Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.9.12

Peter Schaar soll 1200 EUR am Tag für Einsichtnahme in Quellcode des Staatstrojaners zahlen

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bekommt keine Einsicht in den Quellcodes des Staatstrojaners. Der Hersteller der in Verruf gekommenen Software zur Quellen-TKÜ, die tatsächlich auch Onlinedurchsuchungen durchführen kann, DigiTask verlangt vom Bundesdatenschutzbeauftragten die Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsverpflichtung sowie die Zahlung von EUR 1200,- pro Tag und Mitarbeiter für den Ausgleich der entstehenden Kosten. Peter Schaar hat diese Vorbedingungen im Hinblick auf seine gesetzlichen Pflichten abgelehnt, wie aus einem Schreiben Schaars an den Innenausschuss des Bundestages hervorgeht.

Dass Behörden des Bundes und der Länder im Bereich eingriffsintensiver Software mit zweifelhaften Klitschen wie DigiTask zusammenarbeiten und sich noch nicht einmal vertraglich den Zugriff auf den Quellcode und die Entwicklerdokumentation einräumen lassen, ist nicht nur lächerlich, sondern im Hinblick auf die Schutzpflichten des Staates für die Grundrechte der Bürger in höchstem Maß bedenklich. Das wird leider immer deutlicher.

posted by Stadler at 13:45  

12.9.12

Udo Vetters lawblog wird künftig von der ARAG gesponsert

Es gab gestern dazu schon einen Bericht in der Wirtschaftswoche und der Kollege Vetter bestätigt heute auch selbst, dass sein lawblog künftig von der ARAG gesponsert wird und zwar zu einem Honorar von dem man leben könnte, wie Vetter gegenüber der Wirtschaftswoche durchblicken ließ.

Direkte Werbung des Rechtsschutzversicherers wird es laut Vetter keine geben, sondern dafür ein bis zwei ARAG-Beiträge pro Woche zu rechtlichen Themen, die ausdrücklich gekennzeichnet werden sollen. Dass die ARAG hierfür ordentlich Geld in die Hand nimmt, hat seinen Grund darin, dass das lawblog das vermutlich am meisten gelesene Rechtsblog hierzulande ist. Die ARAG arbeitet aktuell außerdem, wie man hört, verstärkt an Konzepten für Online-Rechtsschutzangebote und erhofft sich damit wohl einen unmittelbaren Zugang zu dem hierfür notwendigen Klientel.

Ich will mich jetzt hier nicht der Häme anderer Kollegen anschließen, die darauf verweisen, dass die ARAG bislang durch unerlaubte Schleichwerbung aufgefallen sei. Vielmehr möchte ich meine Leser fragen, wie dieses Engagement gesehen wird. Ist es in Ordnung, dass ein langjähriger Qualitätsblogger wie Udo Vetter auf diese Weise jetzt auch mal die Ernte einfährt oder bringt das die Unabhängigkeit seines Blogs in Gefahr?

 

posted by Stadler at 18:41  

12.9.12

Entwurf der Berliner Piraten zum Urheberrechtsgesetz ist enttäuschend

Die Berliner Piratenfraktion hat einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vorgelegt, der in der Piratenpartei vor allen Dingen deshalb für Diskussionen gesorgt hat, weil es sich um einen unabgestimmten Vorstoß des Abgeordneten Christopher Lauer gehandelt haben soll.

Nachdem Adrian Schneider den Entwurf bereits kritisch beleuchtet hat, möchte ich einige Aspekte ergänzen, die mir bei der Durchsicht aufgefallen sind.

Wesentlicher als die Dinge die drinstehen, sind vermutlich die, die nicht drinstehen.

Schmerzlich vermisst habe ich beispielsweise einen Vorschlag zur Neuregelung des Urhebervertragsrechts. Worüber wir insoweit gerade vor dem Hintergrund der aktuellen öffentlichen Diskussion reden müssen, habe ich bereits vor Monaten erläutert. Auch beim Thema Open Access herrscht komplette Fehlanzeige, obwohl gerade dieses Thema seit vielen Jahren intensiv diskutiert wird.

