Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

25.2.14

Das Urteil des BGH zum Schufa-Scoring im Volltext

Das Urteil des BGH, wonach die Schufa zwar Auskunft darüber erteilen muss, welche personenbezogenen Daten in ein Scoring-Verfahren einfließen, allerdings nicht darüber, wie diese Daten gewichtet werden, ist kontrovers diskutiert worden. Jetzt liegt das Urteil im Volltext vor. Die von mir geäußerte Kritik halte ich auch nach Lektüre der Urteilsgründe aufrecht.

Nach der gesetzlichen Regelung des § 34 Abs. 4 Nr. 4 BDSG hat der Betroffene Anspruch darauf, dass ihm das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form erläutert wird. Der BGH meint, dass es dafür ausreichend sei, wenn durch die Schufa dargestellt wird, welche Daten einfließen. Nicht erläutert werden muss, wie diese Daten genau gewichtet werden und wie der Scoringwert letztlich zustande kommt.

Man kann an dieser Stelle bereits die Frage stellen, ob der Betroffene damit tatsächlich in die Lage versetzt wird, wie vom Gesetz gefordert, die Bedeutung des Wahrscheinlichkeitswertes zu verstehen.

Der BGH berücksichtigt auch nicht hinreichend, dass die Vorschrift des § 34 Abs. 4 BDSG nichts anderes ist, als ein Ausfluss des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die Entscheidung des BGH führt letztlich dazu, dass man der Schufa und anderen Auskunfteien gestattet, personenbezogene Daten nach einer geheimen Formel zu verarbeiten und für ein Scoring zu gewichten, ohne, dass man dem Betroffenen eine transparente Auskunft darüber schuldet, wie der Scoringwert tatsächlich zustande kommt. In verfassungsrechtlicher Hinsicht räumt der BGH damit den wirtschaftlichen Interessen der Schufa Vorrang vor der informationellen Selbstbestimmung des Betroffenen ein. Ein Abwägungsergebnis, das man von Verfassungs wegen als problematisch betrachten muss.

Der BGH macht in seinem Urteil weitschweifige Ausführungen zur Intention des Gesetzgebers und stellt damit die historische Auslegung in den Vordergrund. Demgegenüber wird dem zugrundeliegenden Grundrechtskonflikt ersichtlich keine Bedeutung beigemessen.

Bezeichend für die Argumentation des BGH erscheint mir beispielsweise die Aussage, dass eine darüber hinausgehende Auskunft nicht hilfreich wäre, weil auf eine Änderung des Scorewerts selbst bei Zugrundelegung zutreffender Ausgangstatsachen ohnehin kein Anspruch besteht. Die Folge dieser Rechtsprechung des BGH ist es allerdings, dass der Betroffene noch nicht einmal nachprüfen kann, ob zutreffende Ausgangstatsachen zugrunde gelegt wurden, solange nicht dargestellt wird, wie diese Ausgangstatsachen im konkreten Einzelfall gewichtet worden sind. Genau dieser Aspekt spricht allerdings dafür, dass eine weitergehende Transparenz hergestellt werden muss, weil der Betroffene ansonsten gar nicht nachprüfen kann, ob das Ergebnis überhaupt auf einer nachvollziehbaren Gewichtung aller (angeblich) eingeflossenen Ausgangstatsachen beruht. Der Sinn und Zweck des Gesetzes wird damit nicht erreicht.

Auch die Ausführungen des BGH zur Auslegung der Datenschutzrichtline überzeugen nicht. Insoweit stellt sich zudem die Frage, ob nicht eine Vorlage an den EuGH geboten war.

Art. 12 a der Richtlinie gewährt den Betroffenen einen Anspruch auf Auskunft über den logischen Aufbau der automatisierten Verarbeitung der sie betreffenden Daten, zumindest im Fall automatisierter Entscheidungen im Sinne von Artikel 15 Absatz 1. Der BGH geht nun davon aus, dass der Scoringwert der Schufa keine automatisierte Einzelentscheidung ist, die rechtliche Folgen nach sich zieht und den Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Zumindest seien solche Folgen im konkreten Fall nicht festgestellt worden. Der Sachverhalt könnte also anders zu beurteilen sein, wenn der Betroffene darlegen kann, dass er aufgrund des Schufa-Scorings beispielsweise einen Kredit nicht erhalten hat.

posted by Stadler at 09:48  

7 Comments

  1. „Der Sachverhalt könnte also anders zu beurteilen sein, wenn der Betroffene darlegen kann, dass er aufgrund des Schufa-Scorings beispielsweise einen Kredit nicht erhalten hat.“

    Muss man das offensichtliche heutzutage noch darlegen? Wozu dient der Scoring-Wert denn sonst bitte, wenn man das noch darlegen muss?

