Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.11.12

Bundestagsfraktion der Grünen fordert Auflösung des Verfassungsschutzes

Die Bundestagsfraktion der Grünen fordert die Auflösung des Verfassungsschutzes und des MAD und will den gesamten Bereich neu strukturieren.

Die Grünen wollen zunächst ein unabhängiges Institut Demokratieförderung errichten, das die Strukturen und Zusammenhängen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Deutschland beobachtet und analysiert. Es soll sich dabei um eine unabhängige Institution ohne hoheitliche Eingriffsbefugnisse handeln, die dem Parlament und der Regierung Bericht erstattet.

Daneben soll eine sog. Inlandsaufklärung geschaffen werden, die den bisherigen Verfassungsschutz ablöst, allerdings mit deutlich eingeschränkten Befugnissen.

Gruppierungen und Einzelpersonen, die ihre Gedanken lediglich in Wort, Schrift und Bild äußern, sollen grundsätzlich nicht mehr mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werden, wenn ihre Aktivitäten keinen Gewaltbezug aufweisen. Diese Gruppen gehören zukünftig in die Aufgabensphäre des Instituts Demokratieförderung.

Zur Aufgabe der Inlandsaufklärung soll es aber auch gehören, Bestrebungen zu identifizieren, die dabei sind, Gewaltbezug und Gewaltstrukturen zu entwickeln.

Im Hinblick auf die Inlandsaufklärung sollen die Kontrollrechte des Parlaments gegenüber dem geltenden Recht deutlich gestärkt und auch die Auskunftsrechte der Betroffenen ausgeweitet werden.

Die Fraktion der Grünen hat ganz offensichtlich erkannt, dass der Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form nicht behebbare strukturelle und systemische Defizite aufweist und die öffentlich bekannt gewordenen Probleme und Skandale keineswegs nur eine Folge individueller Fehler sind. Der Vorschlag der Grünen stellt, auch wenn einige Punkte noch vage bleiben, im Vergleich zur jetzigen Regelung einen rechtsstaatlichen Quantensprung dar, der zu begrüßen ist, zumal er mit einem konkreten, konstruktiven Konzept aufwartet. Und das ist weit mehr als alle anderen Parteien in dieser Frage bisher angeboten haben.

posted by Stadler at 16:02  

21.10.12

Wer schützt uns vor solchen Verfassungsschützern?

Der Freistaat Bayern hat sich in einem Vergleich verpflichtet, die Einträge zur Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München . e. V. (a.i.d.a.)  in den Verfassungsschutzberichten 2009, 2010 und 2011 zu streichen und a.i.d.a. auch künftig (!) nicht mehr in den Verfassungsschutzberichten zu nennen.

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hatte den Verein im jährlichen Verfassungsschutzbericht mehrfach als linksextremistische Gruppierung eingestuft. Eine Bewertung, die der BayVGH bereits 2010 mit den Worten kassierte, es würde sich um ein “nicht ansatzweise durch tatsächliche Anhaltspunkte nachvollziehbar belegtes Negativurteil“ handeln. Das hat die Behörde allerdings nicht davon abgehalten, diese Eintragung, mit ausdrücklicher Unterstützung des Innenministeriums, auch in den Folgejahren zu wiederholen.

Diese Unbelehrbarkeit macht deutlich, dass der jetzige Vergleich alles andere als freiwillig zustande kam, sondern nur dem Zweck diente, eine erneute krachende Niederlage vor dem VGH abzuwenden.

Das Totalversagen von Innenministerium und Verfassungsschutz bei den NSU-Morden, von denen fünf in Bayern stattgefunden haben, muss in unmittelbarem Zusammenhang mit solchen Vorgängen wie der Beobachtung von a.i.d.a. gesehen werden. Denn die Überwachung kritischer Demokraten aus ideologischen Gründen hält den Bayerischen Verfassungsschutz ganz offensichtlich davon ab, seine eigentliche Arbeit zu machen. Als Bürger frage ich mich ernsthaft, wer uns vor solchen Verfassungsschützern und Politikern schützt.

posted by Stadler at 21:05  

13.10.12

Punkband unter Beobachtung des Verfassungsschutzes

Dass Verfassungsschutzbehörden viel lieber kritische Demokraten beobachten, als sich mit wirklichen Extremisten zu befassen, ist nicht ganz neu und kann anhand des bayerischen Verfassungsschutzberichts praktisch jährlich nachvollzogen werden.

