Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

21.1.11

Differenzierte Betrachtung zum Thema Vorratsdatenspeicherung

Internetaktivist Alvar Freude hat in einem Interview mit ZEIT-ONLINE und in seinem Blog eine differenzierte Betrachtung zur Frage der Vorratsdatenspeicherung angestellt, was in der Community auf wenig Begeisterung gestoßen ist.

Man kann Freude sicherlich darin zustimmen, dass der immer wieder aufgebrachte Vorschlag eines sog. Quick-Freeze in sachlicher Hinsicht keine Alternative zur Vorratsdatenspeicherung darstellt. Dahinter steckt vielmehr ein taktisches Vorgehen von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die unbedingt eine vermeintlich konstruktive Alternative präsentierten muss, weil das bloße Dagegensein politisch nicht vermittelbar ist.

Freude hält es für sinnvoll, IP-Adressen für die Dauer von 60 bis 90 Tagen zu speichern, andere Verkehrsdaten (E-Mail- und Telefon-Verbindungsdaten) dafür aber gar nicht oder nur für Dauer von sieben Tage mit sehr hoher Auflage für die Herausgabe.

Der differenzierende Ansatz von Freude weist eine interessante Parallele zur Argumentation des Bundesverfassungsgerichts auf, die ich hier deshalb nochmals erläutern möchte, zumal sie in der öffentlichen Diskussion oftmals falsch wiedergegeben wird.

Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass in den Fällen, in denen den Ermittlungsbehörden die IP-Adresse schon aus einer anderen Quelle bekannt ist, keine hohen Eingriffshürden für eine Auskunft über die Person des Anschlussinhabers bestehen. Das Gericht bezeichnet das als mittelbare Nutzung von Verkehrsdaten. Es muss in diesen Fällen weder eine schwere Straftat vorliegen, noch ist eine richterliche Anordnung erforderlich. Notwendig ist nur ein hinreichender Tatverdacht oder im präventiven Bereich eine konkrete Gefahr. Auf diese Weise können verfassungskonform alle Arten von Straftaten, also auch Betrug, Urheberrechtsverletzungen etc., ermittelt werden.

Die strengeren Eingriffsvoraussetzungen gelten nur für den unmittelbaren Abruf von Verkehrsdaten. Gemeint sind damit vor allem die Fälle, in denen die Ermittlungsbehörden alle gespeicherten Daten einer bestimmten Person vom Provider anfordern. Weil das Gericht das als wesentlich schwerwiegenderen Eingriff betrachtet, muss hierfür der Verdacht einer schweren Straftat vorliegen und eine richterliche Anordnung eingeholt werden.

Der Gesetzgeber könnte also durchaus ein neues Gesetz schaffen, in dem man in dieser Art und Weise zwischen mittelbarer und unmittelbarer Nutzung unterscheidet.

Die insoweit meines Erachtens entscheidende Frage bleibt allerdings auch dann bestehen, wenn man nur IP-Adressen, die auch Verkehrsdaten darstellen, speichert. Diese Frage lautet: Wollen wir dem Staat erlauben, Verkehrsdaten aller Bürger – und zwar ohne jeden konkreten Anlass – für längere Zeit zu speichern, damit er anschließend die Möglichkeit hat, diese Daten für strafrechtliche Ermittlungen zu benutzen?

Für die Beantwortung dieser Frage wäre es auch nicht ganz unerheblich zu wissen, wie wichtig die Erkenntnisse aus der Vorratsdatenspeicherung für die Kriminalitätsbekämpfung tatsächlich sind. An dieser Stelle schuldet uns die Politik, die eine Vorratsdatenspeicherung fordert, eine stichhaltige und auf belastbare Zahlen gestützte, detaillierte Begründung. Eine solche vermisst man freilich bislang. Die Diskussion ist vielmehr von Polemik und Panikmache geprägt und kaum von nachvollziehbaren Sachargumenten. Wenn die Vorratsdatenspeicherung tatsächlich alternativlos sein sollte, dann dürfte es den Sicherheitspolitikern auch nicht schwer fallen, genau dies stichhaltig zu begründen. Wer behauptet, dass seit dem Wegfall der Vorratsdatenspeicherung viele Straftaten nicht mehr verfolgt werden können, die vorher aufgeklärt werden konnten, muss dies belegen können.

