Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

28.5.14

BGH zur Frage, wann ein Sachmangel erheblich ist

Nach der Regelung des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB kann man dann nicht von einem Vertrag zurücktreten, wenn zwar eine nicht vertragsgemäße Leistung vorliegt, aber die Pflichtverletzung, beispielsweise ein Sachmangel, unerheblich ist.

Darüber, wann speziell ein Mangel erheblich ist, besteht seit jeher Streit. Die Rechtsprechung und Kommentarliteratur war bislang überwiegend davon ausgegangen, dass ein Mangel dann als  erheblich zu betrachten ist, wenn die Kosten der Mängelbeseitigung mindestens 10 % des Kaufpreises betragen. Von dieser Fausregel weicht der BGH in einer neuen Entscheidung (Urteil vom 28. Mai 2014, Az.: VIII ZR 94/1) jetzt ab und zieht die Grenze für den Regelfall bereits bei 5%. In der Pressemitteilung des BGH heißt es hierzu:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB im Rahmen der auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel bereits dann erreicht ist, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet. Von einem geringfügigen Mangel, der zwar den Rücktritt, nicht aber die übrigen Gewährleistungsrechte ausschließt, kann hingegen in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand die vorgenannte flexible Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt.

Die Entscheidung ist für das Kaufrecht von erheblicher Bedeutung, weil damit die Möglichkeit eines Rücktritts bei kleineren Mängeln früher als bisher gegeben ist.

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28.5.14

BGH zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Stadtplänen und Landkarten

Der BGH hat in einem aktuellen Hinweisbeschluss erneut zur Frage der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Stadt- und Landkarten Stellung genommen (Hinweisbeschluss vom 26.02.2014, Az.: I ZR 121/13). Der Senat wiederholt zunächst die insoweit bekannte Rechtsprechung:

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG gehören zu den geschützten Werken der Wissenschaft Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. Zu den nach dieser Bestimmung geschützten Werken können auch Stadtpläne und Landkarten gehören, wenn es sich um persönliche geistige Schöpfungen handelt (BGH, Urteil vom 28. Mai 1998 – I ZR 81/96, BGHZ 139, 68, 71 – Stadtplanwerk).

Anschließend macht der BGH deutlich, dass es im konkreten Fall auf den Werkcharakter des vom Beklagten im Internet vervielfältigten Stadtplanausschnitts ankommt.

Sodann erläutert der BGH die Anforderungen an die Schutzfähigkeit von Stadtplänen und Landkarten noch etwas genauer:

Stadtpläne und Landkarten können als Darstellungen wissenschaftlich-technischer Art gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG Urheberrechtsschutz genießen, wenn es sich um persönliche geistige Schöpfungen im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG handelt. Die schöpferische Eigentümlichkeit einer Karte kann sich bereits daraus ergeben, dass die Karte nach ihrer Konzeption von einer individuellen kartographischen Darstellungsweise geprägt ist, die sie zu einer in sich geschlossenen eigentümlichen Darstellung des betreffenden Gebiets macht. Die urheberrechtlich bedeutsamen schöpferischen Züge können insoweit in der Gesamtkonzeption liegen, mit der durch die individuelle Auswahl des Dargestellten und die Kombination von – meist bekannten- Methoden (z.B. bei der Generalisierung) und von Darstellungsmitteln (z.B. bei der Farbgebung, Beschriftung oder Symbolgebung) ein eigentümliches Kartenbild gestaltet worden ist (BGHZ 139, 68, 72 – Stadtplanwerk; BGH, GRUR 2005, 854, 856 – Karten-Grundsubstanz).

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23.5.14

BGH zur namentlichen Nennung von Kindern von Prominenten in der Berichterstattung

Dass der bekannte Fernsehmoderator Günther J. – so anonymisiert der BGH! – äußerst streitfreudig ist, wenn es um die Verteidung seines Persönlichkeitsrechts oder das seiner Familienmitglieder geht, ist nicht neu.

