Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.3.11

ÖOGH: „schladming.com“

Mit Beschluss vom 18.01.2011, Az.: 17 Ob 16/10t) hat der österreichiche OGH eine äußerst interessante Entscheidung zum Domainrecht getroffen.

Der bekannte Wintersportort Schladming reklamiert die Domain „schladming.com“ für sich und hat den bisherigen Domaininhaber, eine GmbH, auf Unterlassung verklagt. Die Instanzgerichte hatten der Klage stattgegeben. Der OGH hat diese Entscheidung aufgehoben und an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der OGH hält es für denkbar, dass die Verwendung der Top-Level-Domain „.com“ die Zuordnungsverwirrung beseitigt, weil der Verkehr unter dieser TLD möglicherweise nicht die Gemeinde sondern ein kommerzielles Angebot erwartet. Das Erstgericht muss nunmehr mittels eines Sachverständigengutachtens klären, ob die Domain „schladming.com“ nach der Verkehrserwartung der Gemeinde zuzuordnen ist.

Besten Dank an den Kollegen Dr. Thomas Schweiger für die Übersendung der Entscheidung.

posted by Stadler at 15:46  

7.3.11

Bedarf die Diskussion über Netzsperren und den JMStV einer Entideologisierung?

In einem Gastbeitrag für Telemedicus plädiert Murad Erdemir für eine Entideologisierung der Debatte um das Internet. Konkret bezieht er sich auf die Diskussion um das Zugangserschwerungsgesetz und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Erdemir ist Justiziar der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien, Mitglied der Juristenkommission der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) und Beirat der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK).

Wer sich sich mit den Themen Netzsperren und Novellierung des JMStV intensiv auseinandergesetzt hat, weiß, dass die (öffentlichen) Debatten in erheblichem Maße unsachlich geführt werden. Wenn man die von Erdemir beklagte Ideologisierung in dem Sinne versteht, dass damit eine Verschleierung der Fakten einhergeht, so muss dieser Vorwurf gerade beim Thema Netzsperren primär in Richtung der politischen Akteure erhoben werden. Für die Diskussion um den Jugendmedienschutz gilt im Grunde nichts anderes, denn die Befürworter des jetzigen Konzepts sind darauf angewiesen, die Schimäre von der Wirksamkeit ihrer Regulierungsansätze aufrecht zu erhalten.

Ich möchte zwei Aspekte aus dem Text Erdemirs herausgreifen um zu verdeutlichen, dass Erdemir Ansätze verfolgt, denen es zu widersprechen gilt. Zum Thema Netzsperren führt Erdemir – keineswegs frei von Ideologie – aus:

„Sollte es zukünftig technisch möglich sein, den Zugang zu kriminellen Inhalten ohne schädliche Nebenwirkungen punktgenau zu unterbinden, dann ist diese Möglichkeit auch zu ergreifen. Spekulationen hinsichtlich eines Missbrauchs unter Verweis zum Beispiel auf chinesische Verhältnisse gehören dagegen zum ideologischen Glutkern der Debatte um Internetsperren. Sie zeugen von unzuträglichem Misstrauen gegenüber unserem Staat und haben vor dem Hintergrund der schutzbedürftigen Rechtsgüter zurückzustehen. Ihnen nachzugeben wäre die Insolvenzeröffnung des Rechtsstaates.“

Was den Verweis auf chinesische Verhältnisse angeht, hat der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags – der wohl kaum im Verdacht steht, übermäßig ideologisch zu argumentieren – formuliert:

„Gerade am Beispiel China zeigt sich, dass Sperrungen durchaus wirksam durchgesetzt werden können, allerdings mit einem erheblichen Aufwand an Kosten, Zeit und Human Resources. Um Sperrungen effektiv handhaben zu können, müsste das Internet ganzheitlich umstrukturiert werden und insbesondere seine ursprüngliche Intention, nämliche die dezentrale Vernetzung von Computern, aufgegeben werden“

Damit ist der Kern des Problems exakt umrissen. Es gibt entweder die Möglichkeit, Maßnahmen zu ergreifen, die praktisch wirkungslos sind, denen aber trotzdem die erhebliche Gefahr der Beeinträchtigung anderer legaler Angebote innewohnt. Oder man verfolgt tatsächlich ein halbwegs effektives Sperr- und Filterkonzept, was allerdings eine Kontrolle und Umstrukturierung des Netzes nach chinesischem Vorbild voraussetzt. Wer vor diesem sachlichen Hintergrund behauptet, der Verweis auf chinesische Verhältnisse würde den ideologischen Glutkern der Debatte um Internetsperren darstellen, hat entweder die sachlich-technischen Zusammenhänge nicht verstanden oder agiert seinerseits ideologisch.

