Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

24.1.14

EuGH zur Umgehung von Kopierschutz

Eine neue Entscheidung des EuGH (Urteil vom 23.01.2014, Az.: C?355/12) zur Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen hat zum Teil zu einer erstaunlichen Berichterstattung geführt. Heise-Online titelt beispielsweise „Kopierschutz darf geknackt werden„. Das ist angesichts des Inhalts der Entscheidung des EuGH eine durchaus gewagte These.

Der EuGH definiert den Begriff „wirksame technische Maßnahme“ zum Schutz von urheberrechtlichen Werken zunächst relativ weit. Eine solche technische Maßnahme liegt nach Ansicht des EuGH auch dann vor, wenn sie nicht an das Werk unmittelbar anknüpft, sondern auch dann, wenn hardwareseitig verhindert wird, dass bestimmte Werke – in diesem Fall Computerspiele – installiert bzw. abgespielt werden können.

Weil das natürlich dazu führt, dass der Anbieter proprietärer Lösungen wie im konkreten Fall Nintendo damit auch beliebig Wettbewerber ausschließen kann, hat der EuGH diesen weiten Ansatz anschließend wieder eingeschränkt. Die Gerichte müssen prüfen, ob nicht andere Vorkehrungen zum Kopierschutz zu geringeren Beeinträchtigungen Dritter (also der Wettbewerber) führen würden. Außerdem müssen die Gerichte prüfen, ob die beanstandeten Werkzeuge tatsächlich primär der Umgehung des Kopierschutzes dienen. Die nationalen Gerichte können dabei insbesondere berücksichtigen, wie oft solche Vorrichtungen zur Verletzung des Urheberrechts verwendet werden bzw. wie oft sie zu Zwecken benutzt werden, die keine Urheberrechte verletzen.

Im Falle von Nintendo stellt sich konkret die Frage, ob die Umgehung des Schutzmechanismus vorwiegend dazu dient, die Benutzung raubkopierter Nintendospiele zu ermöglichen oder vielmehr dazu, andere Anbieter von Spielen oder Software von der Nintendo-Plattform auszuschließen.

Der EuGH hat also keineswegs entschieden, dass Kopierschutz künftig geknackt werden darf, sondern nur, dass das nationale Gericht bei der Auslegung darauf zu achten hat, ob eine Umgehungstechnik wirklich vorwiegend dazu dient, einen urheberrechtlichen Schutzmechanismus zu knacken und auch überwiegend zu diesem Zweck benutzt wird.

Oder anders formuliert: Kopierschutzmaßnahmen müssen primär dem Schutz von Urheberrechten dienen und dürfen nicht vorwiegend den Ausschluss von Wettbewerbern oder eine Marktabschottung bezwecken.

posted by Stadler at 10:05  

27.11.13

Und ewig locken die Netzsperren

Es gab in Deutschland vor einigen Jahren eine kontroverse öffentliche Diskussion um das Zugangserschwerungsgesetz an deren Ende fast das gesamte politische Establishment davon überzeugt werden konnte, dass Netzsperren durch Access-Provider aus verschiedensten Gründen abzulehnen sind. Nachdem ich mich mit der Thematik seit weit mehr als 10 Jahren, nämlich seit den Sperrungsanordnungen der Bezirksregierung Düsseldorf, beschäftige, bin ich es mittlerweile auch irgendwie leid, dieselben Argumente alle paar Jahre zu wiederholen. Aber offenbar muss es sein.

Der Generalanwalt beim  EuGH hält in seinem gestrigen Schlussantrag in einem Vorlageverfahren des österreichischen OGH Access-Sperren, soweit sie sich gegen einzelne Websites richten, nicht allein deshalb für unverhältnismäßig, weil sie einen nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordern, aber gleichzeitig ohne besondere technische Kenntnisse leicht umgangen werden kann. Die Argumentation, dass zumindest einige Dumme durch Access-Sperren abgehalten würden, ist aus der deutschen Diskussion hinlänglich bekannt.

