Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

14.12.11

Sind die meisten deutschen Websites nicht datenschutzkonform?

Diese Schlussfolgerung legt zumindest das sog. Datenschutzbarometer der Xamit Bewertungsgesellschaft mbH nahe, das auf einer allerdings automatisierten Auswertung deutscher Websites beruht. Nach dieser Auswertung soll auf 82 % der deutschen Webpräsenzen gegen Datenschutzrecht verstoßen werden. Diese rechtliche Bewertung orientiert sich an den Vorgaben des Düsseldorfer Kreises bzw. der Aufsichtsbehörden, die freilich nicht immer unumstritten sind.

Die Zunahme der Datenschutzverstöße ist laut der Studie u.a. auf die verstärkt anzutreffende Einbindung des Facebook-Like-Buttons zurückzuführen und auf den Einsatz nicht datenschutzkonformer Statistiktools. Speziell was die Einbindung des Like-Buttons angeht, sieht die derzeit herrschende Ansicht in der juristischen Literatur allerdings keinen Rechtsverstoß des Webseitenbetreibers.

Das m.E. durchaus gewagte und reißerische Fazit der Studie lautet, dass sich der wirtschaftliche Vorteil durch Datenschutzverstöße in der Bundesrepublik auf mehr als 7,5 Mrd. Euro beläuft. Dieser Annahme liegt m.E. allerdings keine wirklich fundierte Berechnung zugrunde (siehe S. 49 ff. der Untersuchung).

Man sollte die Zahlen und Schlussfolgerungen von Xamit daher insgesamt eher skeptisch betrachten.

posted by Stadler at 22:15  

14.12.11

Abenteuerspielplatz Internet

Dem neuen Vorsitzenden der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) Siegfried Schneider verdanken wir die bahnbrechende Erkenntnis, dass das Internet ein Abenteuerspielplatz ist.

Dass die CSU über zahlreiche Internet- und Medienexperten verfügt, durften wir erst in den letzten Tagen wieder erfahren. Mir ist das auch vor einigen Wochen bewusst geworden, als der offizielle IT-Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung Franz Josef Pschierer auf einer Veranstaltung der DGRI sagte, dass er keine Berührungsängste mit dem „Computer Chaos Club“ habe. In die Riege dieser Internetexperten reiht sich nunmehr auch der ehemalige bayerische Kultusminister Schneider ein, der als neuer Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) erwartungsgemäß nunmehr auch zum Vorsitzenden der KJM gewählt worden ist. Dass es nicht die Kompetenz Schneiders war, die ihn in dieses Amt befördert hat, darf man als gesicherte Erkenntnis betrachten.

Über diese Personalie könnte man jetzt natürlich müde lächeln, wäre es nicht die KJM, die in Deutschland über die Einhaltung des sog. Jugendmedienschutzes wacht und u.a. auch dafür zuständig ist, Jugendschutzprogramme (Filtersoftware) anzuerkennen. Ob man allerdings mit der geplanten Anerkennung von Jugendschutzprogrammen, die wie die Software „JusProg“ von der Erotik-Branche entwickelt wurden, tatsächlich „wirksame Schutzmechanismen“ etablieren kann, gilt gelinde gesagt als umstritten.

Im Bereich des Jugendmedienschutzes findet mit der Ankündigung Schneiders die bewährte Politik der Augenwischerei ihre konsequente Fortsetzung. Danke Siegi!

 

posted by Stadler at 17:23  

13.12.11

Datenschutzrecht: Die Reformpläne der EU

Vor einigen Tagen wurde ein erster Entwurf einer EU-Datenschutzverordnung geleakt. Heise hat bereits darüber berichtet und auf einige Aspekte hingewiesen.

Ich habe mir den Entwurf ebenfalls angesehen und möchte auf einige ausgewählte Aspekte hinweisen. Man muss zunächst davon ausgehen, dass es sich um einen unabgestimmten Entwurf in einem sehr frühen Stadium handelt, der bis zu seinem Inkrafttreten noch zahlreiche Änderungen erfahren wird.

Das Entwurfskonzept beinhaltet einen Paradigmenwechsel im europäischen Datenschutzrecht. Die Kommission möchte den Datenschutz künftig nicht mehr in Form einer Richtlinie, sondern einer Verordnung regeln. Die Verordnung gilt – anders als die Richtlinie – unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten. Damit würde die EU das Datenschutzrecht in wesentlichen Teilen vollständig an sich ziehen.