Über einen nicht minder haarsträubenden Fall aus Mecklenburg-Vorpommern berichtet publikative.org. Es ist insoweit durchaus instruktiv, den ganzen Eintrag zur Punkband „Feine Sahne Fischfilet” (FSF) im Verfassungsschutzbericht 2011 (ab S. 84) zu lesen. Man ist danach wirklich einigermaßen sprachlos, gerade auch darüber, wie Verfassungsschutzbehörden in einem grundrechtsintensiven Bereich agieren.

posted by Stadler at 22:33  

11.7.12

Verfassungsschutz und Gemeinnützigkeit

Eine Organisation, die in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder der Länder als extremistisch eingestuft wird, kann keine Gemeinnützigkeit im Sinne des Steuerrechts erlangen, bzw. verliert diese wieder. Dies ergibt sich aus § 51 Abs. 3 der Abgabenordnung, die folgende Regelung enthält:

Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.

Diese Regelung soll nun durch das Jahressteuergesetz 2013 dahingehend verschärft werden, dass das unscheinbare Wort „widerlegbar“ gestrichen wird. Bislang konnte man also die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörde, man sei extremistisch widerlegen, aber selbst das soll nun nicht mehr möglich sein.

Das ist allein deshalb problematisch, weil es häufiger vorkommt, dass Verfassungsschutzbehörden Organisationen als extremistisch einstufen, die es gar nicht sind. Ein gutes Beispiel ist die jahrelange Erwähnung des Vereins A.I.D.A. im bayerischen Verfassungsschutzbericht, obwohl der Verein mehrfach erfolgreich vor den Verwaltungsgerichten gegen diese rechtswidrige Praxis des Bayerische Landesamts für Verfassungsschutz vorgegangen ist. Dennoch erscheint A.I.D.A. jedes Jahr wieder im Verfassungsschutzbericht.

Wenn man sich diese z.T. geradezu willkürlichen Nennungen in Verfassungsschutzberichten ansieht, stellt sich eigentlich eher die Frage, ob selbst eine (widerlegbare) Vermutung der Richtigkeit der Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden, angebracht ist. Zumal gerade in den letzten Tagen und Wochen immer deutlicher wird, welche Zustände in manchen Verfassungsschutzbehörden herrschen.

Verschiedenste zivilgesellschaftliche Organisationen laufen deshalb auch Sturm gegen die geplante Änderung der Abgabenordnung. Greenpeace, Attac, FoeBuD, die Humanistische Union und andere fordern die Abgeordneten des Bundestages in einem offenen Brief auf, diese Gesetzesänderung abzulehnen und sich darüber hinaus für die ersatzlose Streichung des § 51 Abs. 3 AO einzusetzen.

 

posted by Stadler at 15:51  

16.11.11

Was der (bayerische) Verfassungsschutz so treibt

Während sich gerade zeigt, dass die Sehschärfe der Verfassungsschutzbehörden auf dem rechten Auge zu wünschen übrig lässt, wird gegen vermeintlich linksextreme Organisationen selbst dann vorgegangen, wenn die Rechtswidrigkeit dieses Tuns schon mehrfach gerichtlich festgestellt worden ist.

Ein gutes Beispiel dafür bildet die mittlerweile regelmäßige Nennung des Vereins “a.i.d.a.” (Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V.) als linksextremistische Gruppierung im jährlichen bayerischen Verfassungsschutzbericht. Und das obwohl a.i.d.a. regelmäßig ausgezeichnet wird, wie z.B. erst kürzlich mit dem Josef-Felder-Preis der bayerischen SPD. Die Begründungen, die der Verfassungsschutz für seine Einschätzung liefert, sind z.T. wirklich haarsträubend.

