Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.6.15

Forenbetreiber haftet für Beleidigungen der Nutzer. Oder doch nicht?

Eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom heutigen Tag sorgt gerade in den sozialen Medien für eine gewisse Aufregung, nachdem SPON/dpa mit der Schlagzeile „Forenbetreiber haftet für Beleidigungen der Nutzer“ aufwarten und die These aufgestellt haben, dass das Urteil vermutlich weitreichende Folgen für europäische Internetnutzer und Unternehmen haben wird (CASE OF DELFI AS v. ESTONIA, Az.: 64569/09).

Um es kurz zu machen: Davon ist nicht auszugehen. Die heutige Entscheidung der „Grand Chamber“ des EGMR bestätigt lediglich eine frühere Kammer-Entscheidung des Gerichtshofs vom 10.10.2013, über die ich bereits ausführlich gebloggt habe. Meine dortigen Überlegungen treffen auch auf die heutige Entscheidung der großen Kammer zu.

Nachdem die Entscheidung aus dem Herbst 2013 bislang keine nennenswerten Folgen nach sich gezogen hat, wird dies die heutige Entscheidung vermutlich auch nicht tun.

Das grundlegende Missverständnis besteht bereits in der Annahme, der EGMR habe entschieden, dass Forenbetreiber für Beleidigungen durch Nutzer haften würden. Nein, das hat er nicht. Vielmehr hat der Gerichtshof, unter ausdrücklicher Betonung der Umstände des Einzelfalls, entschieden, dass eine Verurteilung eines großen, kommerziellen Portalbetreibers zu einem Schadensersatz von lediglich EUR 320,- wegen Nutzerkommentaren, die schwerwiegende Rechtsverletzungen („Hate Speech“) beinhalten, noch keinen Verstoß gegen Art. 10 der Menschenrechtskonvention darstellt:

Based on the concrete assessment of the above aspects, taking into account the reasoning of the Supreme Court in the present case, in particular the extreme nature of the comments in question, the fact that the comments were posted in reaction to an article published by the applicant company on its professionally managed news portal run on a commercial basis, the insufficiency of the measures taken by the applicant company to remove without delay after publication comments amounting to hate speech and speech inciting violence and to ensure a realistic prospect of the authors of such comments being held liable, and the moderate sanction imposed on the applicant company, the Court finds that the domestic courts’ imposition of liability on the applicant company was based on relevant and sufficient grounds, having regard to the margin of appreciation afforded to the respondent State.

Der EGMR entscheidet also nicht über die Frage der Haftung, sondern nur darüber ob die Annahme einer Haftung durch ein nationales Gericht gegen die EMRK verstößt. Somit können nationale Gerichte künftig auch weiterhin eine solche Haftung auch verneinen.

Man kann das Urteil des EGMR gleichwohl für bedenklich halten, weil der EGMR eine Haftung u.U. auch dann toleriert, wenn der Portalbetreiber noch nicht einmal auf den Verstoß hingewiesen worden ist:

However, in cases such as the present one, where third-party user comments are in the form of hate speech and direct threats to the physical integrity of individuals, as understood in the Court’s case-law (see paragraph 136 above), the Court considers, as stated above (see paragraph 153), that the rights and interests of others and of society as a whole may entitle Contracting States to impose liability on Internet news portals, without contravening Article 10 of the Convention, if they fail to take measures to remove clearly unlawful comments without delay, even without notice from the alleged victim or from third parties.

(Nur) das ist grundsätzlich nach deutschem und EU-Recht anders, was das Ausgangsgericht in Estland aber verkannt hat. Andererseits sind EU-Richtlinien nicht Prüfungsmaßstab des EGMR. Das habe ich hier ausführlich erläutert.

Was die Entscheidung angeht, sollte man die Kirche also im Dorf lassen. Die Entscheidung deutscher Gerichte, die sich an der gefestigten Rechtsprechung des BGH und den Vorgaben von TMG und E-Commerce-Richtlinie orientieren, wird dieses Urteil des EGMR kaum beeinflussen.

posted by Stadler at 18:30  

12.6.15

OLG München: Google haftet für rechtsverletzende Suchergebnisse auf Unterlassung

Das OLG München hat Google per einstweiliger Verfügung verpflichtet, bei Eingabe der Suchkombination Name und Betrugsverdacht einen bestimmten Suchtreffer mit einem Vorschautext, der die Begriffe „Betrugsverdacht“ und „Staatsanwaltschaft ermittelt“ enthält, nicht mehr anzuzeigen und insoweit auch nicht mehr auf die entsprechende Website per Link zu verweisen. (Beschluss vom 27.04.2015, Az.: 18 W 591/15).

