Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

14.3.13

FAZ mahnt Blogger ab

Der streitbare Blogger und Historiker Klaus Graf hat eine Abmahnung der FAZ bekommen. Wegen eines Blogpostings vom 03.02.2013 fordert ihn der Justitiar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf, die Behauptung zu unterlassen, Heike Schmoll – eine Autorin der FAZ – sei die Freundin und/oder die Lebensgefährtin von Annette Schavan.

Jetzt besteht das Problem zunächst darin, dass Klaus Graf das in seinem Blogbeitrag überhaupt nicht behauptet hat. Dort steht nur:

Schavan-Freundin Heike Schmoll unkt in der FAZ: „Schavan wird wohl den Titel verlieren“ und vermutet bestimmte Machenschaften beim Auftauchen der belastenden Zitierregeln-Broschüre

Diese Aussage lässt sich zwanglos dahingehend interpretieren, dass Klaus Graf damit auf eine aus seiner Sicht äußerst Schavan-freundliche Berichterstattung der Journalistin aufmerksam machen wollte, was eine zweifellos zulässige Meinungsäußerung darstellt.

Die Behauptung, Frau Schmoll sei die Freundin bzw. Lebensgefährtin Schavans soll sich nun angeblich daraus ergeben, dass Graf, ganz am Ende seines Blobeitrags und keineswegs im Zusammenhang mit der Person von Frau Schmoll, auf das Blog Causa Schavan – allerdings lediglich auf die Startseite – verlinkt hat. Daraus würde man vermutlich nicht einmal beim Landgericht Hamburg die gewagte Schlussfolgerung ziehen, Graf habe die Behauptung aufstellen wollen, Schmoll sei die Lebensgefährtin Schavans. Interessanterweise teilt das verlinkte Blog nunmehr auch noch mit, dass auch dort diese Behauptung nie aufgestellt worden sei. Gleichzeitig wird die Vermutung geäußert, die FAZ hätte wohl ein anderes Schavan-kritisches Blog – auf das Graf freilich nicht verlinkt hatte – gemeint.

Die Geschichte klingt für einen Außenstehenden – auch einen Juristen wie mich – eher nach einer Farce als nach einer ernsthaften Abmahnung.

Andererseits muss man sich die Frage stellen, wie weit es schon gekommen ist, wenn ein Blogger die Meinungsfreiheit gegen eine der wichtigsten deutschen Tageszeitungen verteidigen muss. Warum muss die FAZ hier außerdem die Interessen von Frau Schmoll vertreten? Diese Frage stellt sich auch in juristischer Hinsicht, denn weshalb vorliegend eine Rechtsverletzung zum Nachteil der FAZ gegeben sein sollte, erschließt sich mir anhand des beanstandeten Blogbeitrags nicht.

So wie ich Klaus Graf einschätze, wird er die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgeben. Ein längerer lesenswerter Beitrag zum Thema findet sich bei Erbloggtes.

posted by Stadler at 15:48  

13.3.13

Bundesregierung beschließt Gesetzesentwurf gegen unseriöse Geschäftspraktiken

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken beschlossen, so dass dieser nunmehr in den Bundestag eingebracht werden wird.

Der begrüßenswerte Teil des Gesetzesentwurfs regelt Darlegungs- und Informationspflichten von Inkassounternehmen und auch Rechtsanwälten die Inkasso betreiben soweit eine Forderung gegenüber einer Privatperson geltend gemacht wird.

Angegeben werden müssen u.a. der Name oder die Firma des Auftraggebers, der Forderungsgrund, bei Verträgen auch die konkrete Darlegung des Vertragsgegenstands und Datums des Vertragsschlusses, eine Zinsberechnung sowie Angaben zu Art, Höhe und Entstehungsgrund der Inkassokosten.