Die Nennung von a.i.d.a. im Verfassungsschutzbericht 2008 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im vergangenen Jahr deshalb auch kassiert und fand gleichzeitig deutliche Worte in Richtung der Verfassungsschützer und des Innenministeriums.

Das hält das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz allerdings nicht davon ab, dasselbe Spielchen in jedem Jahr von vorne zu beginnen. Was die Nennung von a.i.d.a. im Verfassungsschutzbericht 2010 angeht, wurde die Behörde vom Verwaltungsgericht München jetzt erneut zu einer Schwärzung verpflichtet, allerdings nicht gänzlich. Gut möglich, dass der VGH wieder die vollständige Streichung des Vereins aus dem Verfassungsschutzbericht anordnet.

 

posted by Stadler at 21:25  

14.11.11

Verfassungsschutz oder Verfassungsbruch?

Zum Thema Verfassungsschutz habe ich in der Vergangenheit mehrfach kritisch gebloggt. Sollte sich tatsächlich bewahrheiten, dass Beamte von Verfassungsschutzbehörden in die Morde verstrickt sind, die von gedankenlosen Journalisten als „Döner-Morde“ bezeichnet werden, dann würde mich selbst das nicht überraschen.

Denn die Verfassungsschutzbehörden können tatsächlich weitgehend im rechtsfreien Raum agieren, es fehlt an einer hinreichenden gerichtlichen und parlamentarischen Überprüfung ihrer Tätigkeit. Behörden, die keiner ausreichenden rechtsstaatlichen Kontrolle unterliegen, neigen dazu das Recht zu brechen und können damit ihre Aufgabe die Verfassung zu schützen, zwangsläufig nicht erfüllen. Die Möglichkeit Macht unkontrolliert auszuüben, führt regelmäßig zu Machtmissbrauch. Die Bezeichnung dieser Behörden als Verfassungsschutz erweist sich als Oxymoron.

Es gilt daher, diesen Konstruktionsfehler umgehend zu beseitigen oder die Verfassungsschutzbehörden ganz aufzulösen. Sie sind augenscheinlich zu einer Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung geworden und erfüllen ihren eigentlichen Auftrag nicht.

 

posted by Stadler at 21:40  

7.2.11

Verfassungsschutz und Verfassungsbruch

Es sind Meldungen wie diese, die mich gelegentlich daran zweifeln lassen, ob wir hier tatsächlich in einem Rechtsstaat leben. Der linke Jurist und Bürgerrechtler Rolf Gössner wurde 40 Jahre lang vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Zu Unrecht, wie das Verwaltungsgericht Köln jetzt entschieden hat.

Konkrete Belege für verfassungsfeindliche Aktivitäten haben wohl nie vorgelegen, aber der Verfassungsschutz meinte, dass gerade der Umstand, dass Gössner nicht Mitglied verfassungswidriger Organisationen war, ihn besonders verdächtig gemacht hat.

Weshalb man in diesem Land diejenigen, die die Verfassung schon nahezu systematisch brechen, als Verfassungsschützer bezeichnet, hat sich mir ohnehin nie wirklich erschlossen.

Auf der Website des BfV heißt es, dass drei Viertel der Bürger von der Notwendigkeit der Institution Verfassungsschutz überzeugt sind. Zu diesen Bürgern gehöre ich nicht (mehr), nachdem der Erkenntnisgewinn den die Verfassungsschutzbehörden liefern, äußerst gering ist, gleichzeitig aber offenbar systematisch Methoden angewandt werden, die eines Rechtsstaats unwürdig sind. Wer das nicht glaubt, sollte sich zum Beispiel mal näher mit den Gründen für das Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens oder dem Fall A.I.D.A. befassen.

Selbst wenn das für manche platt klingen mag, aber auch als Steuerzahler habe ich wenig Lust, Behörden zu finanzieren, die konsequent rechtsstaatliche Grundsätze missachten und damit eine Art Staat im Staat bilden.

posted by Stadler at 20:09  

25.9.10

Schlappe für bayerisches Innenministerium (aida)

Im bayerischen Verfassungsschutzbericht 2008 wurde der vielfach ausgezeichnete Verein“a.i.d.a.” (= Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V.) unter “sonstige Linksextremisten” geführt. Eine tragfähige Begründung hierfür ist das bayerische Innenministerium stets schuldig geblieben.

