Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.5.11

Leistungsschutzrecht, Informationsfreiheit und Pressespiegel

Gerade lese ich im Blog von Torsten Kleinz, dass die Äußerungen der Justizministerin zum Leistunggschutzrecht für Verlage letztlich nur auf die bereits nach geltendem Recht gegebene Kostenpflicht für (elektronische) Pressespiegel hinauslaufen würden, weshalb Kleinz die Befürchtung einer Beeinträchtigung der Informationsfreiheit für übertrieben hält.

Mir scheint da argumentativ einiges durcheinander zu gehen. Für Pressespiegel existiert in § 49 UrhG eine Regelung, die besagt, dass eine Vervielfältigung und Verbreitung einzelner Presseartikel im Rahmen eines Pressespiegels unter gewissen Voraussetzungen urheberrechtlich zulässig ist, allerdings eine Vergütung bezahlt werden muss, die von Verwertungsgesellschaften (VG Wort) geltend gemacht wird. Diese Vorschrift wird auch auf elektronische Pressespiegel angewandt. Darauf scheint Kleinz abzustellen, wenn er auf Pressespiegel nach geltendem Recht verweist.

Die Vorschrift des § 49 UrhG beschränkt die Rechte des Urhebers/Autors und schafft eine gesetzliche Lizenz, die dem Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst ungehinderten Informationsfluss dient und mithin explizit die Förderung der Informationsfreiheit beabsichtigt.

Das Leistungsschutzrecht für Verleger verfolgt eine exakt gegenläufige Zielsetzung. Dieses Instrument will die Rechte der Urheber und Rechteinhaber anders als § 49 UrhG nicht beschränken, sondern vielmehr erweitern. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass eine bloße Verlinkung eines bereits online befindlichen Werkes nach der Rechtsprechung des BGH („Paperboy“) keine urheberrechtlich relvante Nutzungshandlung darstellt. Genau hier setzt die Idee der Verleger vom Leistungsschutzrecht für Verlagsprodukte an. Man will damit etwas, was nach geltendem Urheberrecht erlaubt ist, einschränken bzw. einer Vergütungspflicht unterziehen.

§ 49 UrhG lässt also eine an sich unerlaubte Art der Nutzung im Interesse der Allgemeinheit zu, während das Leistungsschutzrecht für Verlage eine nach allgemeinen Kriterien zulässige Art der Nutzung einschränken, bzw. von einer Vergütungspflicht abhängig machen will.

§ 49 UrhG fördert deshalb die Informationsfreiheit, ein Leistungsschutzrecht für Verlage beeinträchtigt die Informationsfreiheit.

posted by Stadler at 12:30  

14 Comments

  1. Würde man so ein Leistungsschutzrecht nicht nur auf Verlage einschränken, sondern auf alle Artikel-Schreiber und Webseitenbetreiber erweitern, wäre das Internet tot.

    Deutschland fährt voll an die Wand, weil die am Steuer von einem Virus befallen zu sein scheinen, der blind macht.

    Comment by Frank — 16.05, 2011 @ 12:39

  2. Danke für die ausführliche Antwort.

    § 49 UrhG mag die Rechte der Verleger eingeschränkt habe, aber er hat gezielt die Verwertungsgesellschaft als Lösungsmöglichkeit zur Vermittlung zwischen den unterschiedlichen Interessen eingeführt. Wenn also der Gesetzgeber eine ähnliche Verwertungsgesellschaft-Konstruktion für Links einrichten will — wo wäre der prinzipielle Unterschied in Bezug auf die Grundrechte?

    Der Rückgriff auf die BGH-Rechtsprechung ist hier zu kurz gegriffen – denn der Gesetzgeber hat nun Mal mehr zu sagen als die Gerichte. Wenn er nun gewerbliche Nutzung von Links und Textausschnitten ins Urheberrecht aufnehmen will, muss man neu argumentieren.

    Ich möchte nicht per se Befürchtungen klein reden, aber eine etwas grundlegendere Beschäftigung mit den Grundlagen tut Not.

