Richard Gutjahr skizziert in einem vielbeachteten Blogbeiträg, wie (europäische) Gesetzesvorhaben von Unternehmenslobbyisten beeinflusst werden. Das ist im Grunde wenig überraschend, wenngleich man im Einzelfall dann doch erstaunt ist, wie plump zum Teil agiert wird, wenn parlamentarische Änderungsvorschläge tatsächlich wörtlich und unverändert lobbyistische Texte übernehmen.
Die Gründung der Crowdsourcing-Plattform Lobbyplag begrüße ich ganz ausdrücklich, denn es ist dringend notwendig, auf politischen Lobbyismus hinzuweisen und konkrete Einflussnahmen aufzuzeigen. Der alte Satz Bismarcks, dass man bei Gesetzen und Würsten besser nicht dabei sein sollte, wenn sie gemacht werden, beansprucht leider weiterhin Gültigkeit.
Dennoch sollte man sich vor einer allzu starken Schwarz-Weiß-Betrachtung hüten. Gerade bei der geplanten EU-Datenschutzreform lohnt es sich genauer hinzuschauen. Das diesbezügliche Motto von Lobbyplag „Your Privacy Is In Danger“ suggeriert, dass große US-Konzerne ihre wirtschaftlichen Eigeninteressen gegen die Interessen der (europäischen) Bürger durchsetzen. Das entspricht auch dem, was man in den Medien und Blogs überwiegend zu lesen bekommt. Ob die Fronten tatsächlich in dieser Form und in dieser Eindeutigkeit verlaufen, wird leider wenig hinterfragt.
Ich habe mehrfach deutliche Kritik an dem geplanten Reformvorhaben der EU geäußert und u.a. die Frage gestellt, wie sinnvoll und demokratisch die geplante Reform tatsächlich ist. Man muss nämlich ernsthaft in Betracht ziehen, dass diese Datenschutzreform unsere Grundrechte gefährdet.
Wenn wir uns an dieser Stelle nur noch auf die Lobbyisten konzentrieren, laufen wir Gefahr, die tatsächlichen Zusammenhänge nicht mehr zu erkennen bzw. zu hinterfragen. Die geplante Datenschutzreform der EU ist nicht allein deshalb zu begrüßen, weil Wirtschaftslobbyisten versuchen, sie abzuschwächen. Was ich gerade hier vermisse, ist eine inhaltliche Diskussion der Frage, wie Datenschutz im Zeitalter des Internets überhaupt noch funktionieren kann und was dafür zu tun ist.
Nach meiner Einschätzung schreibt der Entwurf der EU-Kommission ein Datenschutzmodell fort, das aus den 70′er und 80′er Jahren stammt und das den Praxistest bereits bisher nicht bestanden hat.
All das ändert aber nichts daran, dass man den Lobbyisten auf die Finger schauen muss. Allerdings sollte man sich gerade mit Blick auf die EU-Datenschutzgrundverordnung vor der einfachen Annahme hüten, dass dieser Lobbyismus zwingend zum Nachteil der Bürger sein muss.
Man kann beispielsweise beim Thema Leistungsschutzrecht sehen, dass eine inhaltliche Position nicht deshalb falsch sein muss, weil sie von Google oder Facebook vertreten wird, auch wenn deren Interessen zumeist andere sind, als die der Bürger/Nutzer.
Michael Seemann (mspro) beklagt zurecht, dass es bislang keine wirkliche öffentliche, kritische Beschäftigung mit der Datenschutzreform gibt.
Zur inhaltlichen Kritik am Vorhaben der EU hier noch ein Überblick über meine Blogbeiträge zum Thema:
Hebelt die geplante EU-Datenschutzverordnung deutsche Grundrechte aus?
Der Entwurf einer EU-Datenschutzverordnung in der Kritik
Weitere Kritik an der geplanten EU-Datenschutzverordnung
Alternativentwurf einer EU-Datenschutzverordnung
Wie sinnvoll und wie demokratisch ist die geplante EU-Datenschutzgrundverordnung?