Im konkreten Fall wollte die im Zeitpunkt der Veröffentlichung zwölf Jahre alte Tochter von Günther J. untersagen lassen, darüber zu berichten, dass sie ein Kind des Moderators ist. Das Problem war allerdings, dass auch in den Jahren vorher schon mehrere Pressberichte erschienen sind, in denen die Kinder von J. namentlich genannt waren. Gerade vor diesem Hintergrund war der BGH in seinem Urteil vom 29.04.2014 (Az.: VI ZR 137/13) der Ansicht, dass die Meinungs- und Pressefreiheit im konkreten Fall die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts überwog, weil die neuerliche Berichterstattung keinen eigenständigen Verletzungsgehalt aufweist. Wäre es die erste Berichterstattung dieser Art gewesen, hätte der BGH möglicherweise anders entschieden. Der BGH spricht in diesem Urteil übrigens nicht mehr von Presse- sondern von Medienfreiheit. Die maßgeblichen Passagen des Urteils lauten:

Der Name der Klägerin, ihr Alter und das zwischen ihr und Günther J. bestehende Kindschaftsverhältnis waren damit bereits vor der Veröffentlichung einer großen Zahl von Personen bekannt geworden, die sie ihrerseits weitergeben konnten. Die Klägerin hatte ihre Anonymität vor der angegriffenen Berichterstattung verloren; angesichts der Kürze der zwischen den letzten Vorveröffentlichungen und der angegriffenen Berichterstattung liegenden Zeit hatte sie ihre Anonymität noch nicht wieder erlangt. Die angegriffene Berichterstattung fügte dem nichts Neues hinzu und hatte damit keinen eigenständigen Verletzungsgehalt (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1999 – VI ZR 264/98, VersR 1999, 1250, 1252; BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 33; EGMR, NJW 1999, 1315, 1318).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Veröffentlichung der bereits bekannten Informationen auch nicht deshalb rechtswidrig, weil ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht bestehe und Veröffentlichungen über die persönlichen Verhältnisse des Vaters der Klägerin erfolgen könnten, ohne dass der Vorname und das Alter der Klägerin mitgeteilt würden. Zwar wertet die Veröffentlichung der persönlichen Daten der Klägerin den Artikel über den Auftritt von Günther J. beim Campus – Talk an der Goethe-Universität nur in seinem Unterhaltungswert auf und macht ihn anschaulicher. Es gehört aber zum Kern der Meinungs-und Medienfreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses wert halten und was nicht. Dabei können auch unterhaltende Beiträge, etwa über prominente Personen oder über ihren sozialen Kontext, am Schutz der Meinungsfreiheit teilnehmen (vgl. Senatsurteile vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, AfP 2012, 53 Rn. 19; vom 10. März 2009 – VI ZR 261/07, BGHZ 180, 114 Rn. 11; vom 28. Oktober 2008 – VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 13; vom 14. Oktober 2008 – VI ZR 256/06, AfP 2008, 606 Rn. 13). Denn die Meinungsfreiheit ist nicht nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt, sondern garantiert primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 27; BVerfG, AfP 2010, 145 Rn. 28; AfP 2010, 365 Rn. 29)

posted by Stadler at 10:43  

22.5.14

Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Persönlichlichkeitsrechtsverletzung ist nicht vererblich

Der BGH hat mit Urteil vom 29.04.2014 (Az.: VI ZR 246/12) entschieden, dass der Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich nicht auf den Erben übergeht. Im konkreten Fall hatte noch der Erblasser die Klage erhoben, war aber bereits vor Zustellung der Klage verstorben. Der Prozess ist dann vom Erben fortgeführt worden.

Gegen die Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs spricht nach Ansicht des BGH vor allem seine Funktion, bei der der Genugtuungsgedanke im Vordergrund steht. Im Urteil wird dazu u.a. folgendes ausgeführt:

Bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung steht regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 10. Januar 2006 – VI ZB 26/05, VersR 2006, 673 Rn. 16; Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 – VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 206; vom 5. Oktober 2004 – VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; vom 15. November 1994 – VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15; vom 5. Dezember 1995 – VI ZR 332/94, VersR 1996, 339, 340; vom 4. Juni 1974 – VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080, 1082 – Fiete Schulze). Da einem Verstorbenen Genugtuung für die Verletzung seiner Persönlichkeit nicht mehr verschafft werden kann, scheidet nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes aus (Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 – VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 206 f. mwN; vom 4. Juni 1974 – VI ZR 68/73, VersR 1974, 1080, 1082 – Fiete Schulze). Erfolgt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar noch zu Lebzeiten des Verletzten, stirbt dieser aber, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden ist, verliert die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Gründe, vom Fortbestehen des Geldentschädigungsanspruchs über den Tod des Verletzten hinaus auszugehen, bestehen unter diesem Gesichtspunkt im Allgemeinen mithin nicht.

