Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.1.11

Eiertanz um Netzsperren beenden

Bayerns Innenminister Herrmann hat im Kampf gegen Kinderpornografie wieder einmal Netzsperren gefordert. Seine Argumente sind die alten, die auch durch ständige Wiederholung nicht richtiger werden. Warum solche Access-Blockaden in tatsächlicher Hinsicht nicht nur nutzlos, sondern sogar kontraproduktiv sind, habe ich in der Anhörung im Unterausschuss neue Medien des Bundestages erläutert. Während die technischen und juristischen Sachverständigen das Zugangserschwerungsgesetz fast einhellig ablehnen, machen Politiker weiterhin das, was sie am Besten können, nämlich den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Und hinterher sind manche gar erstaunt darüber, dass immer mehr Bürger dieses Schauspiel nicht länger tolerieren wollen und sich eine gewisse Politikverdrossenheit breit macht.

In einem Punkt muss man Herrmann allerdings zustimmen. Der aktuelle Eiertanz, den die Regierungskoalition aus Union und FDP aufführt, der darin besteht, ein in Kraft befindliches Gesetz auf Basis einer rechtswidrigen Verwaltungsanweisung nicht anzuwenden, ist zu beenden. Speziell die FDP sollte sich nunmehr endlich entschließen, den bereits im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Anträgen von SPD, Grünen und Linken zur Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes zuzustimmen oder das Gesetz eben nunmehr zu vollziehen. Die FDP kann nicht gleichzeitig dafür und dagegen sein – das schafft allenfalls Horst Seehofer – sondern muss Farbe bekennen. Dann sind zumindest die Fronten geklärt und die rechtliche Überprüfung des verfassungswidrigen Gesetzes kann in Karlsruhe erfolgen.

posted by Stadler at 12:02  

4.1.11

Ist YouTube Fernsehen?

Nach Medienberichten will man in Italien Videoportale wie YouTube dem Rundfunk gleichsetzen. Hierfür ist in der „Videocracy“Italien offenbar noch nicht einmal ein Gesetz erforderlich, es genügt vielmehr eine Verfügung der dortigen Regulierungsbehörde.

Allerdings gilt auch in Italien die E-Commerce-Richtlinie, die zugunsten von Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft Haftungsprivilegierungen schafft. Der EuGH hatte erst kürzlich entschieden, dass Google bzw- der Dienst Google AdWords als ein Dienst der Informationsgesellschaft zu qualifizieren ist, weshalb wenig Zweifel daran bestehen kann, dass auch YouTube der Vorschrift des Art. 14 ECRL für das Hosting unterliegt und sich zudem auch darauf berufen kann, dass Diensten der Informationsgesellschaft keine allgemeinen Kontroll- und Überwachungspflichten auferlegt werden dürfen (Art. 15 Abs. 1 ECRL).

Online-Dienste dürfen also gerade nicht wie Rundfunk reguliert werden. Die italienische Gleichsetzung von eigenem, journalistisch-redaktionellen Inhalten und User-Generated-Content, der von einem Plattformbetreiber nur gehostet wird, verstößt gegen europäisches Recht.

Es geht auch in Italien, ähnlich wie in Ungarn, um eine verstärkte staatliche Medienkontrolle, die sich zensurähnlicher Instrumente bedient.

Es würde mich nicht wundern, wenn Google YouTube Italien jetzt schließt. Allein, das wäre das falsche Signal gegenüber einem rechtswidrigen staatlichen Handeln.

posted by Stadler at 16:42  

3.1.11

Nichts reimt sich auf Uschi

Der bekannte und eher humorfreie Comedian Mario Barth ist unlängst mit zweifelhaften wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen aufgefallen, wie der Kollege Breuer in seinem Blog berichtet.

Mario Barth reklamiert für die Aufschrift „Nichts reimt sich auf Uschi“ auf T-Shirts eine wettbewerbliche Eigenart zu seinen Gunsten und hat gleich auch noch eine entsprechende Marke angemeldet, die aber noch nicht eingetragen ist.

Ich hatte irgendwie in Erinnerung, dass dieser wahnsinnig geistreiche Spruch einer Liedzeile eines gleichermaßen talentfreien Ballermann-Barden entstammt, aber der Kollege Breuer hat recherchiert, dass der Unfug schon fast zwanzig Jahre alt ist.

Barth druckt also einen zwanzig Jahre alten Spruch auf ein T-Shirt, rührt ein bisschen die Werbetrommel und möchte dann anderen verbieten, denselben Unfug ebenfalls auf Textilien zu drucken. Geht das?

Nach §§ 3, 4 Nr. 9 UWG besteht ein sog. Nachahmungsschutz, wenn ein Leistungsergebnis – also das T-Shirt mit Aufdruck – sog. wettbewerbliche Eigenart aufweist und zusätzlich besondere Umstände vorliegen, die die Nachahmung als unlauter erscheinen lassen.

