Der BGH hat in einer unlängst im Volltext veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 17. Dezember 2010, AZ.: V ZR 44/10) zur Frage der Haftung des Betreibers eines Internetportals für die Inhalte seiner Nutzer Stellung genommen. Das Urteil stammt interessanterweise von dem für Grundstücksrecht zuständigen V. Zivilsenat, was folgenden Hintergrund hat.
Der BGH greift auf die Grundsätze der Haftung eines sog. mittelbaren Störers zurück und stellt zunächst klar, dass eine Haftung nur dann in Betracht kommt, wenn dem Plattformbetreiber eine Prüfung zumutbar war. Dafür muss der Rechtsverstoß für den Portalbetreiber erkennbar sein. Werden Fotos eingestellt, denen man selbst nicht ansehen kann, ob sie ungenehmigt aufgenommen worden sind, liegt eine solche Erkennbarkeit nicht vor, so dass auch keine Prüfpflichten verletzt werden. Auch der Einsatz von Filtersoftware ist nach Ansicht des BGH nicht zumutbar, jedenfalls dann nicht, wenn es keine klaren Merkmale gibt, anhand derer nach Verdachtsfällen gesucht werden könnte.
posted by Stadler at 20:58
Ein mutiger Amtsrichter widerspricht in einer neuen Entscheidung (AG Meldorf, Urteil vom 29.03.2011, Az.: 81 C 1403/10) dem BGH gleich zweimal.
Das Amtsgericht Meldorf qualifiziert den Internetzugangsvertrag als Miete. Einen Dienstvertrag – wie übrigens mehrfach vom BGH angenommen – lehnt das Amtsgericht mit der Begründung ab, das Dienstvertragsrecht sei auf menschliche Dienste zugeschnitten. Mit einer ähnlichen Argumentation müsste man dann aber auch die Qualifizierung als Mietvertrag ablehnen. Denn der Mietvertrag sieht als Hauptleistungspflicht die Überlassung einer Mietsache vor. Nun ist der Internetzugang erstens keine Sache und zweitens ist Leistungsinhalt nicht die (passive) Gebrauchsüberlassung, sondern die Erbringung einer aktiven Leistung. Mit der Argumentation des AG Meldorf ließe sich letztlich fast jede technische Leistung als Mietvertrag einstufen.Die Qualifikation des Internetzugangs als Miete ist deshalb – anders als beim Hosting – einigermaßen abwegig.
Der zweite Aspekt betrifft die Auslegung von § 100 TKG. Die Entscheidung des Amtsgerichts geht hierbei von der unzutreffenden Prämisse aus, der Bundesgerichtshof würde aus § 100 Abs. 1 TKG die Befugnis von Internet-Zugangsanbietern zur anlasslosen und generellen Vorratsspeicherung sämtlicher zugewiesener IP-Adressen und Verbindungszeiten ableiten. Das hat der BGH aber so gar nicht entschieden. Unabhängig davon, ob und wie lange ein ISP IP-Adressen speichern darf, ist die eigentlich interessante Frage im konkreten Fall aber die, ob aus einer unzulässigen oder überlangen Speicherung ein zivilprozessuales Beweisverwertungsverbot folgt. Über diese Frage geht der Amtsrichter allerdings großzügig hinweg. Das Urteil überzeugt mich, anders als beispielsweise den Kollegen Vetter, in seiner Begründung deshalb nicht.
posted by Stadler at 21:26
Der BGH hat mit Urteil vom 29. März 2011 (Az.: VI ZR 111/10) entschieden, dass bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen ein deutlicher Inlandsbezug bestehen muss, damit ein Gerichtsstand in Deutschland gegeben ist. Weder der Standort des Servers in Deutschland noch ein deutscher Wohnsitz des Klägers stellen nach Ansicht des BGH einen ausreichenden Anknüpfungspunkt für die Begründung eines inländischen Gerichtsstands dar.
Im konkreten Fall ging es darum, dass ein Bekannter des Klägers von den USA aus einen in russischer Sprache und kyrillischer Schrift abgefassten Bericht veröffentlicht hat, in dem sich der Beklagte u. a. über die Lebensumstände und das äußere Erscheinungsbild des Klägers geäußert hat.
posted by Stadler at 14:40
Kommentare deaktiviert für Serverstandort in Deutschland begründet keinen Gerichtsstand
Der BGH hat mit Urteil vom 08.02.2011 (Az.: VI ZR 330/09) entschieden, dass es keinen Anspruch auf Unterlassung von Forderungs- und Mahnschreiben gibt.
