Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

17.8.10

Sauerland, Streisand und das Landgericht Köln

Eigentlich hatte ich fest vor, nichts zum Thema Loveparade zu bloggen, weil ich mir bei der Ursachenforschung keine Meinung anmaßen möchte.

Aber die heutige Nachricht betrifft die Schnittstelle von Meinungsfreiheit und Urheberrecht. Die Stadt Duisburg hat dem Blog xtranews per einstweiliger Verfügung des Landgerichts Köln verbieten lassen, behördeninterne Dokumente zu veröffentlichen, weil dies gegen das Urheberrecht der Stadt verstoßen würde.

Mir stellt sich angesichts dieser Rechtsprechung zunächst die Frage, ob Köln das neue Hamburg ist, zumal eine Mandantin von mir die meinungsfeindliche Rechtsprechung des Landgerichts Köln unlängst ebenfalls zu spüren bekam.

In rechtlicher Hinsicht kann man natürlich die Frage stellen, ob derartige Dokumente überhaupt urheberrechtlichen Schutz genießen, ob sie über die erforderliche Schöpfungshöhe verfügen und schließlich, ob nicht das Veröffentlichungsinteresse hier Vorrang hat vor einem (nur vorgeschobenen) urheberrechtlichen Schutz.

In tatsächlicher Hinsicht kann man festhalten, dass Sauerland ganz ähnlich klingt wie Streisand und der Duisburger Oberbürgermeister den nach der Künstlerin benannten Effekt jetzt ebenfalls kennenlernen wird. Diese einstweilige Verfügung wird die Verbreitung der fraglichen Dokumente nicht verhindern, sondern vielmehr deutlich beschleunigen.

Update vom 20.08.2010:
Wie man nunmehr bei Rechtsanwalt Vetter nachlesen kann, stützt sich die Beschlussverfügung des Landgerichts Köln wohl primär auf die Verletzung der Rechte eines Datenbankherstellers und nicht auf die Verletzung von Urheberrechten im engeren Sinne. Und Rechtsinhaber sollen insoweit die Rechtsanwälte Heuking Kühn Lüer und Wojtek sein, die ihre Rechte nur an die Stadt Duisburg abgetreten haben, damit die Stadt als Antragsteller auftreten kann. Bei dieser Sachlage stellt sich umso mehr die Frage, weshalb sich das Landgericht keine Gedanken über die Frage eines Rechtsmissbrauchs gemacht hat. Ich bin sehr gespannt, ob die Verfügung Bestand haben wird.

posted by Stadler at 20:56  

9.8.10

Doch noch Bewegung bei der Novelle des JMStV?

Die Neuregelung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV)  ist von den Minsterpräsidenten der Länder beschlossen worden, die noch ausstehende Zustimmung aller Landesparlamante galt bislang eher als Formalität. Allerdings hat in NRW zwischenzeitlich bekanntlich ein Regierungswechsel stattgefunden.

Dass die Jusos aus Nordrhein-Westfalen jetzt eine Ablehnung des JMStV fordern, ist noch nicht wirklich sensationell. Denn Juso-Positionen setzen sich bekanntlich nicht immer durch. Allerdings hatten auch andere Gremien von SPD und Grünen aus NRW – vor dem Machtwechsel – eine Ablehnung des JMStV beschlossen, insbesondere der Landesparteitag der SPD.

Andererseits ist der aktuelle Entwurf federführend vom SPD-regierten Rheinland-Pfalz ausgearbeitet worden, namentlich vom dortigen Staatssekretär Martin Stadelmaier. Die SPD hinterlässt damit, wie bei fast allen netzpolitischen Themen, einen inhomogenen Eindruck, der sich wie ein roter Faden durch deren Politik zieht. Wie schon beim Zugangserschwerungsgesetz kommt die Ablehnung immer erst oder immer nur dann, wenn sich die SPD gerade in der Rolle der Opposition befindet. Dass die SPD in NRW als Oppositionspartei die Neuregelung des JMStV abgelehnt hat, bedeutet deshalb noch lange nicht, dass sie nicht als Regierungspartei demselben Entwurf zustimmen wird.

