Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.12.10

Kippt der JMStV noch?

Das Berliner Abgeordenetenhaus hat gestern mit ihrer rot-roten Mehrheit dem umstrittenen Jugendmedienschutzstaatsvertrag zugestimmt und das, obwohl sich die Linken eigentlich gegen den  Staatsvertrag ausgesprochen hatten. Aber man wollte, wie es hieß, Klaus Wowereit nicht beschädigen, der dem Staatsvertrag auf der Ministerpräsidentenkonferenz bereits zugestimmt hatte. Nach demselben Strickmuster agieren Grüne, SPD, FDP und Linke in den meisten Landesparlamenten. Dort wo sie in der Opposition sind, lehnen sie den JMStV zumeist ab, in den Ländern, in denen sie in der Regierungsverantwortung sind, stimmen sie zu. Insoweit ist die Haltung der Union wenigstens noch konsequent.

Eine kleine Überraschung gab es in Schleswig-Holstein, denn dort wurde der JMStV im federführenden Innen- und Rechtsausschuss abgelehnt. Hintergrund war der, dass offenbar ein Abgeordeneter der CDU vor der Abstimmung den Raum verlassen hatte und deshalb keine Mehrheit mehr gegeben war. Dass dasselbe bei der Abstimmung im Plenum ebenfalls passiert, muss allerdings als unwahrscheinlich gelten.

Was wir hier erleben, ist ein parteipolitisches Kasperletheater, in dem sich Fraktionszwänge immer wieder gegen die Sachargumente durchsetzen.

Meine gesammelten Blobeiträge zum Thema JMStV finden Sie hier.

posted by Stadler at 12:00  

6.12.10

JMStV: Denn sie wissen nicht, was sie tun

Die Probleme, die die Neuregelung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages mit sich bringen, lassen sich mittlerweile selbst auf den eigenen Veranstaltungen der KJM nicht mehr verschweigen, wie ein Bericht von Heise über eine Informationsveranstaltung am 03.12.2010 belegt.

Bezeichnend finde ich, dass die Politik einerseits zwar mantraartig die Freiwilligkeit der Alterskennzeichnung betont, der Rundfunkreferent der Bayerischen Staatskanzlei aber andererseits die Empfehlungen, erst einmal abzuwarten und nicht zu kennzeichnen, als einen „Boykottaufruf“ betrachtet. Das zeigt sehr deutlich wohin die Reise geht. Es wird für viele Anbieter einen faktischen Zwang zur Alterskennzeichnung geben, was zu einer tatsächlichen, wenn vielleicht auch nicht normativen, Verschärfung der Anforderungen an Inhaltsanbieter im Internet führt.

Auch wenn manche diese Aussage für polemisch halten werden, aber der Gewinner dieser Neureglung ist die Soft-Porno-Industrie während nichtkommerzielle Content-Anbieter die Verlierer sind. Denn viele geschäftsmäßige Anbieter von entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten werden ihre Angebote nunmehr von professionellen Dienstleistern einfach „Ab 16“ labeln lassen und können damit die unbeliebte Nachtschiene verlassen und den ganzen Tag online bleiben.  So stellt sich die deutsche Politik also effektiven Jugendschutz im Internet vor.

So mancher Landtagsabgeordnete wird sich womöglich noch wundern, welchem Gesetzeswerk er da zugestimmt hat. Kann man eine Regelung, die dem Jugendschutz nichts nützt, kleine Internetanbieter benachteiligt und eine bestimmte Lobby-Gruppe begünstigt, wirklich als Fortschritt betrachten? Ob hier wirklich alle wissen, was sie tun, wage ich zu bezweifeln.

Update:
Wer wie einige Kommentatoren meint, mein Einwand, man könne mit einer Alterseinstufung „ab 16“ die „Sendezeitbeschränkung“ vermeiden, sei Unsinn, möge zur Kontrolle die geplante Vorschrift des § 24 Nr. 4 JMStV-E lesen. Dort heißt es:

Ordnungswidrig handelt, wer (…) entgegen § 5 Abs. 1 Angebote verbreitet oder zugänglich macht, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, ohne dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen, es sei denn, dass der Anbieter die von ihm angebotenen Inhalte durch ein von einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle zur Verfügung gestelltes Klassifizierungssystem gekennzeichnet, die Kennzeichnung dokumentiert und keine unzutreffenden Angaben gemacht hat.