Die Beklagte ist ein Internet-Service-Provider und hat versucht beim Kläger mithilfe eines Inkassobüros angeblich noch ausstehende Forderungen einzutreiben. Auch nachdem sich für den Kläger ein Rechtsanwalt angezeigt hatte, schickten die Beklagte und ein von ihr beauftragtes Inkassobüro weiterhin Zahlungsaufforderungen an den Kläger.
Das Amtsgericht hatte die Beklagte verurteilt, eine direkte Kontaktaufnahme zum Kläger zu unterlassen. Das Landgericht hat die Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der BGH hat das Berufungsurteil bestätigt.
Zur Begründung führt der BGH aus, dass ein Anspruch des Klägers, die unmittelbare Kontaktaufnahme zu unterlassen, nicht besteht, inbesbonder auch nicht gemäß §§ 1004 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers.
Der BGH ist insoweit der Ansicht, dass das berechtigte Interesse der Beklagten, ihre Ansprüche weiter zu verfolgen und den Kläger direkt anzuschreiben das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiegt und es auch keinen gesetzlichen Anspruch des Klägers darauf gebe, dass nur sein Anwalt angeschrieben wird.
posted by Stadler at 17:05
Nach einer neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 01.12.2010, Az.: I ZR 55/08) verstoßen Preisvergleichsportale für Zahnärzte nicht gegen das Wettbewerbsrecht und das zahnärztliche Berufsrecht.
Ein Zahnarzt darf auch auf einer Internetplattform ein Gegenangebot zu dem Heil- und Kostenplan oder Kostenvoranschlag eines Kollegen abgeben. Das verstößt nach Ansicht des BGH weder gegen das berufsrechtliche Kollegialitätsgebot noch gegen das Verbot berufswidriger Werbung.
Im konkreten Fall hatten zwei Zahnärzte gegen den Betreiber des Portals „2te-zahnarztmeinung.de“ geklagt.
posted by Stadler at 15:04
Kommentare deaktiviert für BGH: Preisvergleichsportale für Zahnärzte
In einem aktuellen Abmahnfall habe ich gegenüber der Rechtsanwaltskanzlei Waldorf Frommer – die die Constantin Film GmbH vertritt – den tatsächlichen Verletzter benannt und mitgeteilt, dass es sich um einen berechtigten Nutzer des passwortgeschützten W-LANs meiner Mandantin handelt, der den Anschluss aber ohne ihr Wissen zu Zwecken des Filesharing benutzt hat. Eine Unterlassungserklärung wurde abgegeben, eine Zahlung aber verweigert.
Und was kommt von Waldorf wohl für eine Antwort? Dort verweist man darauf, dass nach der Rechtsprechung des BGH eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass der Anschlussinhaber auch für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Da fragt man sich unweigerlich, ob die Kollegen das Urteil auch mal gelesen haben.
Die Vermutung, die der BGH annimmt, ist durch die Benennung des Verletzers, der das auch gar nicht abstreitet, nämlich gerade widerlegt. Nach der Rechtsprechung des BGH steht damit jedenfalls fest, dass ein Schadensersatzanspruch nicht gegeben ist. Ob ein Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten besteht, ist jedenfalls aus der BGH-Entscheidung nicht abzuleiten, nachdem der BGH über die Frage, ob der Anschlussinhaber auch für eine missbräuchliche Nutzung seines Anschlusses durch Mitbewohner oder Familienangehörige als Störer haftet, überhaupt nicht entschieden hat. Diese Frage darf weiterhin als umstritten gelten.
posted by Stadler at 14:49
Der BGH hat heute über die Zulässigkeit verschiedener Klauseln in AGB von Mobilfunkanbietern entschieden (Urteil vom 17. Februar 2011 – III ZR 35/10).
Beanstandet hat der BGH hierbei die Regelung, dass der Zugang bereits dann gesperrt werden kann, wenn ein Zahlungsverzug des Kunden mit einem Betrag von EUR 15,50 besteht. Der BGH hat die gesetzgeberische Wertung aus § 45k TKG auf den Mobilfunkbereich übertragen und hält eine Anschlusssperre erst ab einem Entgeltrückstand von EUR 75,- für möglich.
posted by Stadler at 20:39
Der BGH hat mit Beschluss vom 04.11.2010 (Az.: 4 StR 404/10) entschieden, dass Verkehrsdaten, die aus der Vorratsdatenspeicherung stammen zum Zwecke der Strafverfolgung verwertet werden dürfen, wenn die Verkehrsdaten in Übereinstimmung mit den einschränkenden Vorgaben der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08) erhoben und übermittelt worden sind.