Nachdem die SPD auf dem Gebiet der Netzpolitik bereits viel an Glaubwürdigkeit verloren hat, wäre dies für die Partei freilich auch eine Chance, sich ein Stück dieser Glaubwürdigkeit zurück zu erobern. Dazu müssten die Abgeordeneten im Landtag in Düsseldorf aber gegen den JMStV stimmen.

In sachlicher Hinsicht wäre das n auch die richtige Entscheidung, was ich in diesem Blog mehrfach dargestellt habe.

posted by Stadler at 11:22  

9.8.10

Jugendschutz auf amerikanisch

Ein Dokumentarfilm über den Holocaust, der von Adam Yauch (aka MCA) von der Kultband Beastie Boys produziert wurde, darf in den USA nicht vor Jugendlichen aufgeführt werden und damit auch nicht an Schulen gezeigt werden. Die fragwürdige Begründung lautet, der Film würde „disturbing images of Holocaust atrocities and graphic nudity “ enthalten.

Adam Yauch ereifert sich darüber, dass Jugendliche zwar mit sinnloser Unterhaltung bombardiert werden dürfen, dass ihnen ein Film von historischem und pädagogischem Wert aber vorenthalten wird.

Die Jugendschutzdiskussion wird leider – nicht nur in den USA – häufig von fragwürdigen Moralvorstellungen beeinflusst, was dazu führen kann, dass die politische Bildung von Jugendlichen leidet. Und das stellt den Sinn des Jugendschutzes, der dazu dient, Jugendliche zu verantwortlichen Mitgliedern der Gesellschaft zu erziehen, auf den Kopf.

posted by Stadler at 10:21  

4.6.10

Access-Sperren in Brüssel weiterhin Thema

EU-Kommissarin Cesilia Malmström setzt sich weiter für Access-Sperren ein. Wie der AK Zensur in einer Pressemeldung mitteilt, hat die Kommissarin auf einem Treffen der Justizminister der Mitgliedsstaaten den Gegnern von Netzsperren vorgeworfen, ihnen ginge es um „Meinungsfreiheit“ für Kinderpornografie. Dieses schändliche „Argument“ ist bereits aus der letztjährigen deutschen Diskussion bekannt, aber es wird auch durch regelmäßige Wiederholung nicht richtig.  Ähnlich wie Ursula von der Leyen in der deutschen Diskussion, will sich Frau Malmström offenbar nicht von Fakten ablenken lasen.

Die berechtigte Sorge der Netzgemeinde besteht u.a. darin, dass zur Durchführung dieser „Sperren“ eine Infrastruktur geschaffen werden müsste, die es dem Staat bzw. einer Behörde wie dem BKA ermöglicht, ohne ausreichende Kontrolle, beliebig “unerwünschte Inhalte” auszufiltern und auf geheim zu haltende Sperrlisten zu setzen. Diese Infrastruktur würde anschließend Schritt für Schritt auch auf andere Bereiche erstreckt werden. Entsprechende Forderungen gibt es von Lobbyisten unterschiedlichster Couleur bereits zu Genüge.

In einer Vielzahl von Blogeinträgen habe ich immer wieder dargestellt, welche sachlichen Gründe gegen „Access-Blockaden“ sprechen. Aus gegebenem Anlass hier nochmals der Hinweis auf einige dieser Texte:

Netzsperren: Wo stehen die zu sperrenden Server eigentlich?
Kinderpornografie im Web kann effektiv bekämpft werden
Sperrung von Kinderpornografie im Netz: Die falschen Tatsachenbehauptungen der Bundesregierung
Bundestagsgutachten zu Netzsperren
Internes “Rechtsgutachten” des BMI zu Access-Sperren
Sperrungsverfügung gegen Access-Provider (Ein älterer Beitrag von mir für die Zeitschrift Multimedia und Recht, der sich mit den Düsseldorfer Sperrungsverfügungen juristisch auseinandersetzt)

