Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

17.5.11

Impressumspflicht für Vorschalt- und Baustellenseiten

Das Landgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 15.12.2010 (Az.: 12 O 312/10) entschieden, dass für Vorschalt- und Wartungsseiten keine Informationspflichten nach § 5 TMG und auch nicht nach § 55 RStV bestehen.

Die Impressumspflicht nach § 5 TMG verneinte das Landgericht mit der Begründung, im konkreten Fall sei der Internetauftritt zu diesem Zeitpunkt nicht mit dem Zweck der Verfolgung wirtschaftlicher Interessen betrieben worden. Das ist insoweit nachvollziehbar als, die Informationspflichten des § 5 TMG voraussetzen, dass die Website zumindest mit wirtschaftlichem Hintergrund betrieben wird. Wenn es sich also evident um die Baustellenseite eines Unternehmens handelt, muss die Beurteilung allerdings anders ausfallen.

Die Begründung für die Verneinung einer Impressumspflicht nach § 55 RStV ist dann allerdings mehr als erstaunlich. Das Landgericht geht davon aus, dass der Rundfunkstaatsvertrag nur Regelungen für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk trifft und eine Internet-Präsenz keine Rundfunkveranstaltung sei. Diese Rechtsansicht des Landgerichts Düsseldorf ist schlichtweg falsch. Der Rundfunkstaatsvertrag enthält seit geraumer Zeit auch Regelungen für sog. Telemedien und heißt mittlerweile auch Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien. § 55 RStV regelt ganz ausdrücklich auch Informationspflichten für Telemedien wie Websites. Wie diese Informationspflichten von denen des § 5 TMG abzugrenzen sind, habe ich anderer Stelle am Beispiel von Blogs dargestellt.

Die Entscheidung ist in ihrer Begründung evident falsch und deshalb mit höchster Vorsicht zu genießen.

posted by Stadler at 17:07  

17.5.11

Anerkennung von Jugendschutzprogrammen für das WWW

Bereits die geltende Fassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags enthält eine Regelung zu Jugendschutzfiltern. § 11 JMStV sieht vor, dass die die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) Jugendschutzprogramme als geeignet anerkennt. Die Anerkennung ist zu erteilen, wenn die Software einen nach Altersstufen differenzierten Zugang ermöglicht. Mit dem Einsatz einer Filtersoftware die diesen Kriterien genügt, kann der Anbieter von sog. entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 JMStV – § 11 Abs. 1 JMStV verweist ausdrücklich auf diese Vorschrift – bereits jetzt seine Pflicht zum Jugendschutz erfüllen.

Bislang existiert nach meinem Kenntnisstand aber noch kein einiziges Jugendschutzprogramm, das von der KJM anerkannt worden ist. Die KJM hat jetzt ein Informationspapier veröffentlicht, in dem sie aus Ihrer Sicht die Kriterien für die Anerkennung von Jugendschutzfilterprogrammen für das WWW erläutert.

posted by Stadler at 11:40  

16.5.11

Leistungsschutzrecht, Informationsfreiheit und Pressespiegel

Gerade lese ich im Blog von Torsten Kleinz, dass die Äußerungen der Justizministerin zum Leistunggschutzrecht für Verlage letztlich nur auf die bereits nach geltendem Recht gegebene Kostenpflicht für (elektronische) Pressespiegel hinauslaufen würden, weshalb Kleinz die Befürchtung einer Beeinträchtigung der Informationsfreiheit für übertrieben hält.

Mir scheint da argumentativ einiges durcheinander zu gehen. Für Pressespiegel existiert in § 49 UrhG eine Regelung, die besagt, dass eine Vervielfältigung und Verbreitung einzelner Presseartikel im Rahmen eines Pressespiegels unter gewissen Voraussetzungen urheberrechtlich zulässig ist, allerdings eine Vergütung bezahlt werden muss, die von Verwertungsgesellschaften (VG Wort) geltend gemacht wird. Diese Vorschrift wird auch auf elektronische Pressespiegel angewandt. Darauf scheint Kleinz abzustellen, wenn er auf Pressespiegel nach geltendem Recht verweist.