Da Mario Barth selbst bereits Nachahmer ist, dürfte schon die Annahme, der Verkehr könnte glauben, dass der Spruch von ihm stammt (betriebliche Herkunft), zweifelhaft sein. Der BGH hat in anderem Zusammenhang auch entschieden, dass ein Nachahmungsschutz für eine Kennzeichnung dann ausscheidet, wenn eine bereits gängige Bezeichnung lediglich aufgegriffen wird, weil es in diesen Fällen bereits an einem Ergebnis einer (eigenen) Leistung fehlt.

Und mit diesem Manko scheint mir Mario Barth, allerdings nicht nur in der konkreten Fallgestaltung, zu kämpfen zu haben.

posted by Stadler at 14:14  

3.1.11

EuGH zum urheberrechtlichen Schutz grafischer Benutzeroberflächen

Mit Urteil vom 22.12.2010 (Az.: C?393/09) hat der EuGH über die Frage des urheberrechtlichen Schutzes grafischer Benutzeroberflächen von Computerprogrammen entschieden. Die Leitsätze des EuGH lauten:

1. Eine grafische Benutzeroberfläche stellt keine Ausdrucksform eines Computerprogramms im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen dar, und sie kann nicht den urheberrechtlichen Schutz für Computerprogramme nach dieser Richtlinie genießen. Eine solche Schnittstelle kann jedoch nach der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft urheberrechtlich als Werk geschützt sein, wenn sie eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellt.

2. Die Ausstrahlung einer grafischen Benutzeroberfläche im Fernsehen stellt keine öffentliche Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Werkes im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar.

Der EuGH stellt zunächst klar, dass die Benutzeroberfläche keine Ausdrucksform eines Computerprogramms darstellt und insoweit auch nicht dem spezifischen urheberrechtlichen Schutz als Computerprogramm unterliegt.

Der EuGH prüft anschließend, ob die grafische Benutzeroberfläche in den Genuss des allgemeinen Urheberrechtsschutzes nach der Richtlinie 2001/29 gelangen kann und führt dazu aus, dass ein solcher Schutz in Betracht kommt, sofern eine geistige Schöpfung vorliegt.

Bei der Beurteilung dieser Frage muss das nationale Gericht die Anordnung oder spezifische Konfiguration aller Komponenten berücksichtigen, aus denen sich die grafische Benutzeroberfläche zusammensetzt und prüfen, ob das Kriterium der Originalität erfüllt ist.

Das Kriterium der Originalität ist nach Ansicht des EuGH nicht erfüllt, wenn der Ausdruck dieser Komponenten durch ihre technische Funktion vorgegeben ist.


posted by Stadler at 11:26  

2.1.11

Urteile „Perlentaucher“ im Volltext

Die zwei Urteile des BGH vom 01.12.2010 „Perlentaucher“ (I ZR 10/08 und I ZR 13/08) sind seit einigen Tagen im Volltext online. Die Perlen nach denen das Onlinemagazin taucht, sind Artikel aus den Feuilletons großer Zeitungen, die kurz zusammengefasst und anschließend auch, z.B. wenn es sich um Rezensionen handelt, an Anbieter wie Amazon weiter lizenziert werden. Hiergegen hatten die FAZ und die SZ geklagt, weil sie ihre urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den Texten verletzt sahen.

Der Bundesgerichtshof hat eine in der Sache zu erwartende Entscheidung getroffen, die auch für Blogger, die gerne Zeitungsartikel zusammenfassen, von Bedeutung ist.

Eine Zusammenfassung eines fremden, urheberrechtlich geschützten Texts stellt nach der Entscheidung des BGH regelmäßig eine zulässige, freie Benutzung des Ausgangswerks nach § 24 UrhG dar. Diese Betrachtung kann sich aber dann ändern, wenn Passagen des Werkes wörtlich übernommen werden, weil es sich dann um eine abhängige Bearbeitung (§ 23 UrhG) handeln kann, die der Zustimmung des Urhebers bedarf.

Der BGH erläutert anschließend, nach welchen Kriterien er die zulässige freie Benutzung von der zustimmungspflichtigen abhängigen Bearbeitung eines fremden Werks abgrenzt. Hierbei geht der BGH ganz allgemein davon aus, dass es entscheidend auf den Abstand ankommt, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes einhält. Maßgeblich ist, ob die Zusammenfassung trotz Übereinstimmungen in der Gesamtschau einen so großen äußeren Abstand zum Schriftwerk einhält, dass sie als ein selbständiges neues Werk anzusehen ist.

Der BGH macht hierbei deutlich, dass die bloße Kürzung eines Originaltextes bei gleichzeitiger Übernahme besonders aussagekräftiger und markanter Textpassagen nicht als eine erhebliche eigenschöpferischer Leistung zu betrachten ist, womit im Ergebnis eher eine (unzulässige) abhängige Bearbeitung vorliegt.

Der BGH prüft anschließend auch noch wettbewerbsrechtliche Ansprüche und verneint zunächst Ansprüche nach §§ 3, 4 Nr. 9 UWG, hält allerdings Ansprüche wegen gezielter Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) für denkbar und hat den Rechtsstreit insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Onlinemagazin Perlentaucher wird in dem Rechtsstreit bzgl. einiger Abstracts, die sehr nah an der Originalrezension bleiben, wohl unterliegen.

posted by Stadler at 12:19  
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