Das OLG geht hierbei davon aus, dass Google für unwahre Tatsachenbehauptungen als Störer haftet und zwar sowohl wegen der Snippets, die bei Google direkt anzugezeigt werden, als auch für die über das Suchergebnis vorgenommene Verlinkung.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hätte Google, nachdem es auf die Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, tätig werden müssen und haftet aufgrund der Untätigkeit dann auch auf Unterlassung.

posted by Stadler at 12:30  

23.4.15

Gesetz zur W-LAN-Haftung: Abmahnkanzlei und Rechteinhaber fordern Registrierungspflicht

Das BMWi hat insgesamt 29 schriftliche Stellungnahmen zum Entwurf für ein 2. Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes veröffentlicht. Einige Aspekte der geplanten Neuregelung habe ich hier und hier schon einer kritischen Würdigung unterzogen.

Die Abmahnwanwälte Waldorf Frommer haben eine eigene Stellungnahme eingereicht, in der sie u.a. fordern, dass die Haftungsprivilegierung nur dann eintreten soll, wenn der Anbieter „sämtliche zumutbaren Maßnahmen“ ergriffen hat, um eine Rechtsverletzung zu verhindern. Außerdem fordern Waldorf Frommer eine Registrierungspflicht für Nutzer und eine korrespondierende Auskunftspflicht des Anbieters über die Person des registrierten Nutzers. Die Haltung der Rechtsanwälte Waldorf Frommer ist insoweit verständlich, als das Geschäftsmodell der Kanzlei maßgeblich auf Filesharing-Abmahnungen beruht und  man dieses Geschäftsmodell durch die geplante Neuregelung offenbar gefährdet sieht.

In dasselbe Horm bläst das Forum der Rechteinhaber, das u.a. den Bundesverband Musikindustrie, den Börsenverein des deutschen Buchhandels, die Fußballbundesliga und die SPIO repräsentiert. Auch hier wird die Schaffung einer Registrierungspflicht gefordert. Nach den Vorstellungen der Rechteinhaber soll die Haftungsprivilegierung außerdem entfallen, wenn festgestellt wird, dass über das Netzwerk wiederholt Rechtsverletzungen begangen worden sind. Damit würde es für zahlreiche Netzwerke bereits nach kurzer Zeit keine Haftungserleichterung mehr geben, denn Rechtsverletzungen werden immer wieder passieren.

Die Forderungen der Rechteinhaber zielen ersichtlich darauf ab, jedwede Haftungsprivilegierung auszuhebeln und die geltende Rechtslage zu verschärfen, indem man eine bislang nicht bestehende Registrierungspflicht schafft.

posted by Stadler at 11:00  

9.4.15

Die FAQ des Wirtschaftsministeriums zum geplanten Gesetz zur Haftung des W-LAN-Anbieters

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der die Störerhaftung für Anbieter öffentlicher WLANs regeln und vermeintlich Rechtssicherheit schaffen will, ist gerade in der juristischen Fachwelt auf erhebliche Kritik gestoßen. Das BMWi hat jetzt 20 FAQ veröffentlicht, die für etwas mehr Klarheit sorgen sollen. Das gelingt den Fragen und Antworten des Ministeriums allerdings nicht.

In der Antwort 1 wird ausgeführt, dass die Anbieter den Namen des Nutzers nicht protokollieren, registrieren oder anderweitig erfassen müssen. Private WLAN-Anbieter müssen allerdings im Zeitpunkt der WLAN-Überlassung den Namen des Nutzers kennen. In der Antwort 3 heißt es dann, dass der Anbieter seinen Router verschlüsseln muss, wie dies vom Hersteller vorgesehen ist und sich vom Nutzer zusichern lassen muss, dass dieser keine Rechtsverletzungen über den WLAN-Anschluss begehen wird.

Wie diese drei Anforderungen unter einen Hut zu bringen sind, erklärt das Ministerium allerdings nicht. Wenn der Anbieter von dem Nutzer keine Registrierung verlangen muss, kann er demzufolge (weiterhin) eine anonyme Nutzung zulassen. Der anonyme Nutzer muss allerdings versichern, dass er keine Rechtsverletzung begehen wird. An dieser Stelle muss die Frage gestattet sein, wie um alles in der Welt eine vorformulierte Erklärung eines anonymen Nutzers die Gefahr von Rechtsverletzungen eindämmen soll. Das ist in etwa so, wie wenn der anonyme Besucher einer Pornoseite bestätigt, dass er volljährig ist. Dieser Klick schafft keinen Jugendschutz. Ebensowenig wie der Klick eines anonymen Nutzers geeignet ist, Rechtsverletzungen zu verhindern.

