Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.2.10

Kein Zugangserschwerungs- sondern ein Löschgesetz

Die Bundesregierung rückt von dem – gegen den Rat der meisten Fachleute – verabschiedeten Zugangserschwerungsgesetz wieder ab und möchte dieses nach einer Meldung von SpiegelOnline durch ein „Löschgesetz“ ersetzen. Möglicherweise entgeht man aber damit nur dem, was für die Bundesregierung ein mediales Fiasko wäre, nämlich, dass ihr der Bundespräsident die offensichtliche Verfassungswidrigkeit des Gesetzes bescheinigt und seine Unterschrift verweigert.

Was in einem Löschgesetz allerdings konkret geregelt werden soll, bleibt vorerst unklar. Sinnvoller wäre es allemal, wenn die deutsche Exekutive stattdessen endlich handeln würde. Denn für die Forderung „Löschen statt Sperren“ bedarf es keiner neuen gesetzlichen Regelungen. Wenn deutsche Polizei- und Sicherheitsbehörden auf kinderpornografische Inhalte im Netz aufmerksam werden, dann können Sie Abuse-Mails schreiben und parallel die zuständigen ausländischen Behörden informieren und auf eine Löschung hinwirken.

Jedenfalls zeigt die Entwicklung, dass die Arbeit des Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zensur Früchte getragen hat. Die Politik sollte erkannt haben, dass die Bürger mittlerweile in der Lage sind, sich aus dem Netz heraus zu formieren und für erheblichen politischen Gegenwind zu sorgen.

posted by Stadler at 21:21  

1.2.10

Warum der BKA-Präsident weiterhin für Netzsperren ist

Ein Interview des Präsidenten des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke, in dem er sich u.a. erneut für Netzsperren und die Umsetzung des Zugangserschwerungsgesetzes ausgeprochen hat, erregte am Wochenende die Gemüter.

Dabei ist die Aussage Zierckes, Websperren würden abschreckend wirken, nur eine weitere nicht belegbare These der Gesetzesbefürworter, die wegen ihrer offensichtlichen Unrichtigkeit keine inhaltliche Auseinandersetzung lohnt.

Viel interessanter erscheint mir die Frage, weshalb gerade der BKA-Präsident einer der stärksten Befürworter dieses Gesetzes ist. Denn auch Ziercke weiß, dass dieses Gesetz keinen effektiven Beitrag zur Bekämpfung der Kinderpornografie leisten kann. In Wirklichkeit geht es, wie so oft, um Kompetenzen, Einfluss und Macht.

Das Bundeskriminalamt ist nach wie vor primär eine Koordinierungs- und Sammelstelle, der es an originären polizeilichen Befugnissen fehlt. Das ist Ziercke ein Dorn im Auge, er möchte das BKA gerne zu einer mächtigen Bundespolizei umbauen. Das kann aber nur dann funktionieren, wenn der Gesetzgeber in verschiedenen Bereichen neue Kompetenzen zugunsten des BKA schafft. Und hierbei ist das Zugangserschwerungsgesetz ein Baustein. Ziercke wird also immer solche Bestrebungen unterstützen, die auf die Erweiterung der Kompetenzen des BKA abzielen. Sachliche Notwendigkeiten sind insoweit kein Kriterium. Politiker lassen sich hierfür leider sehr gerne von den „Experten“ des BKA instrumentalisieren und einen entsprechenden Handlungsbedarf einreden.

In einer Vielzahl von älteren Beiträgen und einem Brief an den Bundespräsidenten, habe ich erläutert, was in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gegen Access-Sperren spricht.

posted by Stadler at 13:00  

29.1.10

AK Zensur fordert: Der JMStV-Entwurf muss vom Tisch!

Der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur hat sich an der Anhörung zu einer Neufassung des Jugendmedienschutzstaatsvertrags (JMStV) in der Mainzer Staatskanzlei beteiligt. Der Arbeitskreis fordert, der Entwurf des JMStV müsse komplett vom Tisch.

Das allein würde freilich das Anliegen des AK kaum voran bringen, denn ein beträchtlicher Teil desssen, was jetzt kritisiert wird, ist schon seit Jahren Gesetz. „Sendezeitbeschränkungen“ für Websites und auch Sperrungsanordnungen gegen Access-Provider sind aufgrund der Verweisung in § 20 Abs. 4 JMStV bereits nach geltendem Recht möglich.

posted by Stadler at 09:39  

25.1.10

Zensur über den Umweg des Jugendschutzes?