Solange ich als Bürger von Innenminister De Maiziere oder auch von den Herren Bosbach, Uhl und Co. eine solche Begründung aber nicht geliefert bekomme, werde ich auch einer kurzzeitigen, anlassunabhängigen Speicherung von IP-Adressen auf Geheiß des Staates nicht das Wort reden. Und jedenfalls bis dahin werde ich Alvar Freude widersprechen.

posted by Stadler at 15:27  

18 Comments

  1. Sehr richtig.

    „Die Argumentation, mit der das Bundesverfassungsgericht geringere verfassungsrechtliche Anforderungen an die Identifizierung von Internetnutzern stellt als an sonstige Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis, überzeugt nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Identifizierung eines Teilnehmers anhand einer IP-Adresse geringeren Anforderungen unterliegen soll als seine Identifizierung anhand anderer Verkehrsdaten (z.B. IMEI-Kennung, Zeitpunkt einer Telefonverbindung). Diese Diskriminierung von Internetverbindungen führt zu unauflösbaren Wertungswidersprüchen: …“

    Weiter lesen: http://www.daten-speicherung.de/index.php/scharfe-kritik-an-urteil-des-bundesverfassungsgerichts-zur-vorratsdatenspeicherung/

    Comment by kA — 21.01, 2011 @ 15:39

  2. Der Satz „wollen wir dem Staat erlauben … zu speichern“ ist sachlich nicht ganz korrekt- nicht der Staat soll speichern, sondern, schlimmer, er delegiert diese Aufgabe an die Privatwirtschaft mit allen Konsequenzen. Wie bspw. einer beliebig dezentralen Datenhaltung über beliebig viele Provider hinweg, die je nach Belieben auch Outsourcing der Datenerfassung betreiben könnten und eine ganze Reihe von Ansatzpunkten für den Abgriff dieser Daten bieten. Daten, deren Marktwert eine schwindelerregende Höhe erreichen dürfte. Da sollte man sich schon Sorgen machen.

    Comment by Oliver Fels — 21.01, 2011 @ 15:45

  3. Alvar kann man nur vorwerfen, eine Mindestspreicherfrist zu fordern. Denn diese ist klar Vorratsdatenspeicherung und hat nichts mit Quick Freeze zu tun.

    Comment by Lutz Donnerhacke — 21.01, 2011 @ 17:44

  4. Alvar muss man auch vorwerfen, keine sofortige Löschung abrechnungsirrelevanter Daten zu fordern. Denn auch eine „freiwillige“ Vorratsdatenspeicherung ist für die Kunden unfreiwillig und hat nichts mit Quick Freeze zu tun.

    Comment by kA — 21.01, 2011 @ 18:39

  5. […]Wollen wir dem Staat erlauben, […]damit er anschließend die Möglichkeit hat, diese Daten für strafrechtliche Ermittlungen zu benutzen?
    […]

    Irgendwo habe ich mal die Aussage gelesen, dass es aus der Sichtweise der Strafermittler durchaus von Vorteil wäre, immer zu wissen wo sich z.B. eine bestimmte Person oder ein Auto befindet….warum haben wir nun noch keinen Peilsender im Hintern bzw. im Auto? Ebenso aus dem Blickwinkel der strafrechtlichen Ermittlungen wäre es doch auch gut wenn von jedem Bundesbürger sein genetischer Fingerabdruck vorliegen würde (am besten bei der Geburt abgenommen)…das würde doch bestimmt die Aufklärung von Kapitalverbrechen erleichtern oder Täter gar abschrecken.
    Warum haben wir das noch nicht…..da solle doch den VDS-Befürwortern so richtig einer abgehen….

    Kann es sein, dass hier die Verhältnismäßigkeit auf der Stecke bleibt?

    Okay nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass wenn die Ermittler die IP haben, die Auskunft wer den hinter dieser IP steht an recht niedrige Hürden geknüpft ist….nur sehe ich das Problem, dass Ermittler z.B. wie bei der Aktion „Himmel“ das Auftauchen einer IP-Adresse in einem Log und eben die Auflösung derselben gleich zu einer Hausdurchsuchung mit den dazu gehörigen Konsequenzen führt.

    D.h. bei einer kurzzeitigen, anlassunabhängigen Speicherung von IP-Adressen wäre auch die Frage zu stellen wie Aussage- und Beweiskräftig so eine IP-Adresse mit der Auslösung überhaupt ist und ob das alleine ausreichen soll, bei dem Inhaber das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung einzuschränken und damit auch den „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ zu verletzen, denn mir kann keiner erzählen dass dieser geschützte Kernbereich bei einer HD nicht tangiert wird.

    Zudem ist es kein Problem z.B. mit IP-Spoofing eine falsche IP vorzugaukeln, von Zahlendrehern bei der Auswertung und anderen Missgeschicken ganz zu schweigen.

