Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

9.4.14

BGH: Saarländischer Rundfunk kann Löschung der Domain sr.de verlangen

Nach einer heute veröffentlichen Entscheidung des BGH kann der saarländische Rundfunk die Löschung der Domain „sr.de“ verlangen (Urteil vom 06.11.2013, Az.: I ZR 153/12).

Hintergrund der Auseinandersetzung war, dass der Saarländische Rundfunk gegen den Inhaber der Domain „sr.de“ bei DENIC einen sog. Dispute-Eintrag erwirkt hat, also einen Sperrvermerk, der verhindert, dass die Domain übertragen werden kann und der bewirkt, dass bei Freigabe der Domain, die Domain dann auf den Steller des Dispute-Antrags übergeht.

Der Domaininhaber hatte daraufhin auf Löschung des Dispute-Eintrag geklagt, während der beklagte Saarländische Rundfunk im Wege der Widerklage die Löschung der Domain verlangt hatte. Gegenstand der Revision zum BGH war nur noch die Frage der Domainlöschung.

Das Berufungsgericht hatte eine Verurteilung zur Löschung noch abgelehnt, weil es der Ansicht war, mit der Registrierung der Domain sei noch kein Namensgebrauch verbunden bzw. namensrechtlich noch keine Zuordnungsverwirrung eingetreten bzw. würde eine bundesweite Zuordnungsverwirrung nicht vorliegen.

Das hat der BGH anders beurteilt und einen namensmäßigen Gebrauch bejaht. Der BGH führt hierzu u.a. aus:

Der Kläger hat die Unternehmensbezeichnung „sr“ durch die Registrierung des Domainnamens „sr.de“ namensmäßig gebraucht.

Allerdings hat das Berufungsgericht angenommen, aus dem Umstand, dass die Abkürzung „sr“ als Unternehmenskennzeichen geschützt sei, folge nicht ohne weiteres, dass diese Bezeichnung bei einer Verwendung als Internetadresse auf den Namen des Betreibers hinweise. Eine aus zwei Bucstaben bestehende Abkürzung werde nicht stets als Hinweis auf einen Namen aufgefasst; vielmehr sei es aus Sicht der angesprochen Verkehrskreise ebenso möglich, dass eine solche Buchstabenfolge als Abkürzung für ein oder zwei Worte stehe, mit denen der unter diesem Domainnamen aufrufbare Inhalt bezeichnet werde.

Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden. Zwar ist es denkbar, dass der Verkehr in einem Domainnamen ausschließlich eine Beschreibung des Inhalts der damit bezeichneten Website sieht (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 – I ZR 135/10, GRUR 2012, 832 Rn. 22f. = WRP 2012, 940 – ZAPPA). Insoweit sind jedoch konkrete Feststellungen erforderlich. Daran fehlt es hier. Das Berufungsgericht hat keinerlei Feststellungen dazu getroffen, welche inhaltsbeschreibende Bedeutung die Abkürzung „sr“ haben könnte. Es bleibt deshalb bei dem Grundsatz, dass schon in dem Registrieren eines Namens und der Aufrechterhaltung der Registrierung ein Namensgebrauch liegt (vgl. BGH, GRUR 2008, 1099 Rn. 19 – afilias.de).

Bereits die Registrierung eines Domainnamens stellt also regelmäßig einen Namensgebrauch dar. Wenn darauf abgestellt werden soll, dass der Domainname nicht namensmäßig sondern beschreibend gebraucht wird, muss das Gericht hierzu konkrete Feststellungen treffen, was bedeutet, dass entsprechender Parteivortrag dazu vorliegen muss.

posted by Stadler at 14:49  

2.4.14

BGH: Keine markenrechtliche Warenähnlichkeit zwischen Bier und Knabbersachen

Im Markenrecht kommt es für die Frage einer Markenrechtsverletzung immer darauf an, ob eine sog. Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Marken besteht. Diese Verwechslungsgefahr hängt von zwei Kriterien ab, nämlich einerseits der Zeichenähnlichkeit und andererseits der Waren- bzw. Dienstleistungsähnlichkeit. Beide Aspekte stehen insofern in einer Wechselwirkung zueinander, als ein hohes Maß  an Zeichenähnlichkeit dazu führt, dass die Anforderungen an die Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sinkt und umgekehrt.