Weniger erfreulich ist der Teil des Gesetzes, der die „Beseitigung von Missständen bei urheberrechtlichen Abmahnungen“ zum Ziel hat. Denn die einzige Maßnahme die der Gesetzgeber ergreifen will, ist – wieder einmal – die Deckelung der Anwaltskosten bzw. des diesbezüglichen Erstattungsanspruchs. Dies will man durch eine Änderung des Gerichtskostengesetzes erreichen, die den Gegenstandswert des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs gegenüber einer natürliche Person die urheberechtliche Werke nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und nicht bereits wegen eines Anspruchs desselben Rechteinhabers zur Unterlassung verpflichtet ist, auf EUR 1000,- festlegt. Allerdings macht das Gesetz die Einschränkung, dass dieser Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig sein kann, was den Gerichten wiederum ermöglicht, hiervon abzuweichen.

Wenn man sich die aktuelle Abmahnpraxis beispielsweise der in letzter Zeit recht klagefreudigen Rechtsanwälte Waldorf Frommer anschaut, dann erkennt man, dass derzeit in vielen gerichtlichen Verfahren Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von EUR 10.000,- in Höhe einer 1,0 Geschäftsgebühr geltend gemacht werden, sowie zusätzlich Schadensersatz zwischen EUR 400,- bis hinein in den vierstelligen Bereich.

An diesen Schadensersatzforderungen wird sich nichts ändern, vielleicht wird man sogar versuchen, die Reduzierung der Anwaltskosten durch eine Erhöhung der Schadesnbeträge zu kompensieren.

Die Anwaltskosten belaufen sich in dem genannten Beispielsfall bei einem Streitwert von EUR 10.000,- derzeit auf EUR 506,-. Wenn man den Streitwert auf EUR 1.000,- reduziert, ergeben sich bei Ansatz einer 1,0 Gebühr Anwaltskosten von EUR 102,-. Andere Kanzleien rechnen auf Basis einer 1,3 Gebühr ab, was zu Anwaltskosten von EUR 130,50 führen würde.

In dem gebildeten Beispielsfall würde sich die Klageforderung also um ca. 400 EUR reduzieren. Im Falle von außergerichtlichen Einigungen bleibt abzuwarten, wie sich die Neuregelung tatsächlich auswirken wird.

Aus meiner Sicht hätte eine effektive Begrenzung der Erstattung von Anwaltskosten vorausgesetzt, dass man dem abmahnenenden Rechteinhaber aufgibt, die Rechnung die sein Anwalt im konkreten Fall an ihn gestellt hat, vorzulegen. Das Hauptproblem besteht m.E. nämlich weiterhin darin, dass nicht überprüfbar ist, inwieweit die Abmahnkanzleien mit ihren Auftraggebern überhaupt auf Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes abrechnen und nicht auf Grundlage deutlich niedriger Pauschalen.

Weiterhin wäre zu erwägen gewesen, über eine einschränkende gesetzliche Regelung der Störerhaftung nachzudenken. Das Grundproblem im Bereich der Filesharing-Abmahnungen sehe ich nämlich darin, dass immer die Anschlussinhaber in Haftung genommen werden, die in der Hälfte der Fälle aber gar nicht die Rechtsverletzter sind. Vor diesem Hintergrund hätte sich auch die Überlegung angeboten, den Auskunftsanspruch gegen Provider einzuschränken und zwar auf Rechtsverletzungen in tatsächlich gewerblichem Ausmaß. Bei der großen Masse der Filesharingabmahnungen wird nämlich immer nur ein einziges Musikstück abgemahnt. Es wäre zu erwägen, für derartige Fälle generell keine Providerauskunft mehr vorzusehen.

Leider hat es die Bundesregierung nicht geschafft, einen wirklich effektiven Gesetzesvorschlag einzubringen.

posted by Stadler at 13:04  

12.3.13

Bundesregierung will Störerhaftung für W-LANs nicht gesetzlich regeln

In verschiedenen Bundesländern gab es Bemühungen, auf eine gesetzliche Regelung zur Einschränkung der Störerhaftung von Betreibern offener W-LANs hinzuwirken. Die Linke hat auch einen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht.

Die Bundesregierung sieht nach einem aktuellen Bericht von SPON aber keinen Handlungsbedarf und will vielmehr eine Entscheidung des BGH abwarten.