posted by Stadler at 21:54  

11.5.10

Google gegen ACTA

Dass sich Google klar und deutlich gegen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) ausspricht, wird manche überrascht haben, war der Suchmachinenriese bislang doch eher für moderate Töne bekannt. Google positioniert sich vor dem Hintergrund der eigenen wirtschaftlichen Interessen. Jede andere Annahme wäre naiv. Allerdings sind diese Interessen auf einen möglichst freien und ungehinderten Fluss von Informationen und Daten gerichtet, denn genau darauf baut das Geschäftsmodell von Google auf. Bürgerrechtler können und müssen einen Giganten wie Google insoweit als Verbündeten betrachten. Nicht weil Google hehre Ziele verfolgt, sondern weil Google in diesem Punkt von einer liberalen Position profitiert. Im Gegensatz dazu, wollen Staaten und die Inhaber von Schutzrechten das Netz kontrollieren und Inhalte blockieren und sperren.

Im Bereich des Datenschutzes sind die Vorzeichen umgekehrt. Das wirtschaftliche Interesse von Google ist dort auf ein niedriges Schutzniveau gerichtet. Letztlich zeigt sich auch hier in etwas anderer Ausprägung wiederum eine Kollision von Meinungs- und Informationsfreiheit einerseits und Persönlichkeitsrecht/Datenschutz andererseits. Dieser Konflikt wird uns noch eine Weile beschäftigen und es wird eine breite Diskussion darüber notwendig sein, wo und wie wir die Grenzen ziehen wollen.

Link: Internetregulierung nach dem ACTA Entwurf

posted by Stadler at 08:33  

1.5.10

Bundesratsausschüsse kritisieren Censilia

Eine Ausschussempfehlung vom 26.04.2010 zum Richtlinienvorschlag der EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Kinderpornografie, der auch das Instrumentarium der Access-Blockaden vorsieht, schlägt dem Bundesrat vor, kritisch bis ablehnend zum Richtlinienentwurf Stellung zu nehmen.

Kritisiert wird u.a., dass die Richtlinie alle Personen unter 18 Jahren als Kinder betrachtet. Zu Recht weist der Bundesrat darauf hin, dass die Schutzwürdigkeit von Jugendlichen (zwischen 14 und 18 Jahren) anders zu beurteilen ist, als die von Kindern.

Deutliche Kritik wird auch an den beabsichtigten Access-Sperren geübt, die im verfassungsrechtlichen Sinne sogar als unverhältnismäßig bewertet werden. Der Wortlaut der Ausschussempfehlung macht deutlich, dass einige politische Akteure nunmehr endlich verstanden haben, worin das eigentlich Problem der Zugangsblockaden besteht. Das ist der aufklärenden Arbeit von Sperrgegnern wie dem AK Zensur geschuldet. Einige Auszüge aus der Ausschussempfehlung:

Da Sperren leicht zu umgehen sind, spiegeln sie einen Schutz vor, der in Wahrheit nicht gegeben ist. Sperren laufen zudem Gefahr, als Zensurversuch des Internets empfunden zu werden. Der Grundsatz „Löschen statt Sperren“ ist deshalb intensiv zu verfolgen. (…)

Internetsperren widersprechen auch den rechtsstaatlichen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes:

– Internetsperren sind sachlich nicht geeignet, die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte wirksam zu bekämpfen. Ihre Umgehung ist technisch mit einfachsten Methoden möglich. Die Sperren bieten darüber hinaus keinen Schutz gegen alternative Verbreitungswege.

– Internetsperren sind auch nicht erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, da mit dem Löschen ein milderes, mindestens gleich wirksames Mittel zur Verfügung steht. Schon jetzt werden kinderpornografische Inhalte auf der ganzen Welt gelöscht.