Die vorgeschlagene Änderung in § 31 Abs. 1 UrhG, wonach der Urheber die Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts nach 5 Jahren zurückrufen kann, erscheint mir einem Entwurf der LINKEN entlehnt zu sein, ist aber sachlich wenig sinnvoll. Stellen Sie sich einfach vor, Sie lassen sich für Ihre Website von einem Webdesigner, Grafiker oder Fotographen ausschließliche Nutzungsrechte einräumen. Sie müssten dann von vornherein damit rechnen, dass Sie nach fünf Jahren erneut für die Rechtseinräumung bezahlen müssen und im Zweifel noch nicht einmal Anspruch auf diese Rechtseinräumung haben. Auch der Urheber hat nicht unbedingt ein Interesse daran, dass der Gesetzgeber  mit einer solchen Regelung seine Gestaltungsmöglichkeiten beschränkt. Es kann durchaus auch aus Sicht des Urhebers das Bedürfnis geben, sein Werk praktisch vollständig zu veräußern, solange er dafür nur angemessen bezahlt wird. Die Lösung dieses Problems liegt also nicht bei der Einschränkung der Rechtseinräumung, sondern bei der Sicherstellung einer angemessenen Vergütung. Dazu müsste man allerdings das bereits angesprochene Urhebervertragsrecht neu regeln, was der Entwurf aber nicht vorsieht.

Die Vorschläge zum Thema Abmahnkosten und Filesharing kratzen nur an der Oberfläche und sind zudem handwerklich schlecht umgesetzt. Nach der Entscheidung des BGH hätte man zuerst einmal fragen müssen, welcher Handlungsbedarf bei § 101 UrhG besteht und wie man den Auskunftsanspruch gegen Provider gesetzlich so formuliert, dass er tatsächlich auf Fälle gewerbsmäßigen Handelns beschränkt bleibt. Der Gesetzgeber wird hier einerseits endlich, den Begriff des gewerblichen Ausmaßes näher definieren – und zwar anders als die Gerichte das bislang tun – und zudem die doppelte Gewerbsmäßigkeit als Voraussetzung einer Auskunft deutlich festschreiben müssen. Auch hierzu enthält der Entwurf leider nichts. Die vorgeschlagene Änderung des § 97a UrhG ist, wie Adrian Schneider zu Recht anmerkt, regelungstechnisch dann allerdings katastrophal, weil wiederum nur bislang unbekannte, unbestimmte Rechtsbegriffe geschaffen werden, bei denen zu befürchten steht, dass sie von den Gerichten ganz anders ausgelegt werden als gedacht.

Man hat den Eindruck als würde der Entwurf von Leuten stammen, an denen weite Teile der Urheberrechtsdebatte der letzten Monate und Jahre vorübergegangen ist.

posted by Stadler at 14:52  

8.9.12

Haftet Google für seine Autovervollständigung?

Presseberichten zufolge hat Bettina Wulff Google vor dem Landgericht Hamburg auf Unterlassung verklagt, weil die sog. Auto-Complete-Funktion der Suchmaschine dem Nutzer zu dem Suchbegriff „Bettina Wulff“ ergänzende Suchbegriffe wie „Rotlichtvergangenheit“ oder „Escort“ anbietet. Ich möchte hier nicht die Erfolgsaussichten einer Klage kommentieren, von der ich nicht einmal den Klageantrag kenne.

Man kann sich aber allgemein mit der Frage befassen, ob und inwieweit Google für Persönlichkeitsrechtsverletzungen haftet. Für Suchmaschinentreffer ist dies bereits, interessanterweise durch das OLG Hamburg, entschieden worden. Nach diesem Urteil kann es Google nicht untersagt werden, bestimmte Suchergebnisse anzuzeigen, die in Bezug auf die Person des Klägers die Begriffe “Immobilie” und “Betrug” bzw. “Machenschaften” enthalten.