Was der BGH im Bereich der Störerhaftung entscheidet, bewegt sich äußerst nahe an einer Ersatzgesetzgebung. Die Grenzen zur Rechtspolitik sind an dieser Stelle fließend. Die Kritiker der Störerhaftung haben seit jeher darauf verwiesen, dass die Störerhaftung eine voraussetzungsarme aber haftungsreiche Rechtskonstruktion sei. Und das beschreibt es auch sehr trefflich. Die Störerhaftung verfügt letztlich über keine vernünftige dogmatische Grundlage, sondern stellt im Ergebnis nichts weiter dar als Billigkeitsrechtsprechung. Und was angemessen ist, entscheidet dann eben nicht der Gesetzgeber, sondern in urheberrechtlichen Fragen die Richter des I. Senats des BGH. Was dabei herauskommen kann, verdeutlicht die fragwürdige „Sommer unseres Lebens“ Entscheidung des BGH wohl am Deutlichsten. Hier zeigt sich eine Fehlentwicklung, die zu korrigieren wäre.

Der BGH hat sich in den Filesharingfällen außerdem dazu entschlossen, äußerst eng am jeweiligen Sachverhalt zu bleiben und gerade nicht zu einem Rundumschlag auszuholen. Wir werden deshalb noch Jahre warten müssen, bis halbwegs alle relevanten Fallkonstellationen entschieden sein werden.

Der Eindruck, dass diese Bundesregierung gerade beim Thema Netzpolitik, aber nicht nur dort, äußerst mutlos agiert, drängt sich nicht zum ersten mal auf.

posted by Stadler at 16:51  

12.3.13

Abgabe vorbeugender Unterlassungserklärung kein Spam

Bereits seit Jahren schwelt ein juritsischer Streit darüber, ob die Abgabe sog. vorbeugender Unterlassungserklärungen – also ohne, dass eine Abmahnung des Rechteinhabers vorausgegangen ist – als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Rechteinhabers und damit als unerlaubte Handlung zu qualifizieren ist. Die vorbeugende Unterlassungserklärung würde damit wie eine unverlangt zugesandte Werbung (Spam) behandelt werden. Hierzu hatte ich bereits 2009 gebloggt und die Einschätzung vertreten, dass eine solche vorbeugende Unterlassungserklärung keine Rechte verletzt.

Da das Landgericht Köln – als eines von wenigen Gerichten – allerdings eine Rechtsverletzung bejaht hat, landete diese Frage nunmehr in der Revision beim BGH. Mit Urteil vom 28.02.2013 (Az. I ZR 237/11) hat der Bundesgerichtshof – für mich wenig überraschend – nach einem Bericht des Kollegen Solmecke entschieden, dass der Versand vorbeugender Unterlassungserklärungen keine rechtswidrige Belästigungen  darstellt und daher auch keinerlei Kostenerstattungsansprüche des Empfängers wegen der Entgegennahme der Unterlassungserklärung bestehen.

Weshalb die Abgabe vorbeugender Unterlassungserklärungen aus meiner Sicht dennoch nicht sinnvoll ist, habe ich zusammen mit Holger Bleich, und Joerg Heidrich 2010 in einem Beitrag für die c’t dargelegt.

posted by Stadler at 14:22  

11.3.13

DAV: Geplantes Berliner Gesetz zu Übersichtsaufnahmen bei Versammlungen ist verfassungswidrig

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat sich in einer Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes des Berliner Abgeordnetenhauses über Übersichtsaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen geäußert.

Die Einschätzung des Fachausschusses Gefahrenabwehr des DAV ist eindeutig. Es liegt ein Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vor, der schon nicht geeignet ist, die öffentliche Sicherheit zu stärken. Auch die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne wird vom DAV bezweifelt.

Letztlich halte ich gerade auch folgende Erwägungen des DAV für überzeugend und durchgreifend:

Zudem steht zu befürchten, dass das nun vorliegende Gesetz Ausgangspunkt für die Etablierung weiterer Eingriffsbefugnisse der Polizei in Zusammenhang mit Videoüberwachung bei Versammlungen sein wird. Das BVerfG hat zwar in seiner Eilentscheidung zum ersten Entwurf des Bayrischen Versammlungsgesetzes ausdrücklich ausgeführt, dass die Aufzeichnung von Übersichtsaufnahmen nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefahr für öffentliche Sicherheit und Ordnung zulässig sei. Wenn aber entsprechend dem Berliner Entwurf laufend ohne Vorliegen einer konkreten Gefahr derartige Übersichtsaufnahmen angefertigt werden, liegt es aus polizeilicher Perspektive nahe, vorläufige Aufzeichnungen vorzunehmen, um sodann nach der Versammlung über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Speicherung nach § 12a VersG zu entscheiden. Das würde im Ergebnis dann eine umfassende, anlasslose Videoüberwachung von Versammlungen bedeuten.

