Presseberichten zufolge hat Bettina Wulff Google vor dem Landgericht Hamburg auf Unterlassung verklagt, weil die sog. Auto-Complete-Funktion der Suchmaschine dem Nutzer zu dem Suchbegriff „Bettina Wulff“ ergänzende Suchbegriffe wie „Rotlichtvergangenheit“ oder „Escort“ anbietet. Ich möchte hier nicht die Erfolgsaussichten einer Klage kommentieren, von der ich nicht einmal den Klageantrag kenne.
Man kann sich aber allgemein mit der Frage befassen, ob und inwieweit Google für Persönlichkeitsrechtsverletzungen haftet. Für Suchmaschinentreffer ist dies bereits, interessanterweise durch das OLG Hamburg, entschieden worden. Nach diesem Urteil kann es Google nicht untersagt werden, bestimmte Suchergebnisse anzuzeigen, die in Bezug auf die Person des Klägers die Begriffe “Immobilie” und “Betrug” bzw. “Machenschaften” enthalten.
Und ich denke, dass dieses Ergebnis zwingend ist und auch für die Funktion Autovervollständigung gilt und zwar völlig unabhängig davon, ob Suchmaschinen haftungsprivilegiert sind oder nicht. Denn die Frage, ob eine bestimmte Äußerung noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist oder die Persönlichkeitsrechte eines anderen verletzt, kann nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BGH nur nach Würdigung des gesamten Kontexts in dem die beanstandete Äußerung steht, beurteilt werden.
Wenn man diese Rechtsprechung ins Kalkül zieht, wird man schwerlich zu dem Ergebnis gelangen können, dass beispielsweise die Suchwortkombination „Bettina Wulff“ und „Rotlichtvergangenheit“ stets und unabhängig von ihrem jeweiligen Kontext rechtsverletzend ist. Denn sonst wäre auch die gesamte aktuelle Berichterstattung über die Prozesse Wulffs gegen Google und Jauch zu beanstanden, einschließlich dieses Blogbeitrags. Das ist aber nicht der Fall, zumal Frau Wulff mit ihrem juristischen Vorgehen selbst Öffentlichkeit schafft und damit die Vorlage für eine zulässige Berichterstattung liefert. Wenn es aber auch zulässige Inhalte gibt, die nach Eingabe der beanstandeten Suchkombinationen angezeigt werden können, folgt allein daraus, dass für ein Totalverbot der Anzeige einer Trefferergänzung durch die Auto-Complete-Funktion kein Raum ist.
Wenn man also die maßgebliche Rechtsverletzung darin sieht, dass Google eine entsprechende Ergänzung der Suchbegriffe über die Auto-Complete-Funktion anbietet, dann müsste das Gericht hierzu feststellen können, dass diese Kombination unter allen Umständen persönlichkeitsrechtsverletzend wäre und eine rechtmäßige Variante ausgeschlossen ist. Diese Feststellung ist aber bereits deshalb nicht möglich, weil sich die Rechtsverletzung nur aus dem Zusammenspiel mit dem verlinkten Inhalt ergeben kann und nicht allein aus der Kombination von Suchbegriffen bei Google. Andernfalls würde man den Gesamtkontext ignorieren. Solange nach Eingabe einer entsprechend vervollständigten Suchanfrage aber auch rechtmäßige Treffer erscheinen, scheidet ein Verbotsausspruch gegenüber Google aus.
Hinzu kommt der Umstand, dass mit einem solchen Verbot eine nützliche Suchmaschinenfunktionalität insgesamt in Frage gestellt würde. Denn bei der Auto-Complete-Funktion werden laut Google nur solche Ergänzungen vorgeschlagen, die bereits zuvor besonders häufig von den Nutzern verwendet worden sind. Es handelt sich also lediglich um eine automatisierte technische Suchhilfe. Hätte die Klage von Bettina Wulff Erfolg, dann würde Google wohl täglich mit der Aufforderung konfrontiert werden, die Anzeige irgendwelcher Ergänzungsvorschläge zu unterlassen und müsste die Funktion der Autovervollständigung deshalb wohl insgesamt abschalten. Es geht hier also ganz grundlegend um die Frage der Aufrechterhaltung nützlicher und hilfreicher Suchmaschinenfunktionen.