Man kann also den Verstoß gegen § 5 Abs. 1 JMStV-E schon dadurch vermeiden, dass man eine zutreffende Alterskennzeichnung von einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle vornehmen lässt. Das ist genau der Grund dafür, dass die Content-Industrie von der Neuregelung durchaus angetan ist.

posted by Stadler at 10:31  

2.12.10

Die Befürworter des JMStV werden nervös

Die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz hat heute eine Pressemitteilung veröffentlicht, die zur Versachlichung der Diskussion um den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag aufruft. Staatssekretär Martin Stadlmeier (SPD) – der so etwas wie der Vater der Novellierung des JMStV ist – beschwichtigt und u.a. mit der Aussage:

„Wer keine Inhalte anbietet, die für Kinder unter 16 Jahren entwicklungsbeeinträchtigend sind, muss keine Alterskennzeichnung vornehmen“

Diese Rechtsansicht, die derzeit auch Gegenstand kontroverser Diskussionen im Netz ist, halte ich angesichts des Wortlauts und der Systematik der Neuregelung von § 5 JMStV in dieser Form für unzutreffend. Obwohl man natürlich sagen muss, dass die handwerkliche Schwäche der Gesetzesformulierung sicherlich unterschiedliche Auslegungen zulässt.

Deshalb nochmals kurz zur gesetzlichen Konzeption. In § 5 Abs. 1 JMStV sind vier Altersstufen vorgesehen. Die (freiwillige) Alterskennzeichnung ist dann in § 5 Abs. 2 JMStV geregelt. Eine Einschränkung dahingehend, dass eine Alterskennzeichnung erst „ab 16“ geboten ist, enthält das Gesetz nicht. Eine solche Einschränkung wäre auch sinnwidrig, weil man sonst keine vier Altersstufen bräuchte. Gelegentlich habe ich jetzt auch gelesen, dass sich diese Einschränkung aus § 5 Abs. 7 JMStV ergeben würde, was ich ebensowenig nachvollziehen kann. Dort heißt es:

Ist eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung im Sinne von Absatz 1 nur auf Kinder unter 12 Jahren zu befürchten, erfüllt der Anbieter von Telemedien seine Verpflichtung nach Absatz 1, wenn das Angebot getrennt von für diese Kinder bestimmten Angeboten verbreitet wird oder abrufbar ist

Zum einen hat diese als Trennungsgebot bezeichnete Vorschrift, die es auch bisher schon gab, nicht unmittelbar etwas mit der Frage der Alterskennzeichnung zu tun.  Zum anderen spricht die Vorschrift die Altersgrenze unter 12 Jahren an und nicht diejenige „ab 16“.  Die Vorschrift soll bewirken, dass man seine Pflichten für die Altersstufe unter 12 Jahren schon dadurch erfüllen kann, dass man solche Inhalte nicht mit spezifischen Kinderinhalten, die explizit auf Kinder ausgerichtet sind, vermischt.

Zumindest dann, wenn Inhalte „ab 12“ sind, muss der Anbieter aber entweder eine Alterskennzeichnung , eine Sendezeitbeschränkung oder eine andere effektive technische Maßnahme (AVS) veranlassen. Das ist die m.E. zwingende Folge dieser gesetzlichen Regelung.

Wer sich aber für eine Alterskennzeichnung als Maßnahme entscheidet, muss dann auch die gesamte Palette der Altersstufen berücksichtigen und kann sich nicht darauf beschränken, „ab 16“ zu labeln.

Wenn der Gesetzgeber es anders hätte regeln wollen, wie Staatssekretär Stadelmeier jetzt behauptet, dann wäre der Staatsvertrag auch anders zu formulieren gewesen.

posted by Stadler at 18:07  

1.12.10

Mein Blog bleibt online (2. Update)

Eine ganze Reihe von Blogs haben ihre Schließung angekündigt und als Grund dafür die Neureglung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags genannt, die zum 01.01.2011 in Kraft treten soll.

Dem werde ich mich sicherlich nicht anschließen und eine Alterskennzeichnung wird dieses Blog auch nicht bekommen. Denn nach meiner Einschätzung hatten meine Blogbeiträge auch bislang keine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung, weshalb es keinen Grund gibt sie zu labeln.

Kritisch wird es für das Gros der Blogger erst dann werden, sollte das eintreten, was sich der Gesetzgeber erhofft, nämlich, dass es demnächst effektive Jugendschutzprogramme – also Filtersoftware – gibt. Denn dann besteht die Gefahr, dass diese Filterprogramme Inhalte, die keine Alterskennzeichnung haben, ausfiltern, mit der Folge, dass sie für Jugendliche, die nur gefiltert surfen, nicht mehr erreichbar sind.

