Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

11.1.11

Medienaufsicht auf gut bayerisch

Wer glaubt, die Besetzung der Medienaufsicht mit verdienten Parteisoldaten sei ein ungarisches Phänomen, der hat sich nur noch nicht mit dem Streit um die Nachfolge von Wolf-Dieter Ring als Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) beschäftigt. Das Thema fristet in der Berichterstattung ein Nischendasein, obwohl es angesichts der Bedeutung der BLM, bei der derzeit auch die Kommission für Jugendmedienschutz angesiedelt ist, eigentlich ein mediales Top-Thema sein sollte.

Zumal die Empörung der CSU darüber, dass es nunmehr doch eine Gegenkandidatin zu Siegfried Schneider gibt, die noch dazu kompetent sein könnte, das Zeug zu einem politischen Lehrstück – oder doch Leerstück? – hat. Der Bericht der SZ macht deutlich, dass die Besetzung dieses Amtes, das sich eigentlich durch Staatsferne auszeichnen sollte, ausschließlich parteipolitischen Erwägungen folgt. Unabhängige Medienaufsicht Made in Germany.

posted by Stadler at 21:36  

11.1.11

Google-Analytics und der Datenschutz

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar vertritt weiterhin die Ansicht, dass das Statistik-Tool Google Analytics nicht den Anforderungen des deutschen Datenschutzrechts genügt. Casper gibt an, er habe deshalb die Gespräche mit Google abgebrochen und wolle Bußgelder gegen Unternehmen verhängen, die Analytics weiterhin einsetzen und erwäge auch einen Musterprozess.

Google verweist demgegenüber darauf, dass man speziell nach den jüngsten Änderungen, also der Einführung des sog. IP-Masking und von Browser-Erweiterungen, die die Übermittlung von IP-Adressen an Google unterbinden sollen, den Forderungen des Düsseldorfer Kreises nachgekommen sei und man im übrigen auch die Rückmeldung von europäischen Datenschutzstellen hätte, dass Google Analytics den Vorgaben des EU-Datenschutzrechts entsprechen würde.

Dass der Hamburger Datenschutzbeauftragte die Ansicht aller deutschen Landesdatenschutzbehörden wiedergibt, darf bezweifelt werden. Mir liegt ein Schreiben des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht aus dem Dezember 2010 vor, in dem bestätigt wird, dass mit dem Einsatz des IP-Masking eine der wesentlichen Forderungen der Datenschutzafsicht erfüllt wird und, dass man in diesem Fall gegen den Einsatz von Google Analytics keine Einwände mehr habe, sofern auf den Einsatz hingewiesen wird (§ 13 Abs. 1 TMG), dem Nutzer ein Widerspruchsrecht gegen die Erstellung von pseudonymen Nutzerprofilen eingeräumt wird (§ 15 Abs. 3 TMG) und hierauf ebenfalls hingewiesen wird.

Ich halte diese Einschätzung der bayerischen Aufsichtsbehörde auch noch für teilweise unzutreffend, weil beim Einsatz des IP-Masking keine pseudonymisierten Nutzerprofile erstellt werden, weshalb es bereits an den sachlichen Voraussetzungen für eine Anwendung von § 15 Abs. 3 TMG fehlt. Das Schreiben des Bayerischen Landesamts belegt aber andererseits, dass man dort – anders als im Hamburg – davon ausgeht, dass mithilfe der zusätzlichen Einbindung des Codes für das IP-Masking eine datenschutzkonforme Nutzung von Analytics möglich ist.

Es muss im übrigen darauf hingewiesen werden, dass weder der hanseatische Datenschutzbeauftragte noch der sog. Düsseldorfer Kreis über eine Deutungshoheit zum Datenschutz verfügt. Dort werden auch nur Rechtsansichten vertreten, die man nicht teilen muss. Letztlich ist es Sache der Gerichte, die Streitfragen zu klären.