    Comment by Torsten — 16.05, 2011 @ 12:53

  3. Würdest Du als Blogger, weil Du Links setzt, also einen Vertrag mit der VG Wort schließen, um dann pro Link einen bestimmten Bertrag an die Verwertungsgesellschaft abzuführen? Oder würdest Du stattdessen erwägen, gar nicht mehr zu bloggen oder zumindest nicht mehr zu verlinken? Wenn Du die zweite Frage mit ja beantwortest, dann weißt Du, warum das Leistungsschutzrecht eine Gefahr für die Informationsfreiheit darstellt.

    Comment by Stadler — 16.05, 2011 @ 13:42

  4. Stadler: Ich weiß, dass das LSR eine Gefahr für die Informationfreiheit darstellt — die Frage habe ich nun oft genug beantwortet.

    Wie steht es mit meiner Frage von oben? Wo ist der grundrechtliche Unterschied zwischen gewerblicher(!) Abgabe offline und online?

    Comment by Torsten — 16.05, 2011 @ 13:59

  5. @Torsten:
    Mir ist nicht klar, mit welcher Konstruktion Du das genau vergleichen willst. Ich sehe derzeit keine Offline-Konstellation, die sich als Vergleich anbieten würde.

    Pressespiegel sind jedenfalls kein geeigneter Vergleichsmaßstab. Wenn Du diesen Vergleich ziehen willst, dann müsste der Gesetzgeber § 49 UrhG entsprechend erweitern. Das fände ich nicht schlecht und vor allen Dingen wäre ich auf das Hallo bei den Verlegern gespannt. ;-)

    Comment by Stadler — 16.05, 2011 @ 14:23

  6. Offline würde es in etwa gleichzusetzen sein, als würde man beim Vorbeigehen an einem Zeitungskiosk eine Abgabe zahlen müssen, weil man in der Lage war, die Headlines zu lesen.

    So absurd das offline klingt, so absurd ist es auch online.

    Comment by Frank — 16.05, 2011 @ 14:25

  7. Stadler: Wenn die Bundesjustizministerin neue Gesetze ankündigt, dann meint sie tatsächlich neue Gesetze. Ich verstehe wirklich nicht, wo Dein Verständnisproblem ist. Der Paragraph 49 könnte erweitert werden, er könnte auch komplett gestrichen werden. Wer macht noch Pressespiegel, wo Links oder eine Individualabrechnung doch so viel praktischer sind?

    Leutheusser überlegt gewerbliche Nutzung über eine Verwertungsgesellschaft abzuwickeln – es ist noch völlig offen, wie denn die Abgrenzung zur Privatnutzung funktionieren soll.

    Deine Argumente sind

    1. Das BGH-Urteil zu Paperboy (was nach einer neuen Gesetzgebung hinfällig ist)
    2. Ein Gesetz, das keinerlei Abgrenzung zwischen gewerblicher und privater Nutzung kennt (was Leutheusser nie vorgeschlagen hat)
    3. Ein Gesetz, das sich auf Links alleine bezieht (was Leutheusser ebenfalls nicht vorgeschlagen hat)

    BTW: Ich hab mich nie für diesen Vorschlag ausgesprochen. Ich habe lediglich die Hoffnung geäußert, dass man anhand dieses Vorschlags nochmal einige grundgesetzliche Grundlagen grundsätzlich besprechen kann.

    Das wichtigste Argument ist hier: eine (wie auch immer geartete) Linkfreiheit ist über die Meinungsfreiheit zu begründen. Die Einschränkung lediglich über die Eigentumsrechte. Diese Abwägung muss man nun fundiert unterlegen und begründen, welche großen bzw wie klein die Effekte auf das andere Recht sind.

    Comment by Torsten — 16.05, 2011 @ 14:57

  8. Der letzte Satz soll heißen:

    Diese Abwägung muss man nun fundiert unterlegen und begründen, welche Effekte die möglichen Implementationen auf die beiden Grundrechte hätte.

    Comment by Torsten — 16.05, 2011 @ 15:06

  9. @Torsten
    Ich habe mir den Blogbeitrag durchgelesen und finde keine griffige Argumente zur Beruhigung.

    Das Argument mit robots.txt halte ich für treffend, denn das Internet funktioniert anders als Papier. Suchmaschinen gibt es schon lange und damit diese funktionieren können, müssen sie Seiteninhalte „durchlesen“. Wer das nicht will, kann eine robots.txt nehmen.

