Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

31.5.16

Neue Mogelpackung zur W-LAN-Störerhaftung

Die Fraktionen von Union und SPD haben sich im Streit um die Frage der Haftung von W-LAN-Anbietern darauf verständigt, in § 8 des Telemediengesetzes (nur) einen Absatz 3 einzufügen und einen entsprechenden Änderungsantrag in den Bundestag eingebracht, der wie folgt lautet:

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.

Die Bundesregierung hatte zunächst einen Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes vorgelegt, der folgende Regelung vorsah:

(3)  Die Absätze  1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.

(4)Diensteanbieter nach Absatz 3 können wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers nicht auf Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn sie zumutbare Maßnahmen ergriffen haben, um eine Rechtsverletzung durch Nutzer zu verhindern. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Diensteanbieter

1. angemessene Sicherungsmaßnahmengegen den unberechtigten Zugriff auf das drahtlose lokale Netzwerk ergriffen hat und

2. Zugang zum Internet nur dem Nutzer gewährt, der erklärt hat, im Rahmen der Nutzung keine Rechtsverletzungen zu begehen.

Das heißt, der geplante Absatz 4, der die Haftungsprivilegierung auch auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche erweitern sollte, ist wieder gestrichen worden.

Das bedeutet dann aber auch, dass der Entwurf, über den die Abgeordneten jetzt abstimmen, hinter dem ursprünglichen Entwurf zurückbleibt und letztlich keinen Regelungsgehalt mehr aufweist. Denn, dass die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG grundsätzlich auch für Anbieter gilt, die den Zugang über ein W-LAN anbieten, ist schon nach geltendem Recht so, die Ergänzung hat nur klarstellenden Charakter.

Das eigentliche Ziel, Rechtssicherheit für Betreiber öffentlicher W-LANs zu schaffen, wird auf diesem Weg aber nicht erreicht. Denn nach der Rechtsprechung des BGH gilt die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG gerade nicht für Unterlassungsansprüche. Das sollte durch Absatz 4 geändert werden. Die im Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD genannte Begründung für die Streichung des geplanten Absatz 4 ist übrigens fragwürdig. Man hätte Abs. 4 nämlich einfach dahingehend fassen können, dass Diensteanbieter nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können und nur die geplanten Handlungspflichten für Diensteanbieter streichen müssen. Das hätte die zweifelhafte Rechtsprechung des BGH korrigiert und wäre gleichzeitig wegen der fortbestehenden Regelung des § 7 Abs. 2 S. 2 TMG dennoch mit Unionsrecht vereinbar gewesen.

Nachdem die große Koalition also nicht mehr als eine Mogelpackung anbietet, gilt es abzuwarten, ob der EuGH die Weichen deutlich anders stellt. Der Eindruck, der Gesetzgeber würde seine originären Aufgaben nicht mehr wahrnehmen, wird hier einmal mehr bestätigt.

Update vom 1.6.2016:
Weil ich nun häufiger mit der These konfrontiert wurde, die Streichung des ursprünglich geplanten Absatz 4 sei nur deshalb erfolgt, weil nach der Rechtsprechung des EuGH und unionsrechtlichen Vorgaben, Sperrungsanordnungen gegen Access-Provider möglich bleiben müssten und der Ausschluss von Unterlassungsansprüchen auch solche Sperrmaßnahmen umfassen würde, hierzu noch ein paar ergänzende Anmerkungen. Ich halte bereits die Gleichsetzung des (deutschen) Unterlassungsanspruchs mit evtl. Sperrmaßnahmen die einem Diensteanbieter auferlegt werden, für problematisch. Letzteres ist nämlich nach meinem Verständnis keine Unterlassung. Um diesen Bedenken zu begegnen, hätte man Abs. 4 allerdings einfach folgendermaßen formulieren können:

Diensteanbieter können wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Die gerichtliche Anordnung von Maßnahmen im Sinne von § 7 Abs. 2 S. 2 TMG bleibt unberührt.

Damit ist klargestellt, dass Unterlassungsansprüche auch von § 8 TMG erfasst werden und (in engen Grenzen) dennoch Sperrungsanordnungen gegenüber Access-Providern in Betracht kommen. Das war aber politisch offenbar nicht gewollt. Dass man nunmehr einiges in die Gesetzesbegründung geschrieben hat, ohne, dass dies Anklang im Gesetz findet, ist nicht ausreichend und stellt keinen Ersatz für die fehlende gesetzliche Regelung dar. Der für urheberrechtliche Fragen zuständige I. Zivilsenat des BGH hat nämlich vor nicht allzu langer Zeit schon deutlich gemacht, dass Ausführungen in der Begründung eines Gesetzesentwurfs für die Auslegung unbeachtlich sind, wenn sie im Gesetz keinen hinreichenden Niederschlag gefunden haben.

