Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

24.5.12

Auch die Urheberrechtskampagne geht weiter

Die derzeit tobende – und das kann man praktisch wörtlich nehmen – Urheberrechtsdiskussion ist um eine Nuance reicher. Der Chefredakteur der bei Gruner & Jahr erscheinenden GEO, Peter-Matthias Gaede, hat eine eigene Erklärung verfasst, in der er die Chefredakeure der Republik offensiv auffordert, sich für das geistige Eigentum einzusetzen.

Dagegen wäre an sich nichts einzuwenden, wenn nicht erneut mit der größtmöglichen Unsachlichkeit argumentiert würde, wofür Begriffe wie „Leichtigkeitslüge“ oder der Vorwurf des Einsatzes denunziatorischer Mittel ein beredtes Beispiel bieten.

Besonders hervorzuheben ist allerdings der Umstand, dass hier gerade diejenigen am lautesten schreien, die ansonsten die Rechte von Autoren am stärksten mit Füßen treten. Und ich meine damit namentlich die Zeitschrift GEO oder auch das Handelsblatt.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die von Leuten wie Gaede ausgehende Agitation gerade auch dem Zweck dient, von dem eigenen unfairen Umgang mit Autoren abzulenken. Wer wie Gaede expressis verbis die ungenügende Bezahlung von Journalisten beklagt und dies im Zusammenhang mit Begriffen wie Raubkopien oder Tauschbörsen tut, der führt eine Ablenkungsdebatte. Denn der Grund dafür, dass Journalisten und Autoren schlecht bezahlt werden, hat in erster Linie nichts mit dem Phänomen des Filesharings oder des „Raubkopierens“ zu tun, sondern damit, dass Verlage unangemessene Honorare bezahlen und dies auch noch mit der Forderung nach Buy-Out-Klauseln verbinden.

Gerade deshalb müssenn wir wieder und vorrangig über das Urhebervertragsrecht reden. Weil die Verlagslobby aber genau diese Diskussion vermeiden will, schickt sie Leute wie Gaede vor, um ein aggressives Ablenkungsmanöver zu inszenieren. Dass die Diskussion über das Urhebervertragsrecht auch die Politik (wieder) erreicht hat, scheint in den Verlagshäusern für Nervosität zu sorgen.

posted by Stadler at 10:44  

23.5.12

Wirkungsvolle Filesharing-Abmahnungen?

Rechtsanwalt Clemens Rasch, einer der BigPlayer im Geschäft der Filesharingabmahnungen, spricht gegenüber SPON von „Wirkungswellen“ die seine Abmahntätigkeit auslöst und behauptet, die u.a. von seiner Kanzlei ausgehenden Massenabmahnungen würden eine generalpräventive Wirkung entfalten, die  in Deutschland stärker sei als in den meisten anderen europäischen Ländern. Deshalb sei die Zahl der illegalen Downloads in Großbritannien auch 40-mal so hoch wie in Deutschland. Jetzt bin ich mir zwar nicht sicher, ob für die Argumentation des Kollegen Rasch dasselbe Milchmädchen Pate stand wie bei der Musikindustrie, halte dies allerdings für naheliegend.

Denn der Pro-Kopf-Umsatz den die Musikindustrie erzielt, ist in Großbritannien deutlich höher als in Deutschland. Wenn es tatsächlich stimmt, dass das Filesharing der Musikindustrie Milliardenverluste beschert und gleichzeitig in Großbritannien 40-mal so viel Filesharing betrieben wird wie in Deutschland, stellt man sich zwangsläufig die Frage nach dem logischen Bruch in der Argumentation von Rasch und der Musikindustrie. Oder ist das Filesharing vielleicht gar nicht der Umsatzkiller als der er immer dargestellt wird, sondern sind die Ursachen doch andere und eventuell vielschichtiger?

Es wäre in der Tat äußerst hilfreich, diese Frage umfassend wissenschaftlich zu untersuchen, um zu klären, ob die Argumente, mit denen die Musikindustrie seit mehr als 10 Jahren erfolgreich Lobbyismus betreibt, am Ende gar falsch oder zumindest deutlich übertrieben sind.

posted by Stadler at 20:12  

21.5.12

OLG Köln: Keine generelle Haftung des Internetanschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen des Ehepartners

Das OLG Köln hat in einer ganz aktuellen Entscheidung (Urteil vom 16.05.2012, Az: 6 U 239/11) eine generelle Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses für Rechtsverletzungen seines Ehegatten abgelehnt und die Revision zum BGH zugelassen.

