Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.1.12

Vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen zu erwartende Presseberichterstattung

Vor einigen Monaten hatte ich über einen Beschluss des Landgerichts München I berichtet, in dem ein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen eine Tageszeitung bejaht worden war, wegen der Befürchtung einer personenidentifizierenden Berichterstattung über ein Strafverfahren. Diese Entscheidung ist nun vom OLG München bestätigt worden.

Hintergrund war das umstrittene Fernsehformat „Tatort Internet“ des Privatsenders RTL2. Für dieses Format hat sich eine Journalistin in Chats als 13-jähriges Mädchen ausgegeben, um erwachsene Männer anzulocken. Es wurden anschließend tatsächliche Treffen zwischen dem vermeintlich 13-jährigen Mädchen – gespielt von einer volljährigen Schauspielerin – und den angelockten Männern vereinbart, die von RTL2 mit versteckter Kamera gefilmt und ausgestrahlt worden sind. Hierdurch sollten vermeintlich pädophile Männer öffentlich angeprangert werden, um die Sensationslust des Privatfernsehpublikums zu befriedigen.

Die Staatsanwaltschaft München I hat im letzten Jahr gegen zwei dieser Männer wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern Anklage erhoben. Nachdem mehrere Zeitungen und Online-Medien über das erste Strafverfahren in personenidentifiziernder Art und Weise berichtet hatten, hat der zweite Angeklagte u.a. gegen eine in München erscheinende Tageszeitung eine einstweilige Verfügung erwirkt, die es der Zeitung bereits vorab untersagte, über den Hauptverhandlungstermin in der Form zu berichten,  dass der Antragsteller mit Vornamen und dem ersten Buchstaben des Nachnamens, ergänzt um seinen Wohnort, seine Berufsbezeichnung und sein Alter, benannt wird.

Nachdem die Parteien auf den Widerspruch der Zeitung hin den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, hatte das Landgericht München I noch über die Verfahrenskosten zu entscheiden, die es mit Beschluss vom 30.08.2011 der Zeitung auferlegte.

Hiergegen hatte die Zeitung Beschwerde zum Oberlandesgericht München eingelegt, allerdings ohne Erfolg. Mit Beschluss vom 11.01.2012 (Az.: 18 W 1752/11) hat das OLG die Kostenentscheidung des Landgerichts bestätigt und ausgeführt, dass die einstweilige Verfügung zu Recht ergangen ist und dem Antragsteller gegen die zu erwartende Berichterstattung ein vorbeugender Unterlassungsanspruch zustand. Das Oberlandesgericht setzt sich insbesondere auch mit dem Aspekt der Erstbegehungsgefahr auseinander und führte insoweit aus, dass eine solche, aufgrund der ebenfalls identifierenden vorangegangenen Berichterstattung über ein Parallelverfahren, jedenfalls nahe lag.

Die Entscheidungen sind durchaus beachtenswert, nachdem im Bereich des Presse- und Medienrechts kaum vorbeugende Unterlassungsansprüche durchgesetzt werden und andererseits eine personenbezogene Berichterstattung, in der der Betroffene mit seinem Vornamen und dem ersten Buchstaben seines Nachnamens benannt wird, sehr häufig anzutreffen ist.

posted by Stadler at 15:25  

5.1.12

Der Bundespräsident und die Mailbox

Zu Christian Wulff wollte ich nun wirklich nicht bloggen. Aber nachdem mir heute mehrfach die Frage gestellt wurde, ob die BILD denn den Mailboxmitschnitt auch gegen den Willen des Bundespräsidenten veröffentlichen dürfte, hierzu nun doch eine rechtliche Einschätzung.

Bereits vor einigen Tagen konnte man vereinzelt lesen, die BILD hätte sich mit der Weitergabe von Inhalten aus dem Anruf des Bundespräsidenten nach § 201 StGB strafbar gemacht. Das ist allerdings eine eher abwegige Rechtsansicht, worauf der Kollege Kompa bereits hingewiesen hat.