Es wäre an dieser Stelle außerdem notwendig gewesen, sich ausführlich mit dem Phänomen Overblocking und den drohenden „Chilling Effects“ zu befassen. Der Generalanwalt erkennt zwar, das hierin ein Problem liegen könnte, erklärt dann aber nur lapidar, dass sicherzustellen sei, dass die Sperrmaßnahme tatsächlich verletzendes Material trifft und kein rechtmäßiges Material gesperrt wird. Die Frage, ob dies tatsächlich sichergestellt werden und mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, beantwortet der Generalanwalt freilich nicht. Jede Sperrmaßnahme, die beim Zugangsprovider ansetzt, beinhaltet allerdings die naheliegende Gefahr, dass andere, legale Internetinhalte mitgesperrt werden, weil es auf der Ebene der Access-Provider, die selbst keinen Zugriff auf die inkriminierten Inhalte haben, nicht immer möglich ist, die Blockademaßnahmen zielgenau auf eine bestimmte Website zu begrenzen. Die Frage ist insoweit natürlich auch, mit welcher technischen Lösung eine solche Netzsperre umgesetzt wird und wer darüber entscheiden soll, welche konkreten technischen Maßnahmen der Provider treffen muss.

Noch bemerkenswerter ist allerdings die weitere Aussage und Entscheidungsempfehlung zu Art. 8 Abs. 3 der Infosoc-Richtlinie. Diese Vorschrift lautet:

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.

Die Vorschrift verdeutlicht, dass der Geist von ACTA in Europa schon wehte, lange bevor die Netzaktivisten dies bemerkt haben. Aber das ist eine politische Frage, die das Zustandekommen der Regelung betrifft.

Die juristische Auslegung des Generalanwalts ist allerdings noch von einem ganz anderen Kaliber. Dass man Access-Provider als Vermittler im Sinne der Norm verstehen kann, wird man juristisch sicherlich vertreten können. Aber nutzt der Rechtsverletzer die Dienste der Access-Provider der Nutzer? Der Generalanwalt erklärt uns jetzt, wie ich finde allerdings ohne nennenswerte Argumente, dass derjenige, der ohne Zustimmung des Rechteinhabers urheberrechtliche Werke im Internet zugänglich macht, dafür auch die Dienste der Access-Provider jener Personen nutzt, die auf diese Werke zugreifen. Das sprengt die Grenze meiner Vorstellung von juristischer Auslegung bei weitem und ist weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift vereinbar. Nach dem Wortlaut müssen die Dienste des Vermittlers zur Verletzung des Urheberrechts genutzt werden und zwar vom Rechtsverletzter. Das erfordert aus Sicht des Rechtsverletzter ein gewisses Maß an Zielgerichtetheit und aktives Handeln im Hinblick auf die Nutzung eines bestimmten Dienstes. Der Generalanwalt behilft sich insoweit mit einer erstaunlichen Überlegung:

Man mag nun zwar einen bestimmten Provider wegdenken, ohne dass die Website dadurch nicht mehr zugänglich wäre, aber als Kollektiv sind die Provider der Internetnutzer notwendig, um im Internet von einer „öffentlichen Zugänglichmachung“ zu reden