Das hat jetzt auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 23.09.2010 (Az. 10 CE 10.1830) so gesehen und die vorläufige Schwärzung des Eintrags im Verfassungsschutzbericht angeordnet. Die Richter fanden deutliche Worte in Richtung des Innenministeriums. Nach der Einschätzung des VGH enthält der Bericht ein „nicht ansatzweise durch tatsächliche Anhaltspunkte nachvollziehbar belegtes Negativurteil„.

Diese willkürliche Qualifizierung eines Vereins, der nach Ansicht vieler gute und wichtige Arbeit geleistet hat, ist eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig und wirft einmal mehr ein fragwürdiges Licht auf die Verfassungsschutzbehörden. Der Streit ist damit vermutlich aber noch nicht beendet, denn der Verfassungsschutzbericht 2009 enthält dieselbe Einstufung erneut. Innenminister Joachim Herrmann erklärte gegenüber der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe v. 25./26.09.2010, S. R9) auch, dass man gar nicht daran denke, die Entscheidung zu revidieren.

Man wird sich angesichts einer solchen Haltung die Frage stellen müssen, ob es nicht der bayerische Innenminister und der Verfassungsschutz sind, die nicht verfassungskonform agieren.

posted by Stadler at 20:46  

21.7.10

Darf der Verfassungsschutz die Linkspartei beobachten?

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt heute über die Frage, ob der Verfassungsschutz den Politiker der Linken Bodo Ramelow – der mehrere Jahre lang auch Abgeordneter des Bundestags war – beobachten darf. Ramelow hatte vor den Instanzgerichten Recht bekommen, wobei das OVG Münster seine Begründung auf den Einzelfall beschränkt hat. Ramelow hofft vor dem Bundesverwaltungsgericht auf eine generelle Aussage des Gerichts zur Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz.

Man sollte vielleicht auch ganz grundsätzlich die Frage stellen, ob dieses Land Behörden benötigt, die sich zwar Verfassungsschutz nennen, aber häufiger durch den Bruch als durch den Schutz der Verfassung auffallen. Ich stimme Oskar Lafontaine nur sehr ungern zu, aber seine These vom Verfassungsschutz als politische Geheimpolizei ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Update: Das BVerwG hat das Urteil des OVG aufgehoben und die Klage von Bodo Ramelow abgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts ist die offene Beobachtung von Ramelow dann nicht unverhältnismäßig, wenn es, was das OVG angenommen hatte, Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Partei DIE LINKE gibt. Man darf annehmen, dass Ramelow hiergegen Verfassungsbeschwerde erheben wird, was im Sinne einer endgültigen Klärung in jedem Fall wünschenswert ist. Vielleicht hat das BVerwG ja eine ganz ähnliche Überlegung angestellt. ;-)

posted by Stadler at 12:46  

6.12.09

Die meisten Verfassungsschutzberichte sind verfassungswidrig

Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Instituts für Öffentliches Recht der Universität Freiburg. Damit die Verfassungsschutzbehörden über Organisationen, die sie als extremistisch einstufen, berichten dürfen, müssen bestimmte vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Kriterien beachtet werden. Und diesen Erfordernissen genügen die meisten Verfassungsschutzberichte nicht.

Wenn beispielsweise eine Organisation nicht nachweislich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, dann darf über diese Gruppierung nur dann berichtet werden, wenn gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für eine Verfassungsfeindlichkeit vorliegen und der Verfassungsschutzbericht unmissverständlich deutlich macht, dass nur ein Verdachtsfall gegeben ist.

Wie wenig sich die Verfassungsschützer an diese Vorgaben halten, kann man z.B. anhand des aktuellen bayerischen Verfassungsschutzberichts sehen, der den Verein a.i.d.a. (Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V.) unter „sonstige Linksextremisten“ aufführt.

posted by Stadler at 11:25  
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