Und ich denke, dass dieses Ergebnis zwingend ist und auch für die Funktion Autovervollständigung gilt und zwar völlig unabhängig davon, ob Suchmaschinen haftungsprivilegiert sind oder nicht. Denn die Frage, ob eine bestimmte Äußerung noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist oder die Persönlichkeitsrechte eines anderen verletzt, kann nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BGH nur nach Würdigung des gesamten Kontexts in dem die beanstandete Äußerung steht, beurteilt werden.

Wenn man diese Rechtsprechung ins Kalkül zieht, wird man schwerlich zu dem Ergebnis gelangen können, dass beispielsweise die Suchwortkombination „Bettina Wulff“ und „Rotlichtvergangenheit“ stets und unabhängig von ihrem jeweiligen Kontext rechtsverletzend ist. Denn sonst wäre auch die gesamte aktuelle Berichterstattung über die Prozesse Wulffs gegen Google und Jauch zu beanstanden, einschließlich dieses Blogbeitrags. Das ist aber nicht der Fall, zumal Frau Wulff mit ihrem juristischen Vorgehen selbst Öffentlichkeit schafft und damit die Vorlage für eine zulässige Berichterstattung liefert. Wenn es aber auch zulässige Inhalte gibt, die nach Eingabe der beanstandeten Suchkombinationen angezeigt werden können, folgt allein daraus, dass für ein Totalverbot der Anzeige einer Trefferergänzung durch die Auto-Complete-Funktion kein Raum ist.

Wenn man also die maßgebliche Rechtsverletzung darin sieht, dass Google eine entsprechende Ergänzung der Suchbegriffe über die Auto-Complete-Funktion anbietet, dann müsste das Gericht hierzu feststellen können, dass diese Kombination unter allen Umständen persönlichkeitsrechtsverletzend wäre und eine rechtmäßige Variante ausgeschlossen ist. Diese Feststellung ist aber bereits deshalb nicht möglich, weil sich die Rechtsverletzung nur aus dem Zusammenspiel mit dem verlinkten Inhalt ergeben kann und nicht allein aus der Kombination von Suchbegriffen bei Google. Andernfalls würde man den Gesamtkontext ignorieren. Solange nach Eingabe einer entsprechend vervollständigten Suchanfrage aber auch rechtmäßige Treffer erscheinen, scheidet ein Verbotsausspruch gegenüber Google aus.

Hinzu kommt der Umstand, dass mit einem solchen Verbot eine nützliche Suchmaschinenfunktionalität insgesamt in Frage gestellt würde. Denn bei der Auto-Complete-Funktion werden laut Google nur solche Ergänzungen vorgeschlagen, die bereits zuvor besonders häufig von den Nutzern verwendet worden sind. Es handelt sich also lediglich um eine automatisierte technische Suchhilfe. Hätte die Klage von Bettina Wulff Erfolg, dann würde Google wohl täglich mit der Aufforderung konfrontiert werden, die Anzeige irgendwelcher Ergänzungsvorschläge zu unterlassen und müsste die Funktion der Autovervollständigung deshalb wohl insgesamt abschalten. Es geht hier also ganz grundlegend um die Frage der Aufrechterhaltung nützlicher und hilfreicher Suchmaschinenfunktionen.

Letztlich diskutiert man also nur wieder die in wechselndem Gewand regelmäßig wiederkehrende Frage, inwieweit man Intermediäre für rechtswidrige Inhalte Dritter in Haftung nehmen kann.

Update vom 09.09.2012:
Hier in den Kommentaren und in anderen Blogs wird darauf hingewiesen, dass sich Google mit seiner Auto-Complete-Funktion nicht wirklich neutral verhalten würde, sondern, dass es zahlreiche Fälle gibt, in denen Google (manuell) eingreift und bestimmte Suchergänzungen von sich aus sperrt bzw. unterdrückt.