Die Vorschrift des § 49 UrhG beschränkt die Rechte des Urhebers/Autors und schafft eine gesetzliche Lizenz, die dem Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst ungehinderten Informationsfluss dient und mithin explizit die Förderung der Informationsfreiheit beabsichtigt.

Das Leistungsschutzrecht für Verleger verfolgt eine exakt gegenläufige Zielsetzung. Dieses Instrument will die Rechte der Urheber und Rechteinhaber anders als § 49 UrhG nicht beschränken, sondern vielmehr erweitern. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass eine bloße Verlinkung eines bereits online befindlichen Werkes nach der Rechtsprechung des BGH („Paperboy“) keine urheberrechtlich relvante Nutzungshandlung darstellt. Genau hier setzt die Idee der Verleger vom Leistungsschutzrecht für Verlagsprodukte an. Man will damit etwas, was nach geltendem Urheberrecht erlaubt ist, einschränken bzw. einer Vergütungspflicht unterziehen.

§ 49 UrhG lässt also eine an sich unerlaubte Art der Nutzung im Interesse der Allgemeinheit zu, während das Leistungsschutzrecht für Verlage eine nach allgemeinen Kriterien zulässige Art der Nutzung einschränken, bzw. von einer Vergütungspflicht abhängig machen will.

§ 49 UrhG fördert deshalb die Informationsfreiheit, ein Leistungsschutzrecht für Verlage beeinträchtigt die Informationsfreiheit.

posted by Stadler at 12:30  

13.5.11

Betreiber des N-Forums unterliegt beim Landgericht Köln

Bereits vor einiger Zeit hatte ich über eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln gegen den Betreiber des “Nürburgring-Fanforums“ berichtet. Hintergrund war ein Forumsbeitrag, in dem ein kritischer Zeitungsartikel über ein Bauprojekt am Nürburgring wörtlich wiedergegeben war. Dieser Zeitungsartikel ist bereits zuvor untersagt worden.

Die einstweilige Verfügung hat das Landgericht Köln mit Urteil vom 11.05.2011 (Az.: 28 O 72/11) nunmehr bestätigt. Der Widerspruch des Forenbetreibers ist damit erfolglos geblieben.

Das Landgericht führt zur Begründung vor allen Dingen aus, dass sich der Forenbetreiber nicht auf das sog. Laienprivileg berufen könne und für sich außerdem nicht in Anspruch nehmen könne, als Forenbetreiber nur eingeschränkt zu haften.Insoweit geht das Gericht allerdings davon aus, dass der Forenbetreiber den fraglichen Beitrag selbst ins Netz gestellt hat und dieser nicht von einem Nutzer des Forums stammt. Dies ändert den maßgeblichen Sachverhalt natürlich.

Die Streitfrage wird sich demnach darauf reduzieren, ob sich der Forenbetreiber tatsächlich auf das sog. Laienprivileg berufen kann. Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf „ein Einzelner, der Presseberichte guten Glaubens aufgreift und daraus verallgemeinernde Schlußfolgerungen zieht, erst dann zur Unterlassung oder zum Widerruf verurteilt werden, wenn die Berichterstattung erkennbar überholt oder widerrufen ist.“ (BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991, Az.: 1 BvR 1555/88).

Das Urteil des Landgerichts Köln vom 11.05.2011 lautet auszugsweise:

Der Verfügungsbeklagte kann sich nicht auf das sog. Laienprivileg berufen. Unter das Laienprivileg fallen Behauptungen einzelner, die sich zu nicht transparenten Bereichen von Politik und Wirtschaft oder zu sonstigen Vorgängen von öffentlichem Interesse äußern (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 12 Rn. 136). Nach der Rechtsprechung sollen Privatpersonen, die Presseberichte anderer in gutem Glauben aufgreifen, zur Unterlassung oder zum Widerruf nur in Anspruch genommen werden dürfen, wenn die Berichterstattung erkennbar überholt war oder widerrufen worden ist (BVerfG NJW 1992, 1439 – Bayer Beschluss; NJW-RR 2000, 1209, 1211). Diese Grundsätze können nach einem Teil der Rechtsprechung grundsätzlich auch bei Übernahme einer ehrverletzende Pressemitteilung auf eine private Webseite Anwendung finden (LG Berlin MMR 2009, 62; bestätigt KG Berlin MMR 2009, 482).