Der von der Revision herangezogene Gedanke der Prävention kann vorliegend zu keiner anderen Beurteilung führen. Zwar trifft es zu, dass der Geldentschädigungsanspruch auch der Prävention dient (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, VersR 2014, 381 Rn.38; vom 6. Dezember 2005 – VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 207 mwN; vom 5. Oktober 2004 – VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; Müller in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 51 Rn. 7, 10; jeweils mwN). Der Präventionsgedanke vermag die Gewährung einer Geldentschädigung – auch in dem von der Revision vorliegend für gegeben erachteten Fall der Zwangskommerzialisierung – aber nicht alleine zu tragen (…).

 

posted by Stadler at 11:56  

13.5.14

Reichweite des Unterlassungsgebots beim Bilderklau im Internet

Wenn ein (urheberrechtliches) Unterlassungsurteil auf drei Fotos beschränkt ist, dann stellt eine Benutzung weiterer Fotos desselben Fotografen bzw. Rechteinhabers keinen Verstoß gegen das Unterlassungsgebot dar, wenn nur die drei Fotos Gegenstand des Rechtsstreits waren. Insbesondere eine Verletzung von Rechten, die im Zeitpunkt des Erkenntnisverfahrens noch gar nicht entstanden waren, kann keinen Verstoß gegen das Unterlassungsurteil begründen. Der BGH führt in einer neuen Entscheidung (Beschluss vom 03.04.2014, Az.: I ZB 42/11) hierzu folgendes aus:

Die Kerntheorie erlaubt aber nicht, die Vollstreckung aus einem Unterlassungstitel auf Schutzrechte zu erstrecken, die nicht Gegenstand des vorhergehenden Erkenntnisverfahrens gewesen sind. Insbesondere kommt keine Vollstreckung von Ordnungsmitteln wegen der Verletzung solcher Schutzrechte in Betracht, die zur Zeit des Erkenntnisverfahrens noch nicht einmal entstanden waren. Denn dies wäre eine wegen des Sanktionscharakters der Ordnungsmittel des § 890 ZPO unzulässige Titelerweiterung. Demgegenüber beschränkt sich die Kerntheorie darauf, ein im „Kern“ feststehendes und bei dessen sachgerechter Auslegung auch eine abweichende Handlung bereits umfassendes Verbot auf Letztere anzuwenden (BGH, Urteil vom 30. März 1989 – I ZR 85/87, W RP 1989, 572, 574 – Bioäquivalenz – Werbung, insoweit nicht in BGHZ 107, 136; vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10.Aufl., Kap. 57 Rn. 14). Das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung maßgeblich ist, ist daher auf das beschränkt, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen ist (vgl. Teplitzky aaO Kap. 57 Rn. 12; Spätgens in Gloy/Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 112 Rn. 52). Da bjedes Schutzrecht – im Streitfall jedes vom Gläubiger angefertigte Lichtbild – einen eigenen Streitgegenstand darstellt, kann sich das rechtlich Charakteristische der konkreten Verletzungsform nicht über die konkreten Schutzrechte hinaus erstrecken, die Gegenstand des Erkenntnisverfahrens waren. Eine Ausnahme davon ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn es sich um gleichartige Schutzrechte desselben Rechtsinhabers handelt. Nur so ist der Umfang der Rechtskraft sicher feststellbar und eine Grundlage der Vollstreckung gegeben, die den Bestimmtheitsanforderungen genügt (vgl. BGH, WRP 1989, 572, 574 – Bioäquivalenz-Werbung).

posted by Stadler at 10:03  

7.5.14

Anspruch auf kostenlose Eintragung der Geschäftsbezeichnung in das Telefonbuch

Nach § 45m TKG kann man von seinem Telefonanbieter jederzeit verlangen, mit seiner Rufnummer, seinem Namen, seinem Vornamen und seiner Anschrift in ein allgemein zugängliches, nicht notwendig anbietereigenes Teilnehmerverzeichnis (Telefonbuch) kostenfrei eingetragen zu werden.