Update vom 2.6.2015:
Nachdem es gerade wieder aus allen Nachrichtenkanälen (SPON, ZDF) tönt, der Bundestag hätte die Störerhaftung abgeschafft, auch hierzu noch eine kurze Anmerkung. Das Gegenteil ist richtig. Das jetzt beschlossene Gesetz lässt die Störerhaftung unangetastet. Denn nach der Rechtsprechung des BGH gilt § 8 TMG nicht für Unterlassungsansprüche, diese richten sich vielmehr nach dem Institut der Störerhaftung. Mit der heute vom Bundestag beschlossenen Regelung lehnt es der Gesetzgeber gerade ab, diese Rechtsprechung zu korrigieren. Wenn sich in nächster Zeit hier noch etwas tut, dann aufgrund einer anstehenden Entscheidung des EuGH.

posted by Stadler at 17:31  

8.4.16

Generalanwalt beim EuGH: Setzen eines Links begründet keine Urheberrechtsverletzung

Der Generalanwalt beim EuGH hat in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C – 160/15 die Auffassung vertreten, dass ein bloßer, auch gezielter Hyperlink auf eine Website, auf der Fotos urheberrechtswidrig eingestellt worden sind, selbst keine Urheberrechtsverletzung darstellt. Zur Begründung heißt es beim Generalanwalt u.a.:

Durch die entsprechenden Hyperlinks werden die geschützten Werke, sofern sie bereits auf einer anderen Website frei zugänglich sind, aber nicht der Öffentlichkeit „zugänglich gemacht“, auch nicht wenn es sich um direkte Hyperlinks handelt. Mit den Hyperlinks wird lediglich die Entdeckung der geschützten Werke erleichtert. Die eigentliche „Zugänglichmachung“ ist durch diem ursprüngliche Wiedergabe erfolgt.

Das ist bislang in der Tendenz auch in der Rechtsprechung des EuGH und des BGH ähnlich gesehen worden, wobei der EuGH darauf abstellt, ob eine Wiedergabe gegenüber einem neuen Publikum erfolgt. Wenn also Inhalte auf einer „normalen“ Website eingestellt sind, die grundsätzlich auch über Suchmaschinen aufgefunden werden können, wird man demnach kaum von einer neuen öffentlichen Zugänglichmachung sprechen können. Spannender sind die Fälle, in denen Linklisten mit Direktlinks auf Filehoster ins Netz gestellt werden, wenn man annimmt, dass man diese Direktlinks sonst faktisch nicht recherchieren hätte können. In diesen Fällen kann man die Frage des neuen Publikums sicherlich diskutieren.

posted by Stadler at 10:29  

8.4.16

Haftung des Betreibers eines Onlineshops für urheberrechtsverletzende DVDs

Der Betreiber eines Verkaufsportals bzw. Onlineshops, der Waren in eigenem Namen und auf eigene Rechnung verkauft, ist auch dann als Täter einer Urheberrechtsverletzung anzusehen, wenn die urheberrechtsverletzenden Produkte – hier: eine DVD des Musikers Al Di Meola – von zuliefernden Drittfirmen selbständig eingestellt werden. Das hat der BGH in einem gerade im Volltext veröffentlichten Urteil entschieden (Urteil vom 05.11.2016, Az.: I ZR 88/13).  Der BGH führt zur Begründung u.a. aus:

Anders als bei einer Internetplattform, auf der Dritten die Möglichkeit zur Abgabe eigener Angebote eröffnet wird und der Betreiber des Internetmarktplatzes nicht als Verkäufer auftritt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 I ZR 139/08, GRUR 2011, 152 Rn. 31 = WRP 2011, 223 Kinderhochstühle im Internet I), gibt die Beklagte eigene Angebote ab. Für diese Angebote ist sie auch dann verantwortlich, wenn sie sich bei der Angebotserstellung Dritter bedient und den Inhalt der Angebote nicht zur Kenntnis nimmt und keiner Kontrolle unterzieht (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 I ZR 51/08, GRUR 2010, 835 Rn. 46 = WRP 2010, 1165 POWER BALL).

Der BGH differenziert also zwischen Internetmarktplätzen wie eBay, die den Händlern nur die Plattform zur Verfügung stellen und solchen Angeboten, bei denen der Plattformbetreiber selbst der Händler ist.

Die Qualifizierung als Täter der Urheberrechtsverletzung führt im konkreten Fall dazu, dass der Plattformbetreiber unabhängig von der Frage des Verschuldens verpflichtet ist, die Abmahnkosten zu erstatten und sich auch nicht auf die Privilegierung des § 10 TMG berufen kann, weil es sich bei den angebotenen Produkten um eigene Inhalte im Sinne von § 7 Abs. 1 TMG handelt.

posted by Stadler at 09:19  

6.1.16

BGH zur Haftung für Hyperlinks

Der Bundesgerichtshof hat sich in einer heute im Volltext veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 18.06.2015, Az.: I ZR 74/14) mit der Frage befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen derjenige der einen Hyperlink setzt, für die verlinkten fremden Inhalte haften kann, wenn das verlinkte Angebot Rechtsverletzungen enthält.

Ausgangspunkt war ein wettbewerbsrechtlicher Sachverhalt. Der BGH vertritt zunächst die Auffassung, dass die E-Commerce-Richtlinie und das TMG die Frage der Haftung für Hyperlinks nicht regelt, weshalb diese Frage nach allgemeinen Grundsätzen zu beantworten sei. Im Ergebnis greift der BGH einmal mehr maßgeblich auf die von ihm entwickelten Grundsätze der Störerhaftung zurück.