    Das klingt so als müsse man die Existenz der Schwerkraft beweisen…

    Comment by maSu — 25.02, 2014 @ 12:25

  2. zwei Daumen hoch für 1.@maSu

    Comment by Frank — 25.02, 2014 @ 14:41

  3. Wenn „Scoringwert der Schufa keine automatisierte Einzelentscheidung“ ist, dann habe ich noch nie ein Programm geschrieben. Blödsinn, genau das ist es. Mit dem Quelltext zeige ich Dir jedes einzelne Maschinen-Statement, das den Score automatisiert und genau auf den Einzelfall bezogen bearbeitet. Und die Folgen sind ganz eindeutig individuell sehr umfassend. Kein Handy zum Beispiel…

    Neben der Aushebelung der informellen Selbstbestimmung durch die Schufa interessiert ist der Algorithmus selbst. Denn der könnte durchaus erheblich diskriminierend sein.

    Wie Computer diskriminieren können?

    http://and-or.ch/discriminationpong/

    Indem wir diskriminierende Programme schreiben. Der Algorithmus der Schufa ist nicht vom Himmel gefallen – selbst dann nicht, wenn der lernfähig oder generisch wäre. Der ist von Menschen gemacht.

    Er bezieht sich explizit auf soziale Stellung, Wohnort, Einkommenshöhe, Geschlecht, möglicherweise Ethnie, persönliche Eigenheiten wie etwa eine Behinderung. Alle Daten, möglicherweise auch Daten von Drittkontakten (Eltern verschuldet etwa) werden irgendwie gewichtet zum Score kombiniert.

    Vielleicht so: Frauen verdienen weniger. Folglich ist ihr Kreditrahmen dazu proportional geringer. Das ist logisch? Logisch, das ist ungerecht, falsch und diskriminierend.

    Das wird nicht dadurch richtiger, dass es „ein Computer tut“. Wer an die Korrektheit von Programmen glaubt, dem schenkt der Osterhase das nächste mal bestimmt eine PS-irgendwas, zusammen mit einem Bild- oder RTL-Abo.

    Wir wissen nicht was die Schufa macht. Sie kann ganz „lieb“ sein – keine Ahnung!

    Wir wissen aber, dass Nummer darüber entscheidet, ob sich jemand ein Haus leisten kann. Wir wissen, dass Fehler der Schufa keinerlei Auswirkungen für sie haben. Da spielt die Frage nach möglicher Diskriminierung eine erhebliche Rolle.

    Comment by Joachim — 26.02, 2014 @ 13:23

  4. Ausnahmsweise teile ich die Auffassung des Kollegen Stadler nicht. Das Urteil ist im Ergebnis richtig, wenngleich es an der einen oder anderen Stelle durchaus merkwürdigen Erwägungen folgt.
    Dass das Ergebnis nicht nur bei Rechtsunkundigen ein gewisses Grummeln im Bauch verursacht, liegt daran, dass man den Auskunftsanspruch nach § 34 BDSG nicht sauber von dem trennt, was hier im Hintergrund mitschwingt, nämlich die Frage, ob die Schufa nicht haften müssten, wenn sie fehlerhafte Auskünfte produziert und wenn ja, wie man das als Betroffener nachweist. Aber das ist nicht die Aufgabe des BDSG, derlei Fragen zu beantworten. Ich mag schon aus Raumgründen nicht ins Detail gehen, aber die eigentlichen Probleme liegen in § 824 BGB und in der nach wie vor vom BGH fehlerhaft interpretierten Verteilung der Darlegungspflichten nach § 138 ZPO.
    Nur am Rande sei bemerkt, dass wohl kaum ein Betroffener die mathematischen Verfahren des Scorings verstehen würde, selbst wenn eine Verpflichtung zur Offenlegung besteht. Und auch wenn hier das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung unmittelbar tangiert ist, steht dem das Recht der Schufa aus Art. 12 Abs. 1 GG auf Schutz ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse entgegen. Von dieser Warte aus ist es auch nicht zu beanstanden, wenn der BGH darauf hinweist, dass eine weitergehende Auskunft (und um mehr geht es nicht!) vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt ist.
    Der Fall gibt aber Anlass auch und gerade im Hinblick auf Big Data Analytics, die mir viel mehr Sorgen machen, über eine Änderung des § 824 BGB nachzudenken. Die Lösung der Nachweisbarkeit von Fehlern in der Formel kann dann beispielsweise auch über ein „in-camera“ Verahren erfolgen.