    Außerdem habe ich das Gefühl, dass sobald mal eine gewisse Zeit gespeichert wird, sehr schnell von den Ermittlern der Ruf nach Erweiterung des Speicherfirst kommt und zudem bestimmte Dienste wie BND, Verfassungsschutz auf diesen Datenbestand ohne Kontrolle zugreifen können und Dank des G-10-Gesetzes da auch eine Weitergabe an die Strafverfolgungsbehörden erfolgen kann.

    Zusätzlich stellt sich da auch noch die Frage, warum dann immer noch Briefe ohne Absender versendet werden dürfen und warum Telefone keine Logdatei führen müssen….

    bombjack

    Comment by bombjack — 21.01, 2011 @ 19:46

  6. Hallo Herr Stadler,

    wieso reihen Sie sich nun auch in die Reihe derer ein, die auf Alvar Freude herum hacken, weil eine eine Position vertritt, die nicht allen gefällt. Das bedeutet ja nicht, dass er in der Sache komplett Unrecht hat?

    „…wenn man nur IP-Adressen, die auch Verkehrsdaten darstellen, speichert.“

    Wieso sind IP- Adressen Ihrer Meinung nach Verkehrsdaten? Hier mal ein Praxisbeispiel entnommen aus dem Logfile eines Webservers:

    >>>
    58.218.204.110 – – [19/Dec/2010:12:00:30 +0100] „GET /ip.php HTTP/1.1“ 404 6966 „-“ „Mozilla/4.0 (compatible; MSIE 6.0; Windows NT 5.1)“
    >>>

    Das ist ein externer Zugriff auf eine Website. Die IP des Besuchers wird mit dem Zugriffsdatum gespeichert. Das sind dann die IP- Nummern, die die Ermittler erhalten und wegen einer fehlenden VDS nicht nachverfolgen können. Das ist insofern richtig, wenn die IP- Adresse nicht mehr dem betreffenden Benutzer zugeteilt ist und/oder beim zugehörigen Provider die Zuordnung Anschlusskennung/öffentliche IP- Adresse bereits gelöscht wäre. Per WHOIS (Who I am)- Befehl bzw. Dienst lässt sich damit der ISP ermitteln: „CHINANET jiangsu province network“
    Die Strafverfolgungsbehörden kontaktieren bei dringendem Tatverdacht den Provider und versuchen anhand dessen Bestandsdaten, den Anschlussinhaber zu ermitteln. Das geht nur solange, wie der jeweilige Provider diese Daten vorhält und ist wiederum von der aktuellen Gesetzeslage abhängig.
    Einzig die Kombination dieser beiden Sachverhalte können Rückschlüsse auf einen mutmaßlichen Täter erbringen. Bei einer aktiven VDS würden beide Möglichkeiten zur Verfügung stehen (und darüber hinaus vieles mehr). Hierbei hat also Alvar Freude recht und es wäre sogar völlig unerheblich, wie lange die Speicherfrist definiert wäre, denn daraus allein lässt sich kein Bewegungsprofil oder Nutzungsprofil erstellen.
    Nun wird aber leider, meist von Seiten der Unionspolitiker und Polizei- Lobbyisten argumentiert, man brauche daher dringend wieder die VDS. Das ist schlicht falsch. Man braucht eigentlich nur diesen winzigen Teilaspekt, der lediglich ein Bestandteil der VDS darstellt. Alle weiteren Bestandteile der VDS, so wie sie herbeigewünscht wird, bereiten erhebliche datenschutzwidrige Sachverhalte.

    Es wird oft unterschlagen, dass bei Verkehrsdaten, mindestens zwei Seiten notwendig sein müssen, damit man sie so nennen kann. Die VDS bezieht sich jedoch allein auf den providerseitigen Ausgangspunkt. Damit allein lässt sich nichts anfangen. Gerne lasse ich mich vom Gegenteil überzeugen, dann bitte aber fachlich fundiert mit Fakten ohne Konjunktive und Spekulationen. Die andere Seite der Verkehrsdaten, also das Logfile auf Seiten des Webservers ist das Ziel des mutmaßlichen Täters und dient als Ausgangspunkt für eine eventuelle Ermittlungstätigkeit. Dieser Ausgangspunkt liefert der Serverbetreiber, wenn ein entsprechender Tatverdacht bestünde. Die Verknüpfung von Start- und Zieladresse ergeben Verkehrsdaten einer einzigen Verbindung. Man kann nun aber nicht anhand der Verknüpfung dieser beiden Datensätze vom Startpunkt weitere Ziele des mutmaßlichen Täters ermitteln.