Eingangs stellt der BGH dar, dass das Setzen eines Hyperlinks als geschäftliche Handlung im Sinne des UWG zu qualifizieren ist, was allerdings nicht ohne weiteres zu einer wettbewerbsrechtlichen Haftung des Linksetzenden führt.

Anschließend führt der BGH aus, dass eine Haftung des Linksetzenden wie für eigene Inhalte gegeben ist, wenn man sich die fremden Inhalte zu eigen macht. Hierzu verweist der BGH auf seine bisherige Rechtsprechung:

Maßgeblich für die Frage, ob sich der Unternehmer mit seinem eigenen Internetauftritt verlinkte Inhalte zu Eigen macht, ist die objektive Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2009 – I ZR 166/07, GRUR 2010, 616 Rn. 23 = WRP 2010, 922 – marions-kochbuch.de).

Etwas irritierend sind dann allerdings die weiteren Ausführungen des BGH zur Frage des Zueigenmachens:

Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang maßgebliche Bedeutung dem Umstand beigemessen, dass es sich bei dem vom Beklagten gesetzten elektronischen Verweis nicht um einen sogenannten Deeplink handelt, der direkt zu allen oder einzelnen der vom Kläger beanstandeten Aussagen führt, sondern lediglich um einen Link zu der als solcher unbedenklichen Startseite des als Forschungsverband bezeichneten Vereins Implantat-Akupunktur e.V. (vgl. Ott, WRP 2006, 691, 696). Die beanstandeten Inhalte werden dem Internetnutzer also nicht schon durch einfaches Klicken auf den vom Beklagten bereitgestellten Link zugänglich, sondern erst durch weiteres unabhängiges und vom Beklagten nicht gelenktes Navigieren innerhalb des Internetauftritts “ .de“.

Wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, entspricht der Link im Streitfall somit einem Hinweis auf weiterführende Literatur am Ende eines Aufsatzes oder Beitrags, über den sich der interessierte Internetnutzer zusätzli-che Informationsquellen zu einem bestimmten Thema selbständig erschließen kann. Das Berufungsgericht hat es unter diesen Umständen zu Recht als fernliegend angesehen, dass der angesprochene Verkehr den Link dahingehend verstehen könnte, der Beklagte wolle damit die inhaltliche Verantwortung für alle Inhalte übernehmen, die über die Internetseite “ .de“ erreichbar sind. Vielmehr wird der durchschnittlich informierte und verständige, situationsadäquat aufmerksame Internetnutzer den Link als vom Beklagten bereitgestellte Möglichkeit verstehen, sich bei entsprechendem Interesse anhand von Informationen, die durch vom Beklagten unabhängige Dritte bereitgestellt werden, weitergehend über das Thema Implantat-Akupunktur zu informieren.

An dieser Stelle wäre es naheliegend gewesen, die Frage zu erörtern, ob ein Link auf eine Startseite, der gerade nicht direkt zu den beanstandeten rechtswidrigen Inhalten führt, unter dem Aspekt der Kausalität oder der objektiven Zurechnung überhaupt eine Rechtsverletzung des Linksetzers begründen kann. Stattdessen wertet der BGH einen solchen Link als Indiz dafür, dass sich der Linksetzer die beanstandeten, aber gar nicht direkt verlinkten Inhalte, nicht zu eigen machen wollte. Man kann daraus freilich andererseits nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass bei einem Deeplink ein Zueigenmachen regelmäßig naheliegt. Insofern erscheinen die Ausführungen des BGH aber eher unglücklich und missverständlich.

Der BGH führt dann weiter aus, dass auch ohne ein Zueigenmachen grundsätzlich eine Haftung des Linksetzers unter dem Aspekt der Störerhaftung in Betracht kommt. Auch diese Prämisse kann man in Zweifel ziehen. Vor dem Hintergrund der wesentlichen Bedeutung des Hyperlinks für die Funktionsfähigkeit des Web wäre es erforderlich, eine Haftung desjenigen der Links setzt auf täterschaftliches Handeln zu beschränken und das Konstrukt der Störerhaftung zu beerdigen. Diese Möglichkeit deutet der BGH aber noch nicht einmal an. Vielmehr geht der BGH davon aus, dass derjenige, der den Link setzt, für erkennbar rechtswidrige Inhalte uneingeschränkt als Störer haftet. Ist ein rechtsverletzender Inhalt der verlinkten Seite nicht deutlich erkennbar, haftet derjenige, der den Link setzt, grundsätzlich erst, wenn er von der Rechtswidrigkeit der Inhalte selbst oder durch Dritte Kenntnis erlangt. Ab diesem Zeitpunkt – und das ist der eigentlich kritische Aspekt dieser Entscheidung – ist der Setzer des Links zur Prüfung verpflichtet und kann sich nicht darauf berufen, dass es sich nicht um eine klare Rechtsverletzung handelt, die für ihn nur schwer erkennbar war.