Ein neuer Entwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) bezieht die Access-Provider nunmehr ausdrücklich in den Kreis derjenigen mit ein, die von den Behörden zu Jugendschutzmaßnahmen im Sinne des Staatsvertrags verpflichtet werden können. Zum Portfolio der gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen gehören Sperrungsverfügungen gegen Provider, ebenso wie „Sendezeitbeschränkungen“ für Internetangebote und die „Kennzeichnung“ jugendgefährdender Angebote.

Der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur hat jetzt ausführlich und ablehnend zu diesen geplanten und zum Teil schon geltenden Maßnahmen Stellung bezogen. Der Provider 1&1 hat in sehr drastischen Worten vom Ende der freien Kommunikation im Internet gesprochen.

Auch wenn man das für übertrieben halten mag, sind viele Landespolitiker offenbar nicht in der Lage zu erkennen, welche Auswirkungen derartige „Jugendschutzmaßnahmen“ auf das Netz tatsächlich haben. Und genau das muss ihnen zügig vor Augen geführt werden.

Gerade die sich deutlich verstärkende Tendenz, technische Dienstleister als Hilfsorgane zur Kontrolle von Inhalten heranzuziehen, geht zwangsläufig mit einem massiven Eingriff in technische Normen und einer Manipulation technischer Standards einher. Dieses Konzept des Sperrens und Filterns unterscheidet sich sachlich sehr wenig von dem der Chinesen. Man muss das so deutlich sagen. Und natürlich geht es nur um einen guten und legitimen Zweck. Aber das ist in China ja auch nicht anders.

posted by Stadler at 16:00  

13.1.10

Die CDU hat viel Lehrgeld bezahlt

Die Union will angeblich Konsequenzen aus dem „Zensursula“-Theater ziehen, weil sie nach Aussage von CDU-Fraktionsvize Kretschmer ziemlich viel Lehrgeld bezahlen musste. Jetzt heißt es, man wolle das Internet als „Raum der Freiheit“ erhalten, wie SPON berichtet. Das was ich in den letzten Monaten immer wieder mal aus den Reihen der Union gehört habe, deutet aber zumindest nicht auf einen deutlichen Lerneffekt hin.

Man könnte in einem ersten Schritt ja den Antrag in den Bundestag einbringen, das Zugangserschwerungsgesetz wieder aufzuheben und dies dann mit den Stimmen der SPD beschließen. ;-)

posted by Stadler at 18:00  

13.1.10

Provider sollen stärker in den Jugendschutz eingebunden werden

Gestern habe ich über einen aktuellen Arbeitsentwurf zur Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) berichtet, der die Idee von Sendezeitbegrenzungen für Internet-Angebote aufgreift und weiter ausweitet. Die Regelung ist im Grundsatz allerdings bereits in der geltenden Fassung des JMStV enthalten, aber nie umgesetzt worden. Tatsächlich neu ist u.a. die genaue Definition unterschiedlicher Altersstufen. Ebenfalls neu und gänzlich unklar ist aus meiner Sicht die geplante Regelung in § 5 Abs. 2 S. 3 JMStV, die lautet:

Die Kennzeichnung von Angeboten, die den Zugang zu Inhalten vermitteln, die gemäß §§ 7 ff. des Telemediengesetzes nicht vollständig in den Verantwortungsbereich des Anbieters fallen, insbesondere weil diese von Nutzern in das Angebot integriert werden oder das Angebot durch Nutzer verändert wird, setzt voraus, dass der Anbieter nachweist, dass die Einbeziehung oder der Verbleib von Inhalten im Gesamtangebot verhindert wird, die geeignet sind, die Entwicklung von jüngeren Personen zu beeinträchtigen.

Diese Regelung ist ersichtlich auf Access-Provider und Hoster zugeschnitten. Der genaue Regelungsgehalt erschließt sich allerdings nicht, was primär an den handwerklichen Mängeln der Gesetzesformulierung liegt. „Angebote, die den Zugang zu Inhalten vermitteln„, gibt es nämlich nicht. Die Formulierung ist perplex, denn die technische Dienstleistung der Zugangsvermittlung stellt kein (Inhalts-)Angebot dar. Es hat allerdings ganz den Anschein, als wolle man damit Zugangs- und Host-Provider in die Verpflichtung zur Kennzeichnung jugendgefährdender Inhalte im Internet unmittelbar einbinden.