Nach § 201 StGB ist die unbefugte Aufnahme des nichtöffentlich gesprochene Worts, der Gebrauch einer solchen Aufnahme und die öffentliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts einer solchen Aufnahme strafbar. Der Straftatbestand ist hier schon deshalb nicht erfüllt, weil der Bundespräsident ja ganz bewusst und freiwillig auf einen Anrufbeantworter bzw. eine Mailbox gesprochen hatte und wusste, dass dieser Anruf (automatisiert) aufgezeichnet wird. Es fehlt also bereits an einer unbefugten Aufnahme.

Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob die Veröffentlichung des Inhalts des Anrufs oder wesentlicher Teile daraus zivilrechtlich zulässig ist. Die Klärung dieser Frage erfordert eine Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Bundespräsidenten einerseits und der Pressefreiheit und des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit andererseits.

Für die Zulässigkeit der Veröffentlichung streitet in jedem Fall ein ganz erhebliches Informationsinteresse, wie es größer kaum sein könnte. Dem steht das Persönlichkeitsrecht Wulffs gegenüber, wobei die Frage ist, ob insoweit nur die berufliche und soziale Sphäre Wulffs betroffen ist oder auch seine Privatssphäre. Nachdem es sich vorliegend allerdings um Umstände handelt, die zwar z.T. die private Lebensführung betreffen, die aber allesamt Bezug zum Amt bzw. dem früheren Amt als Ministerpräsidenten aufweisen und die Frage betreffen, ob Wulff den Landtag über seine geschäftlichen Beziehungen zum Ehepaar Geerkens falsch informiert hat und evtl. gegen das Ministergesetz verstoßen hat, dürfte der Schwerpunkt eindeutig im Bereich der beruflichen Sphäre liegen. Diese genießt im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts allerdings den geringsten Schutz, zumal wenn es um Dinge geht, die die Amtsführung eines Spitzenpolitikers betreffen. Hieran besteht naturgemäß ein erhebliches und legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Vor diesem Hintergrund gehe ich von einem Überwiegen des Informationsinteresses aus, weshalb die BILD den Wortlaut des Anrufs durchaus veröffentlichen dürfte. Wenngleich ich nicht ausschließen möchte, dass das an einigen meinungsfeindlichen deutschen Landgerichten auch anders gesehen werden könnte.

Aber der BILD ging es mit ihrer schriftlichen Bitte um eine Zustimmung zur Veröffentlichung vermutlich gar nicht darum, juristische Bedenken auszuräumen. Die Süddeutsche hat die Motivation der BILD treffend analysiert. Das Boulevardblatt will Wulff offenbar noch weiter in die Enge treiben. Dass Wulff sich der Veröffentlichungsbitte der BILD verschlossen hat, nährt weitere Spekulationen über den Inhalt des Anrufs und verstärkt den Eindruck, der Bundespräsident wolle etwas verheimlichen. Die Veröffentlichung hätte andererseits möglicherweise belegt, dass Wulff im Interview erneut die Unwahrheit gesagt hat.

Es ist wohl tatsächlich so, wie es derzeit kolportiert wird. Wer wie Wulff im Fahrstuhl mit der BILD nach oben fährt, fährt mit ihr auch wieder nach unten.

 

 

 

 

posted by Stadler at 21:00  

20.9.11

Die Piraten und der Mediensprung

Die Mainstream-Medien überbieten sich plötzlich in mehr oder minder geistlosen Versuchen, Gründe für den überraschenden Wahlerfolg der Piraten in Berlin zu finden. Die meisten Rundfunk- und Print-Journalisten scheinen dabei den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Denn nur der Umstand, dass sie – die Vertreter der klassischen Medien – in zunehmendem Maße über die Piraten berichtet haben, hat den Wahlerfolg in Berlin überhaupt möglich gemacht.

Obwohl wir also gerade Zeugen eines medialen Lehrstücks geworden sind, das zeigt, wie sich unsere Mediendemokratie einerseits wandelt, andererseits aber weiterhin altüberkommene Mechanismen greifen, erzählen uns die Kommentatoren die Geschichte des digitalen Wutbürgers, der digitalen Boheme oder ähnlichen Unfug.