Die Frage ist, ob dieser Umstand als juristisches Argument gegen Google taugt und wenn ja, wozu das dann führt? Wenn ich heute bei Google eine Suchabfrage starte und nur den Buchstaben b eingebe, dann schlägt mir Google neben Bild und bahn.de auch bereits Bettina Wulff als Suchwort vor. Das erscheint mir nicht ungewöhnlich, vielmehr dürfte es naheliegend sein, dass gerade dieses Suchwort im deutschsprachigen Bereich derzeit zu den vier oder fünf meistgesuchten Begriffen gehört, die mit b beginnen. Wenn man jetzt das Suchwort bis auf Bettina erweitert, schlägt Google bereits „bettina wulff prostituierte“ und „bettina wulff escort“ vor. Wenn ich anschließend auf „bettina wulff escort“ vervollständige, dann stammen die ersten Suchergebnisse durchwegs von renommierten deutschen Redaktionen, u.a. von Focus und ZEIT Online. Wenn also die Annahme zutreffend ist, dass Google mit seiner Autocomplete-Funktion die Verbreitung von Verleumdungen fördert, müssten insbesondere die ersten Treffer, also Focus und ZEIT, persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte aufweisen. Genau das ist aber nicht der Fall. Die Autovervollständigung führt vielmehr ganz ersichtlich primär dazu, den Zugang zu nicht rechtsverletzendem Content zu fördern. Kann man es Google vor diesem Hintergrund also tatsächlich verbieten, zum Suchbegriff „Bettina Wulff“ die Ergänzung „Escort“ anzubieten?

Mich erinnert diese Diskussion einmal mehr an die Debatten, die rund um das Thema Netzsperren geführt wurden, denn was Bettina Wulff will, ist nichts anderes als eine Zugangserschwerung. Es erscheint erneut verlockend, dafür einen technischen Dienstleister in Anspruch zu nehmen, obwohl dieser das fragwürdige Gerücht nicht in die Welt gesetzt hat und auch nicht originär dafür verantwortlich ist, dass sich Menschen, die von ihrer Neugier getrieben werden, gezielt und massenhaft bei Google auf die Suche nach diesem Gerücht begeben.

Natürlich wirkt Google an der Verbreitung dieses Gerüchts mit und zwar sogar ganz massiv. Denn genau das ist die Funktion und Aufgabe einer Suchmaschine. Müsste man also nicht konsequenterweise von der eher läppischen Diskussion um die Auto-Complete-Funktion Abstand nehmen und sogleich fordern, dass Google bestimmte Suchkombinationen – also z.B. Bettina Wulff Escort – schlicht nicht mehr zulassen darf? Dass Google gelegentlich selbst Hand anlegt und in die Funktionalität der Autovervollständigung manuell eingreift, ist bedenklich. Man sollte aber daraus nicht die Forderung ableiten, dass Google dies deshalb in noch größerem Umfang tun müsste.

Ich habe, auch aus rechtspolitischen Gründen, überhaupt keine Sympathie für die Klage Wulffs gegen Google und hoffe sehr, dass Google den Rechtsweg ausschöpfen wird, sollte dies notwendig werden.

posted by Stadler at 22:31  

7.9.12

Ob Bettina Wulff Barbara Streisand kennt?

Die Süddeutsche berichtet, dass Bettina Wulff gegen Günther Jauch und Google Unterlassungsklagen erhoben hat, im Zusammenhang mit dem seit Jahren kursierenden Gerücht, die Frau des früheren Bundespräsidenten hätte eine Vergangenheit im Rotlichtmilieu. Die SZ berichtet außerdem, dass bereits 34 Blogger und Medien, u.a. der Stern und die Berliner Zeitung, Unterlassungserklärungen abgegeben hätten.

Mit der Klage gegen Google – und an dieser Stelle hält sich der Medienjurist in mir wirklich an seinem Stuhl fest – soll der Suchmaschine untersagt werden, dass bei Eingabe des Namens „Bettina Wulff“ durch die Autocomplete-Funktion Begriffe wie „Rotlichtvergangenheit“ oder „Escort“ angezeigt werden.

Bei den Hamburger Gerichten, bei denen Frau Wulff erwartungsgemäß ihr Glück versucht, muss zwar prinzipiell mit allem gerechnet werden, dennoch wage ich bereits jetzt die Prognose, dass derartige Einschränkungen der Suchmaschinenfunktionalität höchstrichterlich nicht durchsetzbar sein werden.