Der Verfügungsbeklagte betreibt seit mehr als 10 Jahren das N-Forum, das – nach eigenen Angaben des Verfügungsbeklagten – den Motorsport-Interessierten „einen Ort des Austauschs über ihren Sport“ und „die Geschehnisse am Nürburgring“ bieten will. Als Betreiber dieses Forums, das sich auch intensiv mit der Problematik der Finanzierung des Nürburgring-Projekts auseinandersetzt, ist er an der öffentlichen Diskussion seit längerem beteiligt und nutzt das N-Forum zur öffentlichen Berichterstattung über den in der Presse als Nürburgring-Skandal bezeichneten Sachverhalt. Der Verfügungsbeklage beschränkt sich nicht darauf, durch einzelne Äußerungen punktuell an der öffentlichen Auseinandersetzung mitzuwirken, sondern schafft durch die von ihm betriebene Webseite eine auf Dauer angelegte mediale Öffentlichkeit, die nach eigenen Angaben des Verfügungsbeklagten weit beachtet ist („60.000 Einträge“). Als Betreiber des Forums kann er sich daher nicht auf das Laienprivileg berufen, unabhängig davon, ob er sich dieser Tätigkeit hauptberuflich oder in seiner Freizeit widmet.

Der Kläger kann auch die Grundsätze zur Privilegierung der Haftung von Forenbetreibern nicht für sich in Anspruch nehmen. Als Störer kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt (BGHZ 148, 13 – Meißner Dekor; BGHZ 158, 236 – Internetversteigerung I; BGH, GRUR 2007, 708, 711 – Internetversteigerung II). Weil die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt sie eine Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (st. Rspr.: BGH, GRUR 1997, 313 – Architektenwettbewerb; GRUR 2007, 708, 711 – Internetversteigerung II, m.w. Nachw.). Eine erhöhte Prüfungspflicht besteht für ihn immer dann, wenn er vom Rechtsinhaber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist; in diesem Fall muss er nicht nur den Zugang zu der konkreten Datei unverzüglich sperren, sondern darüber hinaus Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt (s. BGH a. a. O; s. OLG Köln GRUR-RR 2008, 35 – Sharehoster Haftung; LG Köln ZUM-RD 2009, 349 – Blogger-Foren). Der Artikel der Eifel-Zeitung wurde auf das vom Verfügungsbeklagten betriebene Forum am 01.05.2009 eingestellt. Da der Verfügungsbeklagte das Internetforum betreibt und die Verfügungskläger außerhalb des Geschehensablaufs stehen, trägt der Verfügungsbeklagte für die Anwendbarkeit der Grundsätze der Privilegierung eines Forenbetreibers die Darlegungslast (vgl. Burkhardt in Wenzel, a. a. O., Kap. 10 Rn. 246; s. auch allgemein Thomas/Putzo/Reichold, 31. Aufl. 2010, vor § 284 ZPO Rn. 18). Der Verfügungsbeklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass der streitgegenständliche Beitrag der Eifel-Zeitung von einem Dritten im Internetforum des Verfügungsbeklagten veröffentlicht wurde. Denn der Verfügungsbeklagte hat in seiner zu den Akten gereichten eidesstattlichen Versicherung lediglich erklärt, dass er nicht mehr weiß, ob der Beitrag durch ihn selbst oder einen Dritten in das Forum eingestellt wurde. Eine solche Erklärung ist nicht geeignet, seine Haftung als unmittelbarer Handlungsstörer auszuschließen. Es wird keinerlei Sachverhalt zur Nutzung des Forums durch Dritte oder der Verwaltung und Speicherung von Daten mitgeteilt, so dass keine konkreten Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Artikel vorliegend von einem Dritten in das Forum übernommen wurde. Im Ergebnis spricht auch die einleitende Kommentierung des Artikels auf der Internetseite des Beklagten ohne namentliche Bezeichnung dafür, dass der streitgegenständliche Beitrag vom Inhaber des Online-Forums selbst verfügbar gemacht wurde. Durch die Übernahme des Berichts der Eifel-Zeitung hat sich der Verfügungsbeklagte den Inhalt des Artikels im Ergebnis auch zu eigen gemacht, da eine hinreichende Distanzierung von den Inhalten des Berichts nicht erfolgt ist. Druckt eine Zeitung oder Zeitschrift einen namentlich bezeichneten Beitrag ab, macht sie sich deren Inhalt in der Regel zu eigen (vgl. Burkhardt in Wenzel, a. a. O., Kap 4 Rn. 104). Nichts anderes gilt vorliegend für die vollständige Wiedergabe des Artikels der Eifel-Zeitung auf dem Interessenforum des Verfügungsbeklagten, den dieser einleitend mit dem Verweis auf die in diesem enthaltenen weiteren Informationen kommentiert hat.