Dabei ist der mediale Aspekt, den ich hier Mediensprung nennen möchte, ausschlaggebend dafür gewesen, dass die Piraten von 4 auf 9 Prozent klettern konnten. Den Erfolg, über dessen Gründe sie noch rätseln, haben die alten Medien letztlich durch ihre eigene Berichterstattung erst ermöglicht. Es handelt sich im Grunde also um eine mediale self-fulfilling-prophecy.

Vor ein paar Wochen, als die Piratenpartei in den Umfragen oft noch unter „Sonstige“ geführt wurde, obwohl sie bereits stabil auf einem Niveau von ca. 4 % lag, konnte man beobachten, wie es ihnen mehr und mehr gelang, in den Hauptnachrichten (Tagesschau, Heute-Journal) zu landen und allmählich auch einen eigenen Balken in den Präsentationen der Umfragen zu bekommen. Parallel haben auch die Print-Ausgaben der Zeitungen vor der Berlin-Wahl begonnen, sich verstärkt mit dem Phänomen Piratenpartei zu beschäftigen.

Mit diesem Sprung raus aus den reinen Online-Medien und rein in die alte Medienwelt des Fernsehens und der Tageszeitungen wurde eine neue Zielgruppe erreicht. Die Piraten drangen erstmals in das Bewusstsein von Menschen vor, die ihre politischen Informationen immer noch primär aus den Tagesthemen und den Zeitungen beziehen.

Auch wenn mittlerweile die Mehrheit der Deutschen das Internet nutzt, sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass sie sich deshalb auch alternativer Informationsquellen bedienen. Für die nicht twitternde und nicht bloglesende Mehrheit ist selbst Spiegel-Online schon Avantgarde.

Das von mir als Mediensprung beschrieben Phönomen, könnte man auch unter dem Stichwort „digital divide“ diskutieren. Mich irritiert in jedem Fall aber, dass der mediale Aspekt in den Wahlanalysen kaum eine Rolle spielt, was darauf hindeutet, dass seine zentrale Bedeutung weithin verkannt wird.

Für die Piraten besteht die größte Herauforderung möglicherweise nicht (nur) in einer konstruktiven Parlamentsarbeit, sondern darin, in den Talkshows der ARD eine gute Figur abzugeben. Daran, dass sich die Piraten auf diese klassischen Formate einlassen werden, besteht kein Zweifel. Ob sie sich, wie bislang fast alle anderen, auch formatieren lassen, wird sich zeigen. Morgen soll es bei Anne Will auch bereits losgehen, wie man hört.

 

posted by Stadler at 16:01  

10.9.11

Die deutsche WIRED, eine erste Zwischenbilanz

Gestern am Münchener Flughafen habe ich mir zum ersten Mal in meinem Leben eine Zeitschrift namens GQ – die Don Alphonso in der FAZ als das Zentralorgan der Muckibudenbesitzer bezeichnet hat – gekauft. Das Objekt der Begierde war allerdings die beiliegende deutsche Erstausgabe der WIRED und nicht das Lifestyle-Magazin. Ob man mit diesem Konzept sein Zielpublikum erreicht, sei einmal dahingestellt, aber der Versuchsballon deutsche WIRED sollte offenbar ohne großartig zusätzliche Vertriebskosten auskommen.

Bereits die auf dem Cover angepriesenen Themen „Darknet – Drogen shoppen im Web“ und „Badoo – The Sexual Network“ stimmen mich irgendwie skeptisch. Im Editorial kommt Chefredakteur Thomas Knüwer dann sehr schnell auf die angebliche „German Angst“ zu sprechen, um uns zu erklären, dass dieses Heft Menschen porträtiert, die das anders sehen. Damit hat man eine der großen Plattitüden als zentralen Aufhänger gewählt. Kann das funktionieren? Sympathisch ist jedenfalls, dass Knüwer das Heft dem kürzlich verstorbenen Blogger und Netzaktivisten Joerg-Olaf Schaefers widmet. Ich frage mich, was Olaf zu dem Heft wohl gesagt hätte.

Der gesamte erste Teil (Start) besteht, so wie man es von vielen Zeitschriften kennt, aus kurzen, vermischten, bebilderten Geschichten und Nachrichten die entbehrlich erscheinen.