Damit führt der BGH letztlich ein Notice-And-Take-Down-Verfahren für Hyperlinks ein. Sobald man darauf hingewiesen wird, dass man evtl. auf rechtsverletzende Inhalte verlinkt, muss man den Link im Zweifel entfernen, wenn man der Gefahr einer Haftung entgehen will. Der Einwand, dass die Rechtsverletzung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nur schwer erkennbar war, ist dem Setzer des Links nach diesem Urteil des BGH jedenfalls abgeschnitten.

Die Entscheidung berücksichtigt die essentielle Bedeutung des Hyperlinks für das Funktionieren des WWW nicht in ausreichendem Maße und wird künftig wohl dazu führen, dass Links (wieder) häufiger beanstandet und rechtlich bekämpft werden. Im Lichte der Informations- und Meinungsfreiheit ist die Entscheidung deshalb alles andere als erfreulich.

posted by Stadler at 13:44  

19.10.15

Ermittlungsverfahren gegen Facebook-Manager wegen Hasspostings

Wie die Tagesschau berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Hamburg ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen drei Manager von Facebook Deutschland wegen Hasspostings auf Facebook eingeleitet, die von den Verantwortlichen des sozialen Netzwerks nicht oder spät gelöscht worden sind. Zum Streitthema Hasspostings bei Facebook hatte ich vor ein paar Wochen bereits gebloggt.

Können sich Mitarbeiter von Facebook aber überhaupt nach deutschem Recht strafbar machen, wenn sie Hasspostings die aus Deutschland stammen, nicht entfernen? Auch wenn es viele überraschen wird, aber die Antwort lautet ja.

Die Anwendbarkeit des Strafgesetzbuches ist jedenfalls dann unproblematisch, wenn der maßgebliche Inhalt von Deutschland aus eingestellt wurde. Nachdem sich Hasspostings im Zusammenhang mit der deutschen Diskussion um die Flüchtlings- und Asylthematik aber auch gegen inländische Rechtsgüter richten, werden die Gerichte derartige Verfahren jedenfalls nicht an der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts scheitern lassen.

Wenn man davon ausgeht, dass es sich um ein Posting handelt, das inhaltlich den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) erfüllt, dann wird dieser Inhalt via Facebook im strafrechtlichen Sinne verbreitet bzw. öffentlich zugänglich gemacht. Sobald ein Facebookmitarbeiter, der die Möglichkeit hat, das Posting zu entfernen oder die Entfernung zu veranlassen, Kenntnis davon erlangt, ist auch der notwendige Vorsatz gegeben.

Die Privilegierung des § 10 TMG schützt Facebook und seine Mitarbeiter nur bis zum Zeitpunkt der Kenntnis von einem konkreten rechtswidrigen Inhalt. Von diesem Zeitpunkt an, muss unverzüglich gehandelt werden, ansonsten geht die Privilegierung des TMG verloren. Wenn also nachweisbar ist, dass ein Verantwortlicher von Facebook konkrete Kenntnis von strafbaren, volksverhetzenden Inhalten erlangt hat, dann macht er sich selbst strafbar, wenn er nicht unverzüglich tätig wird und Maßnahmen zur Entfernung ergreift.

Bei den Managern von Facebook Deutschland wird sich allerdings die Frage stellen, ob sie von den konkreten Inhalten, die Gegenstand des Strafverfahrens sind, Kenntnis erlangt haben und ob sie in der Position sind, diese Inhalte zu entfernen bzw. entfernen zu lassen.

Eine Strafbarkeit von Facebookmitarbeitern kommt in diesen Fällen grundsätzlich aber in Betracht.

posted by Stadler at 15:56  

22.9.15

Will die EU-Kommission die Haftung von Portalbetreibern und Intermediären verschärfen?

Die Kommission wird eine öffentliche Konsultation zur Frage der Regulierung von Internetplattformen durchführen, wobei die Möglichkeit der Bekämpfung rechtswidriger Inhalte eine zentrale Rolle spielen soll. Der Fragenkatalog der Kommission ist vor einigen Tagen als Leak im Netz aufgetaucht. Speziell die Fragen 23 – 33 deuten darauf hin, dass die Kommission über eine Veränderung und auch Verschärfung des Haftungsregimes aus der E-Commerce-Richtlinie nachdenkt, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass sich neuartige Dienste etabliert haben, die man 2001 überhaupt nicht auf dem Schirm hatte und andererseits zentrale Aspekte wie Suchmaschinen und Hyperlinks schon damals (bewusst) ungeregelt geblieben sind.