posted by Stadler at 14:32  

12.5.11

Wie drastisch will eigentlich Leutheusser-Schnarrenberger das Netz regulieren?

In einem insgesamt eher diffusen Interview mit DRadio Wissen spricht sich Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger für das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverlage aus und erklärt, dass man die Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet regeln wolle.

Auf die Nachfrage, ob damit nicht auch das Zitieren unmöglich gemacht werde, sagte die Ministerin, es würde um Verlinkung und auch um das Zitieren gehen. Und anschließend betonte sie noch, dass u.a. Suchmaschinen die Zielrichtung seien.

Ich hoffe, dass sie sich darüber im Klaren ist, was sie da sagt. Ein derartig regulierender Eingriff in die Verlinkung auf allgemein zugängliche Quellen rüttelt an den Grundfesten des Web und beeinträchtigt die Informationsfreiheit empfindlich. Wer bei der bloßen Verlinkung oder der Weiterverbreitung von Informationen schon damit rechnen muss, als Urheberrechtsverletzer in Anspruch genommen zu werden, wird im Zweifel davon Abstand nehmen Links zu setzen und kurze Nachrichten zu posten. Das betrifft gerade auch Blogger und Nutzer von sozialen Medien. Faktisch wäre damit ein schwerwiegenderer Eingriff in die Kommunikationsgrundrechte verbunden, als er beispielsweise von Netzsperren ausgeht.

Wenn selbst die Deutsche Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), die nicht im Verdacht steht, sich gegen die Interessen von Rechteinhabern und Urhebern zu engagieren, befürchtet, dass mit einem solchen Leistungsschutzrecht zugunsten der Verlage ein Schutz der Sprache und der Information selbst begründet wird, sollte das zu Denken geben.

Der protektionistische Regulierungsansatz wie ihn die Justizministerin propagiert, läuft meiner Vorstellung von liberaler Politik diametral zuwider. Diese Form der Klientelpolitik ist nämlich gegen die Allgemeinheit und gegen die Freiheit gerichtet.

Update vom 18.05.2011:
Der Kollege Dr. Ruttig gelangt in einem lesenswerten Beitrag für die Legal Tribune Online zu einer ähnlichen rechtlichen Einschätzung.

Der Kollege weist zu Recht darauf hin, dass der Gesetzgeber zur Umsetzung dieses Vorhabens die Rechtsprechung (u.a. „Paperboy“ und „Vorschaubilder“) korrigieren müsste und zwar zunächst zugunsten aller Rechteinhaber, mit dann allerdings weitreichenden Folgen für die Funktionsweise des Internet insgesamt.

Der Hyperlink stellt nämlich nach geltendem Recht keine urheberrechtlich relevante Nutzung dar. Um dies zu ändern, müsste der Gesetzgeber zuerst in das System der Verwertungsrechte (§§ 15 ff. UrhG) eingreifen. Konkret müsste er wohl § 15 Abs. 2 UrhG um ein Recht auf Verlinkung ergänzen und flankierend z.B. einen § 19b schaffen.

Das hätte allerdings zur Konsequenz, dass zunächst der Urheber bestimmen kann, ob auf sein Werk (auf seinen Text) verlinkt wird oder nicht.  Jede Verlinkung auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk würde dann zunächst eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Hiervon müsste der Gesetzgeber anschließend durch Schaffung einer vergütungspflichtigen gesetzliche Lizenz wieder eine Ausnahme vorsehen.

