Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

11.7.12

Verfassungsschutz und Gemeinnützigkeit

Eine Organisation, die in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder der Länder als extremistisch eingestuft wird, kann keine Gemeinnützigkeit im Sinne des Steuerrechts erlangen, bzw. verliert diese wieder. Dies ergibt sich aus § 51 Abs. 3 der Abgabenordnung, die folgende Regelung enthält:

Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.

Diese Regelung soll nun durch das Jahressteuergesetz 2013 dahingehend verschärft werden, dass das unscheinbare Wort „widerlegbar“ gestrichen wird. Bislang konnte man also die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörde, man sei extremistisch widerlegen, aber selbst das soll nun nicht mehr möglich sein.

Das ist allein deshalb problematisch, weil es häufiger vorkommt, dass Verfassungsschutzbehörden Organisationen als extremistisch einstufen, die es gar nicht sind. Ein gutes Beispiel ist die jahrelange Erwähnung des Vereins A.I.D.A. im bayerischen Verfassungsschutzbericht, obwohl der Verein mehrfach erfolgreich vor den Verwaltungsgerichten gegen diese rechtswidrige Praxis des Bayerische Landesamts für Verfassungsschutz vorgegangen ist. Dennoch erscheint A.I.D.A. jedes Jahr wieder im Verfassungsschutzbericht.

Wenn man sich diese z.T. geradezu willkürlichen Nennungen in Verfassungsschutzberichten ansieht, stellt sich eigentlich eher die Frage, ob selbst eine (widerlegbare) Vermutung der Richtigkeit der Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden, angebracht ist. Zumal gerade in den letzten Tagen und Wochen immer deutlicher wird, welche Zustände in manchen Verfassungsschutzbehörden herrschen.

Verschiedenste zivilgesellschaftliche Organisationen laufen deshalb auch Sturm gegen die geplante Änderung der Abgabenordnung. Greenpeace, Attac, FoeBuD, die Humanistische Union und andere fordern die Abgeordneten des Bundestages in einem offenen Brief auf, diese Gesetzesänderung abzulehnen und sich darüber hinaus für die ersatzlose Streichung des § 51 Abs. 3 AO einzusetzen.

 

posted by Stadler at 15:51  

6 Comments

  1. Im Prinzip versucht der Gesetzgeber hier mit der Änderung, Organisationen, die vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft werden, das rechtliche Gehör zu verweigern.

    Politisch ist das das gleiche, was auch Ursula von der Leyen wollte. Erst versucht sie die Strafverfolgung von Straftaten nach dem §184a StGB durch einen zivilrechtlichen Vertrag auf Private zu übertragen, dann sollte die Polizei statt der Justiz (und einem Richter) Recht sprechen und dem Beschuldigten auch rechtliches Gehör verwehrt werden.

    Ofenbar hat unser rechter Rand in den Parteien erhebliche Schwierigkeiten mit dem Rechtsstaat. Besonders zynisch ist es hier, dass ausgerechnet der Verfassungsschutz betroffen sein soll, den man in vielen Bundesländern nicht von rechtextremistischen Nazis unterscheiden kann, wenn ich das Bundesverfassungsgericht richtig verstanden habe, wie die Rücktrittswelle wegen der NSU gerade zeigt und wie auch schon bei der Stützung der NPD durch Verbleib de IMs des Verfassungsschutzes, wo Wolfgang Schäuble, CDU, das Verbot der NPD hartnäckig unmöglich machte durch seine Weigerung, die NPD nicht mehr personell zu unterstützen.

    Es ist schon ein mächtiges Spektakel, das unser rechter Rand in den politischen Parteien derzeit veranstaltet. Bis 2013.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 11.07, 2012 @ 17:52

  2. Klingt alles nach DDR-Methoden. Das Beste von Gestapo und Stasi in neuer Verpackung.
    Feines Land.

    Comment by MackTheKnife — 11.07, 2012 @ 21:26

  3. In der Tat, so langsam stoßen insbesondere die rechtspolitischen Gesetzesvorschläge aus dem Dunstkreis von CDU/CSU immer öfter in Sphären vor, wo ich Nazi-Vergleiche als angebracht und teilweise sogar als probates Mittel zur Verteidigung des Rechtsstaates ansehen muss. Das ist traurig, beschämend und irgendwo auch frustrierend.

    Comment by Pascal — 12.07, 2012 @ 00:15

  4. Als sie die Bürgerrechts- und Umweltvereine kaputt gemacht haben, sagte ich nichts, denn ich war ja in keinem solchen Verein….

    Comment by möp — 21.07, 2012 @ 14:16

  5. Ich habe das seltsame Gefühl, dass sich einige unserer Dienste viel zu sehr der Kontrolle durch Parlament und Justiz entziehen können. Außerdem, dass es dort viel zu einfach ist, als Einzelperson oder kleine Gruppe von Gleichgesinnten Einfluss auszuüben, ohne Sorge vor einer Kontrolle durch unabhängige Dritte haben zu müssen.

    Comment by Tom — 21.07, 2012 @ 16:08

  6. Zitat aus den Schreiben eines/er Gerichtspräsidenten/In: „Bereits jetzt weise ich darauf hin, dass der von Ihnen gezogene Vergleich zu einem Prozess eines Moskauer Gerichts in den dreißiger Jahren völlig unangemessen erscheint. Ich möchte Sie höflich bitten, derart ehrverletzende Vergleiche künftig zu unterlassen.“

    Ich hatte nicht verglichen, mich lediglich daran erinner, und es nicht verhindern können, mich daran zu erinnern, dass der Chef der Moskauer Wasserwerke seinerzeit erschossen wurde, weil er das Moskauer Trinkwassernetz mit Natriumchlorid vergiften wollte. Natriuumchlorid (NaCl) ist Kochsalz.

    Der Ingenieur hatte das den Untersuichungsorganen gegenüber zugegeben, in der Hoffnung die Richter erkennen, dass er geqäult wurde. Vergebens, denn erschossen wurde er tatsächlich aus ganz anderen Gründen. Die formale Begründiung spielte keine Rolle.

    Auch heute habe ich einige Urteile, die ähnlich sind: offensichticher Unsinn, vorgeschobene Gründe. Das Bundesverfasungsgeeicht macht mit, d.h. weist die Beschwerden ohne Begrümndung zurück.

    Gegen mich klagen erfolgreich Leute, welche in die Machenschaften der Stasi verwickelt waren, denen ausgiebiogt Material lieferten, sowie Anwälte, welche mit der Stasi verwickelte Mandanten vertereten.

    Und ich arf mich an die Stasi- und KGB-methoden n icht erinnern?

    Comment by Rolf Schälike — 21.07, 2012 @ 16:22

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