Man kann natürlich beispielsweise die Frage stellen, ob ein klassischer Hoster einerseits und Videoplattformen oder soziale Netzwerke andererseits, tatsächlich dieselben Haftungsprivilegien genießen sollten oder ob es hier sinnvoll und notwendig ist, stärker als bislang zu differenzieren.

posted by Stadler at 10:42  

21.9.15

BGH zur Haftung eines Hotelbewertungsportals für Nutzerbewertungen

Ein Hotelier hat den Betreiber eines Hotelbewerungsportals wegen einer negativen Hotelbewertung eines Nutzers auf Unterlassung in Anspruch genommen. Der Hotelbetreiber verlangte die Unterlassung konkreter Tatsachenbehauptungen wie die Matratze bestehe nur aus ca. 4 cm Schaumstoff, die Zimmer beziehungsweise Betten seien mit Bettwanzen befallen gewesen und das Fernsehgerät sei absichtlich schlecht befestigt gewesen, da bei Beschädigung 50 € gezahlt werden müssten.  Auf die Abmahnung des Hoteliers hin, hatte der Portalbetreiber die Negativbewertung vom Netz genommen, allerdings keine Unterlassungserklärung abgegeben. Die Klage des Hoteliers auf Unterlassung wurde abgewiesen, der BGH hat die Klageabweisung nunmehr in der Revisionsinstanz bestätigt (Urteil vom 19.03.2015, Az.: I ZR 94/13).

Der BGH geht davon aus, dass zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht und prüft die Frage der Unterlassung auf Grundlage des UWG. Hierbei geht der BGH davon aus, dass keine Behauptung nach § 4 Nr. 8 UWG vorliegt, weil sich der Betreiber des Hotelbewerungsportals die Aussagen des Nutzers nicht zu eigen macht. Auch liegt nach Ansicht des BGH kein Verbreiten im Sinne von § 4 Nr. 8 UWG vor. Hierbei geht der BGH davon aus, dass Tatsachenbehauptungen mithin erst dann im Sinne des § 4 Nr. 8 UWG über ein Internetportal verbreitet werden, wenn der Betreiber vom Vorliegen einer klaren Rechtsverletzung Kenntnis erlangt und sie gleichwohl nicht beseitigt hat. Hierzu führt der BGH folgendes aus:

Im Falle der Weitergabe von Tatsachenbehauptungen über ein Bewertungsportal im Internet muss der weite Begriff des Verbreitens eingeschränkt werden. Der Betreiber eines Internet-Bewertungsportals könnte einer Verbreitungshaftung ansonsten nur durch eine umfassende inhaltliche Überprüfung der von Nutzern in das Portal eingestellten Beiträge vor deren Veröffentlichung entgehen. Der Annahme einer allgemeinen Prüfungspflicht von Diensteanbietern im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG für die von Nutzern auf ihre Server eingestellten fremden Daten steht jedoch § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG entgegen. Danach sind Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten. Nach dieser Vorschrift, die auf Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr beruht, sind Überwachungspflichten allgemeiner Art ausgeschlossen. Danach ist es dem Betreiber eines Bewertungsportals grundsätzlich nicht zuzumuten, jeden Beitrag vor der Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. (…)

Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen des wettbewerbsrechtlichen Tatbestands des § 4 Nr. 8 UWG, so dass ein Verbreiten von Tatsachenbehauptungen im Sinne dieser Vorschrift im Falle des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals nur angenommen werden kann, wenn spezifische Überwachungspflichten verletzt werden.

Bei Anwendung der vorstehenden Maßstäbe hat die Beklagte die beanstandeten Tatsachenbehauptungen nicht im Sinne des § 4 Nr. 8 UWG verbreitet.

Die Beklagte ist Diensteanbieterin im Sinne der § 2 Nr. 1, § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG. Die von ihr gespeicherten Daten sind keine eigenen Informationen der Beklagten, die sie zur Nutzung durch Dritte bereithält und für die sie gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich ist, sondern vielmehr fremde Informationen im Sinne des § 10 Satz 1 TMG (s.o. Rn. 23).

Die im Hinblick auf § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG einschränkende Auslegung des § 4 Nr. 8 UWG kommt im Falle eines Internet-Bewertungsportals allerdings nur in Betracht, wenn dessen Betreiber sich darauf beschränkt, seinen Dienst mittels rein technischer und automatischer Verarbeitung der von seinen Kunden eingegebenen Daten neutral zu erbringen (vgl. EuGH, Urteil vom 23. März 2010 C236/08 bis C-238/08, Slg. 2010, I-2417 = GRUR 2010, 445 Rn. 114, 120 Google und Google France; EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn. 109 ff. L’Oréal/eBay). Verlässt der Anbieter dagegen seine neutrale Vermittlerposition und spielt er eine aktive Rolle, die ihm eine Kenntnis von bestimmten Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte, kann eine Haftung nach § 4 Nr. 8 UWG gerechtfertigt sein (vgl. zu § 7 Abs. 2 TMG BGHZ 191, 19 Rn. 23 Stiftparfüm).

Die Beklagte hat keine aktive Rolle hinsichtlich der Veröffentlichung der beanstandeten unwahren Tatsachenbehauptungen auf ihrem Portal eingenommen. Dass die Beklagte zur Förderung bestimmter Hotelbetriebe selbst eine Auswahl der veröffentlichten Bewertungen vorgenommen hätte, hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht. Die statistische Auswertung von Bewertungen sowie der Einsatz eines Wortfilters zum Auffinden von rechtsverletzenden Inhalten und die nach Ansprechen des Wortfilters vorgenommene Überprüfung der Beiträge durch Mitarbeiter der Beklagten begründet ebenfalls keine aktive Rolle der Beklagten, weil eine über die Aussonderung gegen die Nutzungsbedingungen verstoßender Beiträge hinausgehende inhaltliche Einflussnahme nicht erfolgt (vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 8.9, § 8 Rn. 2.28; Ohly in Ohly/Sosnitza aaO § 8 Rn. 135a). Durch die bei Ansprechen des automatischen Wortfilters von der Beklagten vorgenommene manuelle Durchsicht von Äußerungen der Nutzer verlässt die Beklagte ihre neutrale Position nicht, weil sie hierdurch keine Kenntnis von der etwaigen Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung erlangt.