Außerdem fragt man sich natürlich unweigerlich, ob Frau Wulff wirklich alle Menschen, die bisher von diesem Gerücht noch nichts gehört haben, durch ihr juristisches Vorgehen auch noch in Kenntnis setzten muss. Vom Streisand-Effekt scheint sie noch nichts gehört zu haben.

posted by Stadler at 22:58  

7.9.12

EuGH stärkt Verbraucherrechte im grenzüberschreitenden Verkehr

Der EuGH hat gestern (Urteil vom 06.09.2012, Az.: C?190/11) über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Verbraucher den im Ausland ansässigen Verkäufer in seinem Heimatland verklagen kann.

Eine Österreicherin hatte über die Onlineplattform „mobil[e].de“ nach einem Auto gesucht und wurde schließlich zu einem Angebot eines deutschen KFZ-Händlers mit Sitz in Hamburg weitergeleitet. Der Kaufvertrag wurde aber dann nicht über das Internet geschlossen, sondern in Hamburg, wo die Österreicherin das Fahrzeug auch abholte.

Die Österreicherin verklagte später den deutschen Autohändler auf Rückabwicklung des Fahrzeugs wegen des Vorliegens von Mängeln vor einem österreichischen Gericht. Die österreichischen Gerichte waren zunächst der Ansicht, dass sie für die Sache nicht zuständig sind, sondern die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben sei. Der OGH hat das Verfahren dann an den EuGH vorgelegt.

Der EuGH hat nun entschieden, dass die maßgebliche Vorschrift von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 (Brüssel?I?Verordnung) dahingehend auszulegen ist, dass der Vertrag nicht im Fernabsatz geschlossen sein muss. Vielmehr ist es ausreichend ist, wenn man sich als Unternehmer mit einem Internetauftritt auch auf das Publikum des Mitgliedsstaats des Verbrauchers ausrichtet. Diese letzte Voraussetzung hat der EuGH allerdings nicht mehr explizit geprüft, weil es bereits von den österreichischen Gerichten bejaht wurde.

Im Ergebnis bedeutet das, dass Verbraucher selbst dann in ihrem Heimatstaat klagen können, wenn der Vertrag im EU-Ausland geschlossen wurde, solange der Händler/Unternehmer seine Leistung zuvor im Netz auch für Verbraucher aus anderen EU-Staaten beworben hat.

posted by Stadler at 17:17  

5.9.12

Notice And Take Down auch für Europa?

Die EU-Kommission hat gerade ein öffentliches Konsultationsverfahren zur Etablierung eines Notice-And-Take-Down-Verfahrens – sie nennt es notice & action – durchgeführt. Hintergrund sind Überlegungen, in Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie eine Regelung über ein formalisertes Notice-And-Take-Prozedere, offenbar nach dem Vorbild des amerikanischen DMCA, aufzunehmen.

Der Digital Millennium Copyright Act (DMCA)  sieht ein sog. Notice-And-Take-Down-Verfahren vor, das einen Hoster vollständig aus der Haftung für eine Urheberrechtsverletzung entlässt, sofern er auf einen entsprechenden Hinweis hin den beanstandeten Content umgehend vom Netz nimmt. Wozu das führt, zeigt ein aktueller Berichts von Heise-Online.

Wenn man Hoster und Portalbetreiber gesetzlich ermuntert, möglichst zügig zu löschen, sobald auch nur eine Löschaufforderung eines (vermeintlich) Verletzten vorliegt, dann muss das zwangsläufig dazu führen, dass in großem Maße gerade auch solche Inhalte gelöscht werden, die in Wirklichkeit keinerlei Rechte verletzen.

Denn der Hoster oder Portalbetreiber hat in vielen Fällen überhaupt keine Möglichkeit zu überprüfen, ob tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliegt. Und es ist auch die Frage, ob das überhaupt seine Aufgabe sein kann.