Man darf also gespannt sein, wie der Gesetzesentwurf des BMJ diese Probleme in den Griff bekommen will, ohne die grundsätzliche Freiheit, Links zu setzen, zu beeinträchtigen.

posted by Stadler at 21:33  

11.5.11

Anforderungen an eine wettbewerbsrechtlich zulässige E-Mail- und Telefonwerbung

Der BGH hat erneut (Beschluss vom 14.04.2011, Az.: I ZR 38/10) entschieden, welche (wettbewerbsrechtlichen) Anforderungen an eine Einwilligung in eine Werbung per E-Mail oder per Telefon, zu stellen sind.

Eine Einwilligung in eine Werbung unter Verwendung von elektronischer Post (E-Mail und SMS) setzt nach §  7 Abs. 2 Nr. 3 UWG eine gesonderte, nur auf die Einwilligung in eine solche Werbung bezogene Zustimmungserklärung  des  Betroffenen voraus („Opt-in“-Erklärung). Eine Einwilligung, die in Textpassagen enthalten ist, die auch andere Erklärungen oder Hinweise enthalten, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Für die Einwilligung in eine Werbung mit einem Telefonanruf nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG gilt nach Ansicht des BGH dasselbe. Auch eine solche Einwilligung setzt eine gesonderte – nur auf die Einwilligung in die Werbung mit einem Telefonanruf bezogene – Zustimmungserklärung des Betroffenen voraus.

Diesen Anforderungen genügt die im konkreten Fall in Rede stehende Einwilligungserklärung nicht, da sie sich nicht nur auf die Werbung mit einem Telefonanruf, sondern auch auf die telefonische Benachrichtigung über einen Gewinn bezieht.

posted by Stadler at 17:45  

11.5.11

Keine vertragliche Verpflichtung bei Missbrauch eines eBay-Kontos

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat heute (Urteil vom 11. Mai 2011, Az.: VIII ZR 289/09) entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Inhaber eines eBay-Mitgliedskontos vertraglich für Erklärungen haftet, die ein Dritter unter unbefugter Verwendung des Accounts abgegeben hat.

Der Bundesgerichtshofs führt zunächst aus, dass auch bei Internet-Geschäften die Regeln des Stellvertretungsrechts anwendbar sind, wenn durch die Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt wird, es solle mit dem Namensträger ein Geschäft abgeschlossen werden. Erklärungen, die unter dem Namen eines anderen abgegeben worden sind, verpflichten den Namensträger daher nur, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgen oder vom Namensträger nachträglich genehmigt worden sind oder wenn die Grundsätze über die Duldungs- oder die Anscheinsvollmacht eingreifen.

Allein die unsorgfältige Verwahrung der Kontaktdaten eines eBay-Mitgliedskontos führt nach Ansicht des BGH noch nicht dazu, dass der Inhaber des Kontos sich die von einem Dritten unter unbefugter Verwendung dieses Kontos abgegebenen Erklärungen zurechnen lassen muss. Eine Zurechnung fremder Erklärungen an den Kontoinhaber ergibt sich auch nicht aus § 2 Ziffer 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay. Da diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen jeweils nur zwischen eBay und dem Inhaber des Mitgliedskontos vereinbart sind, haben sie keine unmittelbare Geltung zwischen dem Anbieter und dem Bieter. Ausgehend davon war nach Ansicht des BGH zwischen den Parteien im konkreten Fall kein Kaufvertrag zustande gekommen.

Die Frage einer deliktischen Haftung des Inhabers eines eBay-Accounts für die missbräuchliche Nutzung seines Kontos hat der I. Senat des BGH vor zwei Jahren anders entschieden (Urteil vom 11.03.2009, Az.: I ZR 114/06 – Halzband). Danach haftet der Inhaber eines eBay-Kontos für Schutzrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstöße, die über sein Konto begangen wurden, als Täter. Der Grund für die Haftung besteht nach Ansicht des I. Senats in der vom Account-Inhaber geschaffenen Gefahr, dass  für den Verkehr Unklarheiten darüber entstehen können, welche Person unter dem betreffenden  Mitgliedskonto bei eBay gehandelt hat.