Der BGH hatte unlängst einen Fall zu entscheiden (Urteil vom 06.11.2013, Az.: I ZB 63/12), in dem sich die Marken DESPERADOS und DESPERADO gegenüberstanden und mithin ein hohes Maß an Zeichenähnlichkeit gegeben war. Das Problem bestand allerdings darin, dass die eine Marke für die Ware Bier und die andere Marke u.a. für die Waren Nüsse, Snackprodukte, Reiscracker und Popcorn eingetragen war. Das Bundespatentgericht hat insoweit eine (entfernte) Warenähnlichkeit angenommen, mit dem Argument, der Konsument sei es gewohnt, zum Bier etwas zu knabbern, weshalb er davon ausgehen würde, dass das Bier und die Snackprodukte von demselben Unternehmen stammen.

Dem ist der BGH nicht gefolgt und hat die Sache an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Der BGH geht zunächst im Ansatz ebenfalls davon aus, dass die Frage der funktionellen Ergänzung der Waren – also hier: Knabbersachen als Ergänzung zum Bier – eine maßgebliche Rolle spielen kann. Das Bundespatentgericht hat sich allerdings nach Ansicht des BGH nicht mit den Umständen befasst, die im konkreten Fall gegen die Annahme einer auch nur entfernten Warenähnlichkeit sprechen. Der BGH führt hierzu aus:

Mangels gegenteiliger Feststellungen gehört dazu auch der Umstand, dass Brauereien – selbst wenn sie zu international tätigen Lebensmittelkonzernen gehören – bislang durchweg davon abgesehen haben, im Zusammenhang mit dem Absatz ihres Bieres auf die Möglichkeit hinzuweisen, bei seinem Konsum dazu passende Esswaren der Klassen 29 bis 31 zu verzehren, die aus dem Angebot des Konzerns stammen, zu dem die jeweilige Brauerei gehört. Der angesprochene Verkehr hat im Hinblick darauf auch gegenwärtig wenig Anlass anzunehmen, dass solche Esswaren aus demselben Unternehmen oder einem wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen, wenn sie unter einer Marke vertrieben werden, die mit der Marke eines Bieres (weitgehend) übereinstimmt. Dies gilt selbst in Fällen, in denen die Esswaren und das Bier – wie das Bundespatentgericht festgestellt hat – im Einzelhandel, in der Gastronomie, an Kinokassen und in Tankstellen regelmäßig in unmittelbarer Nähe zueinander angeboten werden. Der Umstand, dass die Übereinstimmung bei den Marken beim Warenauftritt und in der Werbung bei diesen Gegebenheiten nicht genutzt wird, wird dem Verkehr eher den Eindruck vermitteln, dass die Übereinstimmung bei den Marken nicht auf einer solchen Ursprungsidentität, sondern auf Zufall oder darauf beruht, dass bei der Wahl der Marke jeweils einem aktuellen Trend oder Lebensgefühl gefolgt wurde.

posted by Stadler at 09:42  

27.3.14

BGH bestätigt Betrugsverurteilung wegen des Anpingens von Handys

Im letzten Jahr habe ich über ein Strafurteil des Landgerichts Osnabrück berichtet. Der Verurteilte hatte automatisiert massenhafte Mobiltelefone angewählt, in der Absicht, dass die Angerufenen ihn zurückrufen. Wer das gemacht hat, war mit einer kostenpflichtigen Sonderrufnummer verbunden. Das hat das Landgericht als vollendeten Betrug bewertet und entsprechend verurteilt.

Der BGH hat die Verurteilung wegen Betrugs mit Urteil vom 27.03.2014 3 (Az.: 3 StR 342/13) nunmehr bestätigt, wie Beck-Online meldet. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

posted by Stadler at 17:40  

27.3.14

Ehrverletzende Äußerung über verheiratete Frau keine Familiensache

Ein Mann behauptet über eine verheiratete Frau gegenüber deren Ehemann, sie hätte nicht an einem Tennistraining teilnehmen können, weil sie zu diesem Zeitpunkt mit ihm zusammen war. Das wollte die Frau, die offenbar ihre Ehe gefährdet sah, nicht auf sich sitzen lassen und verklagte den Mann auf Unterlassung dieser Äußerung und zwar vor dem Familiengericht. Auf die Idee, dass es sich hierbei um eine Familiensache handeln könnte, wäre ich als Nichtfamilienrechtler erst gar nicht gekommen. Die Frage war aber offenbar so spannend, dass sie schließlich beim BGH – natürlich beim Familiensenat – landete (Beschluss vom 19.02.2014, Az.: XII ZB 45/13). Und der hat dann so entschieden, wie ich es spontan vermutet hätte:

