Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.5.11

Zuständigkeit deutscher Gerichte für Internetveröffentlichungen

Der BGH hatte sich kürzlich mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen bei Veröffentlichungen im Internet von einem ausreichenden Inlandsbezug auszugehen ist, mit der Folge, dass die deutschen Gerichte (international) zuständig sind (Urteil vom 29.03.2011, Az.: VI ZR 111/10). Über das Verfahren hatte ich bereits berichtet.

Ein in Deutschland lebender Russe hat von einer ehemaligen Schulfreundin, die in den USA wohnt, u.a. die Unterlassung von Internetveröffentlichungen zu seiner Person verlangt. Die Parteien sind in Russland gemeinsam zur Schule gegangen und haben sich am 29. Juni 2006 in der Wohnung des Klägers in Moskau getroffen. Die Beklagte verfasste nach ihrer Rückkehr in die USA einen Bericht  „Sieben  Tage  in  Moskau  – Der  dritte  Tag“ und stellte diesen von dort aus in das Internet. Sie äußerte sich darin auch über die Lebensumstände und das äußere Erscheinungsbild des Klägers. Der Text ist auf der in russischer Sprache und kyrillischer Schrift verfassten Internetseite www.womanineurope.com, die von einer Firma in Deutschland betrieben wird, veröffentlicht.

Der BGH hat eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte verneint und darauf hingewiesen, dass weder der Wohnsitz des Klägers im Inland noch der Standort des Servers einen ausreichenden Inlandsbezug begründen. Der BGH führt hierzu aus:

Würde der inländische Wohnsitz des Klägers als möglicher Schadensort ausreichen, um einen Gerichtsstand im Inland zu begründen, wäre der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung schon nach deren schlüssiger Behauptung in allen Ländern eröffnet,  in denen jemand – möglicherweise sogar zeitlich erst nach dem die Haftung begründenden Vorfall – einen Wohnsitz begründet. Es käme – in ähnlicher Weise wie bei der abzulehnenden Anknüpfung an die bloße Abrufbarkeit im Internet (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 2. März 2010 – VI ZR 23/09, aaO Rn. 17) – zu einer uferlosen Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten. Der Gerichtsstand wäre zufällig und beliebig.

(…)

Aus dem Standort des Servers in Deutschland lässt sich eine bis ins Inland wirkende Handlung der Beklagten aufgrund der Nutzung ihres Rechners, einschließlich des Proxy-Servers, der Datenleitung und der Übertragungssoftware des Internets zur physikalischen Beförderung der Dateien ins Inland nicht herleiten (…). Eine solche die Zuständigkeit begründende Anknüpfung hinge von zufälligen technischen Umständen ab, die zu einer Ubiquität des Gerichtsstandes für Ansprüche wegen rechtsverletzender Äußerungen im Internet führen würde (…). Allein die Zufälligkeit einer solchen Anknüpfung bedingt ihre Ungeeignetheit zur Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit (…). Für die beklagte Partei wäre nicht absehbar, an welchen Orten sie gerichtlich in Anspruch genommen werden könnte und welchen materiellen Ansprüchen sie dort ausgesetzt wäre.

posted by Stadler at 09:42  

2 Comments

  1. Und … hat das, wenn man es konsequent weiterdenkt, Auswirkungen auf den so beliebten fliegenden Gerichtsstand?

    Comment by JK — 5.05, 2011 @ 09:56

  2. Und … hat das, wenn man es konsequent weiterdenkt, Auswirkungen auf den so beliebten fliegenden Gerichtsstand?

    Das ist in http://blog.delegibus.com/708 erklärt („Endstation Hamburg – oder: Wie sich der fliegende Gerichtsstand selbst abschafft“).

    Comment by OG — 5.05, 2011 @ 10:33

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