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Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.12.13

BVerfG lehnt Eilantrag gegen SPD-Mitgliederentscheid ab

Das Bundesverfassungsgericht hat am 06.12.2013 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Mitgliederentscheid der SPD über den Koalitionsvertrag abgelehnt (Az.: 2 BvQ 55/13). Die lesenswerte Entscheidung beleuchtet zunächst die Rolle der Parteien im Verfassungsgefüge und stellt klar, dass die Parteien nicht Teil des Staates sind und keine öffentliche Gewalt ausüben. Das ist formal betrachtet wenig überraschend, wobei man über letzteres sicherlich diskutieren kann, denn die politische Wirklichkeit bedingt, dass von Parteien (mittlerweile) mehr Macht ausgeht, als von den im Grundgesetz genannten Verfassungsorganen. Das ist freilich keine Besonderheit des SPD-Mitgliedeentscheids, der sofern man Partei- und Fraktionsdisziplin im aktuell üblichen Umfang für legitim hält, sicherlich nicht bedenklicher ist als das, was man bisher beobachten konnte.

Die Haltung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich im Grunde äußerst knapp zusammenfassen. Die Vorgaben der Art. 21 und 38 GG sind nicht verletzt, denn der Mitgliederentscheid hindert die Abgeordneten nicht daran, anschließend frei und im Zweifel abweichend abzustimmen. Der SPD-Mitgliederentscheid begründet auch keine Verpflichtungen der Abgeordneten die über die bekannte Fraktionsdisziplin hinausgeht. Außerdem sind die Fälle von Fraktionsdisziplin und – wie hier – Parteidisziplin nicht von jedermann mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar. Rechtlich interessanter wäre es da schon, wenn es zu einem Antrag eines betroffenen Abgeordneten käme.

Vielleicht ist der Mitgliederentscheid der SPD nicht der richtige Aufhänger, aber darüber, wie frei der Abgeordnete tatsächlich noch ist, sollte grundsätzlich diskutiert werden.

Denn unser Grundgesetz propagiert das freies Mandat, was die politische Wirklichkeit aber kaum widerspiegelt. Denn die Freiheit einer eigenständigen Entscheidung nehmen sich Abgeordnete, die sich der Partei verpflichtet fühlen und von Fraktionsvorsitzenden bedrängt werden, nicht sehr häufig. Ob das eine originär verfassungsrechtliche Diskussion ist, weiß ich nicht. Aber es geht letztlich um die politische Kultur und die Ausgestaltung unserer demokratischen Mechanismen. Die Parteien sind mittlerweile äußerst dominant und nehmen eine Rolle ein, die ihnen im Verhältnis zu den im Grundgesetz genannten Verfassungsorganen (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung) möglicherweise nicht zusteht. Dass das BVerfG an dieser Stelle eher zurückhaltend agiert, ist weder neu noch überraschend. Denn jede andere Entscheidung würde die über Jahrzehnte hinweg praktizierte politische Praxis in Frage stellen. Und das BVerfG war bislang stets staatstragend und hat noch nie grundlegend politische Mechanismen in Zweifel gezogen. Das bedeutet aber nicht, dass man das nicht auch anders sehen kann oder zumindest eine rechtspolitische Diskussion über die Rolle der Parteien im politischen Prozess bzw. im Gesamtgefüge der Verfassung führen kann und sollte.

posted by Stadler at 20:14  

10 Comments

  1. Wenn wir das mit dem freien Mandat richtig durchsetzen wollen, müssten wir die Parteien ähnlich zusammen stutzen, wie es in den USA der Fall ist, wo die Parteien kaum politische Macht haben. Ob wir das aber wirklich wollen, lasse ich mal dahin gestellt …

    Comment by Heiko — 8.12, 2013 @ 20:21

  2. Könnte es sein, dass das BVerfG ausgehend von Art.20 Abs.2 GG das Volk (ausgeübt durch Volksabstimmungen) als Korrekturfunktion gegen zuviel Parteienmacht und als Unterstützung des freien Mandats ansieht, dies aber durch die Parteien sabotiert wird, weil sie sich weigern neben einem Bundeswahlgesetz auch ein Bundesabstimmungsgesetz zu erlassen?

    Comment by martinf — 8.12, 2013 @ 20:31

  3. Schön, dass das BVerfG über diese Frage entschieden hat. Aber die für mich viel wichtigere Frage, ob der Punkt aus dem Koalitionsvertrag:
    „Kooperation der Fraktionen
    Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten
    Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“
    aus den beiden Parteien offiziell Verfassungsfeindliche Organe macht (NPD Verbot lässt grüßen) bleibt weiter unbeantwortet :(

    Comment by Andre — 8.12, 2013 @ 20:33

  4. Ich halte den Groko-Vertrag für Richtlinien der Politik, mit der sich der Kanzler zur Wahl stellen wird. Damit ist eine Betrachtung nur der Artikel 21 und 38 unzureichend. Ich habe das auch bei LTO skizziert:
    http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/spd-koalitionsvertrag-mitgliederentscheid-verfassungsmaessigkeit/

    Eine ganz andere Frage ist aber tatsächlich, ob die Abgeordneten tatsächlich frei in der Ausübung ihres Mandates sind. Das aber fängt schon an im Wahlrecht, bei dem über das Verhältniswahlrecht die Abgeordneten über Parteilisten gewählt werden. Das ist in UK mit Mehrheitswahlrecht anders.