Eine besondere Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand besteht nicht. Die Antragsgegnerin verfolgt einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs.1, 1004 BGB aufgrund einer behaupteten ehrverletzenden Äußerung des Antragsgegners. Das Verfahren weist damit keine Besonderheiten auf, die eine Entscheidung durch das Familiengericht erfordern. Dass die Äußerung möglicherweise Auswirkungen auf die persönliche Beziehung der Antragstellerin zu ihrem Ehemann hat und der Fortbestand ihrer Ehe dadurch gefährdet worden ist, genügt als mittelbare Folge nicht, um eine Zuständigkeit des Familiengerichts nach § 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG zu begründen.

posted by Stadler at 17:10  

25.3.14

Wettbewerbsverhältnis durch Förderung fremden Wettbewerbs

Wettbewerbsverstöße können von Mitbewerbern nur dann abgemahnt werden, wenn ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht. An das Bestehen eines solchen Wettbewerbsverhältnisses stellt die Rechtsprechung im Interesse eines effektiven Individualrechtsschutzes allerdings keine sonderlich hohen Anforderungen und verlangt insbesondere nicht die Zugehörigkeit zur gleichen Branche. Diesen Grundsatz wiederholt der BGH auch in einer neuen Entscheidung (Urteil vom 17.10.2013, Az.: I ZR 173/12) und macht anschließend deutlich – was ebenfalls nicht neu ist – dass ein ausreichendes mittelbares Wettbewerbsverhältnis auch dann in Betracht kommt, wenn lediglich fremder Wettbewerb gefördert wird.

Insoweit stellt der BGH nun allerdings klar, dass hierbei derjenige fremden Wettbewerb fördern muss, dem auch der Verstoß vorgeworfen wird, also der Abgemahnte. Dass der abmahnende Gläubiger fremden Wettbewerb fördert, ist also regelmäßig nicht ausreichend, um ein Wettbewerbsverhältnis zu begründen.

posted by Stadler at 09:01  

12.3.14

Zugangsnachweis durch Sendebericht eines Faxes?

Die Rechtsprechung des BGH geht bekanntlich (bislang) davon aus, dass durch den OK-Vermerk im Sendeprotokoll eines Telefaxes nicht der Nachweis geführt werden kann, dass das Fax beim Empfänger auch tatsächlich (korrekt) zugegangen ist. Ob es bei dieser Rechtsprechung bleiben wird, hat der BGH in einer neuen Entscheidung (Urteil vom 19.02.2014, Az.: IV ZR 163/13) ausdrücklich offen gelassen.

Der BGH weist in dieser Entscheidung allerdings ergänzend darauf hin, dass der OK-Vermerk immerhin das Zustandekommen einer Verbindung mit der in der Faxbestätigung genannten Nummer belegt. Angesichts dieses Umstands kann sich der Empfänger laut BGH nicht auf ein bloßes Bestreiten des Zugangs beschränken, sondern muss sich vielmehr im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast näher dazu äußern, welches Gerät er an der fraglichen Gegenstelle betreibt, ob die Verbindung im Speicher enthalten ist, ob und in welcher Weise er ein Empfangsjournal führt und dieses gegebenenfalls vorlegen. Die Beweiskraft des im OK-Vermerk liegenden Indizes ist sodann unter Berücksichtigung dieses Vorbringens zu würdigen.

Der BGH geht also von einer Art Vermutung der Richtigkeit des OK-Vermerks aus, die der Empfänger dann durch konkreten Sachvortrag erschüttern muss.

posted by Stadler at 16:42  

4.3.14

Himbeer-Vanille Abenteuer ganz ohne Himbeeren und Vanille?