Daran ändert nach Ansicht des BGH auch nichts, dass das BVerfG in seiner späteren Hauptsacheentscheidung zur Vorratsdatenspeicherung die Vorschriften der §§ 113a, 113b TKG sowie § 100g Abs. 1 Satz 1 StPO wegen Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 1 GG teilweise für nichtig erklärt hat. Denn die vorausgegangene einstweilige Anordnung des BVerfG stelle sog. normvertretendes Übergangsrecht dar, das für den Übergangszeitraum bis zur Hauptsachentscheidung maßgeblich bleibt. Dies ergibt sich nach Ansicht des BGH auch unmittelbar aus den Gründen des Urteils des Verfassungsgerichts vom 2. März 2010.
posted by Stadler at 11:23
In einer ausführlich begründeten Entscheidung (Urteil vom 13. Januar 2011, Az.: III ZR 146/10) legt der BGH dar, unter welchen Voraussetzungen Internet-Service-Provider dynamische IP-Adressen ihrer Kunden speichern dürfen.
Der BGH führt zunächst aus, dass die Erhebung und Verwendung von IP-Adressen nur dann statthaft ist, wenn eine gesetzliche Regelung dies ausdrücklich erlaubt.
Soweit IP-Adressen zum Zwecke der Abrechnung und Entgeltermittlung gespeichert werden, muss der Provider darlegen und beweisen, dass dies erforderlich ist. Ansonsten kann insoweit auch ein Anspruch des Kunden auf sofortige Löschung bestehen.
Der BGH schließt sich außerdem der Rechtsansicht des Bundesdatenschutzbeauftragten an, wonach die Speicherung von IP-Adressen für die Dauer von sieben Tagen denkbar ist, sofern dies zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern an Telekommunikationsanlagen gemäß § 100 Abs. 1 TKG erforderlich ist. Dafür müssen noch keine konkreten Anhaltspunkte für eine Störung oder einen Fehler vorliegen. Es genügt vielmehr, dass die in Rede stehende Datenerhebung und -verwendung geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig ist, um abstrakten Gefahren für die Funktionstüchtigkeit des Telekommunikationsbetriebs entgegenzuwirken.
posted by Stadler at 14:03
Die mit Spannung erwartete Entscheidung des BGH zur Frage der Zulässigkeit des Handels mit „gebrauchten“ Softwarelizenzen hat noch nicht die erhoffte Klärung gebracht, denn der BGH hat das Verfahren mit Beschluss vom 3. Februar 2011 Az.: I ZR 129/08 – UsedSoft) an den EuGH vorgelegt. In dem Verfahren geht es um die Weiterveräußerung von Lizenzen an Oracle Datenbanksoftware ohne Datenträger.
Die Vorlage an den EuGH muss auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 30.08.2010 (Az.: 1 BvR 1631/08) gesehen werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte einer Verfassungsbeschwerde gegen eine urheberrechtliche Entscheidung des I. Senats des BGH als offensichtlich begründet stattgegeben, weil sich der BGH mit der Frage der Vorlage an den EuGH nicht befasst hat und damit dem Beschwerdeführer der gesetzliche Richter (EuGH) vorenthalten wurde. Das hat den BGH offenbar dazu bewogen, den Streit um den Handel mit „gebrauchter“ Software vorzulegen.
In der Pressemitteilung des BGH heißt es hierzu:
Die Kunden der Beklagten greifen durch das Herunterladen der Computerprogramme – so der BGH – in das nach § 69c Nr. 1 UrhG ausschließlich dem Rechtsinhaber zustehende Recht zur Vervielfältigung der Computerprogramme ein. Da die Beklagte ihre Kunden durch das Angebot „gebrauchter“ Lizenzen zu diesem Eingriff veranlasst, kann sie auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, falls ihre Kunden nicht zur Vervielfältigung der Programme berechtigt sind. Die Kunden der Beklagten können sich nach Auffassung des BGH allerdings möglicherweise auf die Regelung des § 69d Abs. 1 UrhG berufen, die Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche Recht umsetzt und daher richtlinienkonform auszulegen ist. Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG bedarf die Vervielfältigung eines Computerprogramms – solange nichts anderes vereinbart ist – nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig ist. Es stellt sich daher die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen derjenige, der eine „gebrauchte“ Softwarelizenz erworben hat, als „rechtmäßiger Erwerber“ des entsprechenden Computerprogramms anzusehen ist. In diesem Zusammenhang kann sich auch die weitere Frage stellen, ob sich das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers erschöpft, wenn ein Computerprogramm mit seiner Zustimmung im Wege der Online-Übermittlung in Verkehr gebracht worden ist.
posted by Stadler at 19:14
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