Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.5.14

BGH entscheidet erneut über „Screen Scraping“

Der BGH hat letzte Woche erneut über einen Fall des sog. Screen Scraping entschieden (Urteil vom 30. April 2014, Az.:  I ZR 224/12 – Flugvermittlung im Internet).

Im konkreten Fall ging es um das automatisierte Auslesen der Onlinedatenbank einer Fluggesellschaft, wobei die Flugdaten anschließend anderweitig für Nutzer aufbereitet bzw. angezeigt wurden. Der BGH hatte in einer früheren Entscheidung bereits eine Urheberrechts- und Wettbewerbsrechtsverletzung verneint. Ähnlich hatte u.a. auch das OLG Frankfurt vor einigen Jahren entschieden.

Im konkreten Fall kam hinzu, dass die Daten nur dann auslesbar waren, wenn man zuvor die AGB der Fluggesellschaft akzeptiert hatte, in denen das Screen Scraping ausdrücklich untersagt worden ist. Aber auch das genügte dem BGH nicht für die Annahme einer Rechtsverletzung. In der Pressemitteilung des BGH heißt es dazu:

Der Bundesgerichtshof hat eine wettbewerbswidrige Behinderung der Klägerin gemäß § 4 Nr. 10 UWG verneint. Im Streitfall führt eine Gesamtabwägung der Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der Allgemeinheit nicht zu der Annahme, dass die Klägerin durch die beanstandete Vermittlung von Flügen durch die Beklagte ihre Leistungen am Markt durch eigene Anstrengungen nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann. Erforderlich ist insoweit eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeit, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmomente aufweist. Allein der Umstand, dass sich die Beklagte über den von der Klägerin in ihren Geschäftsbedingungen geäußerten Willen hinwegsetzt, keine Vermittlung von Flügen im Wege des sogenannten „Screen-Scraping“ zuzulassen, führt nicht zu einer wettbewerbswidrigen Behinderung der Klägerin. Ein Unlauterkeitsmoment kann allerdings darin liegen, dass eine technische Schutzvorrichtung überwunden wird, mit der ein Unternehmen verhindert, dass sein Internetangebot durch übliche Suchdienste genutzt werden kann. Einer solchen technischen Schutzmaßnahme steht es aber – anders als es das Berufungsgericht angenommen hat – nicht gleich, dass die Klägerin die Buchung von Reisen über ihre Internetseite von der Akzeptanz ihrer Geschäfts- und Nutzungsbedingungen durch Ankreuzen eines Kästchens abhängig macht und die Beklagte sich über diese Bedingungen hinwegsetzt. Der Bundesgerichtshof hat auch nicht angenommen, dass die Interessen der Klägerin die der Beklagten überwiegen. Das Geschäftsmodell der Beklagten fördert die Preistransparenz auf dem Markt der Flugreisen und erleichtert dem Kunden das Auffinden der günstigsten Flugverbindung. Dagegen wiegen die Interessen der Klägerin daran, dass die Verbraucher ihre Internetseite direkt aufsuchen und die dort eingestellte Werbung und die Möglichkeiten zur Buchung von Zusatzleistungen zur Kenntnis nehmen, nicht schwerer. Das Oberlandesgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob der Klägerin Ansprüche wegen Irreführung und nach den Grundsätzen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes zustehen.

Der BGH würde es also als unlauter betrachten, wenn durch das Screen Scraping ein technischer Schutzmechanismus umgangen wird. Dass der Zugriff von der Akzeptanz der AGB abhängig gemacht wird, stellt nach Ansicht des BGH aber keine technische Schutzmaßnahme dar. Der BGH hält aber Ansprüche wegen Irreführung und/oder Verstoß gegen die Grundsätze des (ergänzenden) wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes für denkbar. Je nachdem wie das OLG diese nicht thematisierten Aspekte betrachtet, könnte der Fall also durchaus nochmals beim BGH landen.

In den letzten Jahren haben fast alle damit befassten Gerichte eine Rechtsverletzung durch ein sog. Screen Scraping verneint, während die Rechtsprechung zunächst uneinheitlich war.

posted by Stadler at 15:06  

4 Comments

  1. Zu „technische Schutzvorrichtung … mit der ein Unternehmen verhindert, dass sein Internetangebot durch übliche Suchdienste genutzt werden kann“

    Ist damit robots.txt gemeint? Wenn ja, dann halte ich das für eine maschinenlesbare Form der AGB.

    Ich persönlich halte es für nicht zweckmäßig, technische Datensammlungen ohne redaktionellen Inhalt (Flugdaten, Fahrpläne, TV-Programme usw.) überhaupt „schützen“ zu wollen (…)

    Comment by Joachim — 6.05, 2014 @ 12:58

  2. Die Fluggesellschaft sollte sich zum Verlag erklären und auf das Leistungsschutzrecht pochen. ;-)

    Comment by Jens — 6.05, 2014 @ 21:23

  3. Es ging nur um Wettbewerbsrecht. Der BGH könnte nicht die Entscheidung des EuGH vom Dezember 2013 berücksichtigen, wonach diese Art des Screenscraping offenbar die Datenbankrechte der Airline verletzen würde. Der BGH sah das früher noch anders. Von einer Entwarnung beim Screenscraping zu sprechen, ist verfrüht.

    EuGH hierzu: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=145914&doclang=DE

    Comment by Peter Hense — 7.05, 2014 @ 15:24

  4. m.E. ist aber fraglich ob frühere Entscheidung des BGHs, die Urheberrechtsverletzung verneint hat, immer in Einklag mit EuGH Position ist – siehe dazu meine Anmerkungen http://www.husovec.eu/2014/04/bgh-screen-scraping-does-not-constitute.html

    Beste Grüße,
    Martin

    Comment by Martin Husovec — 8.05, 2014 @ 01:44

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