Die Vorstellung einer punktgenauen und effektiven Unterbindung von strafbaren Inhalten durch Access-Provider ist mit den dezentralen Strukturen, die das Wesensmerkmal des Internets darstellen, nicht in Einklang zu bringen und wird es auch künftig nicht sein. Nur wenn man bereit ist, sehr weitgehende technische Eingriffe zu akzeptieren, die allerdings nicht nur das Netz in seiner jetzigen Form, sondern auch den demokratischen Rechtsstaat in Frage stellen, kann man eine halbwegs effiziente Regulierung auf Access-Ebene erreichen.

Das grundlegende Missverständnis besteht in dem Glauben, man könne das Netz mit ähnlichen Mitteln regulieren und kontrollieren wie den Rundfunk. Diese Fehlvorstellung sitzt tief, weil die meisten (Medien-)Politiker einer Generation angehören, die mit Rundfunk und Presse aufgewachen ist. Weil Politiker außerdem immer den Eindruck erwecken wollen zu handeln, werden unsinnige Maßnahmen – auch gegen den Rat der überwiegenden Mehrheit der Experten – als wirksam dargestellt. Denn nichts ist offenbar schlimmer als den Eindruck der Untätigkeit zu erwecken.

Dieses Dilemma kennzeichnet in vielleicht noch stärkerem Maße die Diskussion um den Jugendmedienschutz. Das erkennt Erdemir letztlich zwar auch, gleichwohl wirft er der Netzcommunity folgendes vor:

„Mindestens ebenso unlauter war indes das munter verbreitete Schreckensszenario, ein jeder Blogger müsse auf der Grundlage der Novelle künftig eine Alterskennzeichnung auf seiner Webseite anbringen.“

Das mag man als unlauter, weil in jedem Fall übertrieben und zugespitzt, betrachten. Ebenso unlauter ist es aber, demgegenüber die angeblich uneingeschränkte Freiwilligkeit der geplanten Alterskennzeichnung zu betonen. Denn damit werden die komplexen Zusammenhänge, die zu einem faktischen Kennzeichnungszwang geführt hätten, ausgeblendet. Darüber hinaus sind renommierte Informatiker der Ansicht, dass der  JMStV auch aus technischer Sicht keine tragfähige Grundlage für den Jugendmedienschutz darstellt.

Auch wenn also, wie in allen kontroversen politischen Debatten, Übertreibungen oder ideologische Verengungen erkennbar sind, wird die Debatte um Netzsperren und den JMStV seitens der Netzcommunity nach meiner Beobachtung überwiegend auf sachlicher Ebene geführt. Der grundlegende Dissens hat seine Ursache vielmehr darin, dass die Befürworter des ZugErschwG und des JMStV beharrlich die Fakten ignorieren.

posted by Stadler at 14:47  

5.3.11

Kinderpornografie: Sexualwissenschaftler kritisieren geplante EU-Richtlinie

Der Spiegel berichtet in seiner kommenden Ausgabe über eine gemeinsame Erklärung von Sexualwissenschaftlern aus Deutschland und Österreich in der die geplante „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie“ massiv kritisiert wird. Die Wissenschaftler sprechen von „absurden Maßnahmen“ die ungeeignet und sogar kontraproduktiv seien.

Die Kritik der Wissenschaftler richtet sich u.a. dagegen, dass die Richtlinie jede Person unter 18 Jahren als Kind definiert und entspricht dem, was ich bereits in einem älteren Blogposting dargelegt habe.

In der Netzgemeinde hat der Richtlinienentwurf vor allem deshalb Aufmerksamkeit erregt, weil  die Richtlinie als Instrumentarium der Bekämpfung von Kinderpornografie u.a. vorsieht, dass Access-Provider den Zugang zu einschlägigen Websites blockieren sollen.

