Die politische Diskussion über eine Reform des Urheberrechts
Der Arbeitskreis Urheberrecht der SPD-Bundestagsfraktion hat ein Papier mit „Zwölf Thesen für ein faires und zeitgemäßes Urheberrecht“ vorgestellt, das eine nähere Befassung lohnt. Deutlich weiter gehen die zehn Vorschläge und Forderungen der Piratenpartei, wobei sich durchaus auch einige Parallelen zeigen.
Reformvorschläge die mittelfristig eine gewisse Chance auf Umsetzung haben sollen, müssen dasjenige in den Vordergrund stellen, was durch nationale Gesetzgebung möglich ist. Auch wenn ich beispielsweise die Verkürzung von Schutzfristen für eine durchaus legitime und auch sinnvolle Forderung halte, müssten dazu EU-Richtlinien geändert und völkerrechtliche Verträge aufgekündigt werden. Weil dies aktuell kein realistisches politisches Szenario darstellt, würde es sich anbieten, mit anderen Reformvorhaben zu beginnen.
Vor diesem Hintergrund halte ich in einem ersten Schritt zwei Maßnahmen für vorrangig verfolgenswert.
Zum einen muss die Position der Urheber durch eine stringerente Regelung des Urhebervertragsrechts gestärkt werden. Das habe ich unlängst bereits ausführlich erläutert. Sowohl das Thesenpapier der SPD als auch das der Piraten enthalten diesen Ansatz.
Zum anderen ist bei den Schrankenbestimmungen des Urheberrechts anzusetzen. Speziell im Bereich Bildung, Unterricht und Wissenschaft wirkt das geltende Urheberrecht hemmend. Die in der Praxis ohnehin uneffektive Schrankenregelung des § 52a UrhG soll zum Jahresende auslaufen. An dieser Stelle wäre es wünschenswert, eine tatsächlich bildungsfreundliche Regelung zu schaffen, die deutlich über das hinausgeht, was § 52a UrhG derzeit ermöglicht. Sowohl digitale als auch herkömmliche Kopien urheberrechtlich geschützter Werke müssen in deutlich größerem Umfang für Unterrichtszwecke zulässig sein. Auch hier gab es in der Vergangenheit bereits deutlich progressivere Vorschläge, an die man wieder anknüpfen könnte.
Vielleicht sollte man sich also zunächst dieser beiden wichtigen Aspekte annehmen und ausloten, ob nicht SPD, Grüne und Piraten an dieser Stelle bereits ganz ähnliche Positionen vertreten und deshalb ein erster Konsens gefunden werden kann. Eine politische Mehrheit zu schmieden, wird ohnehin schwer genug werden, weil mit massivem Lobbyismus speziell der Verlage zu rechnen ist, durch den bereits im Jahre 2002 sinnvolle und notwendige Reformen des Urhebervertragsrechts verhindert worden sind.
Dass „SPD, Grüne und Piraten“ eine politische Mehrheit schmieden könnten, scheint mir unrealistisch. So funktioniert unser Parlamentarismus nun mal nicht.
Comment by Erbloggtes — 22.05, 2012 @ 00:17
Ich finde die Verkürzung von Schutzfristen nur zur Folge hat, dass der „Mittelstand“ des Urheberrechts – nämlich die Künstler, die keine starken Verlagshäuser oder Plattenfirmen an der Hand haben – unangemessen betroffen wären (und dann allmählich verschwinden). Das wäre kontraproduktiv für jeden geistig-schaffenden und ein Recht das Kultur schützen will. Allerdings hat auch die 70-Jahreregelung seine Nachteile, daher sollte man vllt. die Nutzungsrechte einerseits stärken und entsprechend auflockern.
Comment by misterfergusson — 22.05, 2012 @ 23:13
1. Vielleicht auch interessant dazu: http://www.zeit.de/wissen/2012-05/wissenschaft-fachzeitschrift-preise
2. @misterfergusson: Haben Sie auch bedacht, daß die Schutzfrist NACH dem Tod des Urhebers beginnt, dem Urheber also kaum mehr direkt was nutzt sondern nur mehr dem Verwerter, der die Rechte für das Werk hat?
