Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.12.10

JMStV: Denn sie wissen nicht, was sie tun

Die Probleme, die die Neuregelung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages mit sich bringen, lassen sich mittlerweile selbst auf den eigenen Veranstaltungen der KJM nicht mehr verschweigen, wie ein Bericht von Heise über eine Informationsveranstaltung am 03.12.2010 belegt.

Bezeichnend finde ich, dass die Politik einerseits zwar mantraartig die Freiwilligkeit der Alterskennzeichnung betont, der Rundfunkreferent der Bayerischen Staatskanzlei aber andererseits die Empfehlungen, erst einmal abzuwarten und nicht zu kennzeichnen, als einen „Boykottaufruf“ betrachtet. Das zeigt sehr deutlich wohin die Reise geht. Es wird für viele Anbieter einen faktischen Zwang zur Alterskennzeichnung geben, was zu einer tatsächlichen, wenn vielleicht auch nicht normativen, Verschärfung der Anforderungen an Inhaltsanbieter im Internet führt.

Auch wenn manche diese Aussage für polemisch halten werden, aber der Gewinner dieser Neureglung ist die Soft-Porno-Industrie während nichtkommerzielle Content-Anbieter die Verlierer sind. Denn viele geschäftsmäßige Anbieter von entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten werden ihre Angebote nunmehr von professionellen Dienstleistern einfach „Ab 16“ labeln lassen und können damit die unbeliebte Nachtschiene verlassen und den ganzen Tag online bleiben.  So stellt sich die deutsche Politik also effektiven Jugendschutz im Internet vor.

So mancher Landtagsabgeordnete wird sich womöglich noch wundern, welchem Gesetzeswerk er da zugestimmt hat. Kann man eine Regelung, die dem Jugendschutz nichts nützt, kleine Internetanbieter benachteiligt und eine bestimmte Lobby-Gruppe begünstigt, wirklich als Fortschritt betrachten? Ob hier wirklich alle wissen, was sie tun, wage ich zu bezweifeln.

Update:
Wer wie einige Kommentatoren meint, mein Einwand, man könne mit einer Alterseinstufung „ab 16“ die „Sendezeitbeschränkung“ vermeiden, sei Unsinn, möge zur Kontrolle die geplante Vorschrift des § 24 Nr. 4 JMStV-E lesen. Dort heißt es:

Ordnungswidrig handelt, wer (…) entgegen § 5 Abs. 1 Angebote verbreitet oder zugänglich macht, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, ohne dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen, es sei denn, dass der Anbieter die von ihm angebotenen Inhalte durch ein von einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle zur Verfügung gestelltes Klassifizierungssystem gekennzeichnet, die Kennzeichnung dokumentiert und keine unzutreffenden Angaben gemacht hat.

Man kann also den Verstoß gegen § 5 Abs. 1 JMStV-E schon dadurch vermeiden, dass man eine zutreffende Alterskennzeichnung von einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle vornehmen lässt. Das ist genau der Grund dafür, dass die Content-Industrie von der Neuregelung durchaus angetan ist.

posted by Stadler at 10:31  

10 Comments

  1. Wenn man das Ergebnis sieht, kann man nicht mehr daran zweifeln, dass der Gesetzgeber nicht weiss, was er tut. Wüßte er, was er tut und verabschiedete dennoch solche Gesetze, dann müßte man ja vollends den Glauben an die Politik verlieren. Dazu neige ich manchmal, möchte die Hoffnung aber (noch) nicht aufgeben. Leider ist das kein Einzelfall und es gibt massenhaft nicht zu ende gedachte Gesetze. Kann man da nicht rechtzeitig mal einen Fachmann befragen und sich Rat holen? Macht man sich keine Gedanken darüber, wie Gesetze in der Praxis anwendbar sind? Die Anwendbarkeit sollte doch ein Hauptkriterium eines Gesetzes sein. Man muss sich schon fragen, wie manche Gesetze zustande gekommen sind. Wenn ich mir überlege, wie das BGB aussähe, würde es der heutige Gesetzgeber machen, dann bekomme ich das kalte Grauen…