Soll heißen: Wenn es keine Provider gäbe, dann könnte auch niemand auf rechtsverletzende Inhalte im Netz zugreifen und deshalb werden die Dienste der Provider für Urheberrechtsverletzungen genutzt. Man könnte jetzt natürlich auch argumentieren, dass es Rechtsverletzungen im Internet nur deshalb gibt, weil es das Internet überhaupt gibt. Und das entspricht eigentlich schon ziemlich exakt dem Denkansatz des Generalanwalts. Mit diesem Argument könnte man allerdings auch Tim Berners-Lee persönlich für Urheberrechtsverletzungen im Internet verantwortlich machen, ebenso wie den Betreiber einer Straße für jeden dort passierenden Verkehrsunfall. Eine Kausalkette haben sie ja irgendwie beide in Gang gesetzt. Vielleicht wäre es an dieser Stelle aber auch notwendig, ein Mindestmaß an Adäquanz zu fordern. Und der Wortlaut zeigt den Weg ganz deutlich auf. Es heißt dort nämlich: „von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts (…) genutzt„. Und der Dritte, also der Verletzter nutzt die Dienste des Access-Providers des Nutzers nicht, weil er mangels Zugriff dazu gar nicht in der Lage ist, mag er auch auch von deren Existenz profitieren, ebenso wie er von der Existenz des Internets ganz allgemein profitiert.

Es bleibt zu hoffen, dass der EuGH der nicht tragfähigen Argumentation des Generalanwalts eine klare Absage erteilt. Das geschieht zwar nicht oft, aber zumindest gelegentlich.

posted by Stadler at 14:57  

8.11.13

Auskunftspflicht der Banken bei Markenrechtsverletzungen

Der BGH hat dem EuGH unlängst die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Banken gegenüber Markeninhabern zur Auskunft über den Inhaber eines Kontos verpflichtet sind, wenn über das Konto die Zahlung des Kaufpreises für gefälschte Markenprodukte abgewickelt worden ist. Hierüber hatte ich kürzlich bereits berichtet. Der Vorlagebeschluss des BGH liegt nunmehr im Volltext vor. Aus der Entscheidung wird deutlich, dass der BGH den Auskunftsanspruch bejahen möchte. Im Beschluss heißt es hierzu:

Aus Sicht des Senats überwiegen vorliegend die Interessen der Klägerin am Schutz ihres geistigen Eigentums und an einem effektiven Rechtsbehelf bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche wegen des Vertriebs markenrechtsverletzender Ware die Interessen der Beklagten und ihres Kunden am Schutz der in Rede stehenden Kontostammdaten. Die Offenbarung von Namen und Anschrift des Inhabers eines Kontos, das im Zusammenhang mit einer offensichtlichen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums benutzt und dessen Nummer anlässlich der Verwendung dem Kläger schon bekannt geworden ist, wiegt aus Sicht des Senats nicht besonders schwer.

Mal sehen, ob der EuGH diese Einschätzung teilt.

posted by Stadler at 11:35  

8.11.13

Gesteigerte Störerhaftung von eBay, wenn eigene Produktwerbung betrieben wird

Der BGH hat zum wiederholten Male über die Frage entschieden, in welchem Umfang eBay für rechtsverletzende – im konkreten Fall ging es um einen urheberrechtlichen Verstoß – Verkaufsangebote auf seiner Plattform haftet.

An der aktuellen Entscheidung (Urteil vom 16.05.2013, Az.: I ZR 216/11) „Kinderhochstühle im Internet II“ sind zwei Dinge bemerkenswert.

Der BGH deutet an, dass ein Plattformbetreiber wie eBay grundsätzlich auch im Hinblick auf Unterlassungsansprüche in den Genuss der Haftungsprivilegierung des TMG kommen kann. Bislang hatte der I. Senat des BGH in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass die aus der E-Commerce-Richtlinie abgeleiteten Haftungsprivilegierungen auf Unterlassungsansprüche nicht anwendbar seien. Diese Rechtsprechung ist auf Kritik gestoßen, da sie mit der Rechtsprechung des EuGH nur schwer in Einklang zu bringen ist. Der I. Senat des BGH scheint in dieser Frage nunmehr eine schrittweise Kehrtwende zu vollziehen, wenngleich er in dem vorliegenden Fall die Lösung am Ende wiederum über das Konstrukt der Störerhaftung sucht. Hierzu führt der BGH folgendes aus:

Verlässt der Anbieter dagegen seine neutrale Vermittlerposition und spielt eine aktive Rolle, die ihm Kenntnis von bestimmten Daten oder Kontrolle über sie verschaffen konnte, wird er hinsichtlich dieser Daten nicht vom Anwendungsbereich des Art. 14 der Richtlinie 2000/31 über den elektronischen Geschäftsverkehr erfasst (vgl. EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn. 113 und 116 – L’Oréal/eBay). Insoweit kann er sich auch nicht auf das Haftungsprivileg der Art. 14 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 und des § 7 Abs. 2 TMG berufen (BGHZ 191, 19 Rn. 23 – Stiftparfüm).

Das ist in sprachlicher Hinsicht insoweit bemerkenswert, als der BGH ausdrücklich Art. 14 und 15 der ECRL nennt, aber hinsichtlich der deutschen Umsetzung nur § 7 Abs. 2 TMG und nicht § 10 TMG, durch den Art. 14 der ECRL umgesetzt ist. Der BGH windet sich also noch, scheint aber anzuerkennen, dass die Haftungsprivilegierung für das Hosting (Art. 14 ECRL bzw. § 10 TMG) auch dann anwendbar sein kann, wenn es um Unterlassungsansprüche geht.

Zum Schwur kommt es in dieser Frage beim I. Senat aber erneut nicht, weil die aktuelle Rechtsprechung des EuGH speziell zu eBay einen Ausweg anbietet. Der EuGH hat nämlich entschieden, dass sich eBay nicht auf das Privileg des Art. 14 ECRL berufen kann, wenn das Unternehmen Hilfestellungen geleistet hat, die u. a. darin bestehen können, die Präsentation von Verkaufsangeboten zu optimieren oder diese Angebote zu bewerben.

Diesen Ansatz greift der BGH dankbar auf und weist darauf hin, dass eBay mit eigenen Werbeanzeigen (AdWords-Kampagne) in Suchmaschinen für die Verkaufsangebote auf seiner Handelsplattform wirbt. eBay hat nach Ansicht des BGH damit seine neutrale Stellung als Betreiber einer Internetplattform verlassen und eine aktive Rolle durch Schaltung von Anzeigen, die unmittelbar zu schutzrechtsverletzenden Angeboten führen, übernommen. Wer sich so verhält, kann sich nach Ansicht des BGH anschließend nicht mehr auf die Haftungsprivilegien der ECRL berufen, ihn treffen als Plattformbetreiber vielmehr gesteigerte Prüfpflichten. Dies soll nach Ansicht des BGH gleichwohl nicht zu einer Haftung als Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung führen, sondern nur zu einer verschärften Störerhaftung.

Im konkreten Fall wird es eBay künftig verboten, Verkaufsangebote für Kinderhochstühle einzustellen oder selbst zu bewerben, in denen bestimmte Nachbauten des Tripp-Trapp-Stuhls angeboten werden. eBay ist also, solange es selbst aktiv Produktwerbung für die Produkte betreibt, die auf seinem Online-Marktplatz angeboten werden, kein privilegierter Anbieter im Sinne der E-Commerce-Richtlinie und des TMG mehr.

posted by Stadler at 11:09  

18.10.13

Störerhaftung im Internet: Wie lange noch?

Der Bundesgerichtshof hat über viele Jahre hinweg – seit dem Urteil „Internet-Versteigerung“ aus dem Jahre 2004 – in einer ganzen Reihe von Entscheidungen die Auffassung vertreten, die Haftungsprivilegierungen des Telemediengesetzes (TMG) seien auf Unterlassungsansprüche nicht anwendbar und hat insoweit seine bewährten Grundsätze der Störerhaftung zur Anwendung gebracht. Diese Rechtsprechung ist in der juristischen Literatur sowohl auf Ablehnung als auch auf Zustimmung gestoßen.