In der Pressemitteilung heißt es zur Verneinung der Störerhaftung des Anschlussinhabers:

Hierzu vertrat das Gericht die Auffassung, dass die bloße Überlassung der Mitnutzungsmöglichkeit an den Ehegatten noch keine Haftung auslöst. Eine solche könne allenfalls dann in Betracht kommen, wenn entweder der Anschlussinhaber Kenntnis davon hat, dass der Ehepartner den Anschluss für illegale Aktivitäten nutzt (was hier nicht der Fall war), oder wenn eine Aufsichtspflicht bestünde. Eine Prüf- und Kontrollpflicht wird angenommen, wenn Eltern ihren Anschluss durch ihre (minderjährigen) Kinder mitnutzen lassen und diese im Internet Urheberrechtsverletzungen begehen. Eine solche Überwachungspflicht bestehe aber nicht im Verhältnis zwischen Ehepartnern.

Das Landgericht hatte die Anschlussinhaberin verurteilt, obwohl die Sache wegen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits zuvor beim OLG war.

Der 6. Senat des OLG Köln scheint seine Rechtsprechung in diesem Punkt zwischenzeitlich geändert haben, denn das BVerfG hatte erst kürzlich eine noch anderslautende Entscheidung des OLG Köln aufgehoben.

 

 

posted by Stadler at 18:23  

18.5.12

Beweisaufnahme in Filesharing-Prozess

In einem von mir betreuten Filesharing-Verfahren hat das Amtsgericht München die Einholung des Gutachtens eines IT-Sachverständigen angeordnet, nachdem mein Mandant nicht bereit war, den vom Gericht angeregten Vergleich abzuschließen.

Nach dem Beschluss des Amtsgericht wird Beweis darüber erhoben, ob die Software „PFS“ der Fa. ipoque GmbH zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahre 2007 protokolliert hat, dass über eine IP-Adresse, die vom Provider dem Kläger zugeordnet worden ist, Alben der Bands Silbermond und Revolverheld – die wiederum über einen bestimmten Hash-Wert identifiziert worden sind – vervielfältigt und zum Download angeboten worden sind und, dass die Software der Fa. ipoque diesen Vorgang durch einen Testdownload überprüft hat.

Als beweisbelastete Partei musste die Klägerin Sony Music EUR 4000,- Sachverständigenvorschuss bei Gericht einbezahlen. Der Vorgang spielt noch im Jahre 2007, die Ermittlung des Anschlussinhabers erfolgte deshalb über die Staatsanwaltschaft (München I) und nicht über ein zivilrechtliches Auskunftsverfahren. Nach dem Vortrag von Sony Music soll ein eDonkey-Client benutzt worden sein, weitergehender Vortrag hierzu fehlt allerdings.

Nachdem dem Sachverständigen die Festplatte des Beklagten nicht mehr zur Verfügung steht, bin ich wirklich gespannt, wie diese Beweisführung gelingen soll.

Sollte jemand da draußen, speziell zur Fa. ipoque und zur Zuverlässigkeit von deren Ermittlungsssoftware (im Jahre 2007), noch über spezifische Informationen verfügen, so wäre ich für eine Rückmeldung (gerne per E-Mail) dankbar.

posted by Stadler at 16:47  

16.5.12

OLG Köln: Anforderungen an die Ermittlungssoftware beim Filesharing

Das OlG Köln hat in Filesharing-Fällen nun zum wiederholten Male zu erkennen gegeben, dass es nicht gewillt ist, die allzu großzügige und laxe Haltung des Landgerichts Köln zu akzeptieren.

Mit Beschluss vom 20.01.2012 (Az.:6 W 242/11) hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass ein Beschluss des Landgerichts Köln, der es dem Provider gestattet hatte, Auskunft über den Namen und die Anschrift der Beschwerdeführer zu erteilen, rechtswidrig war.

Der Senat stützt seine Entscheidung maßgeblich darauf, dass das Landgericht das gesetzliche Erfordernis der Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung zu großzügig bejaht hatte.