    Dass Suchmaschinen Snippets des Seiteninhaltes anzeigen, hat den alleinigen Grund, dass wir Sucher alleine aufgrund der Snippets in den Suchtreffern entscheiden können, ob die Seite für uns relevant sein könnte oder nicht.

    Nun argumentieren die Verlage darauf, dass die Headline und der Textauszug (oft die Description) ja schon die Kernaussage des Artikels wäre. Und tatsächlich hat eine Überschrift und Kurzbeschreibung schon einiges an Informationscharakter (sollte ja jeder Blogger auswendig wissen). Und tatsächlich ließe sich daraus eine Art „News“ zusammenbauen, die quasi wie ein News-Ticker wirkt. Suchmaschinenbetreiber blenden sogar noch Werbung bei ihren Suchtreffern ein, man stelle sich sowas vor! :-)
    Und vermutlich ist es das, was L.S. meint mit ihrem abgespeckten Leistungsschutzrecht.

    Aber schauen wir das mal aus anderer Sicht an:
    Angenommen die Privatfirma Google würde sich zukünftig einen Filter einbauen, der die Seiten der Verlage aus den Suchmaschinenbesuchen ausnimmt. Damit wäre das Leistungsschutzrecht a la L.S. nicht mehr zu rechtfertigen. Die Verlage würden in Suchmaschinen auch zu bestimmten Themen nicht mehr gefunden werden, man denke an Fukushima.
    Es gäbe weder eine Verlinkung noch ein Snippet.
    Wo bleibt dann die Argumentation der Frau L.S.?

    Noch eine Sicht:
    Wer alles ist Verleger im Internet? Ist es auch der Blogger?
    Blogger schreiben Artikel die durchaus journalistischen Charakter haben und werden vor Gericht oft auch Journalisten gleich gestellt, wenn es um Abmahnungen und übler Nachrede geht.
    Blogger wissen aber auch, wie RSS und Trackbacks funktionieren.
    RSS als auch Trackbacks sehen doch irgendwie ziemlich wie Snippets aus?
    Selbst eine Twitternachricht mit Link sieht wie ein Snippet aus.

    Wo will Frau L.S. nun die Grenzen ziehen?
    Dürfen nur große Verlage abkassieren?
    Oder gilt das auch für Blogger?
    Müsste dann Thomas Stadler für den Link und den Bezug zum Blogeintrag zukünftig LS-Abgabe bezahlen?
    Wie wird die Welt des Bloggens nach einen LS-Gesetz aussehen?
    Brauchen wir im Internet eine noch größere Welt von Verwertungsgesellschaften?

    Kurzum: Es gibt die robots.txt und das hilft gegen „Contentklau“ durch Suchmaschinen.

    Comment by Frank — 16.05, 2011 @ 15:32

  10. Wer nicht will, dass seine Inhalte gelesen, zitiert und verlinkt werden, der soll sie nicht öffentlich zugänglich machen. Punkt.

    Ob und in welchem Umfang zitiert werden darf, dürfte das Urheberrecht schon geklärt haben. Warum es verboten sein soll, Links zu setzen, erschließt sich wohl nur den über 50-jährigen Anzugträgern im Bundestag.

    Comment by Seb — 16.05, 2011 @ 17:40

  11. Seb, Frank: Sagen wir einfach statt „robots.txt“ folgendes: Es gibt keinen Regelungsbedarf, der Markt richtet es. Das ist ein legitimer Standpunkt, ich persönlich tendiere auch dazu.

    Allerdings konnte man das mit gleicher Berechtigung zur Einführung des Paragraphen 49 sagen. Zumindest ist noch kein Argument gefallen, dass hier einen prinzipiellen Unterschied zeigen würde. Wozu eine neue gesetzliche Regel einführen, wenn die Unternehmen das eh unter sich regeln können.

    Das Problem zudem: die Regierung hat einen anderen Standpunkt und wird ihn mit einiger Wahrscheinlichkeit durchsetzen. Wir können nun abwarten bis der Gesetzentwurf vorliegt und dann Zeter und Mordio schreien. Oder schon mal ein wenig fundierte Gedanken machen.