    Comment by Dr. Wolfgang Hackenberg — 26.02, 2014 @ 13:51

  5. @Dr. Wolfgang Hackenberg
    sie haben ja Recht. Als Jurist sogar ganz sicher, wenn ich das mal sagen darf.

    Mich aber stört, wie Sie von „Rechtsunkundigen“ sprechen und Bürgern unterstellen, sie könnten nicht nachvollziehen was die Schufa tut. Vielleicht sollte man nicht von sich auf Andere schließen. Mich stört auch, dass sie die „merkwürdigen Erwägungen“ übersehen. Für wen ist nochmal das Recht gemacht?

    Ich meine, sie als wissenschaftlicher Laie können sicher nicht so einfach verstehen, das ein Beweis, der Fehler enthält eben fehlerhaft ist. Es ist kein Beweis mehr und einfach nichtig. Aber Juristen verstehen unter Beweis ja sowieso etwas Anderes…

    Sie können auch nicht verstehen, dass zu einem Verfahren, dass nicht bekannt ist, keinerlei Wertung abgegeben werden kann. Folglich hatte die Klägerin genau so Recht wie die Schufa. Es existiert keinerlei Beleg. Den kann sie aber verlangen, wenn es um sie selbst geht.

    Wissenschaftlich gesehen ist das Verfahren der Schufa bedeutungslos und uninteressant. Es ist ganz sicher kaum „schutzwürdig“. Notwendig ist das sowieso nicht dank der marktbeherrschenden Stellung der Schufa. Dabei ist sogar die Werbeindustrie ist weiter. Google ebenso, sogar die Versicherungen (die übrigens auch nicht mehr so einfach diskriminieren dürfen).

    Und schließlich kann ein Laie kaum verstehen:

    there is no security by obscurity.

    Ein Verfahren falsch wenn es davon abhängig ist.

    Bitte nicht falsch verstehen. In der Tat kann es sehr sinnvoll sein, was die Schufa tut (und ihr Hinweis, Herr Doktor ist wichtig!). Nur gibt es keinerlei Anlass der Schufa irgend etwas zu glauben. Wieso sollte ich das tun, wenn es um Algorithmen geht?

    Der Zweck heilig keine Mittel und die Zeiten des Aberglaubens sollten endlich vorbei sein.

    Comment by Joachim — 28.02, 2014 @ 15:33

  6. Ein volksfeindliches urteil.sklaverei .
    Das freie wahlrecht eines Bürgers einen kauf nach wichtigkeit zu entscheiden, ob er
    bar zahlen will oder einen kreditkauf vornehmen will, wird vorsätzlich genommen und der schufahai wartet
    auf das diskriminierende fehlverhalten.??

    Comment by Rainer Ssdlowski — 10.05, 2014 @ 14:17

  7. Die Schufa gibt mir einen Basisscore von mehr als 99%.
    Heute wurde mir von meiner Bank mitgeteilt, dass ich mein Rating verbessern soll.
    Wie soll ich wissen, wie ich den verbessern kann, wenn man mir nicht aufzeigt, was ich ändern muss und kann, um dies zu tun?

    Die Entscheidung des BGH ist also völlig an der Realität vorbei.

    Jedes andere Unternehmen muss auf einer Rechnung auch aufzeigen, wie sich der Endbetrag zusammensetzt, damit man als Kunde beim nächsten Besuch weiß, ob und wie man sparen kann, z.B. indem man sein eigenes Motoröl zum Ölwechsel mitbringt.

    Angeblich soll die Schufa den Bürger vor Überschuldung bewahren. Das ist ja ein schönes Ziel.
    Wer bitte schützt Banken davor, sich zu überschulden, zumal wir als Bürger diese Rechnung zu tragen haben und nicht etwa Gutachter, die Immobilien überbewerten oder die zu gut bezahlten Manager, die ihr Gehalt mit der zu tragenden Verantwortung rechtfertigen (aber sie tragen offensichtlich doch keine).

    Ein sich sehr wundernder Bürger.

    Comment by SNRAB — 19.11, 2014 @ 17:38

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