Letztlich diskutiert man also nur wieder die in wechselndem Gewand regelmäßig wiederkehrende Frage, inwieweit man Intermediäre für rechtswidrige Inhalte Dritter in Haftung nehmen kann.
Update vom 09.09.2012:
Hier in den Kommentaren und in anderen Blogs wird darauf hingewiesen, dass sich Google mit seiner Auto-Complete-Funktion nicht wirklich neutral verhalten würde, sondern, dass es zahlreiche Fälle gibt, in denen Google (manuell) eingreift und bestimmte Suchergänzungen von sich aus sperrt bzw. unterdrückt.
Die Frage ist, ob dieser Umstand als juristisches Argument gegen Google taugt und wenn ja, wozu das dann führt? Wenn ich heute bei Google eine Suchabfrage starte und nur den Buchstaben b eingebe, dann schlägt mir Google neben Bild und bahn.de auch bereits Bettina Wulff als Suchwort vor. Das erscheint mir nicht ungewöhnlich, vielmehr dürfte es naheliegend sein, dass gerade dieses Suchwort im deutschsprachigen Bereich derzeit zu den vier oder fünf meistgesuchten Begriffen gehört, die mit b beginnen. Wenn man jetzt das Suchwort bis auf Bettina erweitert, schlägt Google bereits „bettina wulff prostituierte“ und „bettina wulff escort“ vor. Wenn ich anschließend auf „bettina wulff escort“ vervollständige, dann stammen die ersten Suchergebnisse durchwegs von renommierten deutschen Redaktionen, u.a. von Focus und ZEIT Online. Wenn also die Annahme zutreffend ist, dass Google mit seiner Autocomplete-Funktion die Verbreitung von Verleumdungen fördert, müssten insbesondere die ersten Treffer, also Focus und ZEIT, persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte aufweisen. Genau das ist aber nicht der Fall. Die Autovervollständigung führt vielmehr ganz ersichtlich primär dazu, den Zugang zu nicht rechtsverletzendem Content zu fördern. Kann man es Google vor diesem Hintergrund also tatsächlich verbieten, zum Suchbegriff „Bettina Wulff“ die Ergänzung „Escort“ anzubieten?
Mich erinnert diese Diskussion einmal mehr an die Debatten, die rund um das Thema Netzsperren geführt wurden, denn was Bettina Wulff will, ist nichts anderes als eine Zugangserschwerung. Es erscheint erneut verlockend, dafür einen technischen Dienstleister in Anspruch zu nehmen, obwohl dieser das fragwürdige Gerücht nicht in die Welt gesetzt hat und auch nicht originär dafür verantwortlich ist, dass sich Menschen, die von ihrer Neugier getrieben werden, gezielt und massenhaft bei Google auf die Suche nach diesem Gerücht begeben.
Natürlich wirkt Google an der Verbreitung dieses Gerüchts mit und zwar sogar ganz massiv. Denn genau das ist die Funktion und Aufgabe einer Suchmaschine. Müsste man also nicht konsequenterweise von der eher läppischen Diskussion um die Auto-Complete-Funktion Abstand nehmen und sogleich fordern, dass Google bestimmte Suchkombinationen – also z.B. Bettina Wulff Escort – schlicht nicht mehr zulassen darf? Dass Google gelegentlich selbst Hand anlegt und in die Funktionalität der Autovervollständigung manuell eingreift, ist bedenklich. Man sollte aber daraus nicht die Forderung ableiten, dass Google dies deshalb in noch größerem Umfang tun müsste.
Ich habe, auch aus rechtspolitischen Gründen, überhaupt keine Sympathie für die Klage Wulffs gegen Google und hoffe sehr, dass Google den Rechtsweg ausschöpfen wird, sollte dies notwendig werden.