Die Diskussion zeigt allerdings, dass das Datenschutzrecht dringend eine konkrete Regelung für Tracking-Technologien benötigt, damit sowohl die zahlreichen Nutzer derartiger Programme als auch deren Anbieter Rechtssicherheit erlangen. Google ist außerdem nicht der einzige Anbieter von Tracking-Technologie, stellt aber derzeit im Bereich des Datenschutzes bekanntlich so eine Art Prügelknabel dar.

posted by Stadler at 16:32  

11.1.11

Access-Sperren in der EU

Die Diskussion über den Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie geht in ihre entscheidende Phase. Der Entwurf sieht in seinem Art. 21 vor, dass die Mitgliedsstaaten die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen haben, um sicherzustellen, dass der Zugang zu Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten blockiert wird.

Gestern hat hierzu eine Ausschussanhörung im EU-Parlament stattgefunden. Außerdem liegt mittlerweile der Draft Report (Angelilli-Report) des Europäischen Parlaments vor, der eine Reihe von Änderungsvorschlägen enthält. Der Änderungsvorschlag zu Art. 21 (Amendment 37) lautet:

Member States shall take the necessary measures to obtain the removal at source of the web page containing or disseminating child pornography. In addition, in order to protect the best interest of the child, Member States may set up procedures to block access by Internet users in their territory to Internet pages containing or disseminating child pornography in accordance with national law. The blocking of access shall be subject to adequate safeguards, in particular to ensure that the blocking is limited to what is necessary, that users are informed of the reason for the blocking and that content providers, as far as possible, are informed of the possibility of challenging it.

Dieser Änderungsvorschlag beinhaltet die Verpflichtung Maßnahmen zur Löschung/Beseitigung entsprechender Inhalte zu ergreifen. Die umstrittene Zugangsblockade ist nur noch fakultativ vorgesehen.

Nachdem allerdings sowohl die Kommission als auch der Rat als Sperrbefürworter gelten und sich die Justizminister der Mitgliedsstaaten schon auf Netzsperren verständigt haben, ist selbst für diese abgeschwächte Form eine Mehrheit im Parlament wohl eher fraglich.

Der Richtlinienentwurf geht mit seiner Beschränkung auf das Web, die auch in Amendment 11 des Angelilli-Report  ausdrücklich enthalten ist, nach wie vor komplett an der Realität vorbei. Das WWW ist, wie auch neue Studien belegen, kein relevanter Umschlagsplatz für Missbrauchsdarstellungen im Internet und kann bestenfalls als Nebenkriegsschauplatz bezeichnet werden. Der Richtlinienvorschlag ist in diesem Punkt also noch nicht einmal auf den Kern des Problems hin ausgerichtet. Ganz unabhängig davon, dass er mit Access-Sperren ein ungeeignetes Instrument zur Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs wählt.

posted by Stadler at 11:59  

10.1.11

Keine Haftung von Rapidshare für Urheberrechtsverletzungen

Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 21.12.2010 (Az.: I-20 U 59/109) nochmals bestätigt, dass der Sharehoster Rapidshare nicht für Urheberrechtsverletzungen der Nutzer des Dienstes verantwortlich ist und insoweit nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann. Das hatte das OLG Düsseldorf bereits mit Urteil vom 27.04.2010 so gesehen, auf das in der Entscheidung ausdrücklich Bezug genommen wird.

Das OLG Düsseldorf führt ergänzend aus, dass es Rapidshare nicht möglich ist, allein anhand des Dateinamens – wie von der Klägerin verlangt – eine Speicherung des Computerspiels „Alone In The Dark“ zu unterbinden und der Klageantrag insoweit auch zu weit gefasst ist.

Der Senat hat die Revision zum BGH zugelassen.

posted by Stadler at 18:25  

9.1.11

Daten auf dem Silbertablett

Der Umstand, dass Twitter kürzlich Nutzerdaten – vor dem Hintergrund von Ermittlungen gegen Wikileaks-Chef Assenge – an die US-Regierung herausgegeben hat, wird gerade intensiv diskutiert. Es scheint hierbei offenbar die Ansicht vorzuherrschen, derartiges sei in Deutschland nicht oder nur erschwert möglich.