Der Verordnungsentwurf stellt nicht mehr das personenbezogene Datum, sondern die Person (Datensubjekt) in den Vordergrund (Art. 3 I) der Betrachtung. Datensubjekt ist danach eine Person, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann und zwar durch Maßnahmen die vernünftigerweise naheliegend sind. Das klingt mir sehr danach, dass damit die Theorie vom relativen Personenbezug aufgegriffen und kodifiziert werden soll.

Interessant ist außerdem, dass der Entwurf jede Person unter 18 Jahren als Kind definiert, um dann bei der Einwilligung darauf abzustellen, dass bei Kindern eine Einwilligung der Eltern bzw. des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist. Das könnte weitreichende Folgen im Hinblick auf die Nutzung sozialer Netzwerke durch Jugendliche haben. Denn letztlich bräuchte dann jeder Minderjährige, der ein Facebookprofil einrichten will, die Einwilligung seiner Eltern.

Der Entwurf sieht ferner neben einem Recht auf Löschung auch das vieldiskutierte „Right To Be Forgotten“ vor (Art. 15). Außerdem ist in dem Entwurf die Verpflichtung der datenverarbeitenden Stelle enthalten, Datenschutz standardmäßig (by Default) zu implementieren.

Der Verordnungsentwurf regelt zudem einen Anspruch desjenigen auf Schadensersatz, dessen Rechte durch eine ungesetzliche Datenverarbeitung verletzt worden sind (Art.  77). Die Bußgelder die die Verordnung vorsieht, sind spürbar und können bei einigen Verstößen bis zur Höhe von 5 % des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens festgesetzt werden (Art. 79). Es könnte also durchaus sein, dass Verstöße künftig wirklich effektiv sanktioniert werden.

posted by Stadler at 17:13  

13.12.11

OLG Düsseldorf: Haftung für Embedded-Content

Das OLG Düseldorf hat mit Urteil vom 08.11.2011 (Az.: I-20 U 42/11) entschieden, dass im Falle von „Embedded Content“, anders als bei einfachen Hyperlinks, ein geschütztes Werk durch den Linksetzenden öffentlich zugänglich gemacht wird und mithin eine Urheberrechtsverletzung stattfindet bzw. die Lichtbildrechte des Fotografen verletzt werden.

Die Begründung des OLG Düseldorf hierfür lautet

Um die Bilder zu sehen, müssen die Internetnutzer zwangsläufig seine Webseite aufsuchen und zur Kenntnis nehmen. Trotz der Unentgeltlichkeit des Zugriffes ist das Betreiben der Webseite darauf ausgerichtet, die Aufmerksamkeit der kommerziellen Nutzer mit dem Zweck des Abschlusses von Lizenzverträgen zu gewinnen und die Attraktivität der Webseite für die Platzierung von Bannerwerbung zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund bedient sich der Linksetzende der Werke des Berechtigten, um eigene Inhalte oder die Website eines Dritten attraktiver zu gestalten

und sie überzeugt mich nicht, auch wenn das Ergebnis zutreffend ist. Für maßgeblich halte ich, dass das Werk – ohne Zustimmung des Urhebers – in einen neuen Kontext eingebettet wird und das Bild letztlich als integraler Bestandteil der Website desjenigen erscheint, der den Embedding-Link setzt. Tim-Berners-Lee – der „Erfinder“ des WWW – hat den Unterschied zwischen verweisendem Link und „Embedding-Link“ in einem älteren Beitrag herausgearbeitet, der deutlich macht, weshalb diese Differenzierung auch rechtliche Bedeutung hat.

Das OLG Düsseldorf hat außerdem entschieden, dass der Betreiber einer Blogplattform, der fremde Blogbeiträge veröffentlicht, nicht als Inhaltsanbeiter zu betrachten ist und es für ihn deshalb ausreichend ist, wenn er rechtsverletzenden Content auf Aufforderung hin löscht. Ein Anspruch gegen den Blogbetreiber, von vornherein durch technische Vorkehrungen die Möglichkeit zu unterbinden, Bilder in das Forum einzustellen, durch deren Veröffentlichung die Rechte Dritter verletzt werden, besteht nach Ansicht des OLG Düsseldorf nicht.

posted by Stadler at 10:56  

9.12.11

(Kein) Datenschutz in sozialen Netzwerken

Der sog. Düsseldorfer Kreis – das Treffen der obersten Datenschutzbehörden für den nichtöffentlichen Bereich – hat sich in einem neuen Papier der Haltung des ULD zu sozialen Netzwerken und Social-Plugins angeschlossen.