Den Grundstein für eine derartig verquere Vermischung von Technik und Inhalt, wie man sie in § 5 Abs. 2 S. 3 des Entwurfs wiederfindet, hat der deutsche Gesetzgeber bereits in den 90’er Jahren gelegt, zu Zeiten des Teledienstegesetzes und Mediendienstestaatsvertrags. Denn der Zugangsprovider wird seit dieser Zeit als Diensteanbieter betrachtet und damit auch wie ein Inhaltsanbieter behandelt. Anbieter im Sinne von TMG und JMStV sind nämlich auch diejenigen, die den Zugang zur Nutzung von Telemedien vermitteln, also die Access-Provider. Damit hat man den Provider und den Content-Anbieter mittels einer gesetzlichen Fiktion gleichgestellt.

Wernn man heute über Netzneutralität diskutiert, sollte man sich vor Augen führen, dass die Gesetzgebung von Bund und Ländern diese grundsätzliche Weichenstellung, die der Vorstellung von Netzneutralität zuwider läuft, bereits vor mehr als 10 Jahren getroffen hat. Der TK-Dienstleister Zugangsprovider, der eine neutrale technische Dienstleistung erbringt, wird als Diensteanbieter qualifiziert und damit einem Content-Anbieter gleichgestellt. Was die Sache schließlich gänzlich absurd macht, ist der Umstand, dass der Gesetzgeber gleichzeitig in § 1 TMG und in § 2 Abs. 2 JMStV zum Ausdruck bringt, dass die Gesetze nicht für Telekommunikationsdienste gelten sollen. Auf diesen Wertungswiderspruch habe ich in der rechtswissenschaftlichen Diskussion immer wieder hingewiesen, u.a. in beiden Auflagen von „Haftung für Informationen im Internet„. Die meisten Fachautoren haben die Einbeziehung des Access-Providers in den Kreis der Diensteanbieter nach TMG (und JMStV) allerdings verteidigt, u.a. mit dem Argument, dass dem Provider ansonsten die Haftungsprivilegierung des TMG nicht zugute kommen würde. Was man dabei übersehen hat, ist, dass damit die eigentlich klar zu ziehende Grenze zwischen Technik und Inhalt verwischt wird und man sich gleichzeitig von der Netzneutralität verabschiedet hat. Es ging hierbei nicht um die Haftungsprivilegierungen, sondern darum, über einen technischen Dienstleister auf die Inhalte Einfluss nehmen zu können. Und hierfür war es erforderlich, den Internet-Service-Provider qua Gesetz wie einen Inhaltsanbieter zu behandeln.

Daneben schlummert auch in der bereits geltenden Fassung des JMStV die Möglichkeit, Zugangsprovider zur Sperrung von Websites zu verpflichten, Zensursula aus Gründen des Jugendschutzes sozusagen.

Bereits der Mediendienstestaatsvertrag sah die Möglichkeit vor, sog. Sperrungsanordnungen gegen Zugangsprovider zu erlassen, wovon die Bezirksregierung Düsseldorf im Jahre 2002 auch Gebrauch gemacht hat. Die Regelung zu den Sperrungsverfügungen existiert immer noch, sie findet sich jetzt in § 59 Abs. 3 des Rundfunkstaatsvertrags. Diese Regelung gilt auch im Bereich des Jugendschutzes. § 20 Abs. 4 JMStV besagt nämlich, dass die zuständige Landesmedienanstalt für Anbieter von Telemedien entsprechend § 59 Abs.2 bis 4 des Rundfunkstaatsvertrages die jeweiligen Entscheidungen treffen kann, zu denen eben auch Sperrungsverfügungen gegen Provider zählen.

Update:
Wie ich gerade gehört habe, sehen die Provider die wesentliche Änderung zu ihren Lasten darin, dass jetzt in § 3 Nr. 2 JMStV die Zugangsvermittler ausdrücklich als Anbieter definiert werden, weshalb man befürchtet, dass sämtliche Anforderungen des Jugendschutzes, die der Staatsvertrag aufstellt, die Access-Provider direkt treffen könnte.

posted by Stadler at 11:15  

27.12.09

Kein politisches Interesse mehr am Zugangserschwerungsgesetz?

Hat die Bundesregierung das Interesse am Inkrafttreten des Zugangserschwerungsgesetzes nunmehr gänzlich verloren? Das zumindest meint die FAZ. Ein Gesetz das alle parlamentarischen Hürden durchlaufen hat, das vom Bundespräsidenten aber nicht ausgefertigt wird und das plötzlich offenbar niemand mehr haben will, wirft ein seltsames Licht auf den Zustand dieser parlamentarischen Demokratie. Und diese Umstände entlarven den vehementen Einsatz von Ursula von der Leyen für dieses Gesetz zudem als das, was er von Anfang war, nämlich eine Wahlkampfinszenierung.