Nicht hinreichend beachtet hat man in Berlin auch die Vorgaben des BVerfG. Danach stellt die Anfertigung solcher Übersichtsaufzeichnungen nach dem heutigen Stand der Technik für die Aufgezeichneten immer einen Grundrechtseingriff dar, weil auch in Übersichtsaufzeichnungen die Einzelpersonen in der Regel individualisierbar mit erfasst sind. Ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufzeichnungen und personenbezogenen Aufzeichnungen besteht nach der Rechtsprechung des BVerfG wegen des Stands der heutigen Technik deshalb nicht mehr.

Letztlich ist das Gesetz zur Anfertigung von Übersichtsaufnahmen gleichzeitig auch ein Gesetz zum Filmen einzelner Demonstrationsteilnehmer. Genau das ist aber, jedenfalls zum Zweck der „Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes“ nicht mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vereinbar.

posted by Stadler at 21:48  

11.3.13

Neuregelung der Bestandsdatenauskunft möglicherweise erneut verfassungswidrig

Die sog. Bestandsdatenauskunft von TK-Anbietern gegenüber Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden muss wegen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts neu geregelt werden. Darüber hatte ich im letzten Jahr bereits ausführlich berichtet.

Der Gesetzesentwurf befindet sich mittlerweile im Gesetzgebungsverfahren, der Innenausschuss hat heute dazu eine Sachverständigenanhörung durchgeführt. Die Einschätzungen der Sachverständigen waren erwartungsgemäß unterschiedlich.

Für lesenswerte halte ich die schriftliche Stellungnahme von Prof. Matthias Bäcker, der die Ansicht vertritt, dass der Entwurf einer Neufassung des § 113 TKG teils die Kompetenzordnung des Grundgesetzes verletzt, reglungsbedürftige Fragen nicht regelt und deshalb gegen Grundrechte verstößt.

Bäcker geht insbesondere davon aus, dass der Bund (im TKG) abschließend regeln muss, aus welchen Anlässen und zu welchen Zielen die Daten übermittelt werden dürfen und dies nicht den fachspezifischen Regelungen von Bund und Ländern überlassen werden darf. Denn der Zweckbindungsgrundsatz erfordert laut Bäcker, dass eine solche Regelung unmittelbar im TKG erfolgt. Der Entwurf regelt aber in 113 Abs. 3 TKG-E nur, an welche Behörden die Daten übermittelt werden dürfen, nicht aber, unter welchen Voraussetzungen dies zulässig ist.

Ferner hält Bäcker beispielsweise auch die geplante Abfrageermächtigung im BKA-Gesetz für verfassungswidrig, weil die in § 7 Abs. 3 BKAG-E enthaltene Ermächtigung dem Bundeskriminalamt in seiner Funktion als Zentralstelle eine zu weitreichende Befugnis zu Bestandsdatenabrufen im Vorfeld konkreter Gefahren oder strafprozessualer Verdachtslagen einräumt. Die vorgesehene Regelung ermöglicht dem BKA laut Bäcker Bestandsdatenabfragen zur Unterstützung von kriminalstrategischen Analysen zu nutzen, die es unabhängig von konkreten Verdachtsmomenten durchführt kann.