    Ich betrachte nur diesen einen Aspekt, deshalb sollte man auch NUR darauf eingehen und nicht weitere Kommunikationsdaten ins Spiel bringen, die nicht existieren oder deren Existenz man nicht nachweisen kann. Eigentlich hat das nicht einmal etwas mit VDS zu tun, was seitens des Webserver- Logfiles geliefert wird. Dieses Logfile könnte man täglich löschen um dem Datenschutz möglichst gerecht zu werden und lediglich die kriminellen Zugriffe abspeichern, was meines Wissens sogar völlig legitim wäre.
    Pferdefuss bliebe, dass die IP- Adressen auch oft aus dem Ausland stammen, wo andere Datenschutzgesetze herrschen. Man darf also die Zielseite ruhig aus der datenschutzrechtlichen Betrachtung ausklammern…

    Comment by Johannes Döh — 21.01, 2011 @ 19:55

  7. @ Johannes….

    nur wie lange soll diese Vernetzung temporäre IP (Zeitstempel) mit Bestandsdaten (Name, Anschrift usw.) beim ISP vorgehalten werden?

    bombjack

    Comment by bombjack — 21.01, 2011 @ 20:22

  8. Hallo Thomas,
    danke für den (gewohnt sachlichen) Kommentar!
    Ich fordere ja explizit, dass die Kommunikationsdaten (ja, falscherr juristischer Begriff, aber um es klar zu machen dass es um E-Mail- und Telefon-Daten geht) nicht so einfach aufbewahrt werden dürfen.

    Die IP-Adressen geben keinen Rückschluss auf die gesamte Kommunikation der Nutzer.

    Und was die Wichtigkeit der Erkenntnisse aus den IP-Adressen anbelangt: aus meiner Erfahrung ist die durchaus gegeben, denn diese tauchen dauernd auf. Zum Beispiel bei Foren oder anderen Online-Projekten die keine Registrierung verlangen sind sie oft einzigstes Mittel. Beim Assoziations-Blaster http://www.assoziations-blaster.de/ habe ich im Jahr im Schnitt vielleicht fünf Anfragen von Ermittlungsbehörden, von Beleidigung, Verleumdung über Kinderpornografie bis hin zu Selbstmord-Ankündigungen ist alles dabei. Wie geschrieben: man kann natürlich sagen, dass es OK ist wenn diese Fälle nicht aufgeklärt werden können. Aber bei der extremst geringen Eingriffstiefe der IP-Speicherung (und nur um die geht es da) scheint mir das Verhältnis eindeutig.

    Comment by Alvar Freude — 21.01, 2011 @ 20:29

  9. Hallo Thomas,

    Enstanden ist die Erwartungshaltung in der Euphorie 1997 durch ein unrealistisches Datenschutzgesetz, das so vielleicht auf dem Server des CCC umgesetzt wurde aber sonst nirgends.

    diese Diskussion läuft jetzt schon seit 2003: http://www.fitug.de/debate/0304/msg00237.html

    Wenn man diesem Thread folgt gibt es eine Auseinandersetzung zwischen uns. Ich hatte damals die Sysadmins gefragt, wie lange sie die Daten denn aus Sicherheitsgründen (hacking, debugging etc) vorhalten müssen und wollen. Heraus kam 6 Wochen mit abnehmender Intensität: 3 Tage Flow, 8 Tage Routing, 3 Wochen IP, 6 Wochen Abrechnung. An der Debatte war kein einziger Politiker beteiligt. Es beweist, dass die Emotionalität schon 2003 genauso existierte. Es beweist, dass Du hier politisch bist, denn schon 2003 war glasklar wozu man wieviel log braucht. NIEMAND braucht eine Vorratsdatenspeicherung von 6 Monaten (ausser unfähige oder politische BeamtenKApparate)

    Allerdings zeigt die Diskussion von 2003 ein tieferes Problem das in der heutigen Debatte untergeht. Diejenigen, die eine Speicherung von IP – Adressen für 7! Tage als Teufelswerk bezeichnen und einen Dammbruch befürchten, tun dies kund via Blogs die Google Analytics und Sitemeter mit cross-domain tracking-cookies nutzen. Sie tun dies kund via Facebook und Twitter, wo ihre IP Adressen bis zum Sankt Nimmerleinstag gespeichert werden. Um sich zu koordinieren, benutzen sie shared spaces ohne jeden Datenschutz.

    Derweil geht die europäische Web Industrie langsam am Datenschutz-Fundamentalismus ein. Denn es wird jede Wieder-und Weiterverwertung verhindert. Alle grösseren Innovation im Netz in den letzten 15 Jahren basierten aber auf einem kreativen Umgang mit existierenden Daten. Und deswegen kommen diese Innovationen aus den USA. Facebook wäre doch in DE schon lange kaputt gemacht und totreguliert worden.