Die Grundaussage, wonach auch soziale Netzwerke die außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums ansässig sind, deutsches Datenschutzrecht zu beachten haben, halte ich für rechtlich zutreffend. Dass speziell das Angebot von Facebook allerdings weit davon entfernt ist, mit deutschem und europäischem Datenschutzrecht konform zu sein, ist andererseits offensichtlich. Möglicherweise wird die EU künftig effektiver gegen dieses Vollzugsdefizit vorgehen, sollte das Datenschutzrecht tatsächlich in einer EU-Verordnung geregelt werden, weil dann wegen der Datenschutzverstöße großer amerikanischer Player wie Google oder Facebook auch mit spürbaren Bußgeldern gerechnet werden kann.

Zu den zuletzt äußerst umstrittenen Themen der Einbindung von Social-Plugins und des Betreibens von Facebook-Fanseiten schreibt der Düsseldorfer Kreis:

In Deutschland ansässige Unternehmen, die durch das Einbinden von Social Plugins eines Netzwerkes auf sich aufmerksam machen wollen oder sich mit Fanpages in einem Netzwerk präsentieren, haben eine eigene Verantwortung hinsichtlich der Daten von Nutzerinnen und Nutzern ihres Angebots. Es müssen zuvor Erklärungen eingeholt werden, die eine Verarbeitung von Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer durch den Betreiber des sozialen Netzwerkes rechtfertigen können. Die Erklärungen sind nur dann rechtswirksam, wenn verlässliche Informationen über die dem Netzwerkbetreiber zur Verfügung gestellten Daten und den Zweck der Erhebung der Daten durch den Netzwerkbetreiber gegeben werden können.

Anbieter deutscher Websites, die in der Regel keine Erkenntnisse über die Daten- verarbeitungsvorgänge haben können, die beispielsweise durch Social Plugins ausgelöst werden, sind regelmäßig nicht in der Lage, die für eine informierte Zustimmung ihrer Nutzerinnen und Nutzer notwendige Transparenz zu schaffen. Sie laufen Gefahr, selbst Rechtsverstöße zu begehen, wenn der Anbieter eines sozialen Netzwerkes Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer mittels Social Plugin erhebt. Wenn sie die über ein Plugin mögliche Datenverarbeitung nicht überblicken, dürfen sie daher solche Plugins nicht ohne weiteres in das eigene Angebot einbinden.

Auch wenn ich die Bedenken des Düsseldorfer Kreises nachvollziehen kann, entspricht diese Aussage meines Erachtens nicht der geltenden Rechtslage. Denn eine irgendwie geartete (Störer-)Verantwortlichkeit kennt das deutsche Datenschutzrecht nicht. Adressat des BDSG und des TMG ist vielmehr die verantwortliche Stelle (§ 3 Abs. 7 BDSG), die allerdings auch ein Mindestmaß an Datenhoheit inne haben muss. Und daran fehlt es bei Webseitenbetreibern die Social-Plugins einbinden und auch bei Facebook-Fansites.

Die Haltung des Düsseldorfer Kreises wirft letztlich die Frage auf, ob diese Verantwortlichkeit nicht jeden Inhaber eines Facebookprofils treffen müsste, nachdem bereits der Betrieb einer Facebook-Fanseite ausreichend für die Begründung einer datenschutzrechtlichen Verantwortung sein soll. Die einzige Einschränkung die die Datenschutzbehörden machen, ist nur noch die Stellung als Unternehmen. Aber auch das ist letztlich inkonsequent, denn das BDSG ist nur dann nicht anwendbar, wenn die Datenverarbeitung ausschließlich zu persönlichen oder familiären Zwecken erfolgt. Das kann man – wenn man der Logik des Düsseldorfer Kreises folgt –  aber für die Mitwirkung an einer Datenverarbeitung, die für unternehmerische Zwecke von Facebook erfolgt, ganz bestimmt nicht annehmen.