Darin könnte man eine Art kleine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür sehen. Dies ist jetzt allerdings meine eigene Schlussfolgerung und nicht die von Bäcker. Denn wenn das BKA aufgrund einer zu weitreichenden Ermächtigungsnorm verdachtsunabhängig Daten anfordern – und anschließend natürlich auch speichern – kann, wird damit in gewissem Maße faktisch auch eine anlassunabhängige Speicherung von Daten ermöglicht, die später u.U. unkontrolliert für andere strafprozessuale oder präventive Zwecke Verwendung finden könnten.

posted by Stadler at 17:46  

11.3.13

KG: Meinungsfreiheit für Filmaufnahmen in Berliner U-Bahn

Unter dem Titel „Landgericht Berlin: Filmen verboten“ hatte ich Mitte des letzten Jahres über eine aus meiner Sicht falsche Entscheidung des LG Berlin berichtet, die das Filmen in Berliner U-Bahnhöfen untersagt hatte,  mit der Begründung, dass dadurch das Eigentumsrecht der Berliner Verkehrsbetriebe verletzt würde.

Das Kammergericht hat die Entscheidung mit Urteil vom 25.10.2012 (Az.: 10 U 136/12) – das jetzt im Volltext vorliegt – aufgehoben.

Die Urteilsbegründung ist lesenswert, vor allen Dingen die Ausführungen zur Meinungs- und Pressefreiheit im Hinblick auf Filmmaterial das evtl. durch die Begehung von Straftaten erlangt wurde. Das Kammergericht wörtlich:

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Aufnahmen – wie sie vorträgt – durch Begehung von Straftaten wie Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch erlangt wurden. Allein der Umstand, dass der Beklagte zu 1) Filmmaterial verwendet, dessen Herkunft unklar ist und dessen äußere Gestaltung den Rückschluss auf die Begehung von Straftaten zulässt, begründet noch kein Überwiegen des Interesses der Klägerin an der Untersagung der Veröffentlichung und Verbreitung. Auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen fällt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Zur Funktion der Presse gehört es, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen. Diese Kontrollaufgabe könnte bei einem absoluten Verbreitungsverbot leiden. Gleiches gilt für die Freiheit des Informationsflusses, die gerade durch die Pressefreiheit erhalten und gesichert werden soll. Ob rechtswidrig erlangte Informationen veröffentlicht werden dürfen, hängt von einer Abwägung ab. Dabei kommt es auf der einen Seite auf den Zweck der Äußerung an: dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Auf der anderen Seite ist das Mittel von wesentlicher Bedeutung, durch welches ein solcher Zweck verfolgt wird. Die widerrechtliche Beschaffung einer Information indiziert einen nicht unerheblichen Eingriff in den Bereich eines Anderen, besonders dann, wenn dieser Bereich wegen seiner Vertraulichkeit geschützt ist. Darüber hinaus entsteht ein Konflikt mit dem Prinzip der Unverbrüchlichkeit des Rechts, einer Grundvoraussetzung der Rechtsordnung. Eine Veröffentlichung ist daher nur dann zulässig, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die tatsächliche Geltung der Rechtsordnung nach sich zieht (BVerfG, NJW 1984, 1741, 1743 –Wallraff). Dies ist hier der Fall. Zwar ist das streitgegenständliche Material – wie die Klägerin unter Hinweis auf die jeweiligen Szenen und Aufnahmewinkel substantiiert vorträgt – unter Begehung von Straftaten erlangt worden. Dadurch ist in den Bereich der Klägerin eingegriffen worden. Jedoch betreffen die streitgegenständlichen Bilder Betriebsanlagen und Betriebsmittel und damit Informationen, die nicht schon wegen ihrer Vertraulichkeit besonders geschützt sind. Eine “Privatsphäre”, wie sie natürlichen Personen zusteht, kann die Klägerin als Anstalt des öffentlichen Rechts nicht für sich in Anspruch nehmen. Insoweit liegt der zu beurteilende Sachverhalt auch anders, als in dem vom Senat entschiedenen Rechtsstreit (Urt. v. 18.04.2011, – 10 U 149/10 – zit. nach juris). In jenem Fall lag der Abwägung nämlich zugrunde, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen durch die Beschaffung und Verwertung von durch eine Straftat erlangten Informationen wegen des erkennbaren Geheimhaltungsinteresses hinsichtlich der privaten Korrespondenz besonders intensiv war (a.a.O. Rn. 27). Dies ist für die streitgegenständlichen Bilder nicht anzunehmen. Insbesondere werden durch diese auch keine Betriebsgeheimnisse der Klägerin offenbart. Auch wird sie dadurch auch nicht in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Unternehmen betroffen. Denn durch die in dem Film enthaltenen streitgegenständlichen Bilder wird vielmehr deutlich, dass die Klägerin Opfer von Straftaten wird. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 1) das Filmmaterial nicht selbst durch eine Straftat erlangt hat, sondern das ihm nach seinem Vortrag “anonym” zugespielte Material in Kenntnis von dessen widerrechtlicher Erlangung verwendet hat. Anders als die Klägerin meint, durfte der Beklagte zu 1) die streitgegenständlichen Bilder auch zur Illustration des Themas einsetzen. Insbesondere dient die Darstellung auch – anders als das Landgericht meint – nicht vornehmlich der Befriedigung der Neugier des Zuschauers sondern vermitteln einen Erkenntnisgewinn gegenüber einer bloßen Schilderung des Geschehens. Der 90-minütige Film beschäftigt sich mit der Szene der Sprayer, die sich auf S-und U-Bahnen spezialisiert haben. Er versucht, die Motive dieser als “geschlossene Gesellschaft” agierenden Personen darzustellen, wobei der Durchschnittszuschauer aufgrund der Darstellung davon ausgeht, dass die gezeigten Personen Straftaten zu Lasten der Klägerin begehen.