Dass das ein Irrglaube ist, legt der Kollege Vetter in seinem Blog anschaulich dar. Diese Einschätzung entspricht auch meiner Erfahrung. Seit vielen Jahren liefern Provider und Portalbetreiber den Ermittlungsbehörden oftmals ohne großen Widerstand alle möglichen Daten auf Anfrage hin. Das Spektrum reicht von Bestandsdaten bis hin zu konkreten Kommunikationsinhalten. Oft genug werden hierbei durch die Behörden auch die gesetzlichen Vorgaben nicht beachtet. In vielen Fällen genügt faktisch ein Fax einer Polizeidienststelle oder KPI mit einer „Auskunftsanfrage“ und die Behörden bekommen die gewünschten Daten auf dem Silbertablett. Eine gewisse Erschwernis dieser zum Teil rechtswidrigen Praxis ist nun dadurch eingetreten, dass viele Provider und Portalbetreiber IP-Adressen nicht mehr oder nur nur noch sieben Tage speichern und danach keine Auskunft mehr erteilen können, weil die gewünschten Daten nicht mehr vorhanden sind. Der Grund hierfür ist übrigens nicht der Wegfall der Vorratsdatenspeicherung, sondern der Druck der von den Datenschutzbehörden ausgeht. Ein Umstand, der auch in der aktuellen Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung zu wenig beachtet wird. Die (politische) Diskussion müsste eigentlich konkret das Spannungsverhältnis von Datenschutz und staatlichem Sicherheitsinteresse beleuchten. Diese Diskussion scheint aber politisch nicht erwünscht zu sein.

Ich habe vor einiger Zeit mal einen ISP vertreten, der eine formlose Anfrage des Bundeskriminalamts auf dem Tisch hatte, zu einer IP-Adresse die „Bestandsdaten“ eines Kunden zu liefern. Der Provider hat die Herausgabe verweigert und gab dem BKA die Rückmeldung, dass man mit der ermittelnden Staatsanwaltschaft im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben natürlich kooperieren würde, aber für eine Beantwortung dieser formlosen Anfrage keine rechtliche Verpflichtung erkennen könne. Der Provider hat von dem Vorgang nie wieder etwas gehört, weder das BKA noch eine Staatsanwaltschaft ist je wieder bei dem ISP vorstellig geworden.

Die meisten Anbieter sind allerdings nicht so widerspenstig, sondern kooperieren bereitwillig mit den Behörden. Zum Teil weil man glaubt, dazu stets verpflichtet zu sein, teils deshalb, weil man keinen Ärger mit der Staatsgewalt haben möchte.

Auch richterliche Beschlüsse über die Beschlagnahme von Kommunikationsinhalten gibt es in Deutschland sehr häufig und oftmals auch sehr zügig. Die Bedeutung des Richtervorbehalts wird insgesamt stark überschätzt.

posted by Stadler at 14:06  

8.1.11

Fefe, Ziercke und die Blogente

Fefe, der Typ mit den Verschwörungslinks, den manche auch die Bildzeitung des CCC nennen, kommt in seinem Blog mit einer ganz großen Meldung raus. „Ein Richter am OLG Karlsruhe hat Ziercke wegen Beihilfe zum Mord angeklagt“ kann man da lesen.

Nachdem Richter bekanntlich seit den Zeiten der Inquisition nicht mehr anklagen, war ich auf den Beitrag bei Spiegel-Online, auf den Fefe verweist, doch gespannt. Und dort steht dann, dass Thomas Schulte-Kellinghaus, Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe, Strafanzeige gegen den Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, gestellt habe.

Und wenn ich schon mal dabei bin lieber Spiegel, Strafanzeigen werden erstattet, Strafanträge werden gestellt, aber das nur am Rande.

Also ein Richter des OLG Karlsruhe hat privat oder auch in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der Neuen Richtervereinigung Strafanzeige gegen den BKA-Präsidenten erstattet. Ein Ermittlungsverfahren wurde offenbar aber nicht eingeleitet und von einer Anklage kann erst Recht keine Rede sein.

Ist das also eine Meldung? Eigentlich nicht.