Auch der von mir sehr geschätzte Kris Köhntopp ist auf dem Holzweg, wenn er meint, er müsse sein Blog jetzt zwingend mit einer Alterskennzeichnung versehen und „Ab 16“ oder „Ab 18“ labeln. Wäre das der Fall, dann hätte er auch in den letzten Jahren erst nach 22 Uhr „senden“ dürfen. Die Beurteilungskriterien als solche ändern sich nämlich nicht.

Die Mehrheit der Blogs und Websites werden deshalb nicht betroffen sein. Gleichwohl gibt es auch Stimmen, die die Ansicht vertreten, dass durch die Neureglung eine Art Kontrollpflicht für Content-Anbieter geschaffen wird. Wenn aber selbst die Juristen verunsichert und uneinig darüber sind, welche Folgen die Neufassung hat, sollte man sich über die Unsicherheit, die zum Beispiel bei den Bloggern herrscht, nicht wundern.

Update:
Die Ansicht von Udo Vetter, der meint, nur wer Inhalte anbietet, die ausschließlich für Nutzer ab 16 oder 18 Jahren geeignet sind, müsse eine Alterskennzeichnung einführen, teile ich nicht. Sie ist auch nicht mit dem Wortlaut der geplanten Regelung vereinbar. § 5 Abs. 1 JMStV-E sieht vier Altersstufen vor (ab 6, ab 12, ab 16 und ab 18 Jahren) und betont gleichzeitig, dass eine Altersstufe „ab 0 Jahre“ nur für offensichtlich nicht entwicklungsbeeinträchtigende Angebote in Betracht kommt. Also auch derjenige, der Inhalte online stellt, die mit „ab 12“ zu bewerten sind, braucht eine Alterskennzeichung oder muss anderweitig dafür Sorge tragen, dass der Zugang von Kindern und Jugendlichen entsprechend erschwert wird.

2. Update (2.12.2010):
Nachdem auch immer wieder die Frage gestellt wird, was denn eigentlich entwicklungsbeinträchtigende Angebote seien, hierzu noch ein paar Erläuterungen. Es handelt sich um einen sog. unbestimmten Rechtsbegriff, der alles andere als neu ist und aus dem Jugendschutzgesetz übernommen wurde. In § 14 Abs. 1 JSchG ist von Inhalten die Rede, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Aber auch das hilft nicht sehr viel weiter. Letztlich geht es um Wertmaßstäbe und Wertvorstellungen und da können die Auffassungen weit auseinander gehen. Der vielbeschworene gesellschaftliche Wertekonsens besteht eben nicht immer.

Als Wertmaßstäbe anerkannt sind die Grundwerte der Verfassung, insbesondere die Menschenwürde, das aus Art. 3 GG abgeleitete Toleranzgebot aber auch das Demokratieprinzip. Danach stuft man z.B. rassistische, gewaltverherrlichende, nationalsozialistische oder auch pornografische Inhalte als entwicklungsbeeinträchtigend ein. Entscheidend soll aber immer auch sein, ob Kinder oder Jugendliche ihres Alters in der Lage sind, die Inhalte differenziert und distanziert wahrzunehmen. Denn es wird sich andererseits nicht vermeiden lassen, Kinder und Jugendliche mit der Realität zu konfrontieren.

Die typischen Meinungsblogs sind m.E. deshalb nicht entwicklungsbeeinträchtigend, denn sie tragen gerade zur staatsbürgerlichen Bildung von Jugendlichen bei.

posted by Stadler at 09:56  

29.11.10

Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom

Noch bevor die Landtagsfraktion der SPD ihren (offiziellen) Beschluss zum umstrittenen JMStV gefasst hat, preschen die NRW-Grünen @gruenenrw vor und verkünden auf Twitter:

Wir sind weiterhin gegen den JMStV die Fraktion hat sich aufgrund parlamentarischer Zwänge anders entschlossen.

Vorauseilender Koalitionsgehorsam gegen den Willen der Landespartei und womöglich auch gegen die Überzeugung so mancher Abgeordneter? Die Grünen in Nordrhein-Westfalen führen gerade eine Polit-Farce auf.

Warum die Novellierung des JMstV sachlich abzulehnen ist, kann man u.a. hier nachlesen.

Update:
Die neue Website „Parlamentarische Zwänge“ persifliert die Haltung der NRW-Grünen sehr schön. Und der Kollege Kompa hat das passende Wahlkampfplakat dazu gefunden. ;-)

posted by Stadler at 21:42  

24.11.10

Offener Brief zum JMStV

In einem offenen Brief an die Landtagsfraktion der SPD in Nordrhein-Westfalen haben über fünfzig Unterzeichner aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, der „Netzgemeinschaft“ sowie Juristen, Journalisten und Netz-Künstler die Bitte artikuliert, der Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) nicht zuzustimmen.