    Krasses Beispiel war bei uns, dass Herr Ströbele einen unsicheren Platz auf der Landesliste bekam udn alle mit seinem Ausscheiden aus dem Bundestag rechneten, er aber in Berlin seinen Wahlkreis als Direktkandidat bekam (und die Zweitstimmen dann doch gereicht hätten).

    Beim Groko-Vertrag sind m.E. nicht die scheinbaren Verfassungsprobleme um den Artikel 38 GG herum das Hauptproblem, sondern die inhaltlichen Problem:
    1.) Geplante Weiterverschuldung trotz 80% vom BIP Maastricht-Vertrag verletzend
    2.) Beendung der Energiewende zugunsten von Kohle+Atom
    3.) Einführung der VDS in Tradition der Kriegsanleihen, Bluthund Noske, Horst Herold (verdachtsunabhängige Rasterfahndung) und Otto Schily (weitgehende Aufhebeung der Kontrolle der Geheimdienste über den US-Patriot Act hinaus.

    Besonders gruselig finde ich das Ende der Netzpolitik, wo Lars Klingbeil einfach kaltgestellt wird und Sigmar Gabriel ungehindert und ohne jede Verantwortung die toten Genossen aus Norwegen lügend missbrauchen kann. Dieses Lügen und die Überweisung von Anträgen in nicht existierende Ausschüsse lassen nur das Allerschlimmste befürchten.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 8.12, 2013 @ 20:41

  5. Hm.

    In der Parteienstaatslehre nach Leibholz sind auch die politischen Parteien Verfassungsorgane, soweit ihre Rechte aus Art. 21 Abs. 1 Grundgesetz reichen. Dieser Auffassung folgte das Bundesverfassungsgericht anfangs (vgl. BVerfGE 1, 208 [223 ff.], zuletzt 12, 267 [280]). Seit der Entscheidung BVerfGE 20, 1 (9, 29) jedoch werden Parteien lediglich als „im Rang einer verfassungsrechtlichen Institution“ bezeichnet, im Prozess vor dem Bundesverfassungsgericht aber immer noch sehr ähnlich den Verfassungsorganen behandelt. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wurde die Einordnung als Verfassungsorgan zum Teil heftig kritisiert.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungsorgan#Verfassungsorgane_des_Bundes

    Sollte nun jemand den Wikipedia Eintrag verbessern, weil das Gericht die Parteien im Prozess nicht mehr ähnlich wie ein Verfassungsorgan behandelt?

    Comment by U.K. — 8.12, 2013 @ 23:58

  6. @Stefan: Ich verbitte mir Beleidigungen wie Teil einer „bezahlten Bande“ zu sein und erwarte eine umgehende Entschuldigung.

    Comment by martinf — 9.12, 2013 @ 00:18

  7. War bis gestern im Urlaub, deshalb erlaube ich mir folgende Frage an Dich, Thomas:

    Was hast Du Dir denn neuerdings für grenzdebile Trolle eingefangen? WTF ist denn dieses Hassmaul „Stefan“?

    Comment by _Josh — 9.12, 2013 @ 01:23

  8. Der Stefan feiert bestimmt auch die grenzdebile Aktion der Frau Slomka und feiert die Frau Slomka selbst wegen dem Stellen idiotischer Fragen als Nationalheldin.

    Aber jeder gute Blog braucht einen meist deutlich weniger guten Troll. Ist leider so. Bedanken wir uns daher lieber bei Stefan, dass er sich gleich freiwillig zum Narren macht :)

    Comment by maSu — 9.12, 2013 @ 08:49

  9. Der Koalitionsvertrag ist in genau den Teilen rechtens, in denen die drei Parteien ihr Handeln als solche (!) vereinbaren. Die Teile, in denen das Verhalten von Abgeordneten oder Fraktionen „geregelt“ wird, sind ganz klar verfassungswidrig, weil sie das freie Mandat einschränken. Ein Abgeordneter der anders abstimmt, verstößt vermeintlich gegen den Vertrag. Tatsächlich tut er das aufgrund seiner Freiheit nicht, aber es würde nach außen und innen so dargestellt, was schon genug Druck auf den Abgeordneten ausübt.

    Also alleine für den Punkt „Kooperation der Fraktionen“ müsste es herbe Strafen geben.

    Comment by Der dicke Hecht — 9.12, 2013 @ 15:30

  10. Ganz ehrlich Thomas, „Stefan“s Getrolle haette ich an Deiner Stelle nicht zensiert (hab’s noch im cache).

    Warum? Weil da nix strafrechtlich Relevantes vorhanden war und es der Leserschaft gestattet hat/te zu sehen, wie gaga so manch ein Mitgeschoepf unterwegs sein kann. Darueber hinaus kann sowas immer auch der eigenen Reflektion dienen, ebenso der etwaigen Eekenntnis, was Inhaber eines anderen, gegenteiligen Standpunktes bewegt.

    Wie auch immer, schon lange ist ein „Weiter so“ von mir ueberfaellig; betrachte dies bitte hiermit als nachgeholt.
    :-)

    Comment by _Josh — 10.12, 2013 @ 01:48

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