Mit diesem Problem bin ich in meiner anwaltlichen Beratungspraxis fast jede Woche konfrontiert und zwar manchmal aus dem Blickwinkel eines Portalbetreibers und ein andermal mal aus Sicht desjenigen, der sich in seinen Rechten verletzt fühlt. Zumeist geht es hier gar nicht um Fragen des Urheberrechts, sondern um äußerungsrechtliche Auseinandersetzungen.

Der BGH hat für solche Fälle faktisch bereits eine Art Notice-And-Take-Down-Verfahren postuliert und damit möglicherweise eine Rechtsfortbildung betrieben, die ihm nicht zusteht.

Nach meiner (rechtspolitischen) Einschätzung, sollte ein Hoster oder Portalbetreiber überhaupt nur dann Content seiner Nutzer/Kunden löschen, wenn ihn ein Gericht oder eine Behörde förmlich dazu verpflichtet hat, oder wenn eine für jedermann offensichtliche Straftat vorliegt. Dass die Klärung von oftmals schwierigen Sach- oder Rechtsfragen durch ein Gericht erfolgt und nicht einem Provider oder Portalbetreiber überlassen werden kann, ist nicht zuletzt auch ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit. Mit einem Notice-And-Take-Down-Verfahren werden ohne Beachtung des Rechtswegs nämlich rechtliche Fakten geschaffen, die in nicht wenigen Fällen auf eine nicht hinnehmbare Informationsunterdrückung hinauslaufen.

Das deutsche und europäische Recht sind von dieser Betrachtungsweise allerdings noch weit entfernt und es hat auch nicht den Anschein, als würde die Kommission in diese Richtung marschieren wollen.

posted by Stadler at 21:53  

5.9.12

BGH zur Schutzfähigkeit von Allgemeinbegriffen als Marke

Eine aktuelle Entscheidung des BGH (Urteil vom 08.03.2012, Az.: I ZB 13/11) macht deutlich, unter welchen Voraussetzungen Allgemeinbegriffe als Marke schutzfähig sein können. Konkret ging es um die Eintragung von „Neuschwanstein“ als Wortmarke für verschiedenste Waren- oder Dienstleistungen.

Das Bundespatentgericht hat die Markeneintragung vollständig abgelehnt, mit der Begründung, dem Zeichen „Neuschschwanstein“ fehle jegliche Unterscheidungskraft, weil dieser Begriff vom Verkehr immer nur im Zusammenhang mit dem Schloss Neuschwanstein verstanden würde und überhaupt nicht als Unterscheidungskennzeichen für Waren- oder Dienstleistungen. Das Schloss Neuschwanstein sei, so das Bundespatentgericht, aufgrund seiner kunst, architektur- und politikhistorischen Bedeutung Bestandteil des nationalen kulturellen Erbes. Unabhängig von den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen seien solche bedeutenden Kulturgüter ein Allgemeingut und damit einer markenrechtlichen Monopolisierung und Kommerzialisierung generell entzogen.

Dieser Betrachtung ist der BGH nicht gefolgt. Der BGH geht ebenfalls davon aus, dass „Neuschwanstein“ als Marke nicht schutzfähig ist, soweit es um Waren geht, die typischerweise als Reiseandenken und zur Deckung des Bedarfs der Touristen an Speisen, Getränken und sonstigen Artikeln im Umfeld touristischer Sehenswürdigkeiten vertrieben werden. In diesem  Zusammenhang geht auch der BGH davon aus, dass Neuschwanstein nur als Bezeichnung der Sehenswürdigkeit „Schloss Neuschwanstein“ und nicht als Produktkennzeichen wahrgenommen wird.

Soweit der Markenschutz sich aber auf andere Waren- oder Dienstleistungen erstreckt, kann die Eintragung nach Ansicht des BGH nicht mit der vom Bundespatentgericht gegebenen Begründung abgelehnt werden. Der BGH betont, dass es im Markenrecht kein allgemeines Freihaltebedürfnisses gebe und auch keine (dem Urheberrecht entlehnte) Gemeinfreiheit von Begriffen.  Der BGH führt hierzu wörtlich aus:

Der Umstand, dass es sich bei dem Schloss Neuschwanstein um eine weithin bekannte, bedeutende Sehenswürdigkeit handelt, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme mangelnder Unterscheidungskraft der Marke. Das gilt auch dann, wenn man wie das Bundespatentgericht das Schloss Neuschwanstein zum nationalen Erbe oder zum Weltkulturerbe rechnet.