Beide Urteile widersprechen sich nicht unmittelbar, da es in dem einen Fall um die deliktische Haftung und in dem anderen Fall um die Begründung einer vertraglichen Verpflichtung geht. Nachdem der I. Senat allerdings ganz ausdrücklich mit einer Rechtsscheinshaftung argumentiert, ergibt sich m.E. dennoch ein Wertungswiderspruch. Denn die Annahme eines Rechtsscheins durch den I. Senat hätte man dann konsequenterweise auch zur Begründung einer sog. Anscheinsvollmacht heranziehen müssen. Ich bin gespannt, ob sich die Urteilsgründe der aktuellen Entscheidung mit der Halzband-Entscheidung des I. Senats (kritisch) auseinandersetzen werden.

posted by Stadler at 15:29  

11.5.11

Vorratsdatenspeicherung light

SPD-Chef Gabriel fordert bekanntlich die Vorratsdatenspeicherung. Dem widersprechen nun einige Netzpolitiker der SPD in einem offenen Brief – wobei auffällig ist, dass sich nicht ein einziger Bundestagsabgeordneter aus der Deckung gewagt hat – und schlagen stattdessen eine Art VDS light vor. Diese soll (nur) eine kurze Speicherung von IP-Adressen beinhalten und das eng begrenzt auf schwerste Straftaten. Auf eine Speicherung von Standortdaten soll gänzlich verzichtet werden.

Dass dieser Vorschlag nicht bei allen Anklang finden würde, war klar und es gibt sicher gute Gründe, sich gegen jede Form der Vorratsdatenspeicherung auszusprechen.

Andererseits sollte man auch gelegentlich eine Reality-Check durchführen und der beinhaltet die Erkenntnis, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung in der Speicherung von IP-Adressen und der in der Praxis am häufigsten anzutreffenden Konstellation der sog. mittelbaren Nutzung von Verkehrsdaten, in der den Ermittlern die IP-Adresse bereits aus anderen Quellen bekannt ist, kein großes Problem sieht.

Vielleicht wäre es deshalb auch erwägenswert, der Logik des BVerfG zu folgen und die Abfrage der zu einer IP-Adresse gehörenden Kundendaten davon abhängig zu machen, dass die Behörden bereits selbst IP-Adresse und Nutzungszeitpunkt ermittelt hat.

Den Vorschlag aus dem offenen Brief einiger Netzpolitiker und Aktivisten könnte man aus meiner Sicht als akzeptablen Kompromiss betrachten, wenn er denn konsensfähig wäre. Nur gerade das steht nicht zu erwarten.

In diesem Zusammenhang sollte man auch nochmals deutlich machen, dass die ewige Diskussion um die Notwendigkeit der Terrorbekämpfung vor allen Dingen ein politisches Täuschungsmanöver darstellt. Die Vorratsdatenspeicherung dient in der Praxis primär der Bekämpfung von Betrugs- und Urheberrechtsdelikten und nicht der Terrorbekämpfung.

posted by Stadler at 09:25  

10.5.11

Keine Pflicht zur Vorabbenachrichtigung bei Veröffentlichung privater Informationen

Der Europäiscche Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) hat heute über eine interessante Frage im Rahmen eines kuriosen Falles entschieden.

Kläger war Formel 1 Chef Max Mosley, über den in der „News Of The World“ berichtet wurde, er hätte eine „kranke Nazi-Orgie mit 5 Prostituierten“ veranstaltet. Mosley ist hiergegen in England erfogreich gerichtlich vorgegangen.

Das war ihm aber nicht genug, den er vertritt die Ansicht, dass der britische Gesetzgeber eine Rechtspflicht der Presse schaffen muss, vor einer Veröffentlichung privater Informationen den Betroffenen in Kenntnis zu setzen, um ihm Gegelegenheit zu geben, noch vor der Veröffentlichung Rechtsschutz zu erlangen. Das Fehlen einer solchen Rechtspflicht führt nach Ansicht Mosleys dazu, dass das Vereinigte Königreich die Menschenrechtskonvention verletzt.