Nachdem der EuGH bereits vor längerer Zeit entschieden hat, dass sich u.a. eBay und Google grundsätzlich auf die Haftungsprivilegierung des Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie, die in Deutschland in § 10 TMG umgesetzt ist, berufen können, ohne hierbei zwischen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu differenzieren, stellt sich die Frage, ob die bisherige Rechtsprechung des BGH noch aufrecht erhalten werden kann oder ob sie in Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH steht. Diese Frage habe ich in diesem Blog bereits vor mehr als drei Jahren aufgeworfen und unter dem Titel „Das Ende der Störerhaftung im Internet“ auch in Aufsatzform (AnwZert ITR 21/2010, Anm. 2) vertieft. Dieser Aufsatz ist leider nicht (mehr) online, wurde aber bei Offene Netze und Recht ausführlich besprochen. Der I. Zivilsenat des BGH hat sich in einer Reihe aktueller Entscheidungen nicht mehr eindeutig zu dieser Frage positioniert – weil ihm möglicherweise bewusst ist, dass er seine Rechtsprechung wird aufgeben müssen – während der VI. Zivilsenat in aktuellen Entscheidungen immer noch explizit darauf verweist, dass die Haftungsregelungen des TMG nicht auf Unterlassungsansprüche anwendbar seien.

Der Kollege Kremer analysiert im CR-Blog eine bemerkenswerte Entscheidung des Kammgerichts (Urteil vom 16.04.2013, Az.: 5 U 63/12), die mit dieser BGH-Rechtsprechung bricht und dies lapidar damit begründet, dass die bisherige Rechtsprechung des I. Senats des BGH nicht mit der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung von Art. 14 und 15 der E-Commerce-Richtlinie vereinbar sei. Die Entscheidung des KG ist nicht rechtskräftig, sondern vielmehr in der Revision beim BGH anhängig, so dass der I. Senat nunmehr erneut die Gelegenheit hat, sich zu der Frage eindeutig zu äußern oder ggf. an den EuGH vorzulegen. Wenn man die Rechtsprechung des EuGH auch auf Unterlassungsansprüche überträgt, würde für die Störerhaftung bei Internetsachverhalten nicht mehr viel Raum bleiben. Der BGH müsste sich dann eventuell auch einmal ausführlicher mit der Frage befassen, ob die Haftungsprivilegien des TMG auch in den Filesharing-Fällen zum Tragen kommen können, was nach meiner Einschätzung durchaus naheliegend ist.

posted by Stadler at 12:20  

17.10.13

Müssen Banken Auskunft erteilen, wenn über ein Konto die Zahlung des Kaufpreises für ein gefälschtes Markenprodukt abgewickelt worden ist?

Der BGH hat dem EuGH heute eine äußerst spannende Rechtsfrage zur Klärung vorgelegt (Beschluss vom 17. Oktober 2013, Az.: I ZR 51/1).

Ein Markeninhaber hatte von einer Sparkasse Auskunft über den Inhaber eines Kontos verlangt, über das der Kaufpreis für ein gefälschtes Markenprodukt bezahlt worden war. Der Markeninhaber stützt sich hierbei auf den Drittauskunftsanspruch des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG.