posted by Stadler at 12:11  

8.3.13

Einstweilige Verfügung des LG Hamburg: ZEIT nimmt Artikel über Filmpiraterie vom Netz

Das Landgericht Hamburg hat es der ZEIT untersagt, über die Politikwissenschaftlerin Jeanette Hofmann zu behaupten, sie halte das Urheberrecht für überflüssig und Hofmann habe behauptet, man brau­che gar kein Urheberrecht. Außerdem wurde der Wochenzeitung verboten, zu behaupten, Hof­mann würde sich damit ein­deu­tig auf die Seite derer stellen, die mit ille­ga­len Film­ko­pien Geld verdienen. Stefan Niggemeier berichtet unter dem süffisanten Titel „Die Zeit muss Piraten-Dossier wegen Rufraub löschen“ ausführlich über den Fall.

Jetzt bin ich speziell bei äußerungsrechtlichen Beschlussverfügungen des Landgerichts Hamburg aus Erfahrung skeptisch. Die spannende Frage wird also sein, ob Hofmann tatsächlich wörtlich oder sinngemäß irgendwann gesagt hat, sie halte das Urheberrecht für überflüssig und vor allem auch in welchem Kontext eine solche Äußerung dann gestanden hat. Sollte eine solche Aussage Hofmanns existieren, dann könnten auch die restlichen Aussagen der ZEIT in Bezug auf ihre Person von der Meinungsfreiheit gedeckt sein, selbst wenn man das in Hamburg wie so oft anders sehen sollte.

Sollte die ZEIT eine solche Aussage Hofmanns allerdings nicht belegen können, dann wäre sie in der Tat zu einem Tendenzblatt von Springerschem Niveau verkommen. Warum das besagte ZEIT-Dossier unabhängig von den Behauptungen zur Person Hofmanns mit Qualitätsjournalismus wenig zu tun hat, hat Torsten Dewi in seinem Blog ausführlich erläutert.

Es wird also interessant sein zu sehen, ob die ZEIT Widerspruch gegen die Beschlussverfügung einlegt oder eine Abschlusserklärung abgibt und damit die einstweilige Verfügung als rechtsverbindlich akzeptiert.

Update vom 13.03.2013:
Der Kollege Lampmann berichtet unter Bezugnahme auf meinen Blobeitrag ebenfalls über den Fall und vertritt die interessante Auffassung, dass die ZEIT die Äußerungen Hofmanns nicht belegen können muss, um den Fall zu gewinnen. Das wäre nach Ansicht Lampmanns nämlich nur dann der Fall, wenn es sich um herabsetzende oder ehrenrührige Behauptungen handeln würde.

Diese Einschätzung halte ich nicht für zutreffend, sie entspricht auch nicht dem Stand der Rechtsprechung.