    Comment by Torsten — 16.05, 2011 @ 18:01

  12. „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“

    Darauf summiert sich das Gebaren einiger Verleger im Umgang mit Suchmaschinen. Hat sich seit meinem Rechtsstreit (damals noch mit Winkelzug über den §87b UrhG) nicht geändert; vgl. http://www.wired.com/politics/law/news/2002/07/54083 bzw. Schriftsätze unter http://newsclub.de/prozess/ )

    Ich freue mich schon auf das entsprechende Urteil des BGH — auf den wird der ganze Mist leider letzten Endes abgeladen.

    Comment by Dr. Christian Kohlschütter — 16.05, 2011 @ 18:02

  13. @Torsten: Du verstehst das System des Urheberrechts nicht.

    Ein Link auf einen Inhalt, der bereits online ist und das ohne Zutun des Verlinkenden ist schon aus rechtsdogmatischen Gründen qualitativ etwas völlig anderes als eine Vervielfältigung. Der falsche Ansatz besteht bereits in der Annahme einer Nutzung. Der Link ist nach geltendem Recht keine Nutzung und er wird auch zu keiner, indem man § 49 UrhG erweitert. Vielmehr müsste der Gesetzgeber dafür hergehen und in das System der Verwertungsrechte (§§ 15 ff. UrhG) eingreifen. Hierzu müsste man dann § 15 Abs. 2 UrhG um ein Recht auf Verlinkung ergänzen und hierzu z.B. einen § 19b schaffen.

    Das hätte allerdings zur Konsequenz, dass der Urheber bestimmen kann, ob auf sein Werk (auf seinen Text) verlinkt wird oder nicht und jede Verlinkung auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk zunächst als Urheberrechtsverletzung zu qualifizieren ist. Von dieser Urheberrechtsverletzung müsste man dann durch eine gesetzliche Lizenz wieder eine Ausnahme schaffen.

    Die Unterscheidung zwischen gewerblicher und privater Nutzung ist dem Urheberrecht übrigens wesensfremd, weil es sich nicht um ein gewerbliches Schutzrecht handelt.

    Ich habe im übrigen immer schon die Ansicht vertreten, dass ein Link im Regelfall nichts anderes ist als ein elektronischer Quellenhinweis, den man nicht mit juristischen Mitteln einschränken kann. Es sei denn man möchte auch Fußnoten als Urheberrechtsverletzung qualifizieren. Tim Berners-Lee hat das vor vielen Jahren in großer Klarheit dargelegt. Daran sollte man sich orientieren.

    Wenn wir weiterhin mit dem Kampfbegriff des geistigen Eigentums agieren wollen, dann sollte man sich vielleicht stärker über die Sozialbindung des (geistigen) Eigentums Gedanken machen. Eine Informationsgesellschaft ist mit derart archaischen Denkmodellen schlecht für die Zukunft gerüstet.

    Comment by Stadler — 16.05, 2011 @ 21:22

  14. Thomas Stadler: Och, so groß sind meine Verständnislücken nun nicht :-)

    Ja: Privatnutzung ist wesensfremd — deshalb haben wir auch diese ständige Verwirrungen – Mal sind 7 Privatkopien OK, dann werden 14jährige Schülern mit Regelungen belastet, die auf gewerbsmäßige Nutzung gemünzt waren. Genau deshalb frage ich nicht nach der Auslegung des bestehenden Gesetzes, sondern nach der Grundrechtsproblematik, die Du jetzt ein weiteres Mal ignoriert hast.

    Und nein: Leutheusser-Schnarrenbergers Vorstoß zielt eben nicht auf bloße Links, wie ich schon in Punkt 7 nochmal hervorgehoben habe. Ihr Gesetzesentwurf — so es denn einen geben sollte — wird weder private, noch redaktionelle Linksetzung mit irgendeiner Gebühr belegen (wollen). Und damit fällt Dein Gegenargument (und das vieler anderer) in sich zusammen und die jeweilige Lobby kann sagen, man habe allen Bedenken Rechnung getragen.

    Comment by Torsten — 16.05, 2011 @ 21:56

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