Die Beklagte geht wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat als Diensteanbieter einer mit der Rechtsordnung grundsätzlich in Einklang stehenden Geschäftstätigkeit nach. Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt, dass die Beklagte im Hinblick auf die Rechte der betroffenen Tourismusunternehmen eine besondere Gefahrenlage schafft, wenn sie Internetnutzern die Möglichkeit bietet, sich unter einem Pseudonym wertend über diese Unternehmen und ihre Leistungen zu äußern. Zu Recht hat jedoch das Berufungsgericht angenommen, dass auch unter Berücksichtigung dieser Umstände der Beklagten keine Kontrollmaßnahmen auferlegt werden dürfen, die ihr Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdeten oder ihre Tätigkeit unverhältnismäßig erschwerten (vgl. BGHZ 172, 119 Rn. 147 Internetversteigerung II; BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 – I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 39 Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH, GRUR 2011, 617 Rn. 45 Sedo; BGHZ 194, 339 Rn. 28 – Alone in the Dark). Das Interesse der Klägerin am Schutz vor unwahren geschäftsschädigenden Tatsachenbehauptungen könnte nur durch eine vollständige inhaltliche Kontrolle durch Mitarbeiter der Beklagten gewahrt werden, die der Beklagten unzumutbar wäre. Erst, wenn der Betreiber einer Internethandels- oder Bewertungsplattform auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wird, muss er nicht nur das konkrete Angebot oder die konkrete Bewertung unverzüglich sperren, sondern auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derar-tigen Rechtsverletzungen kommt (vgl. BGHZ 191, 19 Rn. 21, 39 Stiftparfüm).

Tatsachenbehauptungen werden mithin erst im Sinne des § 4 Nr. 8 UWG über ein Internetportal verbreitet, wenn der Betreiber vom Vorliegen einer klaren Rechtsverletzung Kenntnis erlangt und sie gleichwohl nicht beseitigt hat. Weil die Beklagte die beanstandete Bewertung, von deren Rechtswidrigkeit sie zuvor keine Kenntnis hatte, nach Eingang der Abmahnung endgültig entfernt hat, liegen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 8 UWG nicht vor.

posted by Stadler at 15:04  

13.9.15

Muss Facebook stärker gegen rassistische Postings vorgehen?

Bundesjustizminister Heiko Maas fordert von Facebook ein stärkeres Vorgehen gegen rassistische Äußerungen. Konkret verlangt Maas, dass Facebook ein Team mit deutschsprachigen Mitarbeitern einstellt, das gezielt gegen Hass-Botschaften vorgeht, die über das soziale Netzwerk verbreitet werden und Ausländer und Flüchtlinge betreffen. Das hat erwartungsgemäß zu kontroversen Diskussionen geführt, im Heise-Newsticker war sogar davon die Rede, Maas würde ein deutschsprachiges Zensurteam von Facebook fordern.

Im Zusammenhang mit amerikanischen Anbietern wie Facebook oder Google wird immer wieder die Frage gestellt, weshalb sie sich überhaupt an deutschen Gesetzen orientieren sollten. Diese Frage ist sowohl in der deutschen wie auch der europäischen Rechtsprechung geklärt. Maßgeblich für die Anwendung von nationalem Recht ist ein hinreichender Inlandsbezug. Wenn also beispielsweise auf Facebook Deutsche, in deutscher Sprache, über ein aktuelles inländisches Thema wie den Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland diskutieren, dann ist der Bewertungsmaßstab der Äußerungen der Nutzer das deutsche Recht.

Sobald Facebook Kenntnis von Äußerungen erhält, die Strafgesetze verletzen, also insbesondere eine Volksverhetzung oder Beleidigung darstellen, ist Facebook zur Löschung verpflichtet. Gleiches gilt auch für ehr-, persönlichkeits- und datenschutzrechtsverletzende Postings.

Nun ist allerdings nicht alles, was man als rassistisch oder hetzerisch betrachten kann, ohne weiteres strafbar. Die Hürden für eine Volksverhetzung im Sinne von § 130 StGB sind vielmehr eher hoch, so dass sie nur in wenigen Fällen überschritten sein werden.

Ein Blick in die Geimschaftsstandards von Facebook macht allerdings deutlich, dass Facebook nach seinen selbstaufgestellten Regeln, die die Nutzer bei der Anmeldung akzeptieren, Hassbotschaften ganz allgemein verbietet. Wer eine Person, wegen ihrer Rasse, ethnischen Zugehörigkeit, wegen ihrer sexuellen Orientierung oder des Geschlechts direkt angreift oder Hass gegen eine solche Personengruppe schürt, wird nach diesen Regeln bei Facebook gelöscht. Die Schwelle der Community-Standards von Facebook ist also deutlich niedriger als die des § 130 StGB bei der Volksverhetzung.