Wörtlich führt das OLG Köln aus:

Das Erfordernis der Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung dient dem Schutz der am Verfahren zunächst nicht beteiligten Anschlussinhaber, der durch eine unberechtigte Inanspruchnahme in erheblicher Weise in seinen Rechten verletzt wird (vgl. Senat, GRUR-RR 2009, 9, 11). Dieser Schutz läuft leer, wenn die Ordnungsgemäßheit der Ermittlungen erst im Nachhinein (also nachdem die Auskunft erteilt worden ist) auf die Rüge des Anschlussinhabers hin ermittelt wird. Vielmehr muss dem Erfordernis der Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung bereits im Zeitpunkt der Antragstellung genügt werden. Der Rechteinhaber muss daher, bevor er mit der Ermittlung von Rechtsverletzungen beginnt, sicherstellen, dass diese Ermittlungen ordnungsgemäß durchgeführt werden und dass er dies dokumentieren kann. Setzt er hierfür eine Software ein, muss diese durch einen unabhängigen Sachverständigen überprüft und regelmäßig kontrolliert werden. Eine nachträgliche Untersuchung der eingesetzten Software durch das Gericht mit ungewissem Ausgang (vgl. Beschluss des Senats vom 7.9.2011 – 6 W 82/11) genügt dagegen nicht, um eine Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung begründen zu können.

Für künftige Fälle bedeutet dies, dass die Glaubhaftmachung der zuverlässigen Arbeitsweise der Ermittlungssoftware voraussetzt, dass die Software von einem unabhängigen Sachverständigen überprüft worden ist und regelmäßig kontrolliert wird. Man darf also gespannt sein, welche Rechteinhaber das tatsächlich glaubhaft machen können und wie sich das Landgericht Köln auf diese sachgerechte Einschränkung durch das OLG einstellen wird.

Der Gerichtsort Köln ist für Fälle des Filesharing von herausragender Bedeutung, weil das Landgericht Köln für die Anordnung der Auskunft gegenüber der Telekom zuständig ist, weshalb die meisten dieser Verfahren in Köln geführt werden.

posted by Stadler at 10:03  

12.5.12

Radikale Positionen in der Urheberrechtsdebatte?

Nachdem mein gestriger Blogbeitrag zur Urheberrechtsdebatte mehr als 170 Kommentare nach sich gezogen hatte, gibt es hierzu von mir noch einen Nachschlag, zumal die rege und z.T. heftige Diskussion noch einiger ergänzender Bemerkungen bedarf.

Auch ich habe mir die Frage gestellt, welches Ziel die mittlerweile angeblich 1500 z.T. sehr prominenten Autoren und Künstler mit ihrem Aufruf „Wir sind die Urheber“ tatsächlich verfolgen. Die Erhaltung des status quo kann es eigentlich nicht sein, denn mit dem sind sie ja gerade unzufrieden. Also muss es wohl darum gehen, auf den Gesetzgeber Druck auszuüben, um neue Mechanismen der Rechtsdurchsetzung zu etablieren, von denen man sich einen besseren Schutz der Werke im Internet erhofft. Und das würde dann zwangsläufig auf Instrumente wie Netzsperren oder Two- bzw. Three-Strikes hinauslaufen. Und spätestens dann stellt sich natürlich die Frage nach der Meinungs- und Informationsfreiheit. Insoweit hatte die FAZ dem Kollegen Vetter noch eine radikale Position unterstellt, weil er die Debatte „jetzt bereits mit der Meinungsfreiheit verbindet“. Die Frage muss allerdings erlaubt sein, welche Schlussfolgerung bzgl. der Intention der Urheber man sonst ziehen soll, wenn nicht diese.

An der Stelle muss man einen Schritt zurückgehen, um die Aufregung verstehen zu können, von der die Debatte geprägt ist. Entgegen eines weit verbreiteten Missverständnisses geht es weiten Teilen der Netzgemeinde nicht um die Verteidigung des urheberrechtswidrigen Filesharings, sondern darum, die Einführung von Maßnahmen wie Netzsperren oder eines Three-Strikes-Out-Modells zu verhindern, weil damit eine generelle Beeinträchtigung der Netzkommunikation einher gehen würde. Derartige Maßnahmen sind gerade von der Musikindustrie in den letzten Jahren bei jeder Gelegenheit gefordert worden, weshalb die Befürchtung eine reale Grundlage hat. Und vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage nach der Meinungs- und Informationsfreiheit.