Es ist gut, dass die Kritik jetzt auch noch aus einer anderen Richtung kommt. Denn fragwürdig sind nicht allein die geplanten Access-Blockaden, fragwürdig ist vielmehr das Gesamtkonzept des Richtlinientwurfs.

posted by Stadler at 18:30  

4.3.11

Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof musste der Diözese Regensburg und Bischof Müller die weltliche Variante des 8. Gebots „Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten“ erläutern und, dass sie beide gesündigt haben. In der Diktion des VGH (Urteil vom 24.02.2011, Az.: 7 B 10.1272) heißt das:

Die Beklagten haben ihre Pflicht zur Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit nicht erfüllt

Der Fall ist durchaus kurios. Der Regensburger Bischof Müller hatte in einer Predigt über den religionskritischen Philosophen Michael Schmidt-Salomon wahrheitswidrig behauptet, dieser würde in seinen Schriften die Kindstötung legitimieren. Diese Behauptung wurde anschließend auch über die Website der Diözese verbreitet.

Eine derart großzügige Vorstellung von Meinungsfreiheit praktiziert die Diözese Regensburg bekanntlich aber nur dann, wenn es um die eigenen Äußerungen geht.

(via Archivalia)

posted by Stadler at 22:57  

4.3.11

Ist das Grundgesetz fit für das Internetzeitalter?

Braucht das Grundgesetz ein Update, lautet der Titel eines Aufsatzes von Verfassungsrichterin Susanne Baer (Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2011, S. 90). Baer geht in ihrem Beitrag der Frage nach, ob unsere Verfassung bereits fit ist für das Internetzeitalter, oder ob Ergänzungen geboten sind.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag, den Susanne Baer auf dem Netzpolitischen Kongress der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen  am 13.11.2010 gehalten hat. Ich hatte das große Vergnügen, den sehr spritzigen und vom netzpolitischen Publikum mit viel Applaus bedachten Vortrag vor Ort miterleben zu dürfen.

posted by Stadler at 13:42  

4.3.11

Interview zu „Bloggergate“

Das Medienmagazin journalist hat für ihre aktuelle Ausgabe ein Interview mit mir geführt. Es geht dort um die Frage der Schleichwerbung in Blogs durch bezahlte, aber nicht als Werbung gekennzeichnete Links („Bloggergate“).

posted by Stadler at 11:34  

4.3.11

Bayerischer Verfassungsschutzbericht vorgestellt

Der bayerische Innenminister hat gestern den bayerischen Verfassungsschutzbericht 2010 vorgestellt und gegenüber den Medien primär die Zunahme linksextremer Straftaten beklagt.

Ob diese Einschätzung tatsächlich zutrifft oder nur ein Resultat von (statistischen) Unzulänglichkeiten darstellt, wird offen bleiben. Die Feststellungen des Verfassungsschutzberichts haben sich allerdings in der Vergangenheit durchaus öfter als falsch erwiesen.

Der bayerische Verfassungsschutzbericht ist in den letzten Jahren u.a. durch eine willkürliche Qualifizierung des Vereins a.i.d.a. (Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V.) als linksextremistisch aufgefallen ist. Obwohl der BayVGH die Eintragung von a.i.d.a. in den Verfassungsschutzbericht 2008 als rechtswidrig qualifiziert und von einem „nicht ansatzweise durch tatsächliche Anhaltspunkte nachvollziehbar belegtes Negativurteil“ gesprochen hat, taucht a.i.d.a. auch im Bericht 2010 (S. 203) wieder auf. Die Begründung hierfür ist weiterhin dünn.

Interessant ist zudem, dass die Linskpartei ebenfalls wieder erwähnt wird (S. 159 ff.) , u.a. mit dem Hinweis:

„Sie (die Linke, Anm. d. Verf.) zielt auf eine mit der Verfassung unvereinbare grundlegende Umgestaltung  der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung“

An dieser Stelle zeigt sich m.E. sehr deutlich, dass der Verfassungsschutzbericht auch ein politisches Instrumentarium der Bayerischen Staatsregierung ist, das dem Zweck dient, politische Gegner zu diffamieren und zu stigmatisieren.

Zum Thema Rechtsextremismus merkt der Bericht u.a. an:

Es entwickeln sich seitdem verschiedene überregionale und regionale kameradschaftsübergreifenden Netzwerke, die mit einem Mindestmaß an Struktur unter einem gemeinsamen Etikett agieren. Sie nutzen das Internet als zentrales Kommunikationsmittel, um kurzfristig Informationen zu verbreiten, Aktionen zu koordinieren sowie die unterschiedlichen Gruppen lose zu vernetzen.