Der erste wirklich lesenswerte Text folgt auf S. 36 und stammt von Mario Sixtus. Für die Erkenntnis, dass man Sixtus immer lesen kann, braucht man sich andererseits nicht unbedingt das Doppelpack aus GQ und WIRED anzuschaffen.

Seiner Kolumne folgen weitere von Gunter Dueck, Tessa Bücker, Richard Gutjahr und Friedrich von Borries, die allesamt mehr oder weniger lesenswert sind. Ob damit bereits der Höhepunkt des Heftes markiert wurde, weiß ich nicht, weil der Flug von München nach Berlin nicht lang genug war für die ganze WIRED. Die sich anschließende Designstrecke, der eine erst auf den zweiten Blick als Anzeige erkennbare Werbung von BMW folgt, ist jedenfalls etwas, was mich zum zügigen Weiterblättern animiert.

In der Mitte des Heftes, angelangt beim „Dossier“, erklärt uns Thomas Knüwer dann den Unterschied zwischen Geeks, Nerds und Freaks. Sein Hinweis, dass es Geeks wie Johannnes Gutenberg, Carl Benz und Heinz Nixdorf waren, die dieses Land groß gemacht haben, versetzt mich allerdings in Erstaunen. Wenn man dann noch zum Ausdruck bringt, dass Geeks in diesem Land generell wenig Anerkennung und Respekt ernten, dann sind die Beispiele Gutenberg oder Benz bestimmt falsch gewählt.

Irgendwann war der Flug dann zu Ende und ich habe meine Lektüre unterbrochen. Fortsetzung heute oder morgen. Bis zur Heftmitte hält sich meine Begeisterung – vermutlich typisch deutsch – doch arg in Grenzen. Mir ist der erkennbare Grundtenor des Heftes, der deutschen Angst und Skepsis eine von Optimismus geprägte Aufbruchstimmung entgegenzusetzen, ehrlich gesagt suspekt und auch eine Spur zu plakativ.

Vielleicht ändert sich mein Eindruck bis zum Heftende ja noch.

 

posted by Stadler at 12:02  

5.8.11

Bei Kachelmann wird es langsam lächerlich

Der Medienanwalt von Jörg Kachelmann beglückt die Außenwelt auch nach dem Strafprozess mit regelmäßigen Meldungen darüber, gegen wen gerade wieder eine einstweilige Verfügung erwirkt worden ist.

Eine aktuelle Pressemitteilung der Kanzlei Höcker versorgt uns mit der Information, dass man am 02.08.2011 beim Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung erwirkt hätte, die es einer Staatsanwältin verbieten würde, die Erfinderin des Vergewaltigungsvorwurfs – gemeint ist damit die Nebenklägerin des Strafverfahrens- nach dem Freispruch weiterhin als „Opfer“ oder „Geschädigte“ zu bezeichnen.

Hintergrund ist offenbar dieser Artikel aus der FAZ, den die Staatsanwältin Dagmar Freudenberg als Gastautorin verfasst hat. Die einstweilige Verfügung scheint allerdings noch nicht zugestellt zu sein, nachdem der Artikel die beanstandete Aussage bislang weiterhin enthält.

Jetzt kann man sich in juristischer Hinsicht natürlich die Frage stellen, ob das in der Tendenz eher meinungsfeindliche Landgericht Köln hier nicht wieder einmal über das Ziel hinaus geschossen ist, wofür einiges spricht. Darüber hinaus kann man sich auch fragen, ob die Kanzlei Höcker die Nebenklägerin tatsächlich als „Erfinderin des Vergewaltigungsvorwurfs“ bezeichnen darf.

Ich stelle mir aber eher die unjuristische Frage, was Kachelmann mit diesen ganzen nachgeschalteten Unterlassungsverfahren eigentlich bezweckt. Nach der unsäglichen Berichterstattung über den gesamten Strafprozess erscheint speziell der hier beanstandete FAZ-Artikel nicht mehr wirklich der Rede wert. Kachelmann bedient damit allenfalls den Streisand-Effekt.

posted by Stadler at 17:12  

21.6.11

Presseverlage klagen gegen Tagesschau-App

Acht Zeitungsverlage – darunter der Süddeutsche Verlag, Springer und FAZ – haben laut einer Pressemitteilung des BDVZ heute beim Landgerichts Köln Klage gegen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und NDR erhoben. Die Klage ist offenbar auf Unterlassung der textdominanten Berichterstattung in der Tagesschau-App gerichtet. Diesen Anspruch wollen die Verleger auf das Wettbewerbsrecht stützen und argumentieren damit, dass der Rundfunkstaatsvertrag presseähnliche digitale Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender ohne konkreten Bezug zu einer Sendung verbietet.