Comment by Robert aus Wien — 23.05, 2012 @ 15:03
Genau das ist der Punkt. Ein „kleiner“ Schaffender wird wohl kaum ein Verlagshaus finden, wenn dieses Verlagshaus 10- oder 15 Jahre nach dessen Ableben bereits Probleme mit der Verwertung bekommen könnte. Eine Verwertung ist für die Verwerter in solchen Fällen nur aufgrund der langen Schutzfristen im Lichte von Opportunitätskosten sinnvoll.
Comment by misterfergusson — 23.05, 2012 @ 19:04
In der Musik stimmt das nur sehr begrenzt. Die populären Musiker finden ganz sicher trotzdem ein Label und die weniger bekannten müssen CD-Aufnahmen sowieso selber finanzieren.
Die langen Schutzfristen führen nur dazu, daß das Recht der Allgemeinheit auf Kunst und Kultur unter den Tisch fällt, weil Sachen, von denen sich die Labels keinen Gewinn merh versprechen, in irgendeiner Schublade verschwinden und damit auf legalem Weg nicht mehr erhältlich sind.
M.E. kann dieses Problem nur dadurch gelöst werden, daß das ähnlich wie bei Patenten gehandhabt wird: die Verwerter müssen das anmelden und einen kleinen Obolus dafür entrichten – andernfalls verfällt das Verwertungsrecht nach einer Frist von sagen wir 5 Jahren und das Werk wird gemeinfrei.
Comment by Robert aus Wien — 24.05, 2012 @ 12:49
Das ist mit Sicherheit ein interessanter Ansatz um der Sache Herr zu werden. Eines daran finde ich jedoch verbesserungswürdig: Zunächst ist das Urheberrecht speziell dafür gedacht das Ergebnis einer (kreativen) Persönlichkeit unter Schutz zu stellen. Solche Menschen haben oftmals das Problem, dass ihre Kunst a) nur ein begrenztes Publikum hat und b) ihrer Zeit nicht gemäß oder gar voraus ist. Dieses Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wird von einem inkrementalen Verwertungsrecht a) nicht berücksichtigt und b) zielt jenes viel zu sehr auf die Verwerter als die Urheber ab. Letztere sind es aber gerade die geschützt werden sollen. Interessen sind es letztlich, die der Reform Richtung weisen werden, allerdings halte ich eine Verkürzung der Schutzfristen – selbst nach Ihrem (lebensnahen) vorgeschlagenen System – für bedenklich.
Comment by misterfergusson — 24.05, 2012 @ 22:23
Wenn das Urheberrecht die Kreativen schützen soll, wozu dann eine Schutzfrist nach deren Tod? Was nützt es einem Toten, wenn sein Werk geschützt ist? Das nützt nur den Erben, die keinerlei Beitrag dazu geleistet haben. (BTW: Zwischen Urheber- und Verwertungsrecht besteht ein ziemlicher Unterschied!)
Übrigens hab ich gerade über den Konkurrenten dieses Blogs, nämlich lawblog.de, folgenden interessanten Link gefunden: http://schutzfristen-irrsinn.de/
Comment by Robert aus Wien — 25.05, 2012 @ 09:59
Ich verstehe die Kritik an der 70-Jahre-Schutzfrist nicht: Wer nicht das Urheberrecht an einem Buch sondern ein Grundstück oder eine Firma erbt, behält dieses Recht ohne jede zeitliche Begrenzung. Wieso sollten die Erben der Urheber schlechter gestellt werden?
Wenn schon, dann muß diese Diskussion zum Anlaß genommen werden, vollständig über das Erbrecht nachzudenken: http://mosereien.wordpress.com/2012/06/01/urheberrecht-erbrecht-schutzfristen/
Comment by Andreas Moser — 1.06, 2012 @ 15:25