– Internetsperren sind kein angemessenes Mittel. Zum Ersten setzen sie nicht unmittelbar beim Verantwortlichen an. Wenn die Richtlinie die bedingungslose Sperrung von kinderpornografischen Inhalten vorsieht, widerspricht sie dem Prinzip der gestuften Verantwortlichkeit, wonach ein Nicht-Verantwortlicher allenfalls nachrangig haftet. Zum Zweiten erfassen Sperrungen in der Regel auch eine ganze Bandbreite legaler Inhalte, deren Urheber in ihrem Recht auf Meinungsfreiheit empfindlich verletzt würden. Und zum Dritten ist der Aufbau einer „Sperrinfrastruktur“ aus rechtsstaatlichen Gründen auch deshalb bedenklich, weil diese die Gefahr ganz anderer Verwendungen in sich birgt.

posted by Stadler at 20:13  

28.4.10

Instrumentalisiert die Musikindustrie Kinderpornografie?

Die Rechteindustrie unterstützt die europaweiten Vorhaben, Kinderpornografie im Internet durch providerseitige Access-Blockaden zu bekämpfen gerade deshalb, weil sie sich davon die Etablierung einer Sperrinfrakstruktur erhofft, die anschließend auch für die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen genutzt werden kann. Dieser Zusammenhang ist nicht neu und wird von Sperrgegnern immer wieder ins Feld geführt.

Neu ist allenfalls die Information, dass ein Vertreter der IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) diese Zusammenhänge und die Intension der Musikindustrie vor einigen Jahren ganz freimütig auf einem Kongress dargestellt hat, wovon der schwedische EU-Abgeordnete Engström in seinem Blog berichtet. Eine interessante Lektüre, der die Absurdität des politischen Lobbyismus verdeutlicht.

posted by Stadler at 10:40  

26.4.10

Innenminister will jetzt doch Websites sperren

Bundesinnenminister  De Maiziere propagiert nunmehr doch Access-Blockaden und damit letztlich die Anwendung des Zugangserschwerungsgesetzes. Der enge zeitliche Zusammenhang zur Ankündigung des Justizministeriums, wonach ein Gesetzesentwurf für ein Löschgesetz fertiggestellt worden ist, der auf das Instrumentarium von Access-Sperren verzichtet, dürfte kein Zufall sein. Vielmehr deutet sich hier ein Machtkampf zwischen De Maiziere und Leutheusser-Schnarrenberger an, der wie man munkelt, bereits seit längerer Zeit schwelt.

Thomas De Maiziere lässt es sich außerdem nicht nehmen, einmal mehr die Plattitüde vom rechtsfreien Raum Internet zu bemühen.

Diejenigen Vertreter der Community, die sich derzeit in einem „netzpolitischen Dialog“ mit dem Innenminister befinden, sollten ihre weitere Teilnahme an dieser Showveranstaltung nunmehr überdenken.

posted by Stadler at 21:46  

26.4.10

Für ein sauberes und sicheres Internet

Filmemacher Alexander Lehmann hat sich entschlossen, in einem Kurzfilm die wesentlichen Argumente zusammenfassen, die dafür sprechen, EU-Kommissarin Cecila Malmström bei ihrem Vorhaben, europaweit ein System zur Blockade von Websites durch Access-Provider einzuführen, zu unterstützen. Lassen auch Sie sich von zwingenden Argumenten überzeugen und verlinken Sie diesen englischsprachigen Film weiter und zwar europaweit.

posted by Stadler at 08:00  

24.4.10

Löschgesetz soll Zugangserschwerungsgesetz ablösen

Nach Presseberichten hat das Bundesministerium der Justiz mittlerweile den Entwurf eines Löschgesetzes ausgearbeitet, der das umstrittene Zugangserschwerungsgesetz ablösen soll. Der Gesetzesvorschlag sieht offenbar keinerlei Access-Sperren vor, sondern stattdessen verschiedene Handlungspflichten des Bundeskriminalamts, die darauf abzielen, ausländische Behörden, Meldestellen und Provider zügig auf kinderpornografische Inhalte im Netz hinzuweisen. Möglicherweise wird dieser Gesetzesvorschlag auch zügig in den Bundestag eingebracht, nachdem dort bereits Gesetzesinitiativen der Opposition zur Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes in erster Lesung behandelt worden sind.

posted by Stadler at 15:28  
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