Den rechtsdogmatischen Anknüpfungspunkt dürften also die §§ 3, 4 Nr. 1 UWG i.V.m. § 11d RStV darstellen. Ob § 11d RStV tatsächlich eine sog. Marktverhaltensegel darstellt, die es den öffentlich-rechtlichen Anstalten verbietet, Telemedien anzubieten, die keinen Bezug zu einer konkreten Sendung haben, kann man bezweifeln.

Unverständlich ist auch, warum sich die Klage gegen die Tagesschau-App richtet. Konsequenterweise müsste die Klage auf das Angebot von“tagesschau.de“ insgesamt abzielen, denn die App bereitet ja nur die Inhalte der Website für Smartphones auf.

Die Fragestellung weist einen starken verfassungsrechtlichen Einschlag auf. Maßgeblich ist letztlich weniger, was im Rundfunkstaatsvertrag steht – wobei das Verbot, das die Verleger dort herauslesen wollen, so deutlich sicherlich nicht normiert ist – sondern, was die öffentlich-rechtlichen Sender im Rahmen der Rundfunkfreiheit dürfen. Insbesondere geht es um die Reichweite der vom Bundesverfassungsgericht in den Rundfunkurteilen postulierten sog. Grundversorgung. Aber selbst nach dem RStV dürften die Ansprüche der Verleger schwierig begründbar sein, nachdem der sog. Drei-Stufen-Test – den man bereits mit guten Gründen für zu weitgehend halten kann – diesen Konflikt ja grundsätzlich auflösen soll.

Dass eine Wettbewerbskammer des Landgerichts Köln diese Fragen zufriedenstellend beantworten kann, darf man bezweifeln. Das Verfahren wird möglicherweise früher oder später vor dem Bundesverfassungsgericht landen.

Update:
Zum Thema „Depublizieren“, hat der AK Zensur kürzlich eine wie ich finde äußerst fundierte Stellungnahme abgegeben. Durch den 12. Rundfunkänderungs-Staatsvertrag sind nämlich die Online-Aktivitäten von ARD und ZDF ohnehin bereits deutlich und in rechtlich durchaus fragwürdiger Weise eingeschränkt worden.  Aber selbst das scheint den Verlegern nicht zu genügen.

posted by Stadler at 12:16  

16.4.11

Cybermobbing und ID-Adressen

Lese gerade in der SZ einen Gastkommentar (Die Opfer des Cybermobbing, Stefan Harnisch, SZ vom 16./17.April 2011, S. 2) eines „Experten für Cybermobbing“. In seinem Beitrag hat es mir vor allen Dingen folgende Passage angetan, in der es um die Möglichkeit der Identifizierung der Täter geht:

„Viele jugendliche Nutzer wissen gar nicht, dass über den sogenannten elektronischen Fingerabdruck auch die Möglichkeit besteht, über den Provider die ID- Adresse des Senders zu identifizieren.“

Ach Deutschland, Du und Deine Spezialexperten. Vielleicht gar ein Talkshow-Kandidat für Will oder Illner? An die SZ geht die Frage, ob man wirklich jeden Unsinn von Leuten drucken muss, die offensichtlich gar nicht wissen, worüber sie reden.

posted by Stadler at 13:58  

15.3.11

Der BGH erläutert das Medienprivileg

Der BGH musste kürzlich erneut über einen Fall entscheiden, in dem der wegen Mordes an dem Schauspieler Walter Sedlmayr verurteilte Kläger verlangt hat, nicht mehr über ihn unter voller Namensnennung zu berichten bzw. entsprechende Meldungen im Internet vorzuhalten (Urteil vom 01.02.2011, Az.: VI ZR 345/09). Der BGH hat auch in diesem Fall die Urteile der Vorinstanzen (Landgericht und OLG Hamburg) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Spannend an der Entscheidung ist meines Erachtens vor allen Dingen, dass sich der BGH ausführlich mit dem sog. Medienprivileg beschäftigt. Wenn Medien über eine bestimmte Person namentlich berichten, kann dies regelmäßig auch als Verarbeitung personenbezogener Daten betrachtet werden, für die es nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) entweder einer Einwilligung des Betroffenen bedarf oder eines gesetzlichen Gestattungstatbestandes.