Da ich zu den Mitunterzeichnern gehöre, soll hier auch auf den Inhalt des offenen Briefs und auf die Pressemitteilung des AK Zensur hingewiesen werden. Meine verschiedenen Beiträge zum Thema lassen sich im Blog unter dem Tag JMStV nachlesen.

posted by Stadler at 17:37  

22.11.10

Wer profitiert vom neuen JMStV?

Nachdem ich vor zwei Tagen schon die Frage gestellt habe, wer an der Neureglung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags verdient, möchte ich ergänzend die vielleicht noch wichtigere Frage stellen, wer vom neuen JMStV profitiert.

Interessanter Weise ist von den Anbietern von jugendgefährdendem Content kaum Kritik an der Novellierung geäußert worden. Und das hat gute Gründe, wenn man sich die Konsequenzen der nunmehr vorgesehenen „freiwilligen“ Alterskennzeichnung vor Augen führt. Speziell Anbieter von Inhalten, die mit der Altersstufe „ab 16 Jahren“ zu versehen sind, hatten bislang im Internet nur die Möglichkeit, ihre Inhalte (legal) über die „Sendezeitenregelung“ (§ 5 Abs. 6 JMStV n.F.) nach 22 Uhr anzubieten.

Insoweit schafft die Neuregelung für Anbieter solcher Inhalte voraussichtlich eine spürbare Erleichterung. Sobald nämlich anerkannte Jugendschutzprogramme nach § 11 Abs. 3 JMStV auf dem Markt sind, können Anbieter von Telemedien nach dem Willen des Gesetzgebers ihre jugendschutzrechtliche Verpflichtung aus § 5 Abs. 1 JMStV mit einer ordnungsgemäßen Alterskennzeichnung ihrer Angebote erfüllen. Und damit wird ihnen gestattet, vom Nacht- ins Tagesprogramm wechseln. Das dürfte u.a. für Erotik-Anbieter unterhalb der Schwelle der Pornografie interessant sein.

Während die Neureglung für Anbieter von jugendgefährdendem Content also von Vorteil ist, kann sich die „freiwillige“ Alterskennzeichnung für die breite Masse der Inhaltsanbieter in der Tendenz nur nachteilig auswirken. Sollten sich (anerkannte) Jugendschprogramme tatsächlich etablieren, wird man nämlich auch dann, wenn man unverdächtigen Content ins Netz stellt, sein Angebot im Zweifel mit einer Alterskennzeichnung versehen, um nicht Gefahr zu laufen, im Jugendschutzfilter hängen zu bleiben.

Die gesetzliche Regelung ist auf diese Folge ausgerichtet und beinhaltet damit letztlich eine Lockerung des Jugendschutzes zu Lasten der breiten Masse der Content-Anbieter. Sollte es praktisch anders kommen – was denkbar ist – dann nur deshalb, weil sich das im Jugendmedienschutz seit jeher bestehende Vollzugsdefizit fortsetzt.

posted by Stadler at 22:00  

21.11.10

Wer verdient an der Neuregelung des JMStV?

Die taz berichtet in einem aktuellen Artikel darüber, dass der Countdown für die umstrittene Neufassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) läuft und noch 11 Landesparlamente der Neuregelung bis zum Jahresende zustimmen müssen. Das bedeutet allerdings auch, dass prinzipiell jede der etablierten Parteien (Union, SPD, Grüne und Linke) in der Lage ist, das Inkrafttreten der verfehlten Novelle zu stoppen, denn alle Parteien sind in einzelnen Bundesländern an der Regierung beteiligt.

Die Frage, wer ein wirtschaftliches Interesse am Inkrafttreten der Neufassung hat, ist bislang kaum gestellt worden. Das ist schon deshalb erstaunlich, weil die geplante Alterskennzeichnung von Inhalten im Zusammenhang mit der Etablierung von Jugendschutzfiltern zu sehen ist, mit denen schließlich Unternehmen auch Geld verdienen wollen. Insoweit sollte man auch die Frage stellen, welche Mitglieder von Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle von der Neuregelung profitieren.