Hinzu kommt dann noch das Erfordernis einer Verschlüsselung, das vom BMWi wie folgt begründet wird:

Die Verschlüsselung dient vor allem dem Interesse des WLAN-Betreibers selbst. Sie verhindert, dass Unbefugte über seinen Internet-Zugang surfen und auf seine Dateien zugreifen können.

Das ist nun allerdings komplett unzutreffend, gerade vor dem Hintergrund, dass ja kein Registrierungszwang bestehen soll. Die Verschlüsselung ist vielfach schlicht nicht im Interesse des W-LAN-Betreibers. Wer ein öffentliches (kostenloses) W-LAN anbietet, hat nämlich ein Interesse daran, dass die Nutzer möglichst einfach und unkompliziert ins Internet kommen. Und gerade das wird durch eine Verschlüsselung erschwert.

Wer sein Netz für jedermann öffnet, der muss kein unbefugtes Surfen verhindern, denn ein solches gibt es dann ja gar nicht. Mir ist auch nicht klar, wie eine Verschlüsselung Rechtsverletzungen verhindern soll, wenn es gleichzeitg keine Registrierungspflicht gibt. Die Gefahr von Rechtsverletzungen kann man prinzipiell eindämmen, indem man vom Nutzer verlangt, sich zu authentifizieren und zu registrieren und ein anonymes Login gerade nicht gestattet. Dann hat man es aber mit einem geschlossenen Netz zu tun, das nicht mit der Idee offener und freier W-LANs vereinbar ist.

Und bei dieser Frage ist schließlich noch der Gesetzeswortlaut zu berücksichtigen, der am Ende von den Gerichten ausgelegt wird. Das Gesetz verlangt nämlich vom Anbieter, dass er zumutbare Maßnahmen ergreift, um eine Rechtsverletzung durch den Nutzer zu verhindern. Das was das BMWi in seinen FAQ beschreibt, sind aber insoweit noch nicht einmal geeignete Maßnahmen. Es steht zu befürchten, dass die Gerichte, anders als in den Antworten der Bundesregierung, den Gesetzgeber beim Wort nehmen werden und tatsächlich effektive Maßnahmen fordern, die ohne eine Registrierung und Identifizierung der Nutzer nicht denkbar sind. Diese naheliegende Auslegung lässt sich nur vermeiden, indem man dem Anbieter überhaupt keine Maßnahmen auferlegt.

Drollig ist in diesem Kontext auch die Vorstellung der Bundesregierung (Antwort 14), Einzelhändler in einer Fußgängerzone könnten sich zusammenschließen und den Nutzern ein Netz zur Verfügung zu stellen, das nach dem Vorbild von eduroam aufgebaut ist. An dieser Stelle werden leider die technischen und wirtschaftlichen Realitäten vollkommen verkannt. Einzelhändler, die ihren Kunden einen (kostenlosen) Internetzugang anbieten wollen, haben ein Interesse an einer möglichst billigen und einfachen Lösung. Und gerade das wird durch den Gesetzesentwurf erheblich erschwert.

Reto Mantz hat sich ausführlich mit den FAQ befasst und kritisiert die Haltung des BMWi erwartungsgemäß.