Update:
Fefe hat mittlerweile den Text geändert. Jetzt steht dort nicht mehr wie ursprünglich angeklagt, sondern angezeigt.

posted by Stadler at 16:45  

7.1.11

OLG Köln zum gewerblichen Ausmaß des Filesharing

Das OLG Köln hat mit Beschluss vom 27.12.2010 – wie bereits vor einigen Monaten – das gewerbliche Ausmaß in Fällen des Filesharing zumindest etwas eingeschränkt. Der 6. Senat des OLG Köln scheint in neuer Besetzung damit einer etwas realitätsnäheren Betrachtung zuzuneigen und geht davon aus, dass bei Musikalben und Filmwerken regelmäßig nur in den ersten sechs Monaten nach Veröffentlichung von einem gewerblichen Ausmaß auszugehen ist. Bei Filmen knüpft das OLG hierbei an den Zeitpunkt der DVD-Veröffentlichung an.

Das Landgericht Köln wird diese Rechtsprechung zum Anlass nehmen müssen, bei der Geltendmachung von Auskunftsansprüchen nach § 101 UrhG das Alter des Werkes zu prüfen und bei älteren Werke eine richterliche Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG zu versagen.

Lesenswert sind auch die Beiträge der Kollegen Vetter und Dosch zum Thema.

posted by Stadler at 14:09  

7.1.11

Juristische Verbände bewerten Vorratsdatenspeicherung unterschiedlich

Die Neue Richtervereinigung spricht sich in einer aktuellen Pressemitteilung gegen eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung aus und versucht damit Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger den Rücken zu stärken.

Der deutlich mitgliederstärkere Deutsche Richterbund hatte sich im Dezember allerdings für eine rasche gesetzliche Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Demgegenüber plädiert der Deutsche Anwaltverein für eine Evaluierung der EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung und lehnt gleichzeitig eine verdachtslose Speicherung, wie sie bislang vorgesehen war, ab.

Dass die politische Diskussion zum Thema wieder zunimmt, zeigt auch der neuerliche, wenig überraschende Vorstoß der CSU für eine anlasslose Speicherung von TK-Daten auf Vorrat.

posted by Stadler at 13:27  

5.1.11

Zweierlei Maß

Die EU-Kommission hält Netzsperren in der Türkei – auch soweit es um die Darstellung von Kindesmissbrauch geht – für einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention, während sie nunmehr im Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern dieselben Maßnahmen von den eigenen Mitgliedsstaaten fordert.

Plausibel erklären kann die Kommission das nicht, wie ihre Antwort auf eine schriftliche Anfrage von drei Abgeordneten der Liberalen Demokraten zeigt. Die Unglaubwürdigkeit und Widersprüchlichkeit der Haltung der Kommission, insbesondere von Kommissarin Malmström, könnte kaum deutlicher hervortreten.

posted by Stadler at 21:37  

5.1.11

BGH: Bildagentur haftet nicht für Presseveröffentlichungen

Der BGH hat mit Urteil vom 07.12.2010 (Az.: VI ZR 34/09) entschieden, dass ein kommerzielles Bildarchiv, das der Presse gegen Entgelt u.a. Fotos von Personen zur Verfügung stellt, nicht wegen einer anschließenden Veröffentlichung dieser Bildnisse in Haftung genommen werden kann. Der Bundesgerichtshof betont in seiner Entscheidung die Wirkung der Pressefreiheit und führt in den Urteilsgründen u.a. aus:

Eine Verpflichtung des Betreibers eines Bildarchivs, ausnahmslos oder doch regelmäßig vor Herausgabe von angefordertem Bildmaterial zu prüfen, für welche Zwecke dieses verwendet werden soll, besteht aufgrund der Störerhaftung nicht. Eine derart umfangreiche Obliegenheit würde die Betreiber von Archiven in technischer, persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht überfordern und das Betreiben von umfangreichen Text- und Bildarchiven letztlich wegen der sich aus der Überwachungspflicht ergebenden Haftungsrisiken in unzumutbarer Weise erschweren. Ein solcher Eingriff in die Pressefreiheit ist auch im Bereich der Störerhaftung aus den vorstehend erörterten Gründen nicht zu rechtfertigen.

posted by Stadler at 12:44  
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