Eine Versicherungsagentur verlangte den Eintrag in das gedruckte Telefonbuch und „dastelefonbuch.de“ unter der Geschäftsbezeichnung  X. (= Name der Versicherung) Kundendienstbüro Y.Z. (=Vorname und Nachname). Der Telefondiensteanbeiter meinte, es sei nur der Eintrag von Vorname und Nachname mit dem Zusatz Versicherungen geschuldet.

Der BGH hat mit Urteil vom 17. April 2014 (Az.: III ZR 87/13), das jetzt auch im Volltext vorliegt, entschieden, dass zum Namen im Sinne von § 45 m TKG auch die vollständige, tatsächlich geführte geschäftliche Bezeichnung gehört und nicht nur die handelsrechtliche Firma. Der BGH hält es nicht für maßgeblich, ob ein Geschäftsname im Handelsregister oder in der Handwerksrolle eingetragen ist, weil dies andernfalls zu einer nicht gerechtfertigten Bevorzugung eingetragener Unternehmen führen würde.

Der Kläger hatte also einen Anspruch auf Eintragung in die gedruckte Fassung und die Onlineversion des Telefonbuchs in der von ihm beantragten Art und Weise.

posted by Stadler at 21:45  

5.5.14

BGH entscheidet erneut über „Screen Scraping“

Der BGH hat letzte Woche erneut über einen Fall des sog. Screen Scraping entschieden (Urteil vom 30. April 2014, Az.:  I ZR 224/12 – Flugvermittlung im Internet).

Im konkreten Fall ging es um das automatisierte Auslesen der Onlinedatenbank einer Fluggesellschaft, wobei die Flugdaten anschließend anderweitig für Nutzer aufbereitet bzw. angezeigt wurden. Der BGH hatte in einer früheren Entscheidung bereits eine Urheberrechts- und Wettbewerbsrechtsverletzung verneint. Ähnlich hatte u.a. auch das OLG Frankfurt vor einigen Jahren entschieden.

Im konkreten Fall kam hinzu, dass die Daten nur dann auslesbar waren, wenn man zuvor die AGB der Fluggesellschaft akzeptiert hatte, in denen das Screen Scraping ausdrücklich untersagt worden ist. Aber auch das genügte dem BGH nicht für die Annahme einer Rechtsverletzung. In der Pressemitteilung des BGH heißt es dazu:

Der Bundesgerichtshof hat eine wettbewerbswidrige Behinderung der Klägerin gemäß § 4 Nr. 10 UWG verneint. Im Streitfall führt eine Gesamtabwägung der Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der Allgemeinheit nicht zu der Annahme, dass die Klägerin durch die beanstandete Vermittlung von Flügen durch die Beklagte ihre Leistungen am Markt durch eigene Anstrengungen nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann. Erforderlich ist insoweit eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeit, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmomente aufweist. Allein der Umstand, dass sich die Beklagte über den von der Klägerin in ihren Geschäftsbedingungen geäußerten Willen hinwegsetzt, keine Vermittlung von Flügen im Wege des sogenannten „Screen-Scraping“ zuzulassen, führt nicht zu einer wettbewerbswidrigen Behinderung der Klägerin. Ein Unlauterkeitsmoment kann allerdings darin liegen, dass eine technische Schutzvorrichtung überwunden wird, mit der ein Unternehmen verhindert, dass sein Internetangebot durch übliche Suchdienste genutzt werden kann. Einer solchen technischen Schutzmaßnahme steht es aber – anders als es das Berufungsgericht angenommen hat – nicht gleich, dass die Klägerin die Buchung von Reisen über ihre Internetseite von der Akzeptanz ihrer Geschäfts- und Nutzungsbedingungen durch Ankreuzen eines Kästchens abhängig macht und die Beklagte sich über diese Bedingungen hinwegsetzt. Der Bundesgerichtshof hat auch nicht angenommen, dass die Interessen der Klägerin die der Beklagten überwiegen. Das Geschäftsmodell der Beklagten fördert die Preistransparenz auf dem Markt der Flugreisen und erleichtert dem Kunden das Auffinden der günstigsten Flugverbindung. Dagegen wiegen die Interessen der Klägerin daran, dass die Verbraucher ihre Internetseite direkt aufsuchen und die dort eingestellte Werbung und die Möglichkeiten zur Buchung von Zusatzleistungen zur Kenntnis nehmen, nicht schwerer. Das Oberlandesgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob der Klägerin Ansprüche wegen Irreführung und nach den Grundsätzen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes zustehen.