Das Berufungsericht hat die Klage abgewiesen und gemeint, die Sparkasse könne eine solche Auskunft wegen des Bankgeheimnisses verweigern. Der BGH hat diese Frage nunmehr an den EuGH vorgelegt und seinen Vorlagebeschluss folgendermaßen begründet:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stellt der Vertrieb des gefälschten Parfüms eine offensichtliche Rechtsverletzung dar. Die beklagte Sparkasse hat durch die Führung des Girokontos, über das der Verkäufer den Zahlungsverkehr abgewickelt hat, auch eine für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzte Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß erbracht. Damit liegen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG an sich vor. Die beklagte Sparkasse braucht die begehrte Auskunft aber nicht zu erteilen, wenn sie nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO** zur Verweigerung des Zeugnisses im Prozess berechtigt ist. Da § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG Art. 8 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums umsetzt, muss das Recht zur Verweigerung der Auskunft durch die Richtlinie gedeckt sein. In Betracht kommt insoweit Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie, der den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen und die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Im Streitfall stellt sich die Frage, ob die Kontodaten, über die die Klägerin von der Sparkasse Auskunft verlangt, Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie unterfallen und – wenn dies der Fall sein sollte – ob gleichwohl im Interesse der effektiven Verfolgung von Markenverletzungen die Beklagte Auskunft über die Kontodaten geben muss. Da die Frage die Auslegung von Unionsrecht betrifft, hat der Bundesgerichtshof sie dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Bundesgerichtshof hat in dem Vorlagebeschluss erkennen lassen, dass aus seiner Sicht das Interesse an einer effektiven Verfolgung einer Schutzrechtsverletzung den Vorrang vor dem Interesse der Bank haben sollte, die Identität des Kontoinhabers geheimzuhalten.

Die zu erwartende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dürfte von hoher praktischer Bedeutung sein, zumal es auch im UrhG einen vergleichbaren Auskunftsanspruch gibt. Es könnte also durchaus sein, dass die Banken künftig Auskunft erteilen müssen, wenn ihre Kunden über ihre Konten rechtswidrige Zahlungen abwickeln.

posted by Stadler at 10:32  

15.7.13

Verstößt das Verbot von Schleichwerbung in deutschen Pressegesetzen gegen EU-Recht?

Ob das Verbot von Schleichwerbung, das in allen deutschen Landespressegesetzen normiert ist, gegen EU-Recht verstößt, beschäftigt derzeit den EuGH. Es geht hierbei vor allem um die Frage, ob eine entgeltliche Veröffentlichung (Werbung) ausdrücklich als Anzeige gekennzeichnet sein muss, wie es das deutsche Presserecht verlangt. Der BGH hat diese Frage dem EuGH vorgelegt und hierbei die Tendenz erkennen lassen, dass er keinen Verstoß gegen die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken sieht.

Anders wird dies jetzt allerdings vom Generalanwalt beim EuGH bewertet. Der Generalanwalt meint in seinem Schlussantrag vom 11.07.2013, Az.: C?391/12) dass der nationale Gesetzgeber nur noch dann Regelungen treffen kann die über die Richtlinie hinausgehen, wenn es um Veröffentlichungen von politischen Parteien, gemeinnützigen Vereinigungen oder ähnlichen Organisationen geht, die keinen kommerziellen Zweck verfolgen.

In allen anderen Fällen kommerzieller Veröffentlichungen sollen nationale Rechtsvorschriften die eine Kennzeichnung als Anzeige verlangen, gegen die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken verstoßen. Der EuGH schließt sich in seinem Urteil dem Plädoyer des Generalanwalts häufig an, wenngleich der Schlussantrag keine Bindungswirkung entfaltet. Sinn und Zweck des Entscheidungsvorschlags des Generalanwalts ist es, die Entscheidungsfindung des Gerichtshofs zu unterstützen.

posted by Stadler at 14:07  

25.6.13

Generalanwalt beim EuGH zur datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit von Google

Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat in seinem Schlussantrag vom 25.06.2013 in einem Rechtsstreit zwischen Google und der spanischen Datenschutzaufsichtsbehörde (Az.: C -131/12) bemerkenswerte Rechtsauffassungen vertreten. Der EuGH ist an die Einschätzung des Generalanwalts nicht gebunden, folgt ihr aber zumeist.

Google wendet sich mit seiner Klage gegen eine Löschungsaufforderung der spanischen Datenschutzbehörde, die von Google verlangt hatte, Suchergebnisse zu löschen, die nach Eingabe des Namens einer bestimmten Person in die Suchmaske der Suchmaschine angezeigt wurden.