Bei Tatsachenbehauptungen ist grundsätzlich der Wahrheitsgehalt zu prüfen, weil die Behauptung unwahrer Tatsachen nicht den Schutz von Art. 5 GG genießt. Speziell für die Presse gelten bei der Verbreitung von Tatsachen erhöhte Anforderungen. Der BGH legt der Presse im Rahmen der sog. „pressemäßigen Sorgfaltsanforderungen“ grundsätzlich eine Recherchepflicht auf. Bei jeder pressemäßigen Tatsachenbehauptung muss die Presse über nachprüfbare Belegtatsachen verfügen und diese auch darlegen können. Die ZEIT kann also weder ins Blaue hinein irgendwelche Aussagen von Frau Hofmann behaupten, noch darf sie gänzlich ungeprüft Behauptungen Dritter übernehmen.

Die ZEIT trifft also zunächst die Darlegungslast dahingehend, dass es entsprechende Aussagen von Frau Hofmann, wonach das Urheberrecht überflüssig sei, tatsächlich gibt. Nur dann, wenn die ZEIT Belegtatsachen für entsprechende Aussagen vortragen kann, wird sie Chancen haben, die einstweilige Verfügung aufgehoben zu bekommen.

posted by Stadler at 22:28  

8.3.13

Spindler-Gutachten zur rechtlichen Zulässigkeit einer Kulturflatrate

Im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen hat der Rechtswissenschaftler Gerald Spindler ein Gutachten zur rechtlichen und ökonomischen Machbarkeit einer Kulturflatrate im Urheberrecht verfasst. Das Gutachten wurde unter CC-Lizenz im Netz veröffentlicht.

Spindler hält eine Kulturflatrate grundsätzlich für realisierbar, wobei er zunächst verschiedene Änderungen des Urheberrechtsgesetzes für notwendig erachtet. Hierzu gehören insbesondere die Ausweitung der derzeit geltenden Schrankenbestimmungen zu Privastkopien (§ 53 UrhG), sowie die Schaffung einer neuen Schrankenbestimmung zur Erfassung der Angebotsseite (Upload) zugunsten privater Nutzer hinsichtlich des Rechts auf öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG).

Eine solche Regelung wäre laut Spindler allerdings nicht mit dem geltenden Europarecht vereinbar, insbesondere nicht mit der sog. InfoSoc-Richtlinie. Eine Änderung der Richtlinie wäre somit vor Einführung einer Kulturflatrate notwendig.

posted by Stadler at 21:20  

7.3.13

Wissenschaftler gegen Verwässerung der geplanten Datenschutzgrundverordnung

Vor einigen Wochen haben sechs Wissenschaftler auf ZEIT-Online einen Aufruf veröffentlicht, die geplante Datenschutzgrundverordnung nicht zu verwässern. Diesem Aufruf haben sich mittlerweile mehr als 60 Wissenschaftler aus ganz Europa angeschlossen.

An dem Aufruf stört mich ganz entscheidend, dass einer der wirklich kritischen Aspekte dieser Datenschutzgrundverordnung, nämlich der Umstand, dass Erlaubnistatbestände in weitem Maß durch die Kommission über sog. delegierte Rechtsakte geregelt werden sollen, zwar thematisiert wird, aber erst ganz zum Ende. Das deutet auf eine verfehlte Schwerpunktsetzung hin.

Grundsätzlich stimme ich mit den Verfassern aber darin überein, dass es vermutlich technische Lösungen sein werden, die die datenschutzrechtlichen Probleme der Nutzer lösen können. Ob wir in Zukunft tatsächlich ein höheres Datenschutzniveau haben werden, als es faktisch derzeit vorhanden ist, hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt, technische Lösungen wie „Do Not Track“ weltweit zu etablieren. Möglicherweise müsste der (europäische) Gesetzgeber gerade diesbezüglich verbindliche Vorgaben machen. Die geplante Datenschutzgrundverordnung wird in ihrer jetzigen Form vermutlich weniger zur Verbesserung des Datenschutzes beitragen, als viele glauben.

Wir müssen vielmehr aufpassen, dass wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und in dem Streben nach einem hohen Datenschutzniveau nicht andere demokratische und rechtsstaatliche Grundlagen über Bord werfen. Dass diese Gefahr gerade im Hinblick auf die Datenschutzgrundverordnung besteht, hatte ich hier bereits erläutert.

posted by Stadler at 22:16  
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