Am Rande der Affäre um den kürzlich aus der geschlossenen Psychiatrie entlassenen Gustl Mollath gibt es wieder einmal Interessantes zu berichten.
Ein Sympathisant Mollaths hat eine E-Mail an die Poststelle des Landgerichts Bayreuth mit folgendem Inhalt geschickt:
An alle, die im Fall Mollath Verantwortung tragen: Niederträchtige Bande! Ihr habt es nicht verdient noch einen Cent aus der Staatskasse zu erhalten. Stellt euch nur dumm. Die Gerechtigkeit wird euch ereilen.
Der Präsidenten des Landgerichts Bayreuth stellte daraufhin Strafantrag wegen Beleidigung für die Mitglieder derjenigen Strafvollstreckungskammer, die die Fortsetzung der Unterbringung Mollaths rechtswidrig angeordnet hatte, was zwischenzeitlich auch vom BVerfG festgestellt worden ist.
Die Staatsanwaltschaft Bayreuth beantragt anschließend den Erlass eines Strafbefehls, der vom Amtsgericht Bayreuth auch erlassen wird. Dieser Strafbefehl beinhaltet eine Verurteilung zu immerhin 70 Tagessätzen á 50 EUR wegen Beleidigung der drei Richter der Strafvollstreckungskammer.
Der Betroffene hat gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt und sich in der Hauptverhandlung auch selbst verteidigt, was offensichtlich keine gute Idee war. Er wurde vom Amtsgericht Bayreuth entsprechend des Strafbefehls zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt. Nur die Höhe der Tagessätze wurde gesenkt. Der Betroffene hat anschließend selbst Berufung eingelegt.
Nachdem ich als Anwalt viel Äußerungsrecht mache, stellt sich mir natürlich die Frage, ob die Bezeichnung von Richtern im Zusammenhang mit dem Fall Mollath als „niederträchtige Bande“ eine von Art. 5 GG gedeckte Meinungsäußerung darstellt. Man kann zwar grundsätzlich davon ausgehen, dass Adressaten der Äußerung auch die Mitglieder der Strafvollstreckungskammer waren, nachdem die E-Mail an das LG Bayreuth gerichtet war und die Strafvollstreckungskammer die Fortdauer der Unterbringung Mollaths angeordnet hatte. Aber stellt diese Äußerung tatsächlich eine Beleidigung dar?
Im Urteil heißt es zur Begründung der Beleidigung nur lapidar:
Mit dieser E-Mail beabsichtigte der Angeklagte, seine Missachtung gegenüber den Mitgliedern der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth zum Ausdruck zu bringen.
Eine tragfähige Begründung für eine Verurteilung wegen einer Beleidigung lässt dieser eine Satz allerdings nicht erkennen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind äußerungsrechtliche Sachverhalte immer in ihrem gesamten Kontext zu betrachten und zu würdigen. Eine Würdigung der Äußerung in ihrem Gesamtzusammenhang nimmt das Amtsgericht nicht vor.
Werturteile, zu denen fraglos auch die hier relevante Äußerung zählt, sind außerdem sehr weitreichend von der Meinungsfreiheit geschützt. Nur dann, wenn die Diffamierung der Person im Vordergrund steht und die Auseinandersetzung in der Sache völlig in den Hintergrund tritt, sind die Grenzen überschritten. Wobei scharfe und polemische Kritik grundsätzlich hingenommen werden muss, zumal wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, die wie der Fall Mollath von erheblichem öffentlichen Interesse war und ist.
Bei Beachtung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ist schon nicht erkennbar, dass die Diffamierung bzw. Herabwürdigung der Person im Vordergrund steht. Bei der gebotenen meinungsfreundlichen Auslegung, kann vielmehr zwanglos davon ausgegangen werden, dass es sich um eine scharfe und polemische Kritik an den Sachentscheidungen der Strafvollstreckungskammer handelt. Inswoeit ist dann auch ein überspitze Kritik statthaft, zumal die Unterbringungsentscheidungen des LG Bayreuth vom BVerfG aufgehoben wurden und zwar mit sehr deutlichen Worten in der Beschlussbegründung. Die Verwendung des Begriffs „niederträchtig“ kann ohne weiteres auch dahingend verstanden worden werden, dass damit zum Ausdruck gebracht werden soll, die Strafvollstreckungskammer habe sich bei seinen Entscheidungen über rechtliche Vorgaben hinweggesetzt.
Das Amtsgericht Bayreuth hat mit dieser Verurteilung die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 5 GG verkannt und zu erkennen gegeben, dass ihr die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG zu diesem Grundrecht offenbar nicht bekannt ist.
Das Verfahren hat natürlich eine zweite, rechtspolitische Dimension. Nachdem sich das Landgericht Bayreuth in der Sache Mollath wahrlich nicht mit juristischem Ruhm bekleckert hat, wäre es es angebracht gewesen, in diesem Fall etwas leiser aufzutreten und auf einen Strafantrag zu verzichten.
Sollte der Betroffene seine Berufung fristgerecht eingelegt haben, dann heißt das Berufungsgericht allerdings auch in dieser Sache Bayreuth.