Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.9.11

Die deutsche WIRED, eine erste Zwischenbilanz

Gestern am Münchener Flughafen habe ich mir zum ersten Mal in meinem Leben eine Zeitschrift namens GQ – die Don Alphonso in der FAZ als das Zentralorgan der Muckibudenbesitzer bezeichnet hat – gekauft. Das Objekt der Begierde war allerdings die beiliegende deutsche Erstausgabe der WIRED und nicht das Lifestyle-Magazin. Ob man mit diesem Konzept sein Zielpublikum erreicht, sei einmal dahingestellt, aber der Versuchsballon deutsche WIRED sollte offenbar ohne großartig zusätzliche Vertriebskosten auskommen.

Bereits die auf dem Cover angepriesenen Themen „Darknet – Drogen shoppen im Web“ und „Badoo – The Sexual Network“ stimmen mich irgendwie skeptisch. Im Editorial kommt Chefredakteur Thomas Knüwer dann sehr schnell auf die angebliche „German Angst“ zu sprechen, um uns zu erklären, dass dieses Heft Menschen porträtiert, die das anders sehen. Damit hat man eine der großen Plattitüden als zentralen Aufhänger gewählt. Kann das funktionieren? Sympathisch ist jedenfalls, dass Knüwer das Heft dem kürzlich verstorbenen Blogger und Netzaktivisten Joerg-Olaf Schaefers widmet. Ich frage mich, was Olaf zu dem Heft wohl gesagt hätte.

Der gesamte erste Teil (Start) besteht, so wie man es von vielen Zeitschriften kennt, aus kurzen, vermischten, bebilderten Geschichten und Nachrichten die entbehrlich erscheinen.

Der erste wirklich lesenswerte Text folgt auf S. 36 und stammt von Mario Sixtus. Für die Erkenntnis, dass man Sixtus immer lesen kann, braucht man sich andererseits nicht unbedingt das Doppelpack aus GQ und WIRED anzuschaffen.

Seiner Kolumne folgen weitere von Gunter Dueck, Tessa Bücker, Richard Gutjahr und Friedrich von Borries, die allesamt mehr oder weniger lesenswert sind. Ob damit bereits der Höhepunkt des Heftes markiert wurde, weiß ich nicht, weil der Flug von München nach Berlin nicht lang genug war für die ganze WIRED. Die sich anschließende Designstrecke, der eine erst auf den zweiten Blick als Anzeige erkennbare Werbung von BMW folgt, ist jedenfalls etwas, was mich zum zügigen Weiterblättern animiert.

In der Mitte des Heftes, angelangt beim „Dossier“, erklärt uns Thomas Knüwer dann den Unterschied zwischen Geeks, Nerds und Freaks. Sein Hinweis, dass es Geeks wie Johannnes Gutenberg, Carl Benz und Heinz Nixdorf waren, die dieses Land groß gemacht haben, versetzt mich allerdings in Erstaunen. Wenn man dann noch zum Ausdruck bringt, dass Geeks in diesem Land generell wenig Anerkennung und Respekt ernten, dann sind die Beispiele Gutenberg oder Benz bestimmt falsch gewählt.

Irgendwann war der Flug dann zu Ende und ich habe meine Lektüre unterbrochen. Fortsetzung heute oder morgen. Bis zur Heftmitte hält sich meine Begeisterung – vermutlich typisch deutsch – doch arg in Grenzen. Mir ist der erkennbare Grundtenor des Heftes, der deutschen Angst und Skepsis eine von Optimismus geprägte Aufbruchstimmung entgegenzusetzen, ehrlich gesagt suspekt und auch eine Spur zu plakativ.

Vielleicht ändert sich mein Eindruck bis zum Heftende ja noch.

 

posted by Stadler at 12:02  

3 Comments

  1. Sehr viel Schatten, ganz wenig Licht… ich bin enttäuscht, andere auch:

    http://www.severint.net/2011/09/10/10-stimmen-zur-deutschen-wired/

    Comment by severint — 10.09, 2011 @ 12:09

  2. Oh! Danke für die Blumen! *knicks*

    Comment by Mario — 10.09, 2011 @ 13:06

  3. Vielen Dank für´s Testen! Ich hatte die WIRED auch im Auge, jedoch hat mich ebenfalls der nötige Erwerb der GQ gehemmt. ;)

    Comment by Julian — 10.09, 2011 @ 18:16

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