Der Generalanwalt ist zunächst der Ansicht, dass spanisches Datenschutzrecht auf Google auch dann anwendbar ist, wenn Goggle lediglich werbende nationale Tochterunternehmen unterhält, wie z.B. in Spanien oder auch in Deutschland. Er schlägt dem EuGH insoweit vor festzustellen,

dass die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Niederlassung des für die Verarbeitung Verantwortlichen stattfindet und daher nationale Datenschutzbestimmungen auf einen Suchmaschinenbetreiber anwendbar sind, wenn dieser in einem Mitgliedstaat für die Vermarktung und den Verkauf von Werbeflächen der Suchmaschine eine Niederlassung einrichtet, deren Tätigkeit sich an die Einwohner dieses Staats richtet.

Im Hinblick auf die Frage einer datenschutzrechtlichen Haftung/Verantwortlichkeit von Google ist der Generalanwalt allerdings der Ansicht, dass der Betreiber einer Suchmaschine hinsichtlich personenbezogener Daten auf Quellenwebseiten, die auf dem Server eines Dritten gehostet werden, weder rechtlich noch tatsächlich die in der Datenschutz-Richtlinie vorgesehenen Pflichten eines für die Verarbeitung Verantwortlichen erfüllen kann. Eine nationale Datenschutzbehörde kann einen Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter deshalb nicht zur Entfernung von Informationen aus seinem Index verpflichten, es sei denn, der Diensteanbieter hat exclusion codes nicht beachtet oder ist einer Aufforderung seitens des Websitebetreibers zur Aktualisierung des Cache nicht nachgekommen.

Der Generalanwalt stellt außerdem klar, dass die geltende Richtlinie auch unter Berücksichtigung der Grundrechtecharta kein allgemeines „Recht auf Vergessenwerden“ kennt und Suchmaschinenbetreiber deshalb auch unter diesem Aspekt nicht zu einer Bereinigung des Index verpflichtet sind.

Man darf auf die Entscheidung des EuGH gespannt sein.

posted by Stadler at 16:01  

17.6.13

Urheberrechtsverletzung durch Nutzung der Einbetten-Funktion von YouTube?

Bei YouTube gibt es zu den dort abrufbaren Videos über die Funktion „Einbetten“ die Möglichkeit, das Video in die eigene Website oder das eigene Blog zu integrieren. Man sieht dann ein Vorschaubild, das Video wird aber immer noch via YouTube abgespielt. Diese Verweistechnik erfreut sich mittlerweile großer Beliebtheit und wird vor allem von Bloggern häufig genutzt.

Vor einigen Wochen habe ich darüber berichtet, dass der BGH die Frage, ob dieses Einbetten eine (eigenständige) urheberrechtliche Nutzungshandlung in Form einer öffentlichen Wiedergabe darstellt, an den EuGH zur Entscheidung vorgelegt hat (Beschluss vom 16.05.2013, Az.:  I ZR 46/12).

Dieser Vorlagebeschluss liegt jetzt im Volltext vor und die Argumentation des BGH erscheint mir beachtenswert. Denn der BGH äußerst die Ansicht, dass diese Form des Embedded-Links als urheberrechtliche Nutzungshandlung zu betrachten ist. Die zentrale Passage im Beschluss des BGH lautet:

Auch derjenige, der – wie im vorliegenden Fall – ein auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachtes fremdes Werk im Wege des „Framing“ zum integralen Bestandteil seiner eigenen Internetseite macht, erleichtert Nutzern seiner Internetseite nicht nur den Zugang zu dem auf der ursprünglichen Internetseite vorgehaltenen Werk. Vielmehr macht er sich das fremde Werk durch eine solche Einbettung in seine eigene Internetseite zu eigen. Er erspart sich damit das eigene Bereithalten des Werkes, für das er die Zustimmung des Urhebers benötigte. Ein solches Verhalten ist nach Ansicht des Senats bei wertender Betrachtung als öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG einzustufen, die einer gesonderten Erlaubnis des Urhebers bedarf.