Der BGH würde es also als unlauter betrachten, wenn durch das Screen Scraping ein technischer Schutzmechanismus umgangen wird. Dass der Zugriff von der Akzeptanz der AGB abhängig gemacht wird, stellt nach Ansicht des BGH aber keine technische Schutzmaßnahme dar. Der BGH hält aber Ansprüche wegen Irreführung und/oder Verstoß gegen die Grundsätze des (ergänzenden) wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes für denkbar. Je nachdem wie das OLG diese nicht thematisierten Aspekte betrachtet, könnte der Fall also durchaus nochmals beim BGH landen.

In den letzten Jahren haben fast alle damit befassten Gerichte eine Rechtsverletzung durch ein sog. Screen Scraping verneint, während die Rechtsprechung zunächst uneinheitlich war.

posted by Stadler at 15:06  

17.4.14

BGH-Entscheidung zum E-Learning im Volltext

Das Urteil des BGH zur Auslegung der Schrankenbestimmung des § 52a UrhG, das ich hier anhand der Pressemitteilung bereits besprochen hatte, liegt nunmehr im Volltext vor (Urteil vom 28.11.2013, Az.: I ZR 76/12 – Meilensteine der Psychologie). Der BGH hat mit seinem Urteil eine äußerst restriktive Entscheidung des OLG Stuttgart aufgehoben.

Gegenstand der Entscheidung ist die Frage, in welchem Umfang eine Hochschule ihren Studenten im Rahmen geschlossener Lernplattformen Inhalte aus Lehrbüchern zur Verfügung stellen darf.

Die Leitsätze der BGH-Entscheidung lauten wie folgt:

a) Werden von einem Sprachwerk höchstens 12% der Seiten des gesamten Werkes und nicht mehr als 100 Seiten zur Veranschaulichung im Unterricht an einer Hochschule öffentlich zugänglich gemacht, handelt es sich dabei um im Sinne von § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG „kleine“ Teile eines Werkes. Bei der Prüfung, ob danach kleine Teile eines Werkes öffentlich zugänglich gemacht worden sind, sind sämtliche Seiten zu berücksichtigen, die keine Leerseiten sind und deren Inhalt überwiegend aus Text besteht.
b) Das Öffentlich-Zugänglichmachen dient schon dann im Sinne von § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG der „Veranschaulichung“ im Unterricht, wenn der Lehrstoff dadurch verständlicher dargestellt und leichter erfassbar wird. Das ist auch dann der Fall, wenn die Lektüre der zugänglich gemachten Texte dazu geeignet ist, den im Unterricht behandelten Lehrstoff zu vertiefen oder zu ergänzen.

posted by Stadler at 14:29  

16.4.14

BGH: In der Werbung mit Elektrogeräten muss die Typenbezeichnung angegeben werden

Wer für technische Geräte wirbt, muss in seiner Werbung die genaue Typenbezeichnung des Geräts angeben. Nach einer aktuellen Entscheidung des BGH handelt es sich hierbei um ein wesentliches Merkmal der Ware im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG (Urteil vom 19.02.2014, Az.: I ZR 17/13). Die Vorenthaltung wesentlicher Informationen, die für eine informierte geschäftliche Entscheidung des Kunden notwendig sind, ist unlauter. Als eine solche wesentliche Information sieht der BGH auch die Typenbezeichnung eines Elektrohaushaltsgeräts an und führt dazu aus:

