen Vertrages die Daten übermittelten? Das könnte dann auch die angebliche Unwissenheit zumindest möglich machen, da der dann BND annahm kein Erlaubnis einholen zu müssen und die ganzen Prozesse als Informationsaustausch zwischen Alliierten verpackte.
Auch ist vorstellbar, dass nur letzteres zutraf und der BND einfach auf die Zustimmung durch Geheimhaltung verzichtete.
Comment by sup — 5.08, 2013 @ 02:20
§ 5 G-10-Gesetz betrifft die Überwachung des internationalen TK-Verkehrs von und nach Deutschland.
Das G-10-Gesetz enthält aber keine Regelung für reinen Auslandsverkehr, zB. Telefonate innerhalb Afghanistans oder von Ägypten nach Tunesien. Solche Daten will der BND an die NSA weitergeleitet haben.
vgl. meinen Kommentar dazu:
http://taz.de/Kommentar-Kooperation-BND-und-NSA/!121206/
Comment by Christian Rath — 5.08, 2013 @ 03:22
Da stellt sich mir doch direkt die Frage, wie die Aussage des Bundeskanzleramtsministers da reinpasst. Der hatte doch kürzlich erst behauptet, es seien nur zwei Datensätze übermittelt worden. Entweder versteht der unter Datensätzen und Übermittlung etwas anderes als ich, oder er hat gelogen. Ich hatte bisher angenommen, dass die Zahl formal korrekt wäre, weil nicht der BND die Daten übermittelt hätte. In Frage käme da der Inlandsgeheimdienst, der ironischerweise im Namen vorgibt, eine Verfassung zu schützen. Der Geheimdienst hat auffällig wenige Zahlen genannt.
Comment by Andre Heinrichs — 5.08, 2013 @ 07:17
Man kann die Aussage, dass der BND personenbezogene Daten entfernt hat auch so interpretieren, dass der BND damit zugegeben hat die deutsche Bevölkerung in einem Maße zu überwachen wie es selbst die NSA nicht schafft. Denn nur wenn der BND genau das getan hat wäre er in der Lage gewesen in jedem Fall die personenbezogenen Daten zuzuordnen und zu entfernen, weil er ja jedes E-Mail-Konto einer Person zuordnen können müßte.
Comment by Michael — 5.08, 2013 @ 08:06
Alles rechtens meint Rainald Becker, ARD Berlin:
„Die Aufgabe von Geheimdiensten ist es Informationen zu generieren.(…) Der BND hat nicht gegen deutsches Recht verstoßen,das muss man einfach klar… “
http://www.tagesschau.de/inland/bnd170.html
Comment by Bob Roberts — 6.08, 2013 @ 00:21
Die Bundeszentrale für politische Bildung definiert Totalitarismus wie folgt:
„T. bezeichnet eine politische Herrschaft, die die uneingeschränkte Verfügung über die Beherrschten und ihre völlige Unterwerfung unter ein (diktatorisch vorgegebenes) politisches Ziel verlangt. Totalitäre Herrschaft, erzwungene Gleichschaltung und unerbittliche Härte werden oft mit existenzbedrohenden (inneren oder äußeren) Gefahren begründet, wie sie zunächst vom Faschismus und vom Nationalsozialismus, nicht zuletzt auch im Sowjetkommunismus Stalins von den Herrschenden behauptet wurden. Insofern stellt der T. das krasse Gegenteil des modernen freiheitlichen Verfassungsstaates und des Prinzips einer offenen, pluralen Gesellschaft dar.“
http://www.bpb.de/wissen/JOGNZB
Jetzt muss man sich natürlich die Frage stellen, wie weit wir bereits sind.
Comment by Che — 6.08, 2013 @ 08:11
Die Faktenlage ist doch vollständig klar. Wo für Geheimdienste des jeweiligen Landes die eigene Bevölkerung tabu ist, wird die Zuständigkeit ausgelagert. Frei nach dem Motto: Gebt ihr das über uns, geben wir das über euch. Ein frischlustiger Datenaustausch. Man kann es auch einen Konzern nennen, verbunden durch identische Aufgaben und Ziele. Dreimal gut durchgemischt, dann passt das schon. Die staatliche Kontrolle in Deutschland besteht nur auf dem Papier. Es gibt sie nicht, Kontrolle ist von allen Seiten auch nicht erwünscht. Man möchte immer bekommen, was man kriegen kann, das liegt in der Natur der Sache.
Comment by Richter — 6.08, 2013 @ 17:24