Es bedürfte an dieser Stelle also einer (europaweiten) rechtspolitischen Diskussion, wenn man erreichen will, dass das Markenrecht  bestimmte Allgemeinbegriffe ganz generell von einer Schutzfähigkeit ausnimmt. Hierfür wäre allerdings eine Änderung des Gesetzes bzw. der Markenrechtsrichtlinie erforderlich.

posted by Stadler at 14:09  

4.9.12

Verfassungsbeschwerde der Diözese Regensburg gegen kritische Berichterstattung?

Die Diözese Regensburg war im vergangenen Jahr vor dem OLG Hamburg mit dem Versuch gescheitert, dem Blog Regensburg-Digital eine kritische Berichterstattung über einen Missbrauchsfall in der katholischen Kirche zu untersagen. Zu dem Fall habe ich ebenfalls mehrfach gebloggt.

Das Blog berichtet heute darüber, dass die Diözese vor das Verfassungsgericht wolle. Denn die Rückerstattung der Verfahrenskosten war mit dem Vorbehalt einer Rückforderung versehen worden für den Fall, dass und soweit das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des OLG Hamburg aufhebt.

Die Überlegungsfrist der Diözese für die Erhebung einer Vewrfassungsbeschwerde ist allerdings längst verstrichen. Denn nach § 93 Abs. 1 BVerfGG ist die Verfassungsbeschwerde binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Nachdem das schriftliche Urteil des OLG Hamburg bereits Ende 2011 vorlag, ist diese Verfassungsbeschwerde also entweder längst erhoben oder verfristet.

posted by Stadler at 22:22  

4.9.12

Die GEMA will die Diskussion versachlichen

Die GEMA hat sich gestern per E-Mail an ihre Mitglieder gewandt und darauf hingewiesen wird, dass für den 06.09.12 in verschiedenen Städten GEMA-kritische Demonstrationen angekündigt sind. Dagegen würde die GEMA am liebsten juristisch vorgehen, hat aber erkannt, dass das schwierig werden könnte und formuliert deshalb:

Ein rechtliches Vorgehen der GEMA dagegen ist – auch wenn von den Organisatoren vielfach mit falschen
und polemischen Behauptungen gearbeitet wird – aufgrund des grundgesetzlich gewährleisteten
Versammlungsrechts nicht möglich.

Dennoch fordert man die Mitglieder auf, aktiv zu werden, um „die Diskussion zu versachlichen“. Wie man sich die Versachlichung der Diskussion vorstellt, wird in einem der E-Mail beigefügten, von der GEMA erstellten Dokument erläutert, in dem „die Tarifreform stichpunktartig plakativ zusammengefasst“ worden ist.

Gegen eine derart plakative Versachlichung der Diskussion regt sich erwartungsgemäß Widerstand. Dass es möglicherweise die Darstellung der GEMA ist, die sachlich nicht so ganz richtig ist, wird in der DE:BUG erläutert. Mit Hannes Teichmann hat sich außerdem ein bekannter DJ zu Wort gemeldet, der als angeschriebenes GEMA-Mitglied in Form eines offenen Briefes antwortet.

Warum die von der GEMA nunmehr selbst als plakativ bezeichnete öffentliche Darstellung der Tarifreform eher verfälschend ist, habe ich vor einiger Zeit in einem längeren Blogbeitrag dargestellt. Die geplante Tarifreform wird die meisten Veranstalter, Clubbetreiber und Gastwirte mit deutlich höheren GEMA-Gebühren belasten. Wer die Diskussion versachlichen will, sollte zunächst auf diesen zentralen Aspekt öffentlich hinweisen.

posted by Stadler at 17:29  
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