Die Haltung des Düsseldorfer Kreises ist deshalb, wie so häufig, inkonsequent. Konsequent zu Ende gedacht, hätte man nämlich formulieren müssen, dass ein Facebookprofil generell nicht mit deutschem Datenschutzrecht vereinbar ist. Denn man wirkt damit an der unzulässigen Datenverarbeitung von Facebook mit. Was für Fanpages von Facebook gilt, muss letztlich auch für jeden beliebigen Account gelten. Die sich aufdrängende Schlussfolgerung, dass 20 Millionen deutsche Facebooknutzer sich nicht datenschutzkonform verhalten, wollte der Düsseldorfer Kreis dann aber offenbar doch nicht ziehen, zumal auch Menschen wie der Bundesdatenschutzbeauftragte Facebookprofile haben.

Ob sich dieses Dilemma jemals vernünftig auflösen wird, darf man übrigens bezweifeln. Denn die Währung in der der Nutzer von sozialen Medien wie Facebook oder Google+ bezahlt, heißt personenbezogene Daten. Es entspricht gerade dem Geschäftsmodell von Facebook und Google+ möglichst viele Nutzerdaten zu erheben und diese auch entsprechend zusammenzuführen, um damit das Nutzerverhalten zu analysieren. Gleichzeitig wird dem Nutzer der Umfang der Datenerhebung und vor allen Dingen der Weiterverarbeitung und Zusammenführung von Daten natürlich gezielt verschwiegen.

Die Durchsetzung eines Datenschutzregimes auf deutschem Niveau würde das Geschäftsmodell von Facebook oder Google+ zerstören. Für datenschutzfreundliche soziale Medien müsste der Nutzer nämlich in einer anderen Währung bezahlen, die Euro oder Dollar heißt.

Diese  Zusammenhänge und Mechanismen sollten sich nicht nur die Datenschutzbehörden vor Augen führen, sondern gerade auch wir Nutzer.

posted by Stadler at 22:41  

8.12.11

O2 erwirkt offenbar einstweilige Verfügung gegen Telekom

Die Telekom hat kürzlich eine gegen ihren Konkurrenten O2 gerichtete Werbekampagne gestartet, die Nutzerberichte über eine zunehmende Überlastung des O2-Netzes in durchaus hämischer Weise aufgreift. Mit Slogans wie „O2 can’t Do“ hatte sich die Telekom über den Mitbewerber lustig gemacht und natürlich gleichzeitig für die eigenen Tarife geworben.

Sachlich ist der Hinweis auf zunehmende Netzprobleme von O2 sicherlich nicht falsch. Als O2-Kunde habe ich in den letzten Monaten auch immer wieder und immer öfter mit dem Problem zu kämpfen, dass speziell ein Datenabruf nicht möglich ist, obwohl mein iPhone Netz anzeigt, oftmals vermeintlich sogar in 3G-Qualität.

O2 hat einem Medienbericht zufolge mittlerweile offenbar eine einstweilige Verfügung gegen die Telekom erwirkt. Juristisch steckt dahinter eine durchaus spannende Frage. Vergleichende Werbung ist nach § 6 UWG unter gewissen Voraussetzungen zulässig. Unzulässig ist es u.a. hierbei aber, die Waren und Dienstleitungen des Mitbewerbers herabzusetzen oder zu verunglimpfen. Außerdem muss sich eine vergleichende Werbung auf objektiv nachprüfbare Umstände beziehen.

Nachdem die Rechtsprechung einerseits mittlerweile auch in der Werbung Ironie zulässt und die Netzprobleme von O2 andererseits sicherlich keine Erfindung der Telekom sind, kann man durchaus darüber diskutieren, ob eine solche Werbung noch zulässig ist.

Aus Kundensicht kann der Druck auf O2 jedenfalls nicht schaden, denn dort muss in jedem Fall wieder etwas mehr Geld in den Netzausbau gesteckt werden. O2 hat die Probleme mittlerweile, nach anfänglichen Dementis, auch eingeräumt und sogar auf der Plattform „Wir sind Einzelfall“ eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht.

posted by Stadler at 18:12  

7.12.11

Wohnungsdurchsuchung wegen Foto auf Firmenhomepage

Ein Amtsgericht hatte eine Wohnungsdurchsuchung angeordnet, wegen des Verdachts der Verletzung von Unterhaltspflichten. Das einzige Argument bestand darin, dass der Betroffene angeblich Erwerbseinkünfte erzielt, weil er auf der Homepage eines Unternehmens porträtiert worden ist.

Dem auch von dem Unternehmen bestätigten Einwand, die Tätigkeit hätte nur in einem unentgeltlichen Praktikum bestanden, schenkte weder das Amtsgericht noch das Landgericht als Beschwerdegericht Glauben.