Teetrinker und Joghurtesser, die auch einen Blick auf die Inhaltsliste werfen, kennen das Problem, das den BGH jetzt zu einer Vorlage an den EuGH bewogen hat (Beschluss vom 26.02.2014, Az.: I ZR 45/13 – Himbeer-Vanille Abenteuer).

Ein Tee wurde unter der Bezeichnung „Himbeer-Vanille Abenteuer“ vertrieben, mit dem Vermerk „nur natürliche Zutaten“. Auf der Packung waren zudem Himbeeren und Vanilleschoten abgebildet. Tatsächlich enthielt der Tee aber keinerlei Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeere.

Der BGH geht davon aus, dass der Verbraucher aufgrund der sprechenden Bilder (Himbeeren und Vanilleschoten) auf der Verpackung davon ausgeht, dass diese Bestandteile auch enthalten sind und deshalb gar keine Veranlassung mehr sieht, dies anhand des Zutatenverzeichnisses zu überprüfen. Aus diesem Grund möchte der BGH eine Irreführung im Sinne der Richtlinie über die Etikettierung von Lebensmitteln annehmen.

In der Pressemitteilung des BGH heißt es:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 der Richtlinie über die Etikettierung von Lebensmitteln durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellung den Eindruck des Vorhandenseins einer bestimmten Zutat erwecken dürfen, obwohl die Zutat tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 dieser Richtlinie ergibt. Der EuGH hat in der Vergangenheit in Fällen, in denen sich die zutreffende Zusammensetzung eines Lebensmittels aus dem Zutatenverzeichnis ergab, die Gefahr einer Irreführung als gering eingestuft, weil er davon ausgeht, dass der mündige Verbraucher die ihm gebotenen Informationsmöglichkeiten wahrnimmt. Nach Ansicht des BGH können diese Grundsätze aber dann nicht gelten, wenn – wie im Streitfall – der Verbraucher aufgrund der Angaben auf der Verpackung bereits die eindeutige Antwort auf die Frage erhält, ob der Geschmack des Produkts durch aus Himbeerfrüchten und Vanillepflanzen gewonnene Aromen mitbestimmt wird. In einem solchen Fall hat auch der mündige Verbraucher keine Veranlassung mehr, sich anhand des Zutatenverzeichnisses zusätzlich zu informieren.

posted by Stadler at 09:24  

25.2.14

Das Urteil des BGH zum Schufa-Scoring im Volltext

Das Urteil des BGH, wonach die Schufa zwar Auskunft darüber erteilen muss, welche personenbezogenen Daten in ein Scoring-Verfahren einfließen, allerdings nicht darüber, wie diese Daten gewichtet werden, ist kontrovers diskutiert worden. Jetzt liegt das Urteil im Volltext vor. Die von mir geäußerte Kritik halte ich auch nach Lektüre der Urteilsgründe aufrecht.

Nach der gesetzlichen Regelung des § 34 Abs. 4 Nr. 4 BDSG hat der Betroffene Anspruch darauf, dass ihm das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form erläutert wird. Der BGH meint, dass es dafür ausreichend sei, wenn durch die Schufa dargestellt wird, welche Daten einfließen. Nicht erläutert werden muss, wie diese Daten genau gewichtet werden und wie der Scoringwert letztlich zustande kommt.

Man kann an dieser Stelle bereits die Frage stellen, ob der Betroffene damit tatsächlich in die Lage versetzt wird, wie vom Gesetz gefordert, die Bedeutung des Wahrscheinlichkeitswertes zu verstehen.

Der BGH berücksichtigt auch nicht hinreichend, dass die Vorschrift des § 34 Abs. 4 BDSG nichts anderes ist, als ein Ausfluss des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die Entscheidung des BGH führt letztlich dazu, dass man der Schufa und anderen Auskunfteien gestattet, personenbezogene Daten nach einer geheimen Formel zu verarbeiten und für ein Scoring zu gewichten, ohne, dass man dem Betroffenen eine transparente Auskunft darüber schuldet, wie der Scoringwert tatsächlich zustande kommt. In verfassungsrechtlicher Hinsicht räumt der BGH damit den wirtschaftlichen Interessen der Schufa Vorrang vor der informationellen Selbstbestimmung des Betroffenen ein. Ein Abwägungsergebnis, das man von Verfassungs wegen als problematisch betrachten muss.