    Wir werden also alle ein tolles Datenschutz-System in Deutschland und vielleicht auch Europa haben und Dienste nutzen, die unsere Daten saugen, als gäbe es kein Morgen. Diese Dienste werden nicht in Europa sein und uns besser kennen als wir uns selbst.

    Und deswegen bin ich gegen diesen falsch verstandenen IP-Adressen Fundamentalismus und finde den Ansatz von unserer Frau Justizministerin unterstützenswert. Die Tatsache, dass ihr der Wind von allen Seiten entgegen weht beweist noch mehr, dass sie auf dem richtigen Weg ist.

    Davon getrennt zu sehen ist aber die Sammlung von IP-Adressen durch den Musik-Abmahn-Club. Der Zugang zu den gespeicherten Daten sollte sehr genau geregelt werden.

    Comment by Rigo Wenning — 21.01, 2011 @ 21:17

  10. Da die Provider und Reseller keine funktionierende IP-Adressen-Zuordnung garantieren können ist eine Identifizierungsmaßnahme die mit einer IP-Adressen beginnt ein rechtsstaatlich vollständig untaugliches Mittel der Täterverfolgung.

    Bevor man überhaupt über die Speicherung nachdenkt sollte man die Herausgabe der Daten endlich gesetzlich so regeln das sowohl Mißbräuche als auch Fehler ausgeschlossen werden.

    Comment by Shual — 21.01, 2011 @ 22:53

  11. Ich habe mal in der Kriminalstatistik gewühlt. In 2009 gab es 104.000 Ermittlungen mit „Tatmittel Internet“. Wenn ich jetzt die ebay Betrüger raus rechne und andere Sachen, wo die IP Adresse wertlos ist, dann bleiben großzügig gerechnet noch 50.000 Fälle übrig, wo die IP vielleicht hilfreich ist.

    Jetzt nehmen wir mal an, dass sind alles einzelne Täter und kommen alle aus Deutschland. Wir haben 50 Mio. Menschen in 2009 online gehabt. Wenn ich jetzt rechne, dass sich jeder von denen im Schnitt 300 mal ins Netz einwählt (Ein paar öfter, ein paar weniger), komme ich auf 15 Mrd. Datensätzen pro Jahr … für 50.000 Delikte. BTW. wenn die Zahl des FDP Mann mit 2,6 Mio. Anfragen der MI/FI stimmt, dann wissen wir ja, wofür die IPs gespeichert werden sollen.

    Ich finde, dass nicht verhältnismässig. Leider drückt sich Alvar etwas um die Antwort herum. :-)

    Die Gefahren sind aber, wenn jemand einen Fehler macht bei der IP Verarbeitung, komme ich als Unschuldiger in Verdacht, obwohl ich nichts gemacht habe und muss evtl. meine Unschuld beweisen (je nach Gericht) für wenig oder keinen Nutzen.

    Warum muss die IP von mir, von Alvar und allen Kommentatoren hier gespeichert werden? Seid Ihr Täter? So lange es keinen konkreten Anlass gibt, dürfen keine Daten erhoben werden, die nur dem Zweck dienen, uns zu Tätern zu machen.

    Comment by Oliver — 22.01, 2011 @ 01:35

  12. @Oliver: Deine Argumentationslinie ist leider nicht schlüssig. Es beginnt damit, dass die Behauptung falsch ist, alle Ebay-Betrüger aus den Zahlen herauszurechnen. Eine falsche Postanschrift besorge ich in 10 Minuten, wenn ich jetzt sofort von zu Hause aus los gehe. Für ein gefälschtes Konto brauche ich 48 Stunden (Die Banken sind so lahm, bis sie die Kontokarten verschickt haben).

    Aber auch die Argumentation, von 15 Mrd Datensätze für 50.000 Delikte ist falsch. Nicht die Anzahl der Datensätze ist entscheident. Entscheident ist die Tatsache, dass Daten gespeichert werden. Der Staat und damit die Gesellschaft muss entscheiden was sie möchte. Einen ErmittlungsANSATZ (die Großschrift hat eine Bedeutung) bei Internetstraftaten, oder nicht. Wenn nicht, mag das auch in Ordnung sein. Aber dann muss man es auch klar sagen. Dann muss auch Frau Leutheuser-Schreckenberger sagen, ja, ich möchte nicht, dass bestimmte Straftaten verfolgt werden. Aber genau das vernebelt sie. Im WAZ-Interview sagte sie noch großspurig, dass die Behörden trotzdem auf die Daten zugreifen können, wenn es erforderlich ist. Das hätten die Provider ihr es versichert. Meine Erfahrung ist da leider anders. Mir versichern die Provider täglich, dass sie keine Daten speichern (Ausnahme noch Telekom). Wer sagt jetzt die Unwahrheit ?