Es widerspreche der Lebenswirklichkeit, dass Praktikanten, die in der Regel nur kurzfristig innerhalb der Firma tätig seien, mit eigenem Foto im Internet vorgestellt würden, so das Landgericht. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Unternehmen angegeben habe, der Beschwerdeführer habe als Praktikant kein Geld erhalten.

Das hat das BVerfG nicht für ausreichend gehalten und der Verfassungsbeschwerde des Betroffenen stattgegeben. Das BVerfG führt in seinem Beschluss vom 26.10.2011 (Az.: 2 BvR 15/119) hierzu aus:

Die Annahme eines ausreichenden Tatverdachts ist von Verfassungs wegen nicht haltbar. Der Verdacht der Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 Abs. 1 StGB) beinhaltet als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Leistungsmöglichkeit des Täters, denn dieser muss tatsächlich zu einer mindestens teilweisen Leistung imstande sein (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 170 Rn. 8). In den angegriffenen Entscheidungen finden sich schon keine Angaben darüber, in welcher Höhe eine Unterhaltspflicht bestand und welche Einkünfte der Beschwerdeführer erzielt haben soll. Der Tatverdacht wird allein auf die pauschale Behauptung weiterer Einkünfte in der Strafanzeige der von dem Beschwerdeführer getrennt lebenden Ehefrau und den Internetauftritt eines Unternehmens gestützt, in welchem der Beschwerdeführer als Praktikant im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme beschäftigt war. Hierbei handelt es sich indes nicht um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer über dem notwendigen Selbstbehalt liegende Einkünfte erzielt. Allein aus dem Internetauftritt der >Firma P… kann nicht auf das Zahlen einer Vergütung geschlossen werden, zumal die Verantwortlichen des Unternehmens der Staatsanwaltschaft gegenüber mitgeteilt haben, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen seines Praktikums gerade kein Entgelt gezahlt worden sei. Tatsachenfundierte Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht an den Angaben des Beschwerdeführers und der Firma P… hinsichtlich der fehlenden Entlohnung zweifeln durfte, zeigt das Landgericht nicht auf. Der pauschale Verweis auf die Lebenswirklichkeit reicht dafür nicht aus. Die Annahme einer Unterhaltspflichtverletzung beruhte daher auf bloßen Vermutungen, die den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre nicht zu rechtfertigen vermögen.

posted by Stadler at 14:20  

6.12.11

Zweifelhafte Versteigerung von Forderungen aus Filesharing-Abmahnungen

Die Abmahnkanzlei Urmann und Collegen, versteigert – lediglich als Vermittler – offene Forderungen aus Filesharing-Abmahnungen in Höhe von ca. 90 Mio.EUR, wie Heise berichtet.

Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, weshalb die Kanzlei U+C letzte Woche wieder einmal massenhaft gleichlautende Schreiben versandt hat, in denen jeweils zur Zahlung von EUR 1.286,80 aufgefordert worden ist. Betroffen von diesen Schreiben waren Abgemahnte, die das vorherige großzügige Angebot der Abmahner, pauschal EUR 650,- zu bezahlen, abgelehnt hatten. Mit dieser Versandaktion dürfte U+C die Forderungshöhe also um einige Millionen Euro erhöht haben.

Einer der größeren Mandanten von U+C ist die Fa. DigiProtect, eine alte Bekannte im Abmahnbusiness, die früher von der Kanzlei Kornmeier vertreten wurde. U+C mahnt für DigiProtect vorwiegend Pornofilme ab. In anderen Bereichen wird DigiProtect derzeit von der Kanzlei Schalast & Partner vertreten.

Wie das Abmahngeschäft von DigiProtect funktioniert, habe ich früher bereits erläutert.

Wenn das zugrundeliegende Geschäftsmodell bereits ganz allgemein als rechtlich fragwürdig zu qualifizieren ist, so ergibt sich bei der Abmahnung des öffentlichen Zugänglichmachens von Pornofilmen ein zusätzliches Problem. Die mir bekannten Veträge zwischen DigiProtect und den Urhebern/Leistungschutzberechtigten sehen vor, dass DigiProtect nur die ausschließlichen Nutzungsrechte für eine Verwertung in dezentralen Netzwerken (Tauschbörsen) eingeräumt werden.