Der BGH macht in seinem Urteil weitschweifige Ausführungen zur Intention des Gesetzgebers und stellt damit die historische Auslegung in den Vordergrund. Demgegenüber wird dem zugrundeliegenden Grundrechtskonflikt ersichtlich keine Bedeutung beigemessen.

Bezeichend für die Argumentation des BGH erscheint mir beispielsweise die Aussage, dass eine darüber hinausgehende Auskunft nicht hilfreich wäre, weil auf eine Änderung des Scorewerts selbst bei Zugrundelegung zutreffender Ausgangstatsachen ohnehin kein Anspruch besteht. Die Folge dieser Rechtsprechung des BGH ist es allerdings, dass der Betroffene noch nicht einmal nachprüfen kann, ob zutreffende Ausgangstatsachen zugrunde gelegt wurden, solange nicht dargestellt wird, wie diese Ausgangstatsachen im konkreten Einzelfall gewichtet worden sind. Genau dieser Aspekt spricht allerdings dafür, dass eine weitergehende Transparenz hergestellt werden muss, weil der Betroffene ansonsten gar nicht nachprüfen kann, ob das Ergebnis überhaupt auf einer nachvollziehbaren Gewichtung aller (angeblich) eingeflossenen Ausgangstatsachen beruht. Der Sinn und Zweck des Gesetzes wird damit nicht erreicht.

Auch die Ausführungen des BGH zur Auslegung der Datenschutzrichtline überzeugen nicht. Insoweit stellt sich zudem die Frage, ob nicht eine Vorlage an den EuGH geboten war.

Art. 12 a der Richtlinie gewährt den Betroffenen einen Anspruch auf Auskunft über den logischen Aufbau der automatisierten Verarbeitung der sie betreffenden Daten, zumindest im Fall automatisierter Entscheidungen im Sinne von Artikel 15 Absatz 1. Der BGH geht nun davon aus, dass der Scoringwert der Schufa keine automatisierte Einzelentscheidung ist, die rechtliche Folgen nach sich zieht und den Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Zumindest seien solche Folgen im konkreten Fall nicht festgestellt worden. Der Sachverhalt könnte also anders zu beurteilen sein, wenn der Betroffene darlegen kann, dass er aufgrund des Schufa-Scorings beispielsweise einen Kredit nicht erhalten hat.

posted by Stadler at 09:48  

7.2.14

Gesponserte redaktionelle Presseveröffentlichungen müssen weiterhin als Anzeige gekennzeichnet werden

Die deutschen Landespressegesetze regeln, dass entgeltliche Veröffentlichungen deutlich als Anzeige gekennzeichnet werden müssen. Die Frage, ob diese Regelungen des deutschen Rechts mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken vereinbar ist, hatte der BGH 2012 dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

Der EuGH hat dann mit Urteil vom 17.10.2013 (Az.: C?391/12) entschieden, dass der Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie auf Fälle dieser Art überhaupt nicht eröffnet ist. Das zentrale Argument des EuGH hierbei war, dass das Verhalten des Presseunternehmens, das einen bezahlten Text nicht als Anzeige kennzeichnet, nicht geeignet sei, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers bei seiner Entscheidung, das Blatt zu erwerben oder zur Hand zu nehmen, wesentlich zu beeinflussen.

Der BGH hat infolge des Urteils des EuGH nunmehr entschieden, dass bezahlte (redaktionelle) Beiträge auch weiterhin entsprechend der Landespressegesetze als Anzeige gekennzeichnet werden müssen und ein Verstoß hiergegen über §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig ist (BGH, Urteil vom 6.02.2014, Az.: ­ I ZR 2/11 ­ GOOD NEWS II).

posted by Stadler at 15:30  

6.2.14

GEMA fordert Gebühren für Embedded-Videos

Blogger, Facebooknutzer und Redakteure von Internetportalen machen es praktisch jeden Tag: Sie betten Filme von Videoplattformen wie YouTube mittels eines Embedded-Links in das eigene Angebot ein. YouTube bietet hierfür unterhalb des Videos bereits einen entsprechenden Code an, den man mittels Copy & Paste einfach übernehmen kann. In technischer Hinsicht handelt es sich hierbei um einen sog. Inlineframe (iFrame). Dieser stellt im Grunde nur eine qualifizierte Form einer Verlinkung dar, das Video wird technisch betrachtet vom Nutzer nach wie vor via YouTube gestreamt. Durch die Einbettung wird lediglich ein Vorschaubild auf das YouTube-Video erzeugt, das direkt angeklickt werden kann.