Die Neufassung des JMStV enthält in § 11 Abs. 3 folgende Regelung:

Ein Jugendschutzprogramm gilt als anerkannt, wenn eine anerkannte Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle ein Jugendschutzprogramm positiv beurteilt und die KJM das Jugendschutzprogramm nicht innerhalb von vier Monaten nach Mitteilung der Beurteilung durch die Freiwillige Selbstkontrolle beanstandet hat

Eine Einrichtung wie die FSM, deren Mitglieder selbst Jugendschutzsoftware herstellen und anbieten werden, kann einem solchen Jugendschutzprogramm also durch positive Beurteilung zur Anerkennung verhelfen. Das ist zumindest dann, wenn Mitglieder der FSM, die vielleicht sogar im Vorstand vertreten sind, selbst entsprechende Jugendschutzprogramme anbieten, eher merkwürdig. Denn der Hersteller eines Jugendschutzprogramms wird seine eigene Software natürlich positiv beurteilen. Diese vorprogrammierte Interessenkollision regelt der Gesetzgeber aber nicht.

posted by Stadler at 21:03  

11.11.10

KJM: „Tatort Internet“ verstößt nicht gegen Jugendschutzrecht

Die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten – die bei der BLM angesiedelt ist – teilt heute mit, dass man das umstrittene RTL2-Format „Tatort Internet“ nicht als jugendgefährdend einstuft. In der Pressemitteilung wird der KJM-Vorsitzende Wolf-Dieter Ring mit den Worten zitiert,

„Zu begrüßen ist, dass die Gefahren des sexuellen Missbrauchs im Internet durch diese Sendung nun noch ein Stück weit breiter diskutiert wird – und das hoffentlich auch von Zielgruppen, die sich bisher nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben“

sowie die KJM mit folgender Aussage:

„Dabei muss berücksichtigt werden, dass die gesellschaftliche Diskussion über sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen – leider – zu unserem Alltag gehört und auch gehören muss“

Diese Begründung ist äußerst instruktiv, insbesondere wenn man ergänzend einen anderen aktuellen Fall betrachtet, in dem die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), deren Präsident ebenfalls Ring ist, das Kunstprojekt „Heroin Kids“ als entwicklungsbeeinträchtigend eingestuft hat.

Die (künstlerische) fotografische Darstellung Drogenabhängiger ist Kindern nicht zumutbar, während man die reißerische Aufarbeitung der Diskussion um den sexuellen Missbrauch im Rahmen des Formats „Tatort Internet“ für nicht beanstandungswürdig hält.

Wenn die gesellschaftliche Diskussion der Missbrauchsproblematik zu unserem Alltag gehört, sollte man meinen, dass dies für die Diskussion der Drogenproblematik ebenso gelten müsste.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es neben dem Jugendschutz hier gerade auch um wirtschaftliche Aspekte geht. Denn in dem einen Fall ist ein Fersehsender betroffen, dem man für den Medienstandort München eine gewisse Bedeutung beimisst, während es in dem anderen Fall nur um ein Kunstprojekt von zwei Studenten geht.

Der Jugendmedienschutz ist in seiner jetzigen Form schon fragwürdig genug. Seine unterschiedliche Anwendung verstärkt diesen Eindruck nur noch.

posted by Stadler at 15:08  

10.11.10

Jugendmedienschutz: Bußgeld gegen Kunstprojekt „Heroin Kids“

Einen praktischen Anwendungsfall des Jugendmedienschutzes bietet das Vorgehen der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) gegen das Kunstprojekt „Heroin Kids„.

Die Fotografen Christian Kaiser und Corinna Engel stellen Szenen mit professionellen Models nach, die diese beim oder nach dem Drogenkonsum zeigen.

Die BLM scheint zwar den künstlerischen Aspekt nicht ganz zu verkennen, stuft die Fotos, die auch im Internet veröffentlicht waren, aber als entwicklungsbeeinträchtigend ein und spricht von„sozial ethisch desorientierenden“ Inhalten. Die Folge: Ein Bußgeldbescheid.

Bei der Frage was jugendschutzrechtlich als einwicklungsbeeinträchtigend einzustufen ist, wird primär der Wertmaßstab zentraler Grundrechte wie der Menschenwürde und dem Toleranzgebot herangezogen.Letztlich geht es dabei aber immer auch um die Frage, was Kindern zugemutet werden darf oder manchmal auch muss.

Man sollte sich zur Kontrolle die Frage stellen, ob derartige Fotos ebenfalls als jugendgefährdend beanstandet worden wären, hätte man sie in einem Museum ausgestellt.

Die Fotografen haben Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt, über den vor dem Amtsgericht Ebersberg verhandelt wird.

Die Kunstfreiheit wird von der Verfassung vorbehaltlos gewährleistet. Sie unterliegt also nicht der Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG, wie das Bundesverfassungsgericht in der Mephisto-Entscheidung dargelegt hat und findet daher nicht (ohne weiteres) ihre Schranken in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend.

posted by Stadler at 18:45  
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