Hierfür hat der Gesetzgeber in § 57 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) und den Pressegesetzen der Länder – auf Grundlage von  § 41 BDSG – ein Medienprivileg vorgesehen. Zum Hintergrund dieses Medienprivilegs führt der BGH in seiner Entscheidung aus, dass ohne die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der jeweils Betroffenen journalistische Arbeit nicht möglich wäre. Die Medien könnten ihre in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zuerkannten und garantierten Aufgaben ohne ein solches Medienprivileg nicht wahrnehmen.

Den Anwendungsbereich von § 57 Abs. 1 S. 1 RStV erläutert der BGH dann folgendermaßen:

Die Voraussetzungen einer datenschutzrechtlichen Privilegierung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 RStV sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte als Anbieterin von Telemedien hat die den Namen des Klägers enthaltende Meldung ausschließlich zu  eigenen journalistisch-redaktionellen Zwecken in ihren Internetauftritt eingestellt und zum Abruf im Internet bereitgehalten.

Daten werden dann zu journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet, wenn die Zielrichtung  in einer Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis besteht (…). Es muss die Absicht einer Berichterstattung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – worunter auch die Meinungsäußerung fällt (vgl. BVerfGE 60, 53, 63 f.; Herzog in Maunz/Dürig, GG, Art. 5  Abs. 1 Rn. 201 f. (Stand:  Dezember  1989)) – gegeben sein (vgl. Bergmann/Möhrle/Herb, aaO  Rn. 26;  Schmittmann in Schwartmann, aaO, 1. Teil, 6.Abschnitt Rn. 26 ff.). Denn nur die Tätigkeiten, die der Erfüllung der Aufgaben einer funktional verstandenen Presse bzw. des Rundfunks dienen, werden vom Medienprivileg  erfasst (Waldenberger in Spindler/Schuster,  aaO Rn. 137). Dementsprechend  gilt die datenschutzrechtliche Privilegierung beispielsweise nicht für im Rahmen der Personaldatenverarbeitung anfallende oder im  Zusammenhang mit dem Gebühreneinzug, zur Akquisition von Abonnenten oder zur (kommerziellen) Weitergabe an Dritte gespeicherte Daten (vgl. BT-Drucks. 11/4306, S. 55 zu Art. 1 § 37 Abs. 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes;  Bergmann/Möhrle/Herb,  aaO  Rn. 29; Waldenberger  in Spindler/Schuster, aaO Rn. 137;  Schaffland/Wiltfang,  BDSG,  § 41  Rn. 4  (Stand: August  2007)). Demgegenüber sind die Recherche, Redaktion, Veröffentlichung, Dokumentation und Archivierung personenbezogener Daten zu publizistischen Zwecken umfassend geschützt (vgl. Waldenberger in Spindler/Schuster, aaO Rn. 138). Das durch die Presse- und Rundfunkfreiheit verfassungsrechtlich vorgegebene Medienprivileg schützt insbesondere auch die publizistische Verwertung personenbezogener Daten im Rahmen einer in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK fallenden Veröffentlichung (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember  2009  – VI ZR  227/08, aaO Rn. 25  – „Onlinearchiv“ I; vom 9. Februar 2010  – VI ZR  243/08, aaO Rn. 28 – „Onlinearchiv“  II; vom 20. April 2010 – VI ZR 245/08, aaO Rn. 26; EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 – Rs. C-73/07 – Tietosuojavaltuutettu gegen Satakunnan Markkinapörssi Oy – EuGRZ  2009, 23 Rn. 61 f.; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 8. Mai 2008 in der Rechtssache C-73/07  – zitiert nach Juris, Rn. 65 ff., 81 f. zur Richtlinie 95/46/EG).  Von einer Verarbeitung ausschließlich zu eigenen Zwecken ist dann auszugehen, wenn die Daten eigenen Veröffentlichungen des betroffenen Presseunternehmens dienen (vgl. Bergmann/Möhrle/Herb, aaO Rn. 30).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Beklagte hat die den Namen des Klägers enthaltende Meldung ausschließlich zu dem Zweck in ihren Internetauftritt eingestellt und zum Abruf bereitgehalten, damit sie von der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen wird. Sie hat damit unmittelbar ihre verfassungsrechtliche Aufgabe wahrgenommen, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken. Sowohl das Einstellen der beanstandeten Inhalte ins Internet als auch ihr (dauerhaftes) Bereithalten zum Abruf ist Teil des in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK fallenden Publikationsvorgangs.