    Vielleicht noch mal ein Stück Realität:
    Eine 13jährige wird erpresst, dass kompromitierende Fotos in Schüler-VZ und Youtube veröffentlicht werden. Wie der Täter an diese Bilder kam, weiss ich nicht mehr genau, es ist halt einer von 600 Fällen, die ich pro Jahr bearbeite. Um die Veröffentlichung zu verhindern, verlangt er sexuelle Handlungen vor der Kamera. Um sich ihren Eltern nicht zu offenbaren, kommt sie dem nach. Irgendwann verlangt er zuviel und sie erzählt es doch ihren Eltern, es wird eine Anzeige erstattet. Der Betreiber konnte mir die IP-Adressen liefern, aber leider, oder glücklicherweise, je nachdem auf welcher Seite man steht, hatte der Täter einen HanseNet-Anschluß, also keine Daten, Tat ungeklärt. Ich kann damit leben, denn ich persönlich brauche die Daten nicht, ich bekomme mein Geld auch so. Aber was sage ich der 13-jährigen und ihrer Mutter ??

    Und viel schlimmer, der Täter macht weiter, denn es passiert nichts.

    Solche Fälle könnte ich hier stundenlang schildern.

    Noch mal ein Stück Realität.

    @shual: Seit 8 Jahren bearbeite ich diese Delikte und einen Unschuldigen aufgrund falscher IP-Zuordnung hatte ich noch nie dabei. Die Erfolgsquote war extrem hoch, unterstellt man mal, dass niemand falsche Geständisse abgelegt hat. Manchmal hat es zu einer weiklichen Überführung nicht gereicht, weil die IP immer nur ein Indiz sein kann, aber falsch habe ich eigentlich nie gelegen. Und, traut der Polizei ruhig mal ein wenig Fachkenntnis und Augenmaß zu. Es passierte sogar vor sechs Wochen, dass ich glaubte, der Täter säße nicht vor mir, ich habe an einen Bot-Rechner geglaubt, als er plötzlich gestanden hat.

    Es ist nicht der große Terrorismus, den wir mit den gespeicherten Daten bekämpfen, nicht die OK, sondern die alltägliche Kriminalität. Und dies ist notwendig, damit der Bürger, und zwar der, der Opfer ist, wieder an den Staat glauben kann. Viele vergessen, dass auch die Opfer Rechte haben, denn auch sie sind Bürger. Und zur Freiheit gehört auch ein Leben ohne Angst vor Kriminalität

    Comment by mahner — 28.01, 2011 @ 01:43

  13. Die Vorratsdatenspeicherung, die ursprünglich ausschließlich zur Bekämpfung des großen Terrorismus dienen sollte, wird inzwischen also schon als „zur Freiheit gehörig“, als „erforderlich, damit der Bürger wieder an den Staat glauben kann“ uminterpretiert? Als erforderlicher Indizienlieferant zur Aufklärung alltäglicher Kleinstkriminalität? Womöglich sogar alternativlos? Sehr erstaunliche Entwicklung.

    Wie aber soll ein Bürger an den Staat glauben, wenn dieser das Kommunikationsverhalten aller Bürger ohne Anlass protokollieren lässt, um – wie im Beispiel – Indizien, nicht einmal Beweise, zur einer möglichen Überführung eines Fern-Spanners zu erlangen?

    22 Monate Bewährung hat er bekommen:
    » Vielmehr zeigten die Aufnahmen „junge Damen, die sich die Nägel feilten oder sich schminkten“ […] „eine Form modernen Voyeurismus'“, wie das Gericht nach nur einem Verhandlungstag befand. « (Quelle: wdr)

    Hierfür anlasslose Gesamtprotokollierung des Volkes? Schießt das nicht ein wenig über das Ziel hinaus? Besteht nicht auch umgekehrt die Gefahr, dass die Freiheit des Einzelnen angegriffen wird, wenn er weiß, dass alle seine Kontakte protokolliert werden? Beginnt der Einzelne dann damit, sich selbst zu zensieren? Ist folglich der demokratische Prozess in Gefahr? Denn gegen Trojanerangriffe auf die Web-Cam des eigenen Computers kann sich der Einzelne schützen, gegen die VDS nicht.

    Vorratsdatenspeicherung, damit der Bürger wieder an den Staat glauben kann? Interessantes Argument. Ich glaube jedoch nicht, dass der Verlust von Staatsvertrauen durch eine – man verzeihe die Polemik – Vorratsdatenspeicherung zur Spannerbekämpfung wiederherstellbar ist. Obwohl ich mich nicht wundern würde, wenn die dumpfe Volksmasse auch hier wieder für eine Überraschung gut ist.

