Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.12.11

Wohnungsdurchsuchung wegen Foto auf Firmenhomepage

Ein Amtsgericht hatte eine Wohnungsdurchsuchung angeordnet, wegen des Verdachts der Verletzung von Unterhaltspflichten. Das einzige Argument bestand darin, dass der Betroffene angeblich Erwerbseinkünfte erzielt, weil er auf der Homepage eines Unternehmens porträtiert worden ist.

Dem auch von dem Unternehmen bestätigten Einwand, die Tätigkeit hätte nur in einem unentgeltlichen Praktikum bestanden, schenkte weder das Amtsgericht noch das Landgericht als Beschwerdegericht Glauben.

Es widerspreche der Lebenswirklichkeit, dass Praktikanten, die in der Regel nur kurzfristig innerhalb der Firma tätig seien, mit eigenem Foto im Internet vorgestellt würden, so das Landgericht. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Unternehmen angegeben habe, der Beschwerdeführer habe als Praktikant kein Geld erhalten.

Das hat das BVerfG nicht für ausreichend gehalten und der Verfassungsbeschwerde des Betroffenen stattgegeben. Das BVerfG führt in seinem Beschluss vom 26.10.2011 (Az.: 2 BvR 15/119) hierzu aus:

Die Annahme eines ausreichenden Tatverdachts ist von Verfassungs wegen nicht haltbar. Der Verdacht der Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 Abs. 1 StGB) beinhaltet als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Leistungsmöglichkeit des Täters, denn dieser muss tatsächlich zu einer mindestens teilweisen Leistung imstande sein (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 170 Rn. 8). In den angegriffenen Entscheidungen finden sich schon keine Angaben darüber, in welcher Höhe eine Unterhaltspflicht bestand und welche Einkünfte der Beschwerdeführer erzielt haben soll. Der Tatverdacht wird allein auf die pauschale Behauptung weiterer Einkünfte in der Strafanzeige der von dem Beschwerdeführer getrennt lebenden Ehefrau und den Internetauftritt eines Unternehmens gestützt, in welchem der Beschwerdeführer als Praktikant im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme beschäftigt war. Hierbei handelt es sich indes nicht um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer über dem notwendigen Selbstbehalt liegende Einkünfte erzielt. Allein aus dem Internetauftritt der >Firma P… kann nicht auf das Zahlen einer Vergütung geschlossen werden, zumal die Verantwortlichen des Unternehmens der Staatsanwaltschaft gegenüber mitgeteilt haben, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen seines Praktikums gerade kein Entgelt gezahlt worden sei. Tatsachenfundierte Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht an den Angaben des Beschwerdeführers und der Firma P… hinsichtlich der fehlenden Entlohnung zweifeln durfte, zeigt das Landgericht nicht auf. Der pauschale Verweis auf die Lebenswirklichkeit reicht dafür nicht aus. Die Annahme einer Unterhaltspflichtverletzung beruhte daher auf bloßen Vermutungen, die den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre nicht zu rechtfertigen vermögen.

posted by Stadler at 14:20  

13 Comments

  1. Dumm gelaufen würd ich da mal sagen. Ehrlich währt am längsten. Ich hoffe natürlich für mich selber das ich das recht Beurteile.

    Comment by Paul — 7.12, 2011 @ 15:01

  2. Dumm gelaufen stimmt. Aber für wen? Bestimmt nicht für den Richter, der den nicht zu rechtfertigenden Beschluss für die Durchsuchung unterschrieben hat. Der hat nämlich nicht das Geringste zu befürchten! Dumm gelaufen ist es ausschließlich für denjenigen, dessen Wohnung zu Unrecht durchsucht wurde. Er kann sich die Entscheidung des BVerfG jetzt in seinem Klo an die Wand hängen. Zu mehr ist sie ja nicht zu gebrauchen.

    Comment by Rangar — 7.12, 2011 @ 15:20

  3. So geht es nicht weiter.

    Comment by gonsior — 7.12, 2011 @ 15:45

  4. Ich bin bereit, mit dir eine Wette abzuschließen, dass es sehr wohl ganz genauso weiter gehen wird!

    Comment by Rangar — 7.12, 2011 @ 17:26

  5. „Spinnen“ wir das Ganze doch noch ein Stück weiter, in mehrere Richtungen:
    1. Was ist denn, wenn der „Prakti“ auf der Unternehmensseite im sozialen Netzwerk „postet“ (Beiträge schreibt) oder Kommentare moderiert und über seinen Namen dort identifizierbar wird – suggestieren solche „Handlungen“ auch ein Einkommen?
    2. Was machen Finanzamt und Agentur aus solchen „Handlungen“ resp. vermuteten Einkünften? Es muss ja nicht nur um Unterhalt gehen.
    3. „Pics & bio“ als „Beweis“ einer bezahlten Anstellung: Was muss ein Unternehmen tun, damit nicht jeder wohlwollende Bericht über z.B. einen Praktikanten auf der Homepage oder in der „social media presence“ mit einer Hausdurchsuchung endet?