Die Entscheidung des BGH dürfte auch für Blogs und Internetpublikationen außerhalb des klassischen Medienbetriebs von Bedeutung sein. Denn der BGH orientiert sich an einem funktionalen Pressebegriff und stellt ergänzend klar, dass das Medienprivileg die Recherche, Redaktion, Veröffentlichung, Dokumentation und Archivierung personenbezogener Daten zu publizistischen Zwecken umfassend schützt. Maßgeblich für den Schutz ist also die publizistische Relevanz und nicht die formale Zugehörigkeit zu Presse- oder Rundfunk. Damit sind grundsätzlich Publikationen aller Art geschützt, auch wenn sie nicht von klassischen Medienanbietern stammen, sondern bespielsweise von Bloggern.

Das sog. Medienprivileg ist übrigens in Deutschland nicht umfassend und ausreichend gesetzlich verankert und gehört damit zu den Themen, die im Zuge einer Novellierung der Datenschutzgesetze vom Gesetzgeber in Angriff zu nehmen sind. Denn die Garantie eines Medienprivilegs ist von Verfassungs wegen zwingend geboten.

posted by Stadler at 12:04  

25.2.11

Schneider wird Nachfolger von Ring bei der BLM

Erwartungsgemäß hat der sog. Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien auf seiner gestrigen Sitzung Siegfried Schneider zum Nachfolger von Wolf-Dieter Ring als Präsidenten der BLM gewählt.  Schneider, der bislang nicht gerade als herausragender Medienpolitiker galt, wechselt damit direkt von der bayerischen Staatsregierung an die Spitze der BLM. Voraussichtlich wird Schneider auch der Vorsitz der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zufallen, die u.a. für die Einhaltung des Jugendschutzes im Internet zuständig ist (siehe § 16 JMStV).

Die Entscheidung des Medienrates zeigt sehr deutlich, dass sachliche Kriterien bei der Entscheidung zugunsten Schneiders keine Rolle gespielt haben – andernfalls hätte man der kompetenteren Gegenkandidatin Gabriele Goderbauer-Marchner den Vorzug geben müssen – sondern die Wahl Schneiders allein politisch motiviert ist.

posted by Stadler at 10:54  

11.1.11

Medienaufsicht auf gut bayerisch

Wer glaubt, die Besetzung der Medienaufsicht mit verdienten Parteisoldaten sei ein ungarisches Phänomen, der hat sich nur noch nicht mit dem Streit um die Nachfolge von Wolf-Dieter Ring als Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) beschäftigt. Das Thema fristet in der Berichterstattung ein Nischendasein, obwohl es angesichts der Bedeutung der BLM, bei der derzeit auch die Kommission für Jugendmedienschutz angesiedelt ist, eigentlich ein mediales Top-Thema sein sollte.

Zumal die Empörung der CSU darüber, dass es nunmehr doch eine Gegenkandidatin zu Siegfried Schneider gibt, die noch dazu kompetent sein könnte, das Zeug zu einem politischen Lehrstück – oder doch Leerstück? – hat. Der Bericht der SZ macht deutlich, dass die Besetzung dieses Amtes, das sich eigentlich durch Staatsferne auszeichnen sollte, ausschließlich parteipolitischen Erwägungen folgt. Unabhängige Medienaufsicht Made in Germany.

posted by Stadler at 21:36  
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