Ergänzend hier noch ein paar Anmerkungen zu den Thesen des Kollegen Nebgen, der sich gleich in zwei Blogbeiträgen an meinem gestrigen Text abarbeitet:

Zum Begriff des geistigen Eigentums hatte ich nur, ebenfalls unter Verweis auf einen älteren Beitrag, angemerkt, dass mich die Analogie zum Sacheigentum nicht überzeugt und ich darin, also in der Gleichsetzung mit dem Sacheigentum, eine juristische Fiktion sehe. Das hat wenig mit einem Taschenspielertrick zu tun, sondern mehr mit einem rechtsdogmatischen Ansatz, der die Vergleichbarkeit von Sacheigentum und geistigem Eigentum in Frage stellt. Weil der Kollege Nebgen selbst anmerkt, dass ein Flachbildschirm und ein Musikstück vielleicht nicht ganz dasselbe sind, kann man diese Analogie m.E. zu Recht in Frage stellen, muss sie aber in juristischer Hinsicht jedenfalls als eine sog. Fiktion betrachten.

Wie oben bereits erläutert, geht es mir auch überhaupt nicht um die Forderung, dass Werke der Musik oder des Films im Netz kostenlos sein müssten. Nur hat es keinen Sinn, die Augen vor der Realität zu verschließen. Die Urheberrechte können im Netz nicht mehr besser als jetzt geschützt werden, es sei denn man setzt Instrumentarien wie Netzsperren oder ein Three-Strikes-Modell ein. Speziell hiergegen richtet sich der Unmut im Netz, weil derartige Maßnahmen die Informationsfreiheit beeinträchtigen würden.

Vor diesem Hintergrund muss man darüber diskutieren, welche urheberrechtlichen Regelungen geeignet sind, dauerhaft auf breite Akzeptanz zu stoßen. Denn ein Rechtsregime, das niemand mehr versteht und niemand mehr akzeptiert – und genau dieser Trend zeichnet sich ab – wird sich nicht halten können. Der Aufruf „Wir sind die Urheber“ ist daher auch von einer erheblichen Realitätsferne geprägt.

posted by Stadler at 00:08  

16.4.12

Gesetzesentwurf gegen unseriöse Geschäftspraktiken

Bereits vor Monaten war in der Presse zu lesen, dass Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger der Abmahnindustrie den Kampf ansagen will. Der angekündigte Referentenentwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken liegt nunmehr vor. Er sieht eine Reihe von Gesetzesänderungen in den Bereichen Inkassowesen, Telefonwerbung und Abmahnwesen vor.

Besonders erwähnenswert ist die Neuregelung des § 14 Abs. 2 UWG durch die der fliegende Gerichtsstand im Wettbewerbsrecht praktisch abgeschafft werden soll. Einen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung soll es danach nur noch dann geben, wenn der Beklagte im Inland weder einen Geschäfts- noch einen Wohnsitz hat. Danach wird § 14 Abs. 1 UWG zum Regelfall, der auf die Niederlassung des Beklagten abstellt. Es fragt sich allerdings, warum diese Regelung nicht in gleicher Weise für alle Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes gelten soll und ob damit nicht über das Ziel hinaus geschossen wird.

Außerdem unternimmt das BMJ einen neuen Versuch, die Kosten urheberrechtlicher Abmahnungen deutlich einzudämmen, was ersichtlich einen Reaktion auf die massenhaften Filesharing-Abmahnungen darstellt. Für den Fall unberechtigter Abmahnungen sieht die neue Vorschrift des § 97a Abs. 3 UrhG vor, dass der zu Unrecht Abgemahnte (ohne weiteres) einen Anspruch darauf hat, den Ersatz seiner Rechtsverteidigungskosten zu verlangen. Eine vergleichbare Regelung gab es bislang nicht, die Rechtsprechung hat dies vielmehr ausdrücklich abgelehnt.

Die Höhe der Abmahnkosten soll durch den Verweis in der neuen Vorschrift des § 97a Abs. 2 S. 2 UrhG auf § 49 GKG erheblich eingeschränkt werden. Die geplante Vorschrift des § 49 GKG lautet:

(1) In einer Urheberrechtsstreitsache beträgt der Streitwert für den Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch 500 Euro, wenn der Beklagte

1. eine natürliche Person ist, die urheberechtliche Werke oder durch verwandte Schutzrechte geschützte Leistungen nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und

2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Klägers durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.