    Comment by Joerg — 6.12, 2010 @ 10:50

  2. Da ich selbst für diverse Erotikanbieter programmiere, bin ich selbst „betroffen“, allerdings im positiven Sinn. Musste bisher das teure und umständliche PostIdent herhalten, andere Dienstleister das Alter sicherstellen oder die Firma ins Ausland verlagert werden, genügt jetzt ein „ab 18“ und schon ist alles ok. Den schwarzen Peter haben dann die (oft überforderten) Eltern und die Jugendschutzsoftware.
    Es ist wie im PayTV, wer den Code kennt, darf schauen. Und einmal bei Papa abends über die Schulter geschaut und das ganze Netz ist wieder offen…..

    Comment by Micha — 6.12, 2010 @ 11:59

  3. Dieser Unsinn in diesem Artikel und den Kommentaren ist kaum zu ueberbieten. Ab 18 kennzeichnen und alles ist gut? Ne klar. Ab 16 und raus aus der Sendezeitbeschraenkung? Ne klar. Leute, lesen!!!

    Comment by Marcus — 6.12, 2010 @ 12:55

  4. Gemäß IWB/Udo Vetter sollte man das JMStV-Schreckgespenst als Betreiber normaler Seiten in der Tat mal nüchterner betrachten: http://www.internetworld.de/Nachrichten/Medien/Medien-Portale/Udo-Vetter-zum-Jugendmedienschutz-Staatsvertrages-Was-Blogger-jetzt-unternehmen-sollten-51447.html

    Die Tatsache, dass „FSK“-16/18 Seiten de facto nun einfacher zu erreichen sein werden, sollte wohl noch eingehender beleuchtet werden, da sich der JMStV so wohl zu einem veritablen Boomerang entwickeln könnte.

    Comment by Max Heide — 6.12, 2010 @ 13:13

  5. @Marcus: Ich lasse mir gerne erläutern, warum mein Beitrag Unfug ist. Dazu werden Sie aber mindestens einen Kausalsatz benötigen.

    Comment by Stadler — 6.12, 2010 @ 15:26

  6. @Max heide: Ich kenne den Beitrag von Udo Vetter, halte aber seine Ansicht in Teilen für unzutreffend.

    Comment by Stadler — 6.12, 2010 @ 15:27

  7. @Stadler: In welchen Bereichen denn?
    Die Ausführungen sind bisweilen nicht differenziert aber dennoch nachvollzehbar.
    Im konkreten Fall gilt wohl eh der Juristengrundsatz zur Auslegung: „Kommt darauf an“ ;-)

    Comment by Max Heide — 6.12, 2010 @ 15:55

  8. Wieso wissen die nicht was sie tun?
    Es gibt nur 2 Möglichkeiten:
    Entweder sind die „Macher“ wirklich solche Idioten wie sie sich geben und damit per se unqualifiziert für überhaupt irgendwas.

    Oder dieses Verbrecherpack weiß ganz genau was es anrichtet.

    Und für so blöd, nicht zu wissen was sie tun, halte ich diese Bande nicht! Die handeln mit Vorsatz.

    Comment by Mike — 6.12, 2010 @ 16:45

  9. @ Micha: Was vorher Postident brauchte, braucht auch nach dem neuen JMStV Postident. Normale Pornografie bleibt nämlich weiterhin generell „ab 18“ und muss besonders streng kontrolliert werden.

    Das heißt, es profitieren hier wirklich nur die „Soft Erotik“-Anbieter (was auch immer das ist).

    Comment by Simon Möller — 6.12, 2010 @ 21:24

  10. @ Simon Möller
    Nein, es muss nur noch der Ab 18 Jugendschutz-Software Code eingefügt werden. Mehr nicht. ODer habe ich da etwas falsch verstanden?

    Comment by Mike — 8.12, 2010 @ 10:23

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