Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

1.3.12

OLG Köln entscheidet erneut zum gewerblichen Ausmaß beim Filesharing

Für die Ermittlung des Anschlussinhabers bedarf es in Fällen des Filesharing nach § 101 Abs. 9 UrhG grundsätzlich eine richterliche Anordnung bzw. eine richterliche Gestattung, die es dem Provider erlaubt, die Daten seiner Kunden herauszugeben.

Das Massengeschäft der Filesharing-Abmahnungen funktioniert vor allen Dingen deshalb, weil die Gerichte eine Urheberrechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen bereits dann bejahen, wenn nur eine einzige Datei getauscht wird. Während das OLG München meint, dass in Fällen des Filesharings immer ein gewerbliches Ausmaß gegeben ist, schränkt das OLG Köln zumindest etwas ein und geht davon aus, dass das Zugänglichmachen einer einzelnen geschützten Datei in einer Internet­tausch­börse nur dann das für die Bejahung des gewerblichen Ausmaßes nötige Gewicht aufweist, wenn es sich entweder um ein besonders wertvolles Werk handelt oder wenn eine hinreichend umfangreiche Datei innerhalb ihrer relevanten Verwertungsphase öffentlich zugänglich gemacht wird.

Diese Rechtsprechung hat das OLG Köln in einer neuen Entscheidung (Beschluss vom 23.01.2012, Az. 6 W 13/12) nochmals bestätigt.

Ich halte diese Rechtsprechung, auch in der einschränkenden Variante des OLG Köln, für grundsätzlich verfehlt. Das ist in etwa so – um eine gerade bei Urheberrechtslobbyisten beliebte Analogie zu bemühen – als würde man jeden einfachen Ladendiebstahl als gewerbsmäßigen und damit besonders schweren Fall des Diebstahls qualifizieren. Aber im Urheberrecht scheinen die Uhren einfach anders zu ticken.

Diese Rechtsprechung verkennt ganz grundsätzlich, dass der gesetzliche Auskunftsanspruch des § 101 UrhG von einem Regel-Ausnahmeverhältnis geprägt ist, das man kurzerhand auf den Kopf stellt, wenn man das gewerbliche Ausmaß zum Regelfall erhebt. Warum gerade das Europarecht nicht zu einer solchen Auslegung zwingt, sondern eher eine Anknüpfung an den Begriff des Handelns im geschäftlichen Verkehr nahelegt, habe ich an anderer Stelle ausgeführt. Man muss auch berücksichtigen, dass derartige richterliche Gestattungsbeschlüsse in das Grundrecht aus Art. 10 GG eingreifen, was in diesen Fällen auch deshalb problematisch, weil der Anschlussinhaber rein statistisch betrachtet in jedem zweiten Fall eben nicht der Verletzter ist. Auch dieser Umstand wird von den Oberlandesgerichten nicht ausreichend gewürdigt.

Es wäre Sache des Gesetzgebers hier nochmals klarstellend einzugreifen. Vielleicht bleibt ihm dies aber einmal mehr erspart, denn das OLG Köln hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen, weshalb vielleicht schon aus Karlsruhe eine Auslegung kommt, die sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 101 UrhG und dem Grundrecht aus Art. 10 GG keine Gewalt antut.

 

posted by Stadler at 14:51  

9 Comments

  1. der Urheberrechtslobbyist würde die geringere Hemmschwelle bemühen, welche die Verwirklichung einer Urheberrechtsverletzung im Gegensatz zu einem Eigentumsdelikt in der realen Welt bedeutet. Aber keine Angst – ich stimme Ihnen hinsichtlich der meist schrägen Analogien der C-Industrie unumwunden zu.

    Comment by langzeitstudent — 1.03, 2012 @ 15:21

  2. Die 3, vermutlich 7 oder mehr Urheberrechtsverletzungen von Ansgar Heveling (vgl. http://de.netend.wikia.com) könnte man demnach auch als „gewerbliches Ausmaß“ einstufen, oder?

    Comment by Wechmann — 1.03, 2012 @ 18:50

  3. Als Laie dann mal dumm gefragt: Was ist dann nicht gewerblich?

    Comment by sascha — 1.03, 2012 @ 20:29

  4. @sascha: Eine vollkommen berechtigte Frage.

    Comment by Stadler — 1.03, 2012 @ 21:24

  5. Der Ladendieb stiehlt eine CD. Schaden für die Musikindustrie: 10 Euro. Der Filesharer beschafft sich eine Datei und bietet sie Tausenden Menschen an. Schaden für die Musikindustrie: Tausende von Euro. Deshalb handelt der Filesharer zwar nicht gewerblich (nämlich ohne Gewinnerzielungsabsicht), aber eben in gewerblichem Ausmaß (weil der Schaden eben den gleichen Umfang besitzt wie bei einem gewerblichen Täter). Der Ladendieb würde höchstens dann in gewerblichem Ausmaß handeln, wenn er die geklaute CD tausendfach brennen und umsonst verteilen würde. Macht er aber nicht. Deshalb ist der Vergleich Ladendieb-Filesharer tatsächlich Blödsinn.

    Paradox ist aber das Gezeter, wenn ein Filesharer zur Rechenschaft gezogen werden soll, während hingegen jedermann eine Strafanzeige für einen Ladendieb ok findet, der ja einen wesentlich geringeren Schaden anrichtet. Das ist der Widerspruch, auf den die Musikindustrie hinweist.

    _________________________________

    Comment by string — 1.03, 2012 @ 21:57

  6. @ string: Spar dir am besten von Anfang an solche schwachsinnigen Ausführungen, wie diese hier: „Schaden für die Musikindustrie: Tausende von Euro.“

    Nämlich, ganz ehrlich gesagt: Ich sehe keinen einzigen! Nur um das mal eben ganz kurz klarzustellen ..

    Comment by sascha — 1.03, 2012 @ 22:12

  7. @string: Das vermeintliche Angebot im P2P-System an „Tausende“ ist nicht jeweils konkret belegt; ein vermeintlich kausaler und (verschuldeter!)Schaden in die „Tausende“ pro einzelnem, den konkreten Streitgegenstand bildenden Filesharing-Vorgang ebenfalls nicht.
    Vermutung und Verdacht begründen noch keine fundierte Schlussfolgerung und Verurteilung. Und was ist mit dem vom Kollegen Stadler zu Recht thematisierten und von den 101-er Beschlüssen auf den Kopf gestellten Regel-Ausnahme-Verhältnis?
    Selbst bei strengster Auslegung der „Störer“-Grundsätze gibt es keine Täter- und Schadenshaftung ohne nachgewiesenes Verschulden.

    Comment by Ralf Petring — 1.03, 2012 @ 22:28

  8. Wer kein Geld hat für eine CD, wird sie sich auch nicht kaufen, wenn er kein illegales Downloaden mehr betreibt.
    Schaden für die Rechteindustrie = 0 Euro.

    Man müsste erst einmal erforschen, wie viele echte potentielle Käufer durch Filesharing vom Kauf abgehalten werden würden, um einen Schaden annehmen zu können.

    Comment by Frank — 1.03, 2012 @ 22:43

  9. „Man müsste erst einmal erforschen, wie viele echte potentielle Käufer durch Filesharing vom Kauf abgehalten werden würden, um einen Schaden annehmen zu können.“

    In der Tat.
    Wahrscheinlich steht das im Verhaeltnis von Kaeufern einer echten Rolex, zu Plagiatskunden.

    Comment by David — 3.03, 2012 @ 23:45

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