    Comment by Hadron — 28.01, 2011 @ 13:19

  14. „Seit 8 Jahren bearbeite ich diese Delikte und einen Unschuldigen aufgrund falscher IP-Zuordnung hatte ich noch nie dabei.“

    Ich hatte allein diese Woche zwei.

    Comment by Shual — 28.01, 2011 @ 13:40

  15. … mit etwas mehr Zeit.

    Wir dürfen jetzt nicht Äpfel mit Birnen verwechseln. Ein online-Ermittler der Polizei kann tatsächlich in bestimmten Fallkonstellationen eine halbwegs angenehme Erfolgsquote erarbeiten. Das geht auch rein in die normalen Dienststellen. Mir sind da auch eigentlich keine schweren Mißbrauchsszenarien bekannt. Fehler kommen überall vor.

    Man darf das jedoch nicht mit dem grassierenden Gegenmodell der Privatermittler verwechseln. Diese erzeugen nicht eine mäßige Anzahl von Datenabfragen sondern sind fähig ein Millionen-Abfragesystem aus dem Boden zu stampfen. Sie selbst sind fehleranfällig, die Datenbanken der Provider + Reseller sind fehleranfällig und am Ende des Jahres 2010 haben wir eine 1/4-Million an fehlerhaften Zuordnungen und fehlerhaften Ermittlungen gesehen. Ich greife da aber noch viel zu tief. Es gibt Systeme deren Begutachtung noch aussteht.

    Ich kann ja einem online-Ermittler nicht vorwerfen wenn er sagt das er alles richtig machen will und der Meinung ist alles richtig gemacht zu haben.

    Das kann aber keine Ausrede für die anderen sein.

    Ist es aber ab und an. Ich erlebte selbst eine Richterin in Frankfurt die in einem Zivilprozeß auf ihre Künste im Datenabfragen bei der Ausbildung in der STA hinwies und sie auf die Privatermittler übertrug, wobei auch noch der Beweis von ihr fehlte das es überhaupt stimmt was sie sagt.

    PS: Gerne nochmal. Ich selbst bin ein perfektes Beispiel und ein interessierter Polizist kann sich die Daten gerne bei mir per PN/Netzwelt.de besorgen.

    Comment by Shual — 28.01, 2011 @ 14:28

  16. @hadron: „Besteht nicht auch umgekehrt die Gefahr, dass die Freiheit des Einzelnen angegriffen wird, wenn er weiß, dass alle seine Kontakte protokolliert werden? Beginnt der Einzelne dann damit, sich selbst zu zensieren? Ist folglich der demokratische Prozess in Gefahr?“

    Ein klares NEIN. Du siehst an der Tatsache, dass ich mich hier engagiere, dass mir nicht alles egal ist und das ich auch kein kritikloses Schaf bin (frag mal meinen Chef). Auch meine Kommunikationsdaten wurden registriert. Warum habe ich keine Angst. Warum fordere ich es sogar als Privatmann. Eure Freiheit, macht mir Angst

    Comment by mahner — 28.01, 2011 @ 21:02

  17. mahner: „Warum habe ich keine Angst?“

    Welche Angst meinst Du? Wenn Du die Angst eines Rechtsbrechers vor seiner Entdeckung meinst, dann habe ich diese Angst ebenfalls nicht. Dennoch bin ich gegen die Vorratsdatenspeicherung. Gegen die VDS zu sein impliziert nicht, Rechtsbrecher mit Angst vor Entdeckung zu sein.

    *Seufz* Ich hätte vorher aufschreiben können, dass jetzt das alte Ich-habe-nichts-zu-verbergen-Spielchen kommt. Ich halte das für ein Strohmann-Argument. Da schwingt immer so etwas irrationales mit wie „wenn du gegen die VDS bist, dann bist du nicht ganz koscher.“ Allgemein dargestellt:

    I) Rechtsbruch X erfordert zur Verhinderung/Aufklärung Methode Y.
    II) Wer gegen die Methode Y ist, begeht potentiell den Rechtsbruch X.

    Es kann aber tausend andere Gründe geben, gegen die Methode Y zu sein. Im übrigen ist nicht alles, was man verbergen bzw. einer staatsverordneten Protokollierung entziehen möchte, ein Rechtsbruch.