posted by Stadler at 11:21  

8.4.15

Haftung von sozialen Netzwerken und Microbloggingdiensten für Nutzerpostings

Das OLG Dresden hat mit Urteil vom 01.04.2015 (AZ.: 4 U 1296/14) entschieden, dass Anbieter von Mikrobloggingdiensten verpflichtet sind, rechtswidrige Äußerungen von Nutzern zu entfernen und hat gegen den Anbieter einen Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Persönlichkeitsrechts bzw. des Unternehmenspersönlichkeitsrechts bejaht. Das Urteil ist in den Medien z.T. als überraschend bewertet worden, bei Chip.de ist beispielsweise von einem krassen Urteil die Rede.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts haftet der Anbieter nach den Grundsätzen der Störerhaftung. Der Betreiber könne, so das OLG,  verpflichtet werden, zukünftige derartige Verletzungen zu verhindern, wenn der Betroffene ihn auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hinweist. Das OLG Dresden hat die Rechtsprechung des BGH zu Informationsportalen auf diese Konstellation angewendet (vgl. BGH, Urt. v. 27.03.2012 – VI ZR 144/11 und BGH, Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10). Ein Tätigwerden des Hostproviders ist aber nur dann veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst wird, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer, d.h. ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung, bejaht werden kann. Der Anbieter muss nicht von vorneherein eine eigene Prüfung und Abwägung der betroffenen Rechte durchführen. Er muss aber prüfen, ob – die Richtigkeit der Beanstandung unterstellt – möglicherweise fremde Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Dazu soll er dem Nutzer die Gelegenheit geben, zu den Beanstandungen innerhalb angemessener Frist Stellung zu nehmen. Das OLG hat die Revision zum BGH zugelassen.

Die Entscheidung ist auf den ersten Blick nicht sonderlich spektakulär, sondern bestätigt nur die Rechtsprechung der letzten Jahre. Grundsätzlich ist in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH allerdings davon auszugehen, dass den Anbieter zunächst nur eine Löschpflicht trifft. Der Anbieter wird erst dann zum Störer, mit der Konsequenz einer vollen Unterlassungsverpflichtung, wenn er den beandstandeten Inhalt trotz konkreter Kenntnis nicht löscht bzw. sperrt. Das lässt sich u.a. den Entscheidungen des BGH vom 17.08.2011 (Az.: I ZR 57/09) und vom 30.06.2009 (Az.: VI ZR 210/08) entnehmen und ist auch vom OLG Stuttgart so entschieden worden. In dem Fall den das OLG Dresden zu entscheiden hatte, hatte der Anbieter aber vermutlich nicht gelöscht und wurde deshalb zur Unterlassung verurteilt. Nachdem bislang aber nur die Pressemitteilung vorliegt, muss insoweit das vollständige Urteil abgewartet werden.

posted by Stadler at 15:24  

24.3.15

Unterlassungspflicht beinhaltet auch Pflicht zur Löschung aus dem Google-Cache

Nach einer neuen Entscheidung des OLG Celle (Urteil vom 29.01.2015, Az.: 13 U 58/14) muss der Schuldner einer Unterlassungsverpflichtung durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass die durch die Unterlassungserklärung betroffenen Inhalte seiner Webseite nicht mehr im Internet aufgerufen werden können. Dazu gehört es auch, wenigstens bei Google als gängigste Suchmaschine zu überprüfen, ob diese Inhalte noch über die Trefferliste der Suchmaschine aufgerufen werden können. In diesem Fall muss der Schuldner gegenüber Google einen Antrag auf Löschung im Google-Cache bzw. auf Entfernung der von der Webseite bereits gelöschten Inhalte stellen.

Nach Ansicht des OLG Celle begründet die Aufrufbarkeit der beanstandeten Inhalte über den Google-Cache einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung. In den Urteilsgründen heißt es dazu:

Der Schuldner eines Unterlassungsgebots hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die durch die Unterlassungserklärung betroffenen Inhalte seiner Webseite nicht mehr im Internet aufgerufen werden können, weder über die Webseite direkt noch über eine Internetsuchmaschine (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. September 2012 – 6 U 58/11, juris Rn. 22 ff.; KG Berlin, Urteil vom 27. November 2009 – 9 U 27/09, juris Rn. 29 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 5. Mai 2000 – 6 W 61/99, juris Rn. 4; in Bezug auf den Provider: Köhler in Köhler/Bornkamm, a. a. O, § 12 Rn. 6.7). Dazu gehört es, nicht nur die betroffenen Inhalte durch Änderung oder Löschung der Webseite zu entfernen, sondern auch die Abrufbarkeit wenigstens über Google als die am häufigsten genutzte Suchmaschine im Internet auszuschließen (so auch KG Berlin, Urteil vom 27. November 2009, a. a. O., juris Rn. 31). Dem Schuldner obliegt es dabei, zu überprüfen, ob die auf der Webseite entfernten Inhalte bzw. die gelöschten Webseiten noch über die Trefferliste dieser Suchmaschine aufgerufen werden können. In diesem Fall muss der Schuldner gegenüber Google den Antrag auf Löschung im Google-Cache bzw. auf Entfernung der von der Webseite bereits gelöschten Inhalte stellen.