Spekuliert wird auch darüber, ob man das Gesetz nunmehr generell beseitigen wird, was allerdings einen gegenläufigen Gesetzgebungsbeschluss des Bundestages erfordern würde. Das Parlament muss sich ansonsten in seinem Petitionsausschuss nochmals mit dem unliebsamen Gesetz befassen. Denn die Online-Petition von Franziska Heine wird am 22.02.2010 in öffentlicher Ausschusssitzung erörtert. Sofern das Gesetz zu diesem Zeitpunkt noch existiert.

posted by Stadler at 12:00  

18.12.09

Die SPD und Zensursula

Dass die SPD sich nunmehr gegen das Zugangserschwerungsgesetz ausspricht, nachdem sie dem Gesetz vorher zu einer Mehrheit im Bundestag verholfen hatte, könnte man unter der Rubrik „besser spät als nie“ abhaken.

Doch verschiedene Ungereimtheiten lassen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der neuen Haltung aufkommen. Der damalige Verhandlungsführer der SPD-Fraktion Martin Dörmann schreibt in einer E-Mail an seine Fraktionskollegen: „Mir ist es dabei ein persönliches Anliegen, deutlich zu machen, dass wir deshalb eine Kurskorrektur vornehmen, weil sich die Rahmenbedingungen verändert haben.“

Das von Dörmann bemühte Argument, man hätte das Gesetz gebraucht, um die Sperrverträge, die das BKA mit Providern bereits geschlossen hatte, zu verhindern, ist heute ebenso absurd wie damals. Die Verträge mit dem BKA waren nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen nichtig und das ganz offensichtlich. Diesen Spuk hätten die Verwaltungsgerichte deshalb in kürzester Zeit beendet. Das wusste man sowohl in der Union als auch in der SPD, weshalb beide Parteien ein Gesetz gewollt haben.

Die Rahmenbedingungen des Gesetzes haben sich also nicht verändert, es sei denn, man zählt die Wahlniederlage der SPD auch zu den relevanten Begleitumständen. Schließlich ist man als Opposition gerne und schnell mal dagegen. Und genau so sieht es aus liebe SPD. Wundert Euch also nicht, wenn die Leute das durchsichtige Manöver eines MdB Dörmann durchschauen. Es gibt talentiertere Blender als ihn.

posted by Stadler at 22:25  

15.12.09

Auch beim Zugangserschwerungsgesetz wurde die Öffentlichkeit gezielt getäuscht

Die Sperrgegner hatten immer wieder vergeblich darauf hingewiesen, dass die große Mehrzahl der Server, die auf ausländischen Sperrlisten als kinderpornografisch aufgeführt sind, in Europa und den USA stehen.

Wie nunmehr bekannt wurde, war dies auch den Bundestagsfraktionen, insbesondere der SPD-Fraktion, bereits vor der Abstimmung im Bundestag positiv bekannt und zwar interessanter Weise aufgrund eines Schreibens des BKA. Das BKA weist in seinem Schreiben darauf hin, dass die Täter Länder mit ausgebauter Internetinfrastruktur bevorzugen, allen voran USA und Deutschland. Hiervon hörte man freilich aus den Reihen der großen Koalition kein Wort. Vielmehr hat man der Öffentlichkeit weiterhin und wider besseren Wissens erzählt, dass das Gesetz vor allen Dingen deshalb notwendig sei, weil es viele Staaten gäbe, in denen Kinderpornografie nicht strafbar sei.

Die SPD setzt dem nunmehr die Krone auf, indem sie diese Information, die ihr bereits im Zeitpunkt ihrer Zustimmung zum Zugangserschwerungsgesetz bekannt war, als Begründung dafür heranzieht, sich nachträglich gegen das Gesetz auszusprechen. Damit setzt die Partei ein einsames Highlight in Sachen Unglaubwürdigkeit, das kaum mehr zu toppen ist.

posted by Stadler at 21:24  

28.11.09

Köhler hat offenbar Bedenken gegen Sperrgesetz

Bundespräsident Horst Köhler will das sog. Zugangserschwerungsgesetz vorerst nicht ausfertigen, meldet dpa (via ZeitOnline) unter Berufung auf den Spiegel. Der Bundespräsident soll bei der Bundesregierung um ergänzende Informationen gebeten haben.

Bereits im Juli habe ich den Bundespräsidenten im Auftrag des Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zensur und anderer Organisationen und Personen in einem Brief darum gebeten, das verfassungswidrige Gesetz nicht zu unterzeichen und dies ausführlich rechtlich begründet. Sollte Köhler das Gesetz tatsächlich stoppen, wäre dies eine Sensation.

posted by Stadler at 13:24  
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