(2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden.

Für urheberrechtliche Abmahnungen gegenüber natürlichen Personen, die die geschützten Werke nicht für ihre gewerbliche oder selbständige Tätigkeit verwenden, soll der Streitwert also nur noch EUR 500,- betragen. Bislang war es in Filesharing-Fällen üblich auf einen Streitwert von EUR 10.000,- oder mehr für den Unterlassungsanspruch abzustellen. Bei einem Streitwert von EUR 500,- beträgt eine 1,3-Geschäftsgebühr EUR 58,50. Hinzu kommt eine Auslagenpauschale von EUR 11,70, was bedeutet, dass der Abmahnanwalt nur noch EUR 70,20 verdient und der Abgemahnte diesen Betrag zu erstatten hat – oder zzgl. MWSt. EUR 83,54 sofern der Rechteinhaber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist . Das Justizministerium erhofft sich dadurch offenbar, dass das Geschäft der Massenabmahnungen eingedämmt wird.

Meines Erachtens sollte sich der Gesetzgeber hier aber auch Gedanken darüber machen, dass er selbst die Abmahnindustrie im Bereich des Filesharing erst geschaffen hat und zwar durch Einführung des Auskunftsanspruchs gegen Zugangsprovider nach §§ 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG, der in der Gerichtspraxis mittlerweile massenhaft und textbausteinartig durchgewunken wird, ohne, dass die Gerichte eine Einzelfallprüfung anstellen. Gerade auch diesen Umstand gilt es kritisch zu beleuchten.

Wie bei vielen Referentenentwürfen bleibt ohnehin abzuwarten, ob und mit welchen Änderungen das Gesetz letztlich in Kraft treten wird.

posted by Stadler at 21:42  

13.4.12

Bundesverfassungsgericht hebt Urteil zum Filesharing auf

Bei der Frage der Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses für Urheberrechtsverletzungen durch im Haushalt lebende Familienangehörige deutet sich möglicherweise eine Trendwende an. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 21.03.2012, Az.: 1 BvR 2365/11) hat die Verurteilung eines Anschlussinhabers, der als Störer auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch genommen wurde, aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Bundesverfassungsgericht betätigt sich hier ausnahmsweise doch einmal als eine Art Superrevisionsinstanz und rügt vor allen Dingen, dass das Berufungsgericht die Revision zum BGH nicht zugelassen hat, obwohl es sich um eine umstrittene und höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfrage handelt, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellt.

Das angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts Köln verletzt nach dem Beschluss des BVerfG deshalb das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Denn die Nichtzulassung der Revision, so das Gericht, wird nicht nachvollziehbar begründet, obwohl die Zulassung der Revision nahegelegen hätte.

In der Sache hat das Bundesverfassungsgericht freilich nicht entschieden, es zitiert aber ausführlich eine Entscheidung des OLG Frankfurt, nach der eine generelle Prüf- und Überwachungspflicht des Anschlussinhabers nicht besteht. Das BVerfG führt dann weiter aus:

Ob in der Konstellation des Ausgangsverfahrens Prüfpflichten überhaupt bestanden und falls ja, wie weit sie gingen, ist durch den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Rechtsgrundsatz offensichtlich noch nicht geklärt. Die „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung (…) betraf einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage, ob ein WLAN-Anschluss auf einen hinreichenden Schutz durch Sicherungsmaßnahmen gegen die Benutzung durch außenstehende Dritte geprüft werden muss.

Damit ist in jedem Fall klargestellt, dass die einzige Entscheidung des BGH, die es zu diesem Problemkreis gibt, einen nicht verallgemeinerungsfähigen Spezialfall betroffen hat. Dies wird von den Rechteinhabern und ihren anwaltlichen Vertretern nämlich gerne anders dargestellt und auch von einigen Gerichten anders gesehen, wie die Entscheidung zeigt.