    Comment by Kommentator — 7.12, 2011 @ 18:16

  6. Das man wegen so einem Fliegenschiss bis vor das BVerfG rennen muss, ist ein Armutszeugnis für unsere Legislative. Wie war das noch mit „in dubio pro reo“?

    Comment by Ein Mensch — 8.12, 2011 @ 01:16

  7. @6 Ein Mensch: „In dubio pro reo“ setzt voraus das irgendjemand mal gezweifelt hat. Aber mittlerweile scheint sich bei unseren Strafverfolgern die Meinung durchgesetzt zu haben, dass Verdacht instant schuldig macht. Was mich ja mal interessieren wuerde (IANAL): angeblich werden ja nur die Jahrgangsbesten Richter und Staatsanwaelte – Wie zur Hoelle kommt dann staendig so ein absolut unglaublicher Dreck zustande? Geben die alle bei der Vereidigung ihren gesunden Menschenverstand ab?

    Comment by hathol — 8.12, 2011 @ 02:32

  8. […]Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Unternehmen angegeben habe, der Beschwerdeführer habe als Praktikant kein Geld erhalten.[…]

    a) Gibt es da doch so etwas wie eine „eidesstattliche Versicherung“ d.h. im Fall der Lüge erfolgen strafrechtliche Konsequenzen.

    b) und daraus ergibt sich die Frage, was das Unternehmen von einer Lüge in Bezug auf die Einkünfte des Beklagten haben sollte?

    c) Konsequenterweise sollte nun die getrennt lebende Ehefrau einen mindestesn zivilrechtlichen (z.B. Schadensersatz bezüglich der Auslagen des Beklagten bzw. wegen der HD) wenn nicht gar einen strafrechtlichen Denkzettel erhalten….im Sinne der Abschreckung….

    bombjack

    Comment by bombjack — 8.12, 2011 @ 08:44

  9. Irgendjemand von den Verantwortlichen gehört auf jedenfall bestraft. Wann wird ja wohl noch träumen dürfen! :)

    Comment by Seb — 8.12, 2011 @ 09:25

  10. „Es widerspreche der Lebenswirklichkeit, dass Praktikanten, die in der Regel nur kurzfristig innerhalb der Firma tätig seien, mit eigenem Foto im Internet vorgestellt würden, so das Landgericht.“

    Das Landgericht scheint nicht mit der Lebenswirklichkeit des 21sten Jahrhunderts vertraut zu sein. Wenn ein Unternehmen seine MA mit Bild der Oeffentlichkeit (im Internet) vorstellt, dann wird es dort idR auch temporaere MA vorstellen. Es ist zum einen kein Aufwand und zum anderen wundern sich Kunden sonst.

    Comment by Helmut Springer — 8.12, 2011 @ 10:26

  11. @bombjack
    2. Bei einem inhabergeführten Unternehmen ist das schon denkbar.

    3. Was will man der Frau vorverwerfen? Sie sieht, dass der Typ arbeitet, aber nicht zahlt. Den Rest der Ermittlung macht der Staat, denn der Frau wird die Firma sicher gar nichts zum Einkommen mitgeteilt haben. Schadenersatz muss der Staat leisten, wenn denn eine Schaden entstanden ist.

    Comment by Mirco — 8.12, 2011 @ 10:37

  12. Fällt mir ein Interview von (Ex)-Verfassungrichter Mellinghoff mit der taz zu ein.
    http://www.taz.de/Verfassungsrichter-ueber-Durchsuchungen/!80807/

    Comment by dentix07 — 8.12, 2011 @ 11:24

  13. Ja dazu ist Deutschland verkommen. Erst wird man angeschwärzt, daraufhin laufen Staatsanwalt und Polizei amok und das nur weil ein Richter zu faul oder zu inkompetent ist die Sachlage ordentlich zu prüfen.

    Comment by deep — 9.12, 2011 @ 09:00

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