Ob eine derartige Rechtseinräumung urheberrechtlich allerdings überhaupt möglich ist, erscheint fraglich. Denn ein Zugänglichmachen von Pornofilmen über P2P-Netze ist bereits aus Gründen des Jugendschutzes in Deutschland nicht legal möglich. Damit dürfte aber auch die Rechtseinräumung für eine Nutzungsart, für die es jedenfalls bei Pornos keinen legalen Anwendungsbereich gibt, rechtlich nicht wirksam sein.

Inkassobüros, die sich also mit dem Gedanken tragen, an dem Versteigerungsverfahren von U+C zu beteiligen, müssen sich mit dem Risiko vertraut machen, dass diese Forderungen bereits aus Rechtsgründen nicht bestehen.

posted by Stadler at 21:40  

6.12.11

SPD-Parteitag spricht sich für Vorratsdatenspeicherung aus

Auf dem SPD-Parteitag wurde heute ein Antrag zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Man will allerdings gewisse Einschränkungen gegenüber der alten Rechtslage, die vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden ist, durchsetzen.

Die SPD hält eine Speicherdauer von drei Monaten für ausreichend und angemessen. Außerdem will man verhindern, dass ein Abruf der gespeichterten Daten auch für zivilrechtliche Zwecke z.B. bei Urheberrechtsverletzungen erfolgen kann. Verhindern will man schließlich auch, dass die erhobenen Daten zur Erstellung von Bewegungsprofilen abgefragt werden.

Diese Beschlussfassung zeigt einmal mehr, dass mit der SPD, jedenfalls aus bürgerrechtlicher Sicht, nicht zu rechnen ist.

Der Beschluss wirft allerdings auch die Frage auf, wie die Erstellung von Bewegungsprofilen tatsächlich verhindert werden soll. Das funktioniert nämlich nur dann, wenn man die Speicherung von oder den Zugriff auf Standortdaten generell unterbindet. Die aktuelle Fassung der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung verlangt auch gar keine Speicherung von Standortdaten. Der deutsche Gesetzgeber war mit seinem Gesetz lediglich über die Vorgaben der Richtlinie hinausgegangen.

Was die geltende Fassung der Richtlinie aber ansonsten verlangt, ist eine Speicherdauer von (mindestens) 6 Monaten. Für eine gesetzliche Regelung, die eine Speicherpflicht von nur 3 Monaten vorsieht, wäre es daher nötig, vorher die Richtlinie entsprechend einzuschränken. Mit Blick auf die anstehende Evaluierung der Richtlinie wäre es sicherlich ein starkes Signal gewesen, wenn die SPD sich grundsätzlich gegen eine Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hätte. Was stattdessen auf dem Bundesparteitag beschlossen wurde, ist nicht mehr als ein fauler Kompromiss.

posted by Stadler at 15:28  

6.12.11

Auch über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts muss belehrt werden

Der Springer-Verlag ist von einem Verband wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen worden, weil er in einer Werbung, die ein Aboformular für die Zeitschrift Computerbild enthielt, nicht darauf hingewiesen hat, dass im Falle des Abschlusses eines Abonnoments kein Widerufsrecht nach fernabsatzrechtlichen Vorschriften besteht.

Bei Fernabsatzverträgen muss der Unternehmer den Verbraucher über das Bestehen und Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts informieren (Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB). Damit ist also auch das Fehlen der Information, dass kein Widerrufsrecht besteht, wettbewerbswidrig.

Die Leitsätze der Urteils des BGH vom 09.06.2011 (Az.: I ZR 17/10) lauten:

a) In einer Werbeanzeige für ein Zeitschriftenabonnement, der ein Bestellformular beigefügt ist, mit dem die Zeitschrift abonniert werden kann, muss gemäß § 312c Abs. 1 BGB, Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB darauf hingewiesen werden, dass im Falle einer Bestellung kein Widerrufsrecht besteht.

b) Zeitungen und Zeitschriften zählen nicht zu den Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs im Sinne des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB.

c) Die Regelung des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB gilt nicht für den herkömmlichen Versandhandel.

d) Die für Ratenlieferungsverträge gemäß § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3, § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB geltende Bagatellgrenze von 200 € ist bei Fernabsatzverträgen nicht entsprechend anwendbar.

UWG § 4 Nr. 11
Die Vorschrift des Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB über die Verpflichtung zur Belehrung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts ist im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

posted by Stadler at 11:53  
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