Das Oberlandesgericht Köln wird also nunmehr nochmals entscheiden und in jedem Fall die Revision zum BGH zulassen müssen, so dass zumindest in einiger Zeit mit einer höchstrichterlichen Klärung der Frage der Störerhaftung des Anschlussinhabers für Mitbewohner und Familienangehörige zu rechnen ist.

posted by Stadler at 11:03  

6.4.12

Bundesratsinitiative gegen W-LAN-Störerhaftung

Die Stadt Berlin plant ein offenes und kostenloses W-LAN für alle. Weil die Frage der Haftung des Betreibers von (offenen) W-LANs für Urheberrechtsverletzungen durch Nutzer unklar und juristisch umstritten ist, möchte Berlin auf  eine gesetzliche Regelung hinwirken, damit Betreiber wie Nachbarschaftsinitiativen, lokale Funkdatennetze oder Kommunen einen freien WLAN-Zugang anbieten können, ohne haftungsrechtliche Risiken einzugehen.

Das ist grundsätzlich sehr zu begrüßen, allerdings stört mich an dem Antragstext, der diesbezüglich im Berliner Abgeordnetenhaus eingebracht wurde, die Einschränkung, dass erforderliche technische Schutzmaßnahmen ihrem Zweck entsprechend wirksam gegen eine unbefugte Drittnutzung des Zugangs eingesetzt werden müssen. Was darunter im Kontext offener und kostenloser W-LANs zu verstehen ist, ist mir jedenfalls unklar. Vermutlich sind Portsperren und Proxyserver-Lösungen gemeint.

Der Text spricht außerdem von einer Haftung nach dem Telemediengesetz (TMG). Diese Formulierung ist juristisch unzutreffend, denn das TMG enthält keine haftungsbegründenden Vorschriften, sondern nur haftungsbeschränkende Normen. Die Haftung richtet sich allein nach dem Urheberrechtsgesetz in Kombination mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der sog. Störerhaftung.

Ähnliche Initiativen gibt es derzeit auch in der Hamburger und der Bremer Bürgerschaft. In Bremen hat die SPD-Fraktion einen Antrag „Rechtssicherheit für Anbieter von freiem Internet“ eingebracht, der noch etwas progressiver klingt als der aus Berlin. In dem Antrag wird gefordert, WLAN-Betreiber gesetzlich einem Access-Provider gleichzustellen und im Urheberrecht auf Änderungen hinzuwirken, die klare Voraussetzungen für das Vorliegen von Störerhaftung schaffen, wobei nach Möglichkeit insbesondere nichtgewerbliche WLAN- Betreiber von einer entsprechenden Haftung freigestellt werden sollen.

Sollte es tatsächlich zu einer entsprechenden Gesetzesinitiative über den Bundesrat kommen, ist allerdings mit heftigem lobbyistischen Gegenwind der Rechteinhaber zu rechnen, deren politischer Einfluss bekanntlich enorm ist.

posted by Stadler at 13:05  

3.4.12

Haftungsrisiko offenes W-LAN

Die dpa hat heute darüber berichtet, dass Filesharing-Abmahnungen das Geschäftsmodell von Gaststätten bedroht, die offenes W-LAN anbieten. In dem Text wird u.a. auch Rechtsanwalt Kornmeier mit der Aussage zitiert, dass er den Wirten die W-LANs betreiben, empfiehlt, eine Anmeldung mit persönlichen Daten wie etwa einer Kreditkarte vorzusehen. Abgesehen davon, dass ein solches Angebot viele Gäste vermutlich eher abschrecken würde, ist dieser Vorschlag auch rechtlich fragwürdig, denn dies würde letztlich zu einer Art privaten Vorratsdatenspeicherung führen, was sicherlich ganz im Interesse der Rechteinhaber und ihrer Anwälte wäre, allerdings wohl nicht in Einklang mit dem Gesetz steht. Denn eine solche Datenerhebung ist nur dann zulässig, wenn sie für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsdienste erforderlich ist (§ 95 TKG), was bei kostenlosen Angeboten schwer zu begründen sein dürfte.

Die Betreiber kostenloser W-LANs – wie sie in Hotels und Gaststätten durchaus üblich sind – dürfen nach dem Gesetz  eigentlich gar keine Daten ihrer Nutzer erfassen, sollen aber, wenn es nach den Abmahnkanzleien geht, dennoch haften. Weshalb die Annahme einer solchen Haftung von Gatsronomen und Hoteliers rechtlich verfehlt ist, habe ich in einem älteren Beitrag erläutert.

posted by Stadler at 20:44  
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