Soweit teilweise darauf abgestellt wird, dass mangels entgegenstehender Anhaltpunkte der Schuldner nicht (sämtliche oder wenigstens die wichtigsten) Suchmaschinen daraufhin überprüfen (lassen) muss, ob dort noch die alte Seite gespeichert ist, sondern sich darauf verlassen kann, dass diese laufend ihren Datenbestand aktualisieren (OLG Köln, Beschluss vom 25. April 2007 – 6 W 40/07, juris Rn. 9; Brüning in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, a. a. O., Vorb. zu § 12 Rn. 308; Hess in jurisPK-UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 231), stellt dies eine Frage der Zumutbarkeit dar. Der Senat kann dabei dahingestellt bleiben lassen, ob neben Google weitere Suchmaschinen auf die Aufrufbarkeit kontrolliert werden müssen, da der Beklagte hier bereits die Abfrage bei Google unterlassen hat.

posted by Stadler at 09:30  

20.3.15

Betreiber eines Hotelbewertungsportals haftet für Bewertungen durch Nutzer nur eingeschränkt

Der BGH hat mit Urteil vom 19.03.2015 (Az.: I ZR 94/13) entschieden, dass der Betreiber eines Hotelbewertungsportals nicht für die Bewertung eines Nutzers haftet, in der u.a. die Aussage getroffen wurde „Für 37,50 € pro Nacht und Kopf im DZ gabs Bettwanzen„. In der Pressemitteilung des BGH heißt es zur Begründung:

Die beanstandete Nutzerbewertung ist keine eigene „Behauptung“ der Beklagten, weil sie sich diese weder durch die Prüfung der Bewertungen noch durch deren statistische Auswertung inhaltlich zu Eigen gemacht hat. Die Beklagte hat die Behauptung auch nicht „verbreitet“. Die Haftung eines Diensteanbieters im Sinne des § 2 Nr. 1 TMG***, der – wie die Beklagte – eine neutrale Rolle einnimmt, ist nach § 7 Abs. 2, § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG**** eingeschränkt. Er haftet nur dann für die unwahren Tatsachenbehauptungen des Dritten, wenn er spezifische Prüfungspflichten verletzt hat, deren Intensität sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Dazu zählen die Zumutbarkeit der Prüfungspflichten und die Erkennbarkeit der Rechtsverletzung. Hierbei darf einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert. Die Beklagte hat danach keine spezifische Prüfungspflicht verletzt. Eine inhaltliche Vorabprüfung der Nutzerbewertungen ist ihr nicht zumutbar. Eine Haftung auf Unterlassung besteht in einem solchen Fall erst, wenn der Betreiber eines Internetportals Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung erlangt und sie gleichwohl nicht beseitigt. Dieser Pflicht hat die Beklagte genügt und deshalb auch keine wettbewerblichen Verkehrspflichten im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG verletzt. Im Streitfall bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ein hochgradig gefährliches Geschäftsmodell betreibt, das besondere Prüfungspflichten auslöst.

Sofern die Pressemitteilung nicht missverständlich formuliert ist, hätte der BGH damit auch erstmals die Vorschrift des § 10 TMG auf Unterlassungsansprüche angewendet, was die bisherige Rechtsprechung des I. Zivilsenats immer abgelehnt hatte. Dieser Aspekt wäre dann u.a. auch für die aktuelle Diskussion um die Störerhaftung von WLAN-Betreibern von Bedeutung. In der von der Bundesregierung geplanten gesetzlichen Neuregelung wird der Regelungsbedarf u.a. damit begründet, dass die Rechtsprechung des BGH davon ausgeht, die Haftungsprivilegierungen des TMG würden nicht für Unterlassungsansprüche gelten. Das könnte durch diese neue Entscheidung hinfällig geworden sein. Der Volltext liegt bislang allerdings noch nicht vor, weshalb abzuwarten bleibt, was genau in den Urteilsgründen dazu steht.

posted by Stadler at 09:00  

23.12.14

LG Hamburg: Google haftet für den Inhalt von Suchmaschinen-Snippets

Nach einem neuen Urteil des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 07.11.2014, Az.: 324 O 660/12) soll Google für den Inhalt des zusammen mit den Suchtreffern angezeigten kurzen Textausschnitts aus der gefundenen Website auf Unterlassung haften.