An dieser Stelle muss sich Facebook in der Tat fragen lassen, warum es sich nicht einmal an seine eigenen, selbstgesetzten Regeln hält. Gemessen an den eigenen Standards hätte Facebook in letzter Zeit deutlich mehr löschen müssen. Meine Erfahrung als Anwalt ist die, dass Facebook auch bei klar rechtswidrigen Äußerungen häufig nicht reagiert, während beispielsweise nackte Brüste oder auch (behauptete) Urheber- oder Markenrechtsverletzungen oftmals sehr schnell gelöscht werden.

Den Vorschlag von Heiko Maas, dass Facebook ein deutschsprachiges Team zusammenstellen soll, das rechtswidrige Äußerungen von Nutzern überprüft, kann man meines Erachtens nicht ernsthaft kritisieren. Facebook hat als Betreiber eines sozialen Netzwerks die Vorgaben des Strafrechts und zum Schutz der persönlichen Ehre zu beachten und es darf politisch auch angehalten werden, seine eigenen Standards zu befolgen.

Man muss andererseits natürlich berücksichtigen, dass das übereifrige Löschen von Postings die aus dem rechten Spektrum kommen, auch die Meinungs- und Informationsfreiheit der Nutzer beeinträchtigen kann. Unserem Grundgesetz liegt das Konzept einer streitbaren Demokratie zugrunde und auch Rechtsradikale, Rassisten und Nazis können sich deshalb in ihrem Sinne an der öffentlichen Debatte beteiligen, solange sie keine Straftatbestände erfüllen oder die persönliche Ehre eines Anderen verletzen. Die Löschung von Postings erfordert daher immer eine sorgfältige Abwägung. Dass diese Abwägung zumindest in einem ersten Schritt auf Unternehmen wie Facebook abgewälzt wird, mag man bedauern oder für bedenklich halten, liegt aber in der Natur der Sache. Wer, wenn nicht Facebook selbst, sollte die Durchsetzung von Regeln auf Facebook denn gewährleisten? Die Entscheidungen von Facebook bestimmte Inhalte zu löschen oder nicht zu löschen, unterliegen außerdem der gerichtlichen Kontrolle. Facebook wird derzeit von Deutschland aus nur selten verklagt, weil es vielen Betroffenen zu mühsam oder riskant erscheint, sich mit Facebook auseinanderzusetzen. Wenn sich das ändert, wird Facebook in Zukunft vielleicht auch sorgfältiger prüfen, welche Äußerungen zu beanstanden sind und welche nicht.

Update:
Mein heutiges Interview mit der Radiowelt auf Bayern2 zum Thema kann man hier nachhören.

posted by Stadler at 21:05  

18.8.15

Das OLG Hamburg und das Recht auf Vergessenwerden

Das OLG Hamburg geht in einer neuen Entscheidung (Urteil vom 07.07.2015, 7 U 29/12) davon aus, dass ältere, ursprünglich rechtmäßig in das Internet eingestellte Beiträge in einem Internetarchiv einer Tageszeitung gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen verstoßen können, wenn ein zunächst bestehendes, allgemeines öffentliches Interesse an den berichteten Vorgängen durch Zeitablauf erloschen ist.

Dem Betroffenen steht dann gegen den Betreiber des Internetarchivs ein Anspruch darauf zu, es zu unterlassen, diese Beiträge in der Weise zum Abruf bereitzuhalten, dass sie durch Eingabe des Namens des Betroffenen in Internet-Suchmaschinen von diesen aufgefunden werden.

Der Betroffene kann also nicht die Löschung des Beitrags verlangen, sondern nur, dass der Archivbetreiber dafür sorgt, dass die betreffenden Beiträge nicht mehr von Suchmaschinen indiziert werden. Damit knüpft das OLG Hamburg ersichtlich an die Google-Entscheidung des EuGH an und bejaht damit eine Varainte des vieldiskutierten Recht auf Vergessen(werden).

Die maßgebliche Passage aus den Entscheidungsgründen hierzu lautet wie folgt:

Denn wenn – wenn auch auf datenschutzrechtlicher Basis – schon der Betreiber einer Suchmaschine dazu angehalten werden kann, die Erreichbarkeit von Internetbeiträgen durch bloße Eingabe des Namens der von diesen Beiträgen in erheblicher Weise betroffenen Personen zu unterbinden (EuGH, Urt. v. 13. 5. 2014, GRUR 2014, S. 895 ff.), dann kann es erst recht auch dem Urheber des betreffenden Beitrages – mag er auch das Presseprivileg für sich in Anspruch nehmen können – angesonnen werden, Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass dieser Beitrag zu einer stetig fließenden Quelle von Beeinträchtigungen persönlichkeitsrechtlicher Belange des Betroffenen wird. Dass die Begründung eines Zustandes nicht rechtswidrig gewesen ist, steht seiner Beurteilung als Störung bei seiner Fortdauer nach den allgemeinen Grundsätzen nicht entgegen (s. z.B. BGH, Urt. v. 18. 11. 2014, Az. VI ZR 76/14; std. Rspr seit BGH, Urt. v. 12. 1. 1960, GRUR 1960, S. 500 ff., 502 ff.). Ein Verschulden des Störers setzt der Beseitigungsanspruch nicht voraus.