Sollte sich der EuGH dieser Linie anschließen, würde dies bedeuten, dass man für diese Form des Verweises auf Inhalte bei Videoplattformen wie YouTube grundsätzlich die Erlaubnis des Urhebers benötigt. Andernfalls begeht man eine Urheberrechtsverletzung.

Die Begründung des BGH überzeugt nicht. Der BGH bemüht die Uralt-Konstruktion des Zueigenmachens, geht dabei aber in tatsächlicher Hinsicht von falschen Voraussetzungen aus. Bei einem iFrame entsteht – anders als beim HTML-Frame – für den Betrachter gerade nicht der Eindruck, der Blogger/Webseitenbetreiber würde den Content selbst anbieten. Lediglich ein Vorschaubild verweist auf das Angebot bei YouTube. Durch diese Vorschaufunktion wird das Video nicht integraler Bestandteil des eigenen Internetangebots, man erspart sich auch nicht das eigene Bereithalten des Werks. Es wäre naheliegender gewesen, diese Form des Verweises als das zu betrachten, was es für die meisten Nutzers des Netzes mittlerweile ist, nämlich eine zeitgemäße und gängige Verlinkung von Video-Content. Man kann nur hoffen, dass der EuGH die aus der Mottenkiste stammende Argumente des BGH als solche erkennt und die weltweit gängige Verlinkung von Video-Content nicht in Frage stellt.

posted by Stadler at 11:34  

14.6.13

EuGH verhandelt am 9.Juli über die Vorratsdatenspeicherung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Vorlagen des irischen High Court und des österreichischen Verfassungsgerichtshofs zur Frage der Vereinbarkeit der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung mit der Grundrechtecharta verbunden und verhandelt hierüber am 09.07.2013. Das berichtet Hans Peter Lehofer in seinem Blog e-comm.

Der EuGH möchte von den Verfahrensbeteiligten u.a. erläutert haben, ob die Vorratsdatenspeicherung dem Ziel der Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten dienen kann und welche Auswirkungen es hat, dass zahlreiche Möglichkeiten zur anonymen Nutzung der elektronischen Kommunikationsdienste bestehen.

Außerdem erwartet der EuGH Ausführungen zu der Frage, ob und inwieweit es möglich ist, anhand der gespeicherten Daten Persönlichkeitsprofile zu erstellen und zu benutzen, aus denen sich – unabhängig von der Frage nach der Rechtmäßigkeit eines derartigen Vorgehens – das soziale und berufliche Umfeld einer Person, ihre Gewohnheiten und Tätigkeiten ergeben.

Die Verfahrensbeteiligten sollen dem EuGH ferner folgende Fragen beantworten:

 a. Auf welche objektiven Kriterien hat der Unionsgesetzgeber seine Entscheidung beim Erlass der Richtlinie 2006/24 gestützt?
b. Aufgrund welcher Daten konnte der Gesetzgeber den Nutzen der Vorratsspeicherung von Daten fur die Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten einschätzen?
c. Aufgrund welcher Daten konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass eine Speicherung der Daten über einen Zeitraum von rnindestens sechs Monaten erforderlich ist?
d. Gibt es Statistiken, die darauf schließen lassen, dass sich die Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten seit dem Erlass der Richtlinie 2006/24 verbessert hat?

Das könnte durchaus interessant werden, weil es beispielsweise nach einer Studie des MPI keine Erkenntnisse über einen Nutzen der Vorratsdatenspeicherung im Bereich der Terrorbekämpfung gibt. Auch im Zuge der von der Kommission durchgeführten Evaluierung gab es keine wirklich belastbaren Daten aus den Mitgliedsstaaten diesbezüglich.

Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde ebenfalls um eine Stellungnahme gebeten.

(via e-comm)

posted by Stadler at 22:23  
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