    Klar, es gibt den filesharenden Bösewicht, der aus Angst, er könnte zukünftig einfacher erwischt werden, die VDS ablehnt. Für manche dürften solche Ängste die einzige Motivation sein, sich überhaupt an dieser Diskussion zu beteiligen. Es geht aber um mehr. Die eigentliche Diskussion spielt in einer ganz anderen Liga. Es geht um die anlasslose(!) Speicherung im Staatsauftrag, um Verhältnismäßigkeit, um Zweckmäßigkeit, um Missbrauchsmöglichkeit, um das Öffnen eines Überwachungstores.
    _____
    Erstaunlich. Ursprünglich zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gedacht, diskutieren wir inzwischen schon über die Vorratsdatenspeicherung zum Zweck der Auflösung dynamischer IP-Adressen zu Anschlussinhabern. Ich wiederhole: Anschlussinhaber. Nicht Täter.

    Comment by Hadron — 29.01, 2011 @ 15:39

  18. @ Hadron

    Wird gerne verwechselt. Nur weil ZB Hadron oder Shual mit der Sache umgehen können können vermutet man ein Normalbürger könne das auch. Ich habe keine Berührungsängste zu STAs oder der Polizei.

    Was eigentlich gefordert wird ist ein Höchstmaß an Professionalität und Abwägung jeden Schritts den ein Dateninhaber und ein Datenabfrager unternimmt. Gerade Amtsträger sollten das beherzigen, denn jeder Fehler unterhöhlt den Glauben an das demokratische System.

    Der momentane Zustand läßt sich vielleicht so beschreiben: Jede McDonalds-Niederlassung in der Nachbarschaft hat eine bessere personelle Ausstattung als unsere Polizeidienststellen. Die Organisation ist größtenteils vorbildlich und der Job ist auch nicht schlechter bezahlt. Dabei werden die McDonalds-Leute aber nicht auf aberwitzige Ausseneinsätzen verheizt wie „Cancellor Mörkel trifft Mt. Superwichtig Sarkozy auf dem Straßburger Friendensweihnachtsmarkt mit Rundgang und Ringelpietz mit Anfassen nebst 300 Polizeibeamten denen die Kotze hochkommt.“

    Die Organisationstiefe unserer Beamten mutet mittelalterlich an. Man findet kaum noch einen Beamten hier der nicht am Liebsten den Bettel hinschmeissen würde. Man möchte ihnen beinahe sagen, dass sie sich doch einen ehrlichen Job suchen sollen. Geh doch zu McDonalds.

    Der ganze Rechtsstaatstall stinkt nach Lobby-Gesetzen, Willküraktionen, irrer Geldverschwendung weil man schlich nicht kapiert das der moderne Rechtsstaat ein moderner Dienstleister sein muß der sein Angebot nach den Wünschen der Kunden und nicht nach den Wünschen Einzelner auszurichten hat.

    Hier: http://mediathek.ard.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=5622672

    Ein junger Staatsanwalt wird verheizt. Beamte werden verarscht. Richter haben Schrott geurteilt. Sogar Beschwerden abwiesen. Die ganze Behördennummer ist nicht mehr peinlich, sondern belanglos. Wer soll so etwas noch Ernst nehmen?

    Heroisch steht sie da … die einzige Verfechterin des Rechtsstaats. Eine unbekannte Richterin des Amtsgerichts in Schwäbisch… wo noch mal? Wann bekommt die jetzt ihr Bundesverdienstkreuz?

    Der Typ der die ganze Sache angeleiert hat wird nicht behelligt. Er wird geschützt von seiner persönlichen STA und darf sich alles erlauben. Er verdient ein Heidengeld an der Sache und kein Schwein intersssiert sich für das Thema Justizbehinderung, falsche Anschuldigung und wenn der zu Unrecht mit einer Hausdurchsuchung „belästigte Mensch“ vors Bundesverfassungsgericht ziehen würde würde man von den Behörden nur hören das doch alles wunderbar toll gelaufen sei. REchtsstaatlich einwandfrei.

    Selbstverständlich sind alle Idealisten wie Hadron oder ich einerseits Trottel. Wie kann man nur glauben das man in einem Rechtsstaat lebt?

    Anderseits würden wir nie einen Unschuldigen verpfeifen, was in der „Feigheitsskala“ so ziehmlich das ekelerregendste darstellt. Dafür bekommt man dann das Markenzeichen „Kinderschänderschützer“ angehängt.

    Die Herren „Online-Ermittler“ sollten sich aber merken, dass sie in jedem Fall die Arschkarte gezogen haben. Und da wir bösen Filesharer auch einen „Online-Ermilttler“ der Polizei unterstützen (finanziell und logistisch) dem das Geld ausgegangen ist … wird es mal Zeit das sich diese Leute überlegen auf wessen Seite sie stehen.

    Auf Seiten des Rechts, oder auf Seiten des Geldes. Man kann nun mal nicht beides haben.

    Comment by Shual — 29.01, 2011 @ 18:34

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