Die GEMA hat gerade erklärt, dass sie beabsichtigt, für derartige Nutzungshandlungen künftig Gebühren zu verlangen. Wenn also schon YouTube nicht zahlt, dann sollen wenigstens die Nutzer bezahlen, die YouTube-Videos weiterverbreiten, so offenbar das Kalkül der GEMA. Die Frage ist insoweit aber zunächst, ob tatsächlich eine GEMA-pflichtige urheberrechtliche Nutzungshandlung vorliegt.

Wie ist die geltende Rechtslage?

Ob das Embedding eine Urheberrechtsverletzung darstellt, war bislang in der Rechtsprechung und der juristischen Literatur umstritten. Der BGH hat sich dann im letzten Jahr mit dieser Frage beschäftigt und die Auffassung vertreten, dass zwar kein Fall einer öffentlichen Zugänglichmachung vorliegt, aber ein sog. Zueigenmachen gegeben sei, mit der Konsequenz, dass dies als öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Infosoc-Richtlinie eingestuft werden müsse. Der BGH hat diese Frage allerdings nicht abschließend entschieden, sondern vielmehr dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Es wird also jetzt alles davon abhängen, wie der EuGH das Einbetten urheberrechtlich bewertet.

Warum ich die Entscheidung des BGH für falsch halte, habe ich hier gebloggt und in der gerade erschienenen Neuauflage des Juris Praxiskommentars zum Internetrecht (Roggenkamp/Stadler in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 4. Aufl. 2014, Kap. 10, Rn. 422 ff.) etwas ausführlicher kommentiert.

Der Ansatz des BGH, wonach das fremde Werk zum integralen Bestandteil der eigenen Internetseite gemacht wird, ist schon in tatsächlicher Hinsicht nicht zutreffend. Denn für den maßgeblichen Durchschnittsnutzer bleibt ohne weiteres erkennbar, dass er einen Stream startet, der von einer externen Videoplattform (YouTube) stammt. Letztlich handelt es sich nur um eine qualifizierte, zeitgemäße Variante des Hyperlinks,  die gerade in Blogs und sozialen Netzwerken mittlerweile der üblichen Nutzung entspricht. Der BGH differenziert nicht ausreichend deutlich zwischen unterschiedlichen Formen des Einbettens. Ein Inlinelink, bei dem tatsächlich der Eindruck entstehen muss, beispielsweise ein Bild sei integraler Bestandteil der eigenen Website, kann nicht mit einem Embedded-Video gleichgesetzt werden.

Die Ansicht des BGH führt auch zu weiteren, kaum auflösbaren Wertungswidersprüchen. Die Annahme eines Zueigenmachens führt haftungsrechtlich nämlich zu einer Haftung wie für eigene Inhalte. Derjenige, der ein YouTube-Video einbettet, würde damit strenger haften als YouTube selbst, das sich unstreitig auf die Haftunsbeschränkungen eines Hostingproviders berufen kann. Diese praktische Konsequenz ist widersinnig, weil der Nutzers im Vergleich zu YouTube ja weniger und nicht mehr macht, als die Videoplattform.

Was ist künftig geplant?

Derzeit läuft die öffentliche Anhörung zur Evaluierung der urheberrechtlichen Regelungen des EU-Rechts, die unlängst bis zum 05.03.2014 verlängert wurde. Im Rahmen dieses Gesetzgebungsprozesses fordern Verwertungsgesellschaften wie die österreichische AKM oder die GEMA eine Vergütungspflicht für das Einbetten von urheberrechtlichem Content. Parallel zur gerichtlichen Klärung wird also auch versucht, ein erweiterte ausdrückliche gesetzliche Regelung zugunsten von GEMA & Co. zu verankern.

Man kann sich an diesem Evaluierungsprozess übrigens auch aktiv beteiligen und versuchen, das Urheberrecht anders als vielleicht von der GEMA erhofft, umzugestalten.

posted by Stadler at 10:09  
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