Entgegen der Ansicht der Revision ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Typenbezeichnung eines Elektrohaushaltsgeräts sei ein wesentliches Merkmal der Ware im Sinne von § 5a Abs.´3 Nr. 1 UWG, auch nicht deshalb rechtlich verfehlt, weil die Typenbezeichnung als frei wählbare Phantasiebezeichnung keine Information bereithält, die unmittelbar die Beschaffenheit des Produkts betrifft. Wesentliche Merkmale des Produkts im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG sind nicht nur solche, die einen Bezug zur Qualität oder zur Brauchbarkeit des angebotenen Produkts haben, sondern alle Merkmale des Produkts, die für die geschäftliche Entscheidung relevant sind, vor die der Verbraucher durch das ihm gemachte Angebot gestellt wird (vgl. Fezer/Peifer, UWG, 2. Aufl., § 5a Rn. 43). Bei einer Typenbezeichnung folgt der für die Merkmalseigenschaft erforderliche Bezug zum angebotenen Produkt daraus, dass dieses als mit ihr individualisierbar bezeichnet wird; denn diese Individualisierung ermöglicht es dem Verbraucher, das Produkt genau zu identifizieren und – darauf aufbauend – dessen Eigenschaften und Preis mit den Eigenschaften und dem Preis konkurrierender Produkte und konkurrierender Angebote zu vergleichen.

posted by Stadler at 14:12  

10.4.14

Deutsche Gerichte können für englischsprachige Pressemitteilungen im Internet zuständig sein

Der BGH hat bereits mehrfach entschieden, dass sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte für Rechtsverletzungen im Internet danach bestimmt, ob die veröffentlichten Inhalte einen ausreichenden Inlandsbezug aufweisen. Sowohl nach § 32 ZPO als auch nach der Brüssel-I-VO (EuGVVO) besteht bei unerlaubten Handlungen eine Zuständigkeit auch an dem Ort, an dem ein schädigendes Ereignis entritt oder einzutreten droht (sog. Erfolgsort).

Bei Wettbewerbsverstößen bejaht der BGH einen solchen Erfolgsort nur dann, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf den inländischen Markt auswirken soll. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der in der Internetveröffentlichung genannte Mitbewerber seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Lebensmittelpunkt im Inland hat.

Nach einer heute veröffentlichten Entscheidung des BGH (Urteil vom 12.12.2013, Az.: I ZR 1 3 1/12) kann sich der Inhalt einer englischsprachigen Version einer Website bereits dann in Deutschland auswirken, wenn die Besucher der deutschsprachigen Fassung dort die Möglichkeit erhalten zur englischen Version zu wechseln. Allerdings muss man dort dann Zugriff auf (englischsprachige) Inhalte erhalten, die sich im konkreten Fall mit angeblichen Wettbewerbsverstößen eines deutschen Unternehmens beschäftigen und damit Inlandsbezug aufweisen.

Der Leitsatz der BGH-Entscheidung lautet folgendermaßen:

Eine englischsprachige Pressemitteilung auf einer englischsprachigen Internetseite soll sich bestimmungsgemäß auch auf den inländischen Markt auswirken, wenn Besuchern einer deutschsprachigen Fassung dieser Internetseite, die sich vor allem an Nutzer im Inland richtet, gezielt die Möglichkeit eröffnet wird, zu der englischsprachigen Internetseite zu gelangen und die englischsprachige Pressemitteilung sich mit einem Internetauftritt auseinandersetzt, der sich vor allem an Nutzer im Inland richtet.

Dieser Ansatz geht relativ weit. Noch nachvollziehbar wäre es gewesen, wenn die besagte englischsprachige Pressemitteilung von der deutschsprachigen Fassung der Website aus direkt verlinkt worden wäre. So war es aber offenbar nicht. Es genügte dem BGH, dass man über ein Drop-Down-Menü zur englischsprachigen Version wechseln konnte, eine Funktionalität, die mehrsprachige Websites fast immer anbieten.

Allerdings hat auch der VI. Zivilsenat des BGH in der Vergangenheit die Zuständigkeit deutscher Gerichte für Onlineveröffentlichungen in den USA schon eher großzügig angenommen.

posted by Stadler at 15:18  
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