Dieser Argumentation ist der Gerichtshof nicht gefolgt. Der EGMR betont u.a., dass ein solches allgemeines „pre-notification requirement“ geeignet ist, die Pressefreiheit zu beeinträchtigen und spricht von einem „chilling effect“. Denn es gibt, über den konkreten Fall hinaus, genügend Fallkonstellationen, in denen auch an einer Berichterstattung über private Umstände ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht.

Ebenfalls zum Thema:  EGMR – Mosley: Verständigungspflicht vor Veröffentlichung privater Informationen hätte chilling effect (e-comm)

posted by Stadler at 12:28  

9.5.11

Die Volkszählung

Heute beginnt die Volkszählung (Zensus 2011) und sie stellt anders als noch in den achtziger Jahren keinen großen Aufreger mehr dar. Wie diese aktuelle Volkszählung funktioniert, habe ich in einem älteren Beitrag schon vor einem Jahr erläutert.

Dass das Bundesverfassungsgericht mehrere Verfassungsbeschwerden gegen den Zensus 2011 noch nicht einmal zur Entscheidung angenommen hat, belegt m.E. einen Paradigmenwechsel in der verfassungsrechtlichen Bewertung. Denn die aktuelle Volkzählung ist aufgrund des Umstandes, dass sie vorwiegend registergestützt erfolgt, nicht minder grundrechtsintensiv als vor 30 Jahren und gemessen an den Kriterien, die im Volkszählungsurteil postuliert worden sind, auch verfassungsrechtlich nicht weniger problematisch.

Im Volkszählungsurteil heißt es u.a.:

“Auch die Übernahme sämtlicher Daten aus bereits vorhandenen Dateien der Verwaltung ist keine zulässige Alternative zu der vorgesehenen Totalzählung. Denn die Nutzung von Daten aus verschiedenen Registern und Dateien würde voraussetzen, daß technische, organisatorische und rechtliche Maßnahmen getroffen werden, die es erst erlauben, diese Daten, bezogen auf bestimmte Personen oder Institutionen, zusammenzuführen. Eine solche Maßnahme wäre zum Beispiel die Einführung eines einheitlichen, für alle Register und Dateien geltenden Personenkennzeichens oder dessen Substituts. Dies wäre aber gerade ein entscheidender Schritt, den einzelnen Bürger in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren. Die Verknüpfung vorhandener Dateien wäre danach auch nicht das mildere Mittel.”

Genau das, was in dieser Textpassage des Volkszählungsurteils beschrieben ist, passiert gerade. Für jede Anschrift, jedes Gebäude, jede Wohnung, jeden Haushalt und jede Person wird im Rahmen des Zensus 2011 eine Ordnungsnummer vergeben und geführt. Unter dieser Ordnungsnummer werden Daten aus verschiedenen Registern zusammengeführt und über Jahre hinweg gespeichert.

Das aktuelle Gesetz mag eine eindeutigere und engere Zweckbindung haben, als in den achtziger Jahren. Denn der Gesetzgeber hat natürlich versucht, die alten Fehler zu vermeiden. Die Missbrauchsgefahr bleibt allerdings bestehen und auch die Gefahr der (politischen) Diskussion darüber, dass man die so schön zusammengeführten Daten doch auch gut für andere Zwecke gebrauchen könnte.

Die Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh hat der taz gesagt, dass sie die Auskunft verweigern und lieber ein Bußgeld bezahlen wird, sollte sie zu der Minderheit gehören, die tatsächlich befragt wird. Vielleicht sollte man sich insoweit allerdings bewusst machen, dass nicht die unmittelbare Befragung das Hauptproblem darstellt, sondern die unsichtbare Zusammenführung von Daten ohne Befragung des Bürgers. Die Eingriffsintensität einer registergestützten Volkszählung ist deutlich höher als bei einer solchen mittels Fragebogen. Und dieser registergestützten Volkszählung kann sich niemand mehr verweigern, nachdem das BVerfG sämtliche Verfassungsbeschwerden gar nicht erst zur Entscheidung angenommen hat.

posted by Stadler at 13:30  
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