Für das Entstehen der Verantwortlichkeit des Betreibers des Internetforums für derartige Beiträge gelten nach Ansicht des OLG Hamburg die für die Verantwortlichkeit der Betreiber von Internetforen entwickelten Grundsätze. Das bedeutet, dass der Betreiber erst dann verpflichtet ist zu handeln und Vorkehrungen für die Nichtindexierung durch Google & Co. zu treffen, wenn er vom Betroffenen auf den Verstoß qualifiziert hingewiesen worden ist.

Diese Auffassung erscheint mir wenig konsequent, denn der Grund für eine Privilegierung von Forenbetreibern besteht ja grundsätzlich darin, dass sie für die Inhalte, die Dritte bei Ihnen eingestellt haben, nicht wie für eigene Inhalte, sondern nur abgeschwächt haften sollen. Nachdem es sich vorliegend aber um eigene Inhalte der Tageszeitung handelt, die das Archiv betreibt, erscheint diese Argumentation nicht stimmig.

Fraglich ist außerdem, ob man tatsächlich den Betreiber eines Archivs dazu verpflichten kann, bestimmte Inhalte nicht mehr für Suchmaschinen auffindbar zu machen. Der Erst-Recht-Schluss des OLG von Google auf den Archivbetreiber erscheint mir nicht zwingend. Unabhängig davon, lässt sich natürlich die Frage diskutieren, ob der hier streitige Inhalt nicht doch an seiner Quelle rechtmäßig bleibt und erst durch die Breitenwirkung einer Suchmaschine wie Google im Lichte der EuGH-Rechtsprechung rechtswidrig wird. Wenn dem so ist, dann wird dem Archivbetreiber nämlich aufgegeben, Vorsorge dafür zu treffen, dass ein Rechtsverstoß unterbunden wird, der nicht von ihm, sondern erst von Google bewirkt wird.

Das OLG hat die Revision zugelassen, weshalb sich wohl der BGH mit der Frage beschäftigen wird.

posted by Stadler at 17:28  

9.7.15

Kann man beim Teilen und Verlinken von Videos das Urheberrecht verletzen?

Internetnutzer verweisen in sozialen Netzwerken oder in Blogs laufend auf Videos die auf Plattformen wie YouTube abgelegt sind. Im Blog oder in der Chronik von Facebook wird dann ein Vorschaubild des Videos angezeigt, das den direkten Start der Filmdatei ermöglicht, die technisch allerdings weiterhin über das Videoportal bezogen wird. Ob man mittels dieser Form des Embedded-Links – es wird häufig auch von Framing gesprochen – Urheberrechte verletzten kann, ist seit Jahren ein Streitthema, das nun zum zweiten Mal den BGH beschäftigt, nachdem zwischenzeitlich auch der EuGH zu dieser Frage Stellung genommen hatte.

Der EuGH hat grundsätzlich entschieden, dass diese Form des Verweises regelmäßig keine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Infosoc-Richtlinie darstellt. Die Ausführungen des EuGH könnten aber dahingend verstanden werden, dass dies nur dann gelten soll, wenn das Video an seiner Quelle, also beispielsweise bei YouTube, rechtmäßig eingestellt worden ist. Eine solche Betrachtung würde für Internetnutzer freilich ein Pulverfass darstellen, da niemand letztlich beurteilen kann, ob ein Video bei YouTube oder einer anderen Plattform rechtmäßig ins Netz gestellt worden. Das oftmals schnell von der Hand gehende Teilen eines Videos auf Facebook würde dann immer die Gefahr einer Urheberrechtsverletzung beinhalten.

Mir erscheint die Betrachtung des EuGH auch nicht sonderlich stringent, denn die Frage, ob überhaupt eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vorliegt, kann nicht davon abhängen, ob man diese Handlung als rechtmäßig betrachtet. Die Frage der Rechtmäßigkeit ist nämlich erst eine Folgefrage der Nutzungshandlung. Liegt bereits keine Nutzungshandlung vor, stellt sich die Frage der Rechtmäßigkeit erst gar nicht.

Der BGH (Az.: I ZR 46/12) hat heute über diese Frage verhandelt und scheint sich nach den Prozessberichten des Kollegen Dr. Knies und der Tagesschau noch nicht ganz schlüssig zu sein. Mir erscheint hier auch eine erneute Vorlage an den EuGH nicht ausgeschlossen.

Update:
Der BGH hat heute doch noch durch Urteil in der Sache entschieden und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der BGH hält es in der Tat für entscheidend, ob das Video mit Zustimmung des Rechteinhabers bei YouTube eingestellt war, wozu das OLG München jetzt Feststellungen treffen soll. Es bleibt abzuwarten, ob sich der EuGH in der Zwischenzeit in einem anderen anhängigen Verfahren noch ergänzend zu dieser Frage äußern wird.

posted by Stadler at 16:57  
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