Das Landgericht Hamburg stützt sich hierbei u.a. auf das Google-Urteil des EuGH und die Rechtsprechung des BGH zu Prüfpflichten von Host-Providern. Bei der Bestimmung des Umfangs dieser Prüfpflichten ist das Landgericht nach eigener Aussage zu Gunsten von Google nicht von einem Vorrang der geschützten Rechte des Klägers ausgegangen – anders als der EuGH – kommt aber bei der Abwägung der betroffenen Interessen dennoch zu dem Ergebnis, dass Google seinen möglichen und zumutbaren Prüfpflichten nicht genügt hat.

Das Landgericht Hamburg misst dem Umstand, dass Google auf eine rechtswidrige Berichterstattung verlinkt bzw. einen rechtswidrigen Inhalt im Rahmen der Snippets verbreitet, ein erhebliches Gewicht bei und betont hierbei gleichzeitig, dass der EuGH Google sogar für verpflichtet gehalten hat, nicht mehr auf rechtmäßige Inhalte zu verweisen.

Auch wenn sich das Landgericht vermeintlich großzügiger zeigt als der EuGH, ist dieses Urteil ein weiterer Beleg dafür, dass der EuGH die Suchmaschinenhaftung erheblich verschärft hat und von einem weitgehenden Privileg des Suchmaschinenbetreibers, für das Teile der Literatur und der früheren Rechtsprechung votierten, nichts mehr übrig geblieben ist.

Wenn man dieser Linie folgt, dann geht die Haftung von Google noch über die des Host-Providers hinaus. Man wird abwarten müssen, wie sich das langfristig auf den Informationszugang und die Informationsfreiheit auswirken wird. Denn man wird es Google kaum verübeln können, dass auf Beanstandungen hin im Zweifel Suchtreffer entfernt werden, weil sich das Unternehmen andernfalls einem permanenten Haftungsrisiko aussetzt. Diese Mechanismen werden auf die Dauer freilich zu einer erheblichen Bereinigung und damit Verfälschung von Suchmaschinenergebnissen führen.

posted by Stadler at 12:25  

14.11.14

Bundestag diskutiert Ausschluss der Störerhaftung für öffentliche Funknetze

Grüne und Linke haben den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes – Störerhaftung“ in den Bundestag eingebracht, über den heute debattiert wird. Es handelt sich um einen Gesetzesvorschlag, den die Linkspartei schon vor einiger Zeit eingebracht hatte und den ich hier bereits kritisch besprochen habe. Mir erscheint die Formulierung nach wie vor nicht sonderlich glücklich. Sollte der Vorschlag Gesetz werden – wovon nach den aktuellen Mehrheitsverhältnissen im Parlament ohnehin nicht auszugehen ist – würde sich die Frage stellen, ob die Formulierung „öffentliche Funknetze“ auch den Privaten erfasst, der sein heimisches Netz offen hält, um auch anderen die Nutzung zu ermöglichen.

Rechtssicherheit würde die Regelung aber für diejenigen öffentlichen Netze bieten, die immer mehr Kommunen derzeit auf- und ausbauen.

posted by Stadler at 08:56  

29.10.14

Wann macht sich ein Hoster strafbar?

Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 25.8.2014 (Az.: 4 Ws 71/14) klargestellt, dass die Haftungsprivilegien der §§ 8 – 10 TMG auch für die Frage einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Hostproviders für von ihm gehostete Inhalte gelten.

Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte einen Hostprovider, der dem rechten Spektrum zugeordnet wurde, wegen Beihilfe zu verschiedenen Straftaten angeklagt. Die Staatsanwaltschaft ist davon ausgegangen, dass der Hoster billigend in Kauf genommen habe, dass seine Kunden strafbare Inhalte auf den vom Angeschuldigten betriebenen Server einstellen. Eine konkrete Kenntnis war dem Hoster aber nicht nachweisbar.

Hierzu hat das Kammergericht entschieden, dass ein bedingter Vorsatz (dolus eventualis), für den es ausreichend ist, dass etwas ernsthaft für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird, für eine Strafbarkeit eines Host-Providers nicht genügt. Wegen der Wertung des § 10 TMG müsse dem Hoster vielmehr positive Kenntnis der konkreten strafbaren Inhalte nachgewiesen werden, also direkter Vorsatz (dolus directus 2. Grades). Nur in diesem Fall entfällt das Haftungsprivileg des § 10 TMG. Das Gericht erläutert zudem ausführlich, dass und weshalb die Privilegierungstatbestände des TMG auch für das Strafrecht uneingeschränkt gelten.

posted by Stadler at 11:00  
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