Auch das stellt irgendwie keine bahnbrechende Erkenntnis dar.

posted by Stadler at 10:59  

3.3.11

Unser neuer Innenminister

Dass der neue Bundesinnenminister für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, für Netzsperren und eine Menge anderen sicherheitspolitischen Unfug eintritt, war bereits bekannt. Der Mann ist schließlich von der CSU.

Aussagen wie

„Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt“

deuten aber zunächst vor allen Dingen sprachliche Defizite an, die möglicherweise auch auf Defizite in der Gedankenführung schließen lassen. Tatsachen sind nämlich immer belegbar, sonst wären es keine.

Dass Friedrich rhetorisch und inhaltlich ganz weit vorne ist, hat er unlängst schon auf der Abschlusspressekonferenz der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth unter Beweis gestellt. Mir kommt Hans-Peter Friedrich ja irgendwie vor wie die männliche Variante von Ilse Aigner. Bei solchen Schattenmännern und -frauen muss sich niemand mehr darüber wundern, dass Guttenberg so hell strahlen konnte.

posted by Stadler at 21:39  

3.3.11

Netzneutralität mitdefinieren

Die Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Bundestages hat nach einigem Hin und Her mittlerweile ein Tool online gestellt, das es ermöglichen soll, den Bürger als 18. Sachverständigen an der Arbeit der Enquête zu beteiligen.

Zu einem der zentralen Thema „Netzneutralität“ liegen jetzt eine Gliederung und erste Texte vor. Wer sich hier als Bürger beteiligen und die Netzneutralität und den daraus resultierenden politischen Handlungsbedarf mitdefinieren will, sollte sich für die Projektgruppe online anmelden und seine Ideen einbringen.

posted by Stadler at 14:39  

1.3.11

Vorratsdatenspeicherung: Dieselbe alte Leier

Egal welche Parteien in welchen Koalitionen regieren, die Vorratsdatenspeicherung propagieren sie letztlich alle irgendwann. Jüngstes Beispiel dafür ist Ralf Jäger (SPD), Innenminister einer rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen.

Wer schon bisher beklagt hat, dass die Befürworter einer Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung keine fundierten Sachargumente vortragen, sondern allenfalls auf plakative Einzelfallbeispiele verweisen, sieht sich durch die Ausführungen Jägers eindrucksvoll bestätigt.

Dass der Wegfall der Vorratsdatenspeicherung zu einer „gravierenden Schutzlücke in unserem Rechtssystem“ geführt hat, ist schon deshalb falsch, weil es eine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland über einen längeren Zeitraum hinweg nie gegeben hat. Das einschlägige Gesetz ist am 01.01.2008 in Kraft getreten und wurde vom Bundesverfassungsgericht bereits durch eine erste Eilentscheidung vom 11.03.2008 wieder erheblich eingeschränkt.

Die Qualität der Aussagen Jägers lässt sich zudem daran erkennen, dass er die ewig junge Plattitüde vom Internet als rechstfreien Raum bemüht.

Wer eine Vorratsdatenspeicherung fordert, muss in einem ersten Schritt stichhaltig begründen können, weshalb sie für die Kriminalitätsbekämpfung zwingend erforderlich sein soll. Eine Begründung die diesen Anforderungen genügt, sind ausnahmslos alle Sicherheitspolitiker bislang schuldig geblieben.

Sofern eine solche Begründung gegeben werden kann, muss anschließend aber immer noch berücksichtigt werden, dass eine Vorratsdatenspeicherung eine ganz erhebliche Bedrohung der Freiheitsrechte beinhaltet. Insofern müssen wir uns fragen, ob wir dies wirklich in Kauf nehmen wollen. Was wir der Politik allerdings nicht durchgehen lassen können, ist die Fortsetzung der alten populistischen Leier. Auch Sicherheitspolitiker werden lernen müssen, dass es nicht länger ausreichend ist, mittels unbelegter Behauptungen Ängste zu schüren, sondern, dass der Bürger eine fundierte Argumentation erwartet und auch erwarten darf.

posted by Stadler at 21:44  
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