Wir sind die Bürger
Die ZEIT veröffentlicht in ihrer heutigen Printausgabe den Aufruf „Wir sind die Urheber“ und merkt in ihrem redaktionellen Begleittext ergänzend an, dass man damit die bislang größte Aktion von Schriftstellern und Künstlern dokumentieren würde, die sich gegen den Diebstahl des geistigen Eigentums zur Wehr setzen. Der Appell selbst ist im Netz bereits seit einigen Tagen abrufbar.
Erschreckend ist für mich zunächst, dass sich intelligente Menschen wie Elke Heidenreich, Roger Willemsen, Martin Walser oder Charlotte Roche – um nur einige der Erstunterzeichner zu nennen – in einer derart plumpen und ideologisierten Art und Weise in die Urheberrechtsdebatte einmischen. Erstaunlich ist ferner, dass der Aufruf vorwiegend von Schriftstellern und Autoren unterzeichnet worden ist und damit von einer Gruppe, die von Urheberrechtsverletzungen im Internet im Vergleich zu Musikern eher wenig betroffen ist.
Wer vom Diebstahl geistigen Eigentums spricht, macht damit deutlich, dass er nicht ansatzweise gewillt ist, eine Sachdebatte differenziert zu führen. Während man über die juristische Fiktion vom geistigen Eigentum durchaus noch kontrovers diskutieren kann, ist die mantraartig bemühte Analogie zum Diebstahl und zum Raub schon auf den ersten Blick verfehlt. Denn das zentrale Tatbestandsmerkmal von Diebstahl und Raub ist die Wegnahme (einer Sache). Bei einer Urheberrechtsverletzung wird aber nichts weggenommen, sondern es wird ganz im Gegenteil etwas kopiert und dadurch vermehrt. Die Urheberrechtsverletzung im Internet, deren „Tathandlung“ in einer Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung eines Geisteswerks besteht, ist das exakte Gegenteil einer Wegnahme.
Der erste Schritt hin zu einer Entideologisierung der Debatte muss in einer sprachlichen Abrüstung bestehen. Neutrale Begriffe wie Immaterialgüterrecht und Rechtsverletzung sind ausreichend, um den Standpunkt der Urheber deutlich zu machen.
Aber selbst dann, wenn man für sich ein Eigentum an Geisteswerken reklamiert, ist damit noch nichts über die Grenzen und Einschränkungen denen dieses Recht unterliegt, ausgesagt. Und darin scheint mir eines der wesentlichen Missverständnisse der Debatte zu bestehen. Denn wer sich auf Eigentumsrechte beruft, muss auch anerkennen, dass das Eigentum der Sozialbindung unterliegt (Art. 14 Abs. 2 GG). Weil die Schaffung eines Geisteswerkes auch einen sozialen Prozess darstellt – und hier unterscheidet sie sich nochmals grundlegend vom Sacheigentum – ist die Sozialpflichtigkeit des „geistigen Eigentums“ sogar besonders stark ausgeprägt, nicht zuletzt auch wegen ihrer enormen Bedeutung für den Bereich der Bildung und der Kultur.
Der Gesetzgeber verfügt deshalb bei der Ausgestaltung der Grenzen und Schranken des Urheberrechts über einen erheblichen Bewertungsspielraum – worauf auch in der Rechtsprechung des BVerfG mehrfach hingewiesen wurde – den er bislang nicht annähernd ausgeschöpft hat. Es ist also verfassungsrechtlich keineswegs geboten, dass das Urheberrecht so rechteinhaberfreundlich bleibt wie bisher, sondern es erscheint durchaus denkbar, dass man künftig die Interessen der Allgemeinheit, gerade auch zu Lasten der Urheber, stärker gewichten wird. Das ist vor allen Dingen in Bereichen wie Unterricht und Bildung geboten, in denen das geltende Urheberrecht sich derzeit hemmend auswirkt.
Die Frage, wie das Urheberrecht modernisiert und künftig ausgestaltet werden soll, erfordert eine breite gesellschaftliche Diskussion, denn anders als noch in den 80’er Jahren ist das Urheberrecht heute keine Spezialmaterie mehr, die nur wenige betrifft. In dieser Diskussion ist die Position von Urhebern, wie sie in dem Appell zum Ausdruck gebracht wird, nur ein Aspekt unter vielen.
Vielleicht sollte man aber einfach ebenso plakativ antworten: Wir sind die Bürger und wir teilen Eure Einschätzung nicht (uneingeschränkt). Möglicherweise können wir aber auch irgendwann damit beginnen, eine sachliche Debatte zu führen.
Ich habe mal einen Haufen an Argumenten aus verschiedenen Blogs zusammen getragen, die ich für Nebelkerzen halte:
http://henninghoellein.de/index.php?id=35
Wer noch weitere findet, bitte melden! :-)
Comment by Henning Höllein — 22.05, 2012 @ 19:04
@Henning
vielen Dank für Deine Arbeit. Ich finde Du hast viele Argumente sachlich hinterleuchtet. Dein Blog stellt für mich jedenfalls einen wichtigen Beitrag zum Theam bei.
Vielen Dank
Michael Kornrumpf
Comment by Michael — 23.05, 2012 @ 21:05
Offensichtlich geht es den Unterzeichnern nicht darum, sich gegen einen drohenden Einkommens- oder gar Existenzverlust zu wehren. Darum akzeptieren sie auch keine Kulturflatrate oder ähnliche Vergütungsmodelle.
Sie stören sich an der Demokratisierung ihres Metiers. Dass jede und jeder Dahergelaufene, ohne Abitur oder sonstige Bildung, lesen kann, und, noch schlimmer, schreiben und verbreiten kann, was immer er mag.
Der Elfenbeinturm der Literatur wird für sie entweiht, wenn es jedem auf Augenhöhe möglich ist, mitzulesen und mitzuschreiben, ohne durch finanzielle oder physische Beschränkungen auf seine Rolle als Fußvolk der Literatur festgelegt zu bleiben.
Comment by rolfmueller — 31.05, 2012 @ 18:49
Wo wären unsere lieben Urheber ohne eigene Verletzung des Urheberechtes?
Musiker: Jeder der einmal ein Musikinstrument lernt, oder gelernt hat (mich eingeschlossen)spielt ersteinmal seine Lieblingsmusik (Filmhits, Rock/Popsongs…) auch vor Verwanten, Bekannten, in der Schule oder auf dem Firmenfest. Und schon bezahlt dafür?
Komponisten: zu Beginn jeder Karriere verwurstet man Texte und Melodien aus bereits gehörtem. Bis sich irgendwann einmal ein eigener Stil und wirklich unabhängiges Schaffen einstellt vergehen Jahre! Ein guter Lovesong handelt vielleicht vom eigenen verlassen werden, bezahlt man den Expartner für die Idee die durch Ihn/Sie entsteht? Und Schon gezahlt dafür?
Maler: Das kopieren von Techniken und Werken ist ein Muss um Zeichnen und Malen zu lernen. So sitzt man zu Beginn oft in einer Gallerie und skizziert fröhlich Meisterwerke, malt aus Büchern, Fotokalendern oder man skizziert Bauwerke, Denkmäler… Bezahlt man die Architekten dafür? Viele entwickeln nie einen wirklich eigenen Stil und verwenden ein Leben lang Techniken und Kniffe die nicht aus Ihrem Kopf stammen! Und Schon gezahlt dafür?
Schriftsteller: Wer viel liest erkennt oft, dass sich Romane, Geschichten… usw gleichen. Wer selber schreibt orientiert sich häufig an selbst erlesenem bzw. erlebten entschädigt man beteiligte personen dafür? Am Ende wandelt man es bewusst oder unbewusst in Gedichte und Geschichten um. Und schon gezahlt dafür?
So kann man immer weiter machen…
Liebe Urheber (dazu zähle ich mich auch) wir und unsere Arbeit, unser Können sind das Produkt von Gehörtem, Gelesenem, Gesehenem unsere Kreativität entspringt unseren Erlebnissen und ist somit ein Produkt unserer Umwelt und den Menschen die uns umgeben. Nur mit Denen ist Kreativität möglich und für Diese ist unser Schaffen bestimmt. Ein Künstler MUSS auch von seiner Leistung leben können da gibt es keine Frage und eine umfassende Reform des Urheberrechtes ist dringend nötig. Aber keiner der Urheber darf sich dabei als allumfassend unbescholtenes Opfer hinstellen und mit dem Finger auf diejenigen zeigen für die und durch die ihr Werk überhaupt erst entsteht, in diesem Sinne sind wir alle Uhrheber. Nur eine Diskussion mit der Bereitschaft zu persönlichen Einschnitten und Zugeständnissen dem Anderen gegenüber als Basis kann eine Lösung herbeiführen. Spontanaktionen die am Geist, der Kreativität und der Flexibilität der geistigen Eigentümer zweifeln lassen wie „Wir sind die Urheber“ sind ärmlich.
Comment by hansen — 9.01, 2013 @ 13:14
